NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU und auf dem Foto links) verließ sich bei seinen Beschuldigungen gegen einen Ex-Mitarbeiter auf die Aussagen seiner Mitarbeiter
Gestern war ich bis spät in den Abend hinein im Uhlenberg-Untersuchungsausschuss des Landtages zum möglichen Machtmissbrauch des Umweltministers Eckhard Uhlenberg gegen einen unliebsamen Mitarbeiter. Was ist sah, verschlug mir schon die Sprache. Es redeten vor allem die Hauptbelastungszeugin Dorothea Delpino und der Chefverfolger im Umweltministerium, Justiziar und Ministerialrat Jörg-Michael Günther. Sie redeten über den Beginn des Verfahrens und ihre Rolle darin. Und beide waren empört, dass ihr Verhalten hinterfragt wurde. Zur Erinnerung: Aufgrund der Korruptionsvorwürfe von Delpino, einer ehemaligen engen Mitarbeiterin des Abteilungsleiters im Umweltministeriums Harald Friedrich, wurde dieser gefeuert, inhaftiert, sein Haus durchsucht und mehrere tausend Telefonate und Emails belauscht. Wegen des von Ministerialrat Günther befeuerten Verfahrens wurde eine Firma ruiniert, mehrere Menschen verloren ihren Arbeitsplatz und über ein dutzend Professoren, Institutsleiter und normale Angestellte wurden verfolgt.
Allen voran Belastungszeugin Delpino kann nicht verstehen, was sie falsch gemacht haben sollte. Sie fühlte sich vom Abteilungsleiter unter Druck gesetzt, sie sah ihn andere mobben und sie wollte ihn bekämpfen. Dazu suchte sie die Rückendeckung von Umweltstaatssekretärs Alexander Schink. Sie sagte im Untersuchungsauschuss, bevor sie belastendes Material gegen Friedrich heranschaffen wollte, um seine Kündigung zu erreichen, wollte sie sichergehen, dass die Vorgesetzten auch gegen ihren Abteilungsleiter vorgehen. Sie sagte, sie habe erlebt, wie Friedrich mit einzelnen Mitarbeitern nicht sprach, sie ignorierte oder runterputzte, wenn ihm was nicht passte.
Delpino ist schwergewichtig, mit schwarzen Haaren, und einer Gesichtsfarbe, der man viele Zigaretten ansieht. Sie wird aggressiv, wenn man sie nach der Verhältnismäßigkeit ihrer Mittel fragt. Sie stänkert im Untersuchungsausschuss gegen Parlamentarier, wenn ihr Fragen nicht passen. Und sie sagt, sie habe dreimal mit dem Staatssekretär gesprochen. Einmal in dessen Büro, einmal im Landtag und einmal an einem ungenannten Ort. Er habe ihr versichert, dass er gegen Friedrich vorgehen werde, wenn er etwas Konkretes gegen ihn in die Hand bekomme.
Für Delpino das Signal Spitzelberichte zu schreiben. Akten hinter dem Rücken von Arbeitskollegen zu durchforsten und Verfehlungen zu sammeln. Und zu berichten. Zu schreiben, persönliche Noten an den Staatssekretär. Und ihn um „Schutz“ zu bitten, wie Delpino sagt. Sie zu schützen vor den möglichen Verfolgungen durch Friedrich. Es musste schnell gehen, sagt sie, denn Friedrich war im Urlaub. In Amerika. Er konnte sich nicht wehren. Schnell, schnell. Sie sagt, sie hatte Angst, wenn zurückkommt, dass er dann gegen sie vorgeht. Sie sagt, sie habe mit ihren Angaben sicherstellen wollen, dass Friedrich ein Kündigungsverfahren an den Hals bekommt.
Selbst wenn Friedrich ein Ekel im Amt war, wäre es nicht der richtige Weg gewesen, mit dem Personalrat eine Lösung zu finden? Später sagt ein Mitglied des Personalrates aus, Friedrich habe tatsächlich Mitarbeiter geärgert. Mag sein, aber warum hat der Personalrat dann nicht dieses Problem besprochen und stattdessen zumindest in der einen Person mitgeholfen Verfehlungen zu sammeln?
Egal. Zurück zu Delpino. Sie schrieb also Gerüchte zusammen, über den Abteilungsleiter. Schrieb von einem Laptop, den Friedrich sich bei der Uni Aachen im Zusammenhang mit einem Projekt organisiert haben soll. Sie bestätigt, diesen Vorwurf im Untersuchungsausschuss, sagt das sei ungewöhnlich. Und Sie sagt noch etwas: der Rechner habe eine Inventarnummer der Uni Aachen gehabt. Korruption? So ein Schwachsinn. Was sie nicht sagt: Der Laptop hatte nicht nur eine Nummer der Uni Achen. Auf ihm war eine Testversion eines Programmes, dass im Zusammenhang mit dem Projekt entwickelt wurde. Ein komplexes großes Programm mit einer riesigen Datenbank. Dieses Programm wurde auf dem Rechner aktualisiert. Friedrich hatte so die Möglichkeit die Arbeitsfortschritte in dem Projekt zu kontrollieren. Nachdem Friedrich aus Amt ausgeschieden ist, hat er den Rechner an die Uni Aachen zurückgegeben, da der Rechner der Uni Aachen gehört. Auch das hätte Frau Delpino sagen können. Allein, sie tat es nicht.
Die Belastungszeugin berichtet stattdessen davon, dass sie Fronleichnam 2006 ins Ministerium ging, weil sie gehört hatte, dass dort eine Gruppe von Hausjuristen sitzt, um über ihre Spitzelberichte und Vorwürfe gegen Friedrich zu beraten. Sie sagt, sie habe wissen wollen, was die Juristen von ihrem kompromittierenden Material halten. Ob es ausreicht, Friedrich zu feuern. Sie sagt, sie habe die Juristen angerufen. Sich mit ihnen im Ministerium getroffen. Sie sagt, sie habe mit dem Ministerialrat Günther gesprochen.
Sie habe ihm berichtet, dass Friedrich ihr die Fragen bei einem Einstellungsgespräch vorab genannt hatte. Sie sagt, sie habe das getan, um sicherzustellen, dass gegen Friedrich ein Kündigungsverfahren durchgesetzt werden kann. Er also quasi von Amts wegen aus dem Amt gemobbt werden kann. Es sei ja so etwas wie Geheimnisverrat.
Delpino sagt, sie habe Günther gefragt, ob sie ein Diziplinarverfahren wegen der Einstellungsgeschichte gegen sich selbst beantragen solle. Sie sagt, Ministerialrat Günther habe gesagt, das sei nicht nötig, er sehe dazu keine Notwendigkeit.
Ministerialrat und Jurist Günther ist nach eigenen Worten für „Recht und Gesetz“ im Umweltministerium zuständig. Er hat aufgrund der Vorwürfe, die Delpino dann auch schriftlich machte, Friedrich vom Dienst suspendiert und fristlos gekündigt. Vorwurf: „Geheimnisverrat“. Eine Strafanzeige in der Sache gegen Friedrich folgte – gegen Delpino wurde nichts unternommen.
Später wird Ministerialrat Günther von SPD-Mann Thomas Stotko im Untersuchungsausschuss gefragt, ob er Delpino gesagt habe, dass sie kein Diziplinarverfahren in der Sache "Geheimnisverrat" zu befürchten habe, wenn sie Friedrich belaste. Ministerialrat und Jurist Günther sagt laut und deutlich, bestimmt und fest vor dem Untersuchungsausschuss ein Wort – mehr nicht: „Nein“.
Einer lügt. Wer?
Stotko konfrontiert Günther mit der Aussage Delpinos. Der Jurist aus dem Umweltministerium zögert, wirkt unsicher, sagt dann: „Ich habe dazu keine konkrete Erinnerung.“
Von einen festen „Nein“ zu einer Gedächtnislücke innerhalb von Sekunden. Bravo.
Gegen Delpino wurde übrigens nach Friedrichs Entlassung nicht nur KEIN Diziplinarverfahren eröffnet, sie wurde sogar noch befördert.
Ministerialrat Günther sieht aus wie ein Radfahrer im Nadelstreifenanzug. Ein hageres Gesicht, Bräune, wie aus dem Solarium, graue, kurze Haare, nach hinten gestriegelt, zögerliches, bedenkliches Auftreten, Worte abwägend. Um dann allzu oft zu sagen: „Ich habe dazu keine konkrete Erinnerung.“
Ministerialrat Günther ist ein Mann wie aus einem Kafka-Roman. Ein sich nicht immer an seine eigenen Taten erinnernder Bürokrat, gestrandet in der Hierarchie irgendwo in der Mittelebene. Sein Wort entschied als Personaljurist und Referatsleiter über Karrieren und über Entlassungen. Günther erzählt, er habe „Verwaltungsermittlungen“ gegen Mitarbeiter geführt, wiederholt. Nicht immer sei alles aktenkundig geworden, was er tat, sagt er. Günther redet, als sei er Ankläger und Ermittler und Gericht in einer Person. Der FDP-Abgeordnete Holger Ellerbrock nennt ihn einmal den „Ritter für Recht und Ordnung“. Ich nehme an, das war als Kompliment gemeint.
Besonders genervt, ja aggressiv reagiert Günther, wenn er von dem Grünen Abgeordneten Johannes Remmel im Untersuchungsausschuss angesprochen wird. Ob es denn zutreffe, fragt der Grüne den Juristen, dass er in einem dauerhaften Verhältnis das Landeskriminalamt (LKA) bei dessen Ermittlungen befeuert habe? Günther wiegelt ab.
Remmel hält Günther seine andauernden Kontakte, Berichte und Vermerke vor, die er in zwei Jahren an das LKA in Sachen Ermittlungen Friedrich geschickt habe.
Eine Zeugin berichtet, Günther sei so etwas wie der Leiter der Kommission Amtshilfe im Umweltministerium gewesen. Er habe damit die Aufgabe gehabt, das LKA zu unterstützen.
Günther kann sich entweder nicht konkret erinnern oder hält alles für normal, wenn es darum geht einen Mann zu verfolgen.
Und dann schiebt Remmel den Juristen Günther in die Ecke des Rings.
Nachdem Friedrich im Jahr 2008 verhaftet worden war, dann freikam, berichtete ich unter anderem hier, klick, wie das Umweltministerium bis in die Hausspitze hinein das Verfahren befeuerte. Günther musste aufgrund meiner Berichte eine Stellungnahme an Minister Uhlenberg schreiben. Ob das, was ich sagte, auch stimme? Günther schrieb dem Minister, es habe schon "lange" vor den Hausdurchsuchungen (Ende Mai 2008) keine Kontakte zum LKA mehr gegeben. Man habe stattdessen in der Kommission Amtshilfe damit gerechnet, dass das Verfahren eingestellt werde. Von den Aktionen und der Verhaftung Friedrichs sei man deswegen (Ende Mai 2008) überrascht gewesen.
Hat Günther seinen Chef falsch informiert?
Remmel legt Emails von Günther auf den Tisch. Aus diesen geht hervor, wie das LKA nur wenige Wochen vor den Hausdurchsuchungen und der Festnahme von Friedrich über Günther auf die Herausgabe von belastenden Unterlagen drängt, wie Günther sich Mitte April für das LKA im Ministerium einsetzt, wie er sich bemüht, Material heranzuschaffen. Die Zeit eile, schreibt Günther in den Emails, das LKA wolle den Stoff.
Günther sagt, „lange“ sei relativ. Für ihn sei „lange“ ein Zeitraum zwischen drei Wochen und zwei Monaten. Und er habe mit der Einstellung des Verfahrens gerechnet, das Material habe schließlich auch der Entlastung dienen können. Er meint, er könne keinen Widerspruch zwischen seinem Bericht an Uhlenberg und seinen nachgewiesenen Kontakten zum LKA im April entdecken.
Glauben Sie das? Glaubt irgendwer das?
Ich habe eher den Eindruck, Günther hat versucht, seinen Minister Quatsch zu verkaufen. Und wenn ihn jemand, wie hier Remmel, mit der Hand in der Keks-Dose erwischt, macht Günther dann passend, was passen soll. Juristische Winkelzüge. Nur das zugeben, was auch vorgelegt werden kann.
Immer wieder lässt sich Günther Vorgänge, die ihm vorgehalten werden, zeigen, ließt die Emails durch und wiegelt ab. Das könne man so oder so sehen. Klare Aussagen: Selten. „Ich habe dazu keine konkrete Erinnerung“ – ist wohl einer der häufigsten Günther-Sätze vor dem Untersuchunggsausschuss.
Für Günther war die Kommission Amtshilfe, das Verfahren Friedrich, sicher eine Chance, vielleicht seine letzte, in der Hierarchie aufzusteigen. Er sieht aus, wie ein Mann Ende Fünfzig. Einer, der sein Lebenswerk hinter sich hat. Der nie mehr sein wird, als Referatsleiter im Umweltministerium. Sich unentbehrlich zu machen, sein Können zu beweisen, könnte das der festgefahrenen Karriere eine neue Chance bieten? Vielleicht sogar Chefjustiziar werden? Oder Abteilungsleiter? Sollte diese Chance durch Berichte über sein Zelotenhaften Getue zunichte gemacht werden?
Günther sieht aus wie ein Radfahrer.
Immer die anderen haben Schuld. Die Abteilung 4 habe nicht schnell genug und wie versprochen die kompromittierenden Aussagen geliefert – deswegen habe er das angemahnt. Mehr nicht. Er habe gedacht, das Verfahren werde eingestellt. Und das LKA dränge auf das Material, um dem Ganzen ein Ende zu machen. Ist das Glaubhaft?
Entscheiden sie selbst.
Auch gegen das LKA selbst bringt sich Günther in Stellung. Diese Leute hätten Unsinn verbreitet, sagt er.
Es geht zum Beispiel um die erste Anzeige des Umweltministeriums vom 14. Juli 2006, die am 13. Juli 2006 im Umweltministerium von LKA-Beamten der zentralen Korruptionsstelle aufgezeichnet wurde.
Eine Zeugin berichtet, Günther habe dort im Zusammenhang den LKA-Beamten erzählt, dass Friedrich bei Vergaben geschummelt habe. Weiter soll er erzählt haben, dass Friedrich im Gegenzug einen Laptop bekam. Ferner soll Günther berichtet haben, dass Friedrich im Gegenzug für Auftragsvergaben die Chance erhielt, Vorträge an der Uni Aachen zu halten und so „sein Ansehen zu steigern.“ Das sind Korruptionsvorwürfe.
Das LKA hat diese Aussagen gewissenhaft protokolliert.
Die Zeugin des Gespräches berichtet, das LKA habe gefragt, ob es sich bei den berichteten Vorgängen um Korruption gehandelt habe. Sie zeichnet ein Bild. Auf der einen Seite hätten die Ermittler an einem Ende des Seils gezogen und das Ministerium am anderen. Günther habe zwar die Vorwürfe geschildert, aber die Schlussfolgerung des LKA nicht selbst gezogen. Das Ministerium habe die Korruption also nicht beim Vornamen genannt, sondern nur beschrieben.
Ministerialrat Günther hält sich für clever, cleverer als andere Menschen.
Er sagt, die Erkenntnisse im Ministerium hätten zu diesem Zeitpunkt nicht ausgereicht, den Korruptions-Verdacht zu begründen.
Dabei muss er als Jurist gewusst haben, dass eine Korruptions-Anzeige nichts anderes ist, als Ermittlungsbehörden, hier der Korruptions-Abteilung des LKA, einen Korruptions-Verdacht im Zusammenhang zu schildern.
Genau das hat Ministerialrat Günther getan. Er hat dazu noch die Hauptbelastungs-Zeugin Delpino genannt. Diese könne als Art Kronzeugin alles bestätigen. Er hat den Zusammenhang berichtet. Delpino sagte vor dem Untersuchungsausschuss, sie als Zeugin habe strafrechtlich verwerfliches erkannt: "Für mich war das Untreue."
Mir erscheint das, was Günther tat, wie Bürokraten-Schach. So als wolle er eine Anzeige stellen, ohne eine Anzeige zu stellen. So als wolle er dank spitzfindeiger Verfahrenstricks seine Hände immer in Unschuld baden.
Minister Uhlenberg und sein Staatssekretär Schink haben sich die Strategie von Günthers nicht gestellter Anzeige zu Eigen gemacht. Sie bestreiten, das Ministerium habe die erste Anzeige nicht gestellt.
Es heißt, Günther habe nur berichtet, das LKA habe daraus seine eigenen Schlüsse gezogen.
Wie dem auch sei: Die Beamten haben aus den Aussagen von Günther eine Anzeige gefertigt, so wie das Gesetz es befiehlt.
Ich habe die Anzeige hier in den Anhang gestellt. Klick.
Eine Zeugin sagte vor dem Untersuchungsausschuss, die Kommission Amtshilfe habe "keine eigentständigen Entscheidungen getroffen." Gerade wichtige Entscheidungen, wie etwa Gespräche mit dem LKA seien mit dem Staatssekretär Schink oder dem Abteilungsleiter zurückgekoppelt worden. Gehört dazu die erste Anzeige, die keine sein soll?
Machen Sie sich selbst ein Bild.
Ich habe schon öfter über den Skandal berichtet. Hier gibt es mehr zum Thema:
Anfrage-Email wird im Uhlenberg-Untersuchungausschuss verteilt
LKA-Vermerk aus dem Uhlenberg-Ausschuss: “Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt?”
Uhlenberg-Skandal wird richtig übel
Dubiose Belastungszeugin präsentiert dubiose Belege
Der Untersuchungsausschuss “Uhlenberg” hat viel zu tun
Die Akte F – wie das NRW-Umweltministerium einen Ex-Mitarbeiter verfolgt
Berichte aus dem Sumpf, in dem Uhlenberg und das LKA sitzen
Der Fall F. – Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakte