3 FÜR 7 – Festival-Special

"The campaign for real rock" geht unaufhörlich weiter. Konsum orientierte Massenveranstaltungen stehlen tatsächlich auch in diesem Sommer den kleinen und intimen Events die Schau. Tja, und wer hätte das gedacht, dass die Ruhrbarone diesen Trend a) nicht verschlafen und b) auch noch fördern? Nun, "Ihr wollt Stromgitarren? Die bekommt Ihr jetzt!" heißt das Motto, Laissez-Faire der pädagogische Ansatz. Verrohung wird in Kauf genommen, der Pro-Kopf-Verbrauch muss stimmen, Hauptsache die Kids machen keinen echten Ärger und beschäftigen sich schön mit sich selbst und gegenseitig. Und wir gehen hin und gucken zu, ob das dann auch perfekt Metropolen fähig, Kulturhauptstadt würdig und TV kompatibel ist, z.B. bei: Area 4, Zeltfestival Ruhr, Beatplantation.

Area 4? Flugplatz. Knapp hinter Dülmen. Von FKP/Scorpio, also einem altgedienten Rockdienstleister. Dazu passend viele Künstler des LineUps, weshalb bestimmt richtig schönes "16 bis 56"-Gefühl aufkommen wird. Aus den 70ern: CJ Ramone. Aus den 8090ern: Jet, Deftones, Hosen, Faith No More, Life Of Agony, Urlaub. Und Kettcar, Eagles Of Death Metal, Anti-Flag und so. An drei Tagen, mit Spieldauern von einer halben bis zu eineinhalb Stunden pro Band und ab 12 bzw. 15 bis 23.30 bzw. 1 Uhr. Also alles recht konservativ gehalten.

Zeltfestival Ruhr? Stauseenähe. So bei Witten. Von einer GmbH & Co. KG mit Björn Gralla, Lukas Rüger und Heribert Reipöler als Geschäftsführern. Macht auf ganz großes Mainstream-Abgreifen, weshalb über all die Tage verteilt bestimmt richtig schönes "6 bis 66 in die Tasche gegriffen"-Gefühl aufkommen wird. Und das Publikum freut sich natürlich über und mit z.B.: Selig, Heather Nova, Annett Louisan, Götz Alsmann, Hagen Rether, Silbermond, Max Raabe, Polarkreis 18, Frank Goosen, Sarah Kuttner, Vollplaybacktheater, Patricia Kaas, Dieter Thomas Kuhn, Georgette Dee, Piet Klocke und Amy McDonald (ausverkauft). 17 Tage lang wird hier Vollauslastung praktiziert. Generalstabsmäßig, Top-Down vom Ordentlichsten.

Beatplantation? Nähe Neue Mitte, aber auf "autonomem" Boden. Mitten in Oberhausen. Von mitteljungen Kreativen. Das Prinzip orientiert sich an so etwas wie veganem Haribo, also inklusive Niedlichkeitsprinzip und Rebellen/Konsumkritik-Appeal, weshalb bestimmt richtig schönes "16 bis 36"… s.o. Die in Deutschland aufgrund einer gewissen medialen Verbreitung geläufigsten Namen des LineUps sind: Jacques Palminger & the Kings of Dub Rock (Foto: Dorle Bahlburg), Angelika Express, Turmspringer, André Uhl und Breger. Einen Tag und eine Nacht lang, mit Kunstabteil, Filmecke, Poetrygarden und vielen Tanzfluren. Das Prinzip hat letztens beim Duisburger Traumzeit Festival bereits seine Mainstream-Kompatibilität bewiesen und gilt als links-alternativ.

Area 4 von Freitag bis Sonntag.
Zeltfestival Ruhr von Freitag bis zum 6. September.
Beatplantation am Samstag.

All the money or the simple life, honey?

Veröffentlicht: Jens Kobler , Kulturhauptstadt |

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

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Mülheim – ein Traum!

In Mülheim, im Mühlenfeld, im Gegenlicht – da ist die Welt noch in Ordnung! klick

Oh, Mülheim du Insel der Seeligen, du grünes Tal der Hoffnung, du Horst des Generationenfriedens. Anders als im abgerockten Rest der Welt, herrscht hier in der Sozialdemokratie noch große Zuversicht statt Politikverdrossenheit. Denn wozu gibt es denn das Planungsrecht, den Jugendstadtrat und die Errungenschaften der französischen Revolution?! Also am 30. August unbedingt wählen gehen. Wie sagt es Top-Befrager Sven Liebert so süß: "Das kann ich auf jeden Fall quasi nur bestätigen." Absolut. 

 

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PFT-Skandal geht weiter. Über 1000 Felder in Ganz NRW betroffen. Von Dorsten bis Warendorf

Foto: Umweltministerium / Minister Uhlenberg (CDU) (links)

Das Ausmaß des PFT-Skandals ist nach meinen Recherchen weitaus größer als bisher angenommen. Vor drei Wochen konnten ich Lieferscheine für über 270.000 Tonnen PFT-verdächtiger Klärschlämme allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 untersuchen. Das Zeug wurde auf weit über tausend Felder geschüttet. Darüber hinaus liegen mir Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt wurden. Damit wird jede Dimension gesprengt, die man sich bisher vorstellen konnte. Die Rede ist von über 10.000 Lastern, die teils in Nacht und Nebel ihre Zeug abkippten.

Ich hab die Akten, die bislang geheim gehalten wurden, aus dem Umfeld des Umweltministeriums bekommen. Ein Teil der Felder wurde untersucht, die meisten jedoch nicht.

Wie dem auch sei: Aus etlichen Feldern sickern die so genannten Perflourierten Tenside (PFT) ins Wasser der Ruhr und anderer Flüsse. PFT gelten dabei als krebserregend. Sie reichern sich im Körper an und können nicht abgebaut werden. Die Theorie des NRW-Umweltministeriums, das von einer Punktquelle als Hauptursache für die PFT-Verseuchung ausging ist damit nicht mehr haltbar.

Tatsächlich ist auch drei Jahre nachdem der PFT-Skandal an der Ruhr aufgeflogen ist, noch immer nicht das tatsächliche Ausmaß der Verschmutzung bekannt. Bislang gilt weiter offiziell die Verseuchung von landwirtschaftlichen Flächen im Sauerland mit verschmutzten Abfällen als Hauptursache.

Doch das ist sicher nicht alles. Ich konnte nachweisen, dass aus den Kläranlagen des Ruhrverbands mindestens 50 Prozent der PFT-Frachten in der Ruhr stammen. Zudem sickert auch aus Klärschlämmen des Ruhrverbandes weiter PFT in die Ruhr. Erst vor wenigern Wochen wurde etwa bekannt, dass aus einem Ruihrverband-Schlammdepot bei Iserlohn PFT-verseuchtres Wasser in die öffentliche Kanalisation gespült werden.

Aber auch wenn man diese Fälle berücksichtigt, lässt sich aus allen bislang bekannten Quellen nicht schlüssig die andauernde Verseuchung des wichtigen Trinkwasserflusses erklären. Auch nach den Sanierungsmaßnahmen an einigen wenigen Feldern und bei industriellen Gift-Einleitern ist nach wie vor PFT in der Ruhr zu finden. An der Überwachungsstation Essen beispielsweise lagen die Werte bei der letzten öffentlich verfügbaren Messung vom April 2009 bei 46 Nanogramm je Liter. Im Dezember 2006 lagen die Werte hier bei 45 Nannogramm je Liter Ruhrwasser.

Das Bild ist bei anderen Überwachungsstationen ähnlich. Die Konzentrationen in der Ruhr bewegen sich rauf und runter, je nachdem, wie viel Wasser durch den Fluss strömt. Es scheint, als hätten die Maßnahmen zur Reinhaltung der Ruhr bislang kaum Effekte gehabt. Auch wenn die Konzentrationen gering sind und keine akuten Maßnahmen erfordern, so reichert sich das Gift PFT weiter in der Umwelt an, steigt über Fische und Pflanzen die Nahrungskette hoch. Mittlerweile wurde der krebserregende Stoff im Blut von Anglern und ihrer Frauen nachgewiesen, die Fische aus der Ruhr und ihrer Nebenflüsse verzehrt hatten.

Eine Erklärung für die weiter fortbestehende Belastung der Ruhr könnte in den Flächen liegen, die überall in NRW mit PFT verseucht wurden. Der Welt am Sonntag liegen Auszüge aus vertraulichen Akten der Firma Terra Vital vor. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen diese Gesellschaft und ein damit verbundenes Unternehmen wegen des Verdachts auf Umweltdelikte im Zusammenhang mit dem PFT-Skandal. Terra Vital hatte unter der Bezeichnung Terra Top, Terra Farm und Terra Aktiv so genannte „Biodünger“ und „Bodenverbesserer“ auf den Markt gebracht. Dabei wurden überwiegend Klärschlammabfälle mit Industrieabfällen in einem Bodenmischwerk mit anderen Materialien vermengt und dann auf Felder gekippt. Ich konnte über 80 Aktenordner der Firma sichten. Dabei wurden Lieferscheine für über 270.000 Tonnen dieser Materialien allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 festgestellt. Darüber hinaus liegen Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt worden sind.

Wie aus Gerichtsunterklagen des Verwaltungsgerichtes Arnsberg hervorgeht, stand die Firma Terra Vital seit mindestens 2002 mit dem belgischen Geschäftsmann Jacco van de V. in Geschäftsbeziehungen. Dieser lieferte als Leiter der Firma Orinso Industrieabfall aus der Papierfabrik von KimberleyClark, aus dem chemischen Betrieb Artillat und aus Kosemtikfabriken von Ester Lauder an die Firma Terra Vital und das verbundene Unternehmen GW Umwelt. Selbst die Degussa lieferte so laut Gerichtunterlagen Filterkuchen aus Chemiebetrieben ins Sauerland.

Von hier aus wurde das Material auf weit über 1000 Felder verklappt. Die Flächen finden sich nicht nur im Sauerland, sondern in ganz NRW und darüber hinaus in Hessen und Rheinland-Pfalz. Den Schwerpunkt bildet der Kreis Soest. Hier wurden mindestens 80.000 Tonnen verklappt. In den Unterlagen finden sich Hinweise darauf, wie der Schlamm genutzt worden. In einem handschriftlichen Vermerk heißt es, das „Substrat“ sei „ins Korn“ gestreut worden. Mal ist die Rede vom Verklappen in Futtermais oder von Baumkulturen. Im Fleisch von Tieren, die mit Mais von belasteten Flächen gefüttert worden waren, konnte PFT bereits nachgewiesen werden.

Die Bauern in Soest erhielten in der Regel Geld dafür, dass sie die Laster mit dem Schlamm auf ihre Äcker gelassen haben. Der Bauer Albert I. beispielsweise bekam im Januar 2004 eine Gutschrift über 3780 Euro dafür, dass er 108 Lieferungen mit Schlamm auf knapp zwei duzend Felder am Ruhrzufluss Möhne kippen lies, wie aus den Dokumenten hervorgeht.

Nicht immer ging das Geschäft gut. Augenzeugen berichten, dass die Laster meist nachts kamen. Einmal rutschte ein Kipper in einen Fischzuchtteich. Ein anderes Mal fühlten sich Anwohner eines Dorfes von den stinkenden Lieferungen und dem Schwerlastverkehr mitten in der Nacht belästigt.

Den Behörden lagen schon im Jahr 2002 Beschwerden über das Verklappen vor. Doch die Beschwerden blieben in der Bürokratie auf Ebene des damals zuständigen Landesamtes für Ernährungswirtschaft und Jagd hängen. Weitreichende Untersuchungen fanden nicht statt, stattdessen wurden etliche Lieferscheine vom Amt abgestempelt, wie aus den Unterlagen hervorgeht.

Überraschenderweise stand aber nicht der Kreis Soest, in dem der derzeitige NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg Ehrenvorsitzender des CDU-Kreisverbandes ist, im Focus der öffentlichen Sorge. Auch die anderen Kreise, in denen jeweils zwischen 35.000 und 20.000 Tonnen auf hunderten Feldern verschwanden, wurden kaum beachtet. Im Kreise Gütersloh etwa, oder in den Kreisen Warendorf und Kassel wurden zwar einige duzend Felder untersucht, aber keine Maßnahmen eingeleitet. Der Kreis Recklinghausen wusste bis zu meiner Anfrage nicht einmal, dass allein auf Feldern des Bauern K.-B. in Dorsten weit über 15.000 Tonnen PFT-verdächtige Schlämme ausgekippt wurden.

Stattdessen stand der Hochsauerlandkreis im Zentrum des Skandals. Dabei wurden hier zwischen 2002 und 2004 lediglich knapp über 19.000 Tonnen entsorgt. Hier wurde die ersten Maßnahmen mit großen PR-Aufwand ergriffen. Es hieß zunächst, eine Baumschule in Brilon-Scharfenberg sei für die PFT-Belastungen in der Ruhr verantwortlich. Das Gelände wurde für über eine Mio Euro saniert. Später wurde diese Aussage schrittweise zurückgenommen. Eine weitere Fläche im Kreis Soest wurde saniert und die industriellen Einleiter aufgefordert, weniger PFT in die Ruhr zu kippen. Damit schein der Skandal für das Umweltministerium erledigt zu sein: „Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht kein weiterer Sanierungsbedarf, da keine (auch nur annähernd) so hohen Bodenbelastungen wie auf den beiden Flächen in Brilon-Scharfenberg und Rüthen festgestellt wurden und die Belastung der Gewässer den Leitwert von 300 Nanogramm je Liter unterschreitet“, heißt es in einer Erklärung.

Wie es aussieht muss in Zukunft kein Bauer befürchten, dass wegen der Klärschlammlaster seine Äcker saniert werden. Der Abfall bleibt einfach liegen.

Der Fall geht weiter. Ich bleibe dran. Wenn jemand etwas hat: Ich freue mich unter david.schraven@ruhrbarone.de über Hinweise.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Rüttgers: Sorge um die SPD…Der Westen

Kommunalwahl: Merkel hilft Sauerland…Der Westen

Kommunalwahl II: Interview mit Jens Lücking…Pottblog

Byte FM: Ableger im Revier…Der Westen

Unterhaltung: Quake Live für Mac und Linux…Heise

Sommerlich: Micro!Festival in Dortmund…Ruhr Nachrichten

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Bo-Alternativ: Hackerangriff…Bo Alternativ

 

Wäre Bochum Literatur…

Bochum führt bekanntlich ein Buch im Stadtwappen. Gerne möchte die etwas zu große, zu leere Stadt auch als Literaturhochburg punkten. Kein Wunder, dass Wahlkampf hier ein Krieg der Wörter ist. Genauer: der Wie-Wörter. Mit einem klaren Ergebnis: Schlechter Stil. Mit Adjektiven unbedingt sparsam umgehen.

Fotos: ruhrbarone

Im Einzelnen:

"Menschlich" nennen sich sowohl CDU und SPD.

"Stark", SPD und FDP.

"Sozial", SPD und Soziale Liste.

"Mutig", CDU und SPD.

Als Alleinstellungsadjektive können wir nur "modern" für die CDU verzeichnen und "klug" für die SPD, bzw. "Dr." Ottilie Scholz.

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Vorbild für Paris?

Heute stellten Vertreter der Städte und der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung den Zwischenstand des Projektes Konzept Ruhr vor. 

"Dass im Ruhrgebiet die Kirchturmpolitik vorherrscht, ist längst ein Klischee ohne inhaltliche Substanz." Hanns-Ludwig Brauser, Chef der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr (WMR), beschwört die Zusammenarbeit der Städte: Mit über 800 Projekten hatten sich die Städte des Ruhrgebiets vor Jahren beim Land beworben – für die wollte man EU-Fördermittel haben. Das Land schickte die allzu üppige Projektliste zurück und forderte die Städte auf, sich auf ein kleineres Programm zu verständigen – und vor allem auch untereinander abzusprechen. Wirtschaftsministerin Christa Thoben hatte gleich zu Beginn ihrer Amtszeit klar gestellt: "Zukünftig sollen Projekte, die wir fördern, eine regionale Ausstrahlung haben."

Und die Städte des Ruhrgebiet kooperierten, erstellten eine neue Liste mit 508 Projekten, von denen an 82 Projekten mehrere Städte beteiligt sind. Die Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best, Essen und Ullrich Sierau, Dortmund gerieten ob der guten Zusammenarbeit schon fast ins Schwärmen. Jede Stadt, so beide einhellig, profitiere von den Stärken der anderen und nur gemeinsam könne man es schaffen, das Ruhrgebiet nach vorne zu bringen. Kürzlich, so Sierau, hätte er eine Delegation aus Paris zu Besuch gehabt, die von der Zusammenarbeit im Ruhrgebiet begeistert gewesen sei und sie als Vorbild für den Großraum Paris gesehen hätte. "Das Ruhrgebiet als Vorbild für Paris – vor ein paar Jahren hätte das doch niemand für möglich gehalten".

Doch es sind nicht nur die großen Städte, die von der Zusammenarbeit profitieren. Wilfried Klein, Chefplaner aus Dinslaken, kommt mit Wesel aus einem Kreis, in dem sich nicht alle Städte an den gemeinsamen Planungen beteiligt haben – aber mit Dinslaken, Moers, Voerde, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort und Schermbeck trotzdem bis auf Wesel und Xanten die wichtigsten Kommunen: "Das Ruhrgebiet mit seinen großen Städten ist für Dinslaken ein Haifischbecken – aber wir wollen in diesem Becken mitschwimmen und uns durchsetzen. Und die Zusammenarbeit mit den anderen Städten klappt gut." Er sei froh, dass der Kreis Wesel im Regionalverband Ruhr geblieben sei und sich die Austrittsbefürworter nicht durchgesetzt hätten: "Wenn wir kein Teil des Ruhrgebiets mehr wären, hätten wir viele unserer Pläne vergessen können."

Ein Überblick über die Projekte unter: www.konzept-ruhr.de

Ruhr oder Berlin Teil 3: Kreativität und Flexibilität

Kreativität ist weder zeitlich noch räumlich steuerbar. Deswegen werden Kreative nach dem Ergebnis und nicht nach der Effizienz ihrer Arbeit beurteilt und bezahlt. Die ist ausschließlich ihre eigene Sache und führt unausweichlich bei den noch nicht angemessen Entlohnten unter ihnen zu enormer (Selbst-)Ausbeutung

Bild: Ruhrgebietskreativer mit Stoffelefant

Kreative sind ihrer Kreativität nämlich in gewisser Weise ausgeliefert. Sie kommt und geht wann sie will, lässt sich nicht  erzwingen, ist im Prinzip überall möglich und kann sich sehr plötzlich beschleunigen oder auch bis zum Stillstand verlangsamen. Zeitliche und räumliche Flexibilität sind deswegen das  Nonplusultra eines kreativen Prozesses. Das sieht  für Außenstehende nach großer Freiheit aus, ist für die Betroffenen  aber pure Notwendigkeit. Sie wissen einfach nicht genau wann und wo  ihnen etwas einfällt.

Deswegen schleppen die Kreativen der Wissensgesellschaft fast immer ihren Laptop und ihr Handy mit sich herum. Wie es schon die Wandergesellen im Zeitalter der Manufaktur mit ihrem Handwerkszeug  gemacht haben. Da kreative Prozesse oft in direkten Zusammenhang mit anderen geistigen und materiellen Produktionsprozessen stehen, die räumlich unbeweglicher  sind, ist direkter und permanenter Kommunikationszugang die andere Seite der räumlichen Ungebundenheit. Konkret heißt das, ständig Online sein und/oder das Handy nie abschalten.

Das setzt wiederum eine bestimmte räumliche und technische Infrastruktur voraus. Kneipen, Parks, Hotels und andere öffentliche sowie private Orte die weder im Funkloch liegen noch für den flächendeckenden Online-Zugang private Kosten verursachen sind deswegen für Kreative beliebte Aufenthaltsorte jenseits der eigenen Wohnung und/oder des Büros. Erst recht, wenn Letzteres (noch) gar nicht vorhanden oder klitzeklein ist.

Verfügen diese Orte obendrein über inspirierende natürliche (Wasser, Flora und Fauna usw.), und/oder bauliche (Architektur, Ambiente usw.) und/oder soziale (Multikulti, hohe Besucherfrequenz, andere Kreative usw.) Elemente, dann werden sie besonders bevorzugt. Fügen sich alle Elemente an einem Ort zusammen wird er für die Kreativen zum sogenannten „Hot Spot“, was nichts anderes als eine begriffliche Übertragung des Begriffs Hot House (Treibhaus) auf  Räume im  Allgemeinen ist.

Dazu gehören, was die Nahversorgung betrifft, wenn möglich auch Restaurants, Kinos, und Geschäfte die 24 Stunden, zumindest aber bis in die späten Abend-  respektive frühen Morgenstunden geöffnet haben. Arbeitspausen haben bei Innovationsprozessen keinen festen Rhythmus und damit auch nicht das Bedürfnis nach Ablenkung, Mahlzeit oder einfach nur „Chillen“. Vervielfältigungs- und sonstige mediale Produktions- und Reproduktionsdienstleistungen sollten, weil meistens „outgesourct“,  auch in der Nähe und (fast) durchgehend zugänglich sein.

Es gibt aber für Kreative auch einen innerhäuslichen Anpassungszwang an  die Gesetze der Flexibilität. Die überdachten und zugleich nicht öffentlichen  Orte ihrer Arbeit, also Büro/Werkstatt und/oder Wohnung müssen schon deswegen multifunktional ausgestattet sein, weil es auf Grund der Nichtsteuerbarkeit von Innovationen für die Akteure keine Trennung zwischen Arbeit und Leben gibt. Weder eine räumliche noch eine zeitliche. Obendrein gilt, dass jede Innovation unerwartete Elemente ins Spiel bringt.

Für Kreative die nicht nur mit dem Computer sondern auch oder vorwiegend  mit Pinsel, Farbe, Bleistift und Leinwand, ja sogar mit Modellen und/oder kleineren Werkzeugen und Maschinen arbeiten, ergibt sich dadurch in der Regel ein überdurchschnittlicher Platzbedarf. Viel natürliches Licht und große hohe Räume sind da ein großer Produktionsvorteil. Die Möglichkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit einen gewissen Grad von Lärm/Unruhe zu erzeugen ebenfalls.

Lofts, erst recht in dickmäuerigen ehemaligen Fabrikgebäuden, sind deswegen für Kreative nicht nur Wohn- oder Lifestyle sondern vor allem notwendige bis optimale Arbeitsvoraussetzungen. Wenn dann in der Nähe dichtes Leben stattfindet  d.h. das eigene oder mit anderen geteilte Loft Teil eines „Hot Spots“ ist oder dieser zumindest in  erreichbarer Nähe liegt, dann  ist der Standort perfekt.

Im Gegensatz zu Berlin gibt es Lofts und „Hot-Spots“  in  dieser engen räumlichen Kombination im Ruhrgebiet so gut wie gar nicht, bzw. müssen sie hier erst entwickelt respektive gebaut werden. Das obwohl viele der durch den vielgerühmten Strukturwandel leergefallenen Fabrik- und Zechengelände innerstädtische Lagen haben oder hatten. Es ist vielmehr keiner (rechtzeitig) auf die Idee gekommen, sie auch in diese Richtung um zu nutzen.

In Ruhr sind deswegen Fabriklofts  zur  Zeit,  wiederum  im Gegensatz zu Berlin, eher in städtischen Rand- oder Zwischenlagen zu finden. Manche davon sehr wohl mit inspirierendem Blick auf Wasser und/oder Natur und/oder guter, ja spektakulärer Industriearchitektur, dafür aber meilenweit entfernt von etwas, das man „Hot Spot“ nennen oder was man dazu entwickeln könnte. Erst recht wenn man nicht über einen privaten PKW verfügt. Für die Kombination aus Hot-Spot und Loft haben der  Innenhafen von Duisburg und der Dortmunder Stadthafen noch die meisten Qualitäten, liegen aber nach meiner Einschätzung schon zu weit von den  jeweiligen Hauptbahnhöfen entfernt.

Das Ruhrtal hat dagegen, was die landschaftliche Umgebung der dortigen Lofts betrifft, innerhalb des Ruhrgebietes faktisch ein Alleinstellungsmerkmal, liegt aber von den Nahverkehrsanbindungen noch weiter vom Schuss. Ganz anders z.B. das Girardet-Haus in Essen-Rüttenscheid, von dessen Art es in Berlin allerdings dutzende in innerstädtischer Lage gibt.

Bleiben die vielen Kanäle und still gelegten Kanalhäfen des Ruhrgebietes. Hier wäre die Bildung ganz spezieller und urban eigenständiger „Hot Spots“ möglich, wenn die Hausbootkultur massiv gefördert und wasseramtlich erlaubt wird. (Natürlich erst recht in Teilen der oben schon erwähnten Stadthäfen von Duisburg und Dortmund)

Das gleiche gilt für die Kultur der landgebunden Mobile-Homes die auf den  großen noch vorhandenen wilden Freiflächen des“ Ruhr-Stadt-Dschungels“ eigene kreative Dörfer mit W-LAN-Anschluss ausbilden könnten. Auch hier wäre allerdings amtliche Erlaubnis und ideelle und materielle Unterstützung nötig.

Während sich Berlin auf Grund der kompakteren Stadtform mit den Mobile Homes, speziell in Form der „Wagenburgen“ schwer tut, hat sie sich auch bezüglich der schwimmenden Siedlungen schon einen Vorsprung erarbeitet, in dem sie dafür offizielle Stellen/Wasserflächen innerhalb des gesamten Stadtgebietes ausweisen wird, bzw. teilweise schon ausgewiesen hat. Fabriklofts aber auch Loft- und Atelierneubauten direkt am Wasser und zugleich in zentraler Lage gibt es schon lange und in enorm großer Auswahl.