Wo der Frikadellenmann sich die Brötchen holt

Hermann Schulte-Hiltrop, Herr der Frikadellen des in Dortmund ansässigen Bauverbandes sollte mittlerweile jedem hinlänglich bekannt sein. Der Mann, der wegen zwei aufgegessenen, belegten Brötchen und einer Frikadelle seine Chefsekträrin entlässt, hat – wie hier zu sehen zu sehen – schon eine neue. Das Frikadellenthema ist ja nun hinlänglich durchgekaut und wenn Schulte-Hiltrops Geldgeber ihm nicht klarmachen, dass das nicht geht, wird es wohl zum Prozeß kommen. Was die ganze Nummer aber noch ein bisschen spannender macht: Schulte-Hiltrop ist auch Aufsichtsrat – und zwar hier.

 

Foto: www.ds-foto.de.ms

Diese Beratungsfirma, die zu Teilen der öffentlichen Hand und zu Teilen der Privatwirtschaft gehört, hat sich zum Ziel gesetzt, Public Private Partnership oder hier ÖPP genannt, als Win-Win-Geschäftsmodell an die öffentliche Hand und den privaten Sektor zu verkaufen. Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsgesetzes (hier die dazugehörige Vereinbarung als PDF ), das als Teil des Konjunkturpaketes II von der schwarz-roten Bundesregierung verabschiedet wurde, sollen durch ÖPP Mittel aus diesem Topf in private Hände zugunsten der Öffentlichkeit gehen. Schönes Beispiel dazu hier (PDF). Zitat:

 

"Es ist nicht zwingend, ÖPP-Projekte vollständig durch private Partner finanzieren zu lassen. Hier gilt es in jedem Einzelfall ein Optimum für beide Seiten zu finden. Es ist möglich, dass die Öffentliche Hand im Rahmen einer im ÖPP-Vertrag geregelten „Anschubfinanzierung“ die Bauphase teilweise oder vollständig bezahlt. Dann verbleiben als von den Privaten zu finanzierende Bestandteile die Raten für eventuelle weitere selbständig abgrenzbare Teilprojekte und für den Betrieb."

Verstehe ich das richtig? Das vom Konjunkturpaket II bereit gestellte Geld eignet sich hervorragend dazu, sich öffentliche Aufträge an Land zu ziehen, sie von der öffentlichen Hand bezahlen zu lassen und nachher Miete dafür zu kassieren? Und weiter:

"Da ÖPP-Projekte auch die Planung der Projekte beinhalten, sind sie ein sicherer Weg, die mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz zur Verfügung stehenden Mittel bei den anzunehmenden Planungsengpässen der öffentlichen Verwaltung innerhalb des möglichen „Zeitfensters“ vollständig zu verwenden."

Aha. Die ÖPP bemüht sich also auch darum, dass möglichst alle Mittel aus dem Topf Konjunkturpaket II abgeschöpft werden, da die Planer in den staatlichen Behörden wohl zu langsam sind, dazu einen Bedarf zu generieren. Ok. So weit, so gut. Wer sind nun aber die privaten Investoren bei der ÖPP? Voilà. Da haben wir nun also unter anderem die mit staatlichem Geld geretteten Banken HypoVereinsbank, BayernLB und die vom Staat mit 18,2 Milliarden Euro gestützte Commerzbank.

Zur Wiederholung: Aufsichtsrat dieser lustigen Unternemung ist Hermann Schulte-Hiltrop, der Mann der "das Vertrauensverhätnis ja, was wir uns hundertprozentig drauf verlassen" (WDR-Stream ab sec. 20) gestört sieht, wenn jemand 2 halbe Brötchen und eine Frikadelle vom Konferenztisch ißt. Und nun die abschließende Frage zu der ganzen Recherche: Wer sollte seinen Job wohl mal ganz schnell ruhen lassen, wegen Vertrauensvorschuss und so?

Hungermodels und Ernährungskampagnen

Foto: Thorsten Schraven

Hatte Marilyn Monroe Übergewicht? Wer sie mit heutigen Models oder Star-Schauspielerinnen wie Jessica Alba, Angelina Jolie oder Nicole Kidman vergleicht, müsste wohl zu diesem Schluss kommen. Nach einem Vorstoss der Frauenzeitschrift "Brigitte", die auf den Abdruck von professionellen Hungermodelfotos verzichten will, hat das Thema wieder Eingang in die öffentliche Debatte gefunden.

Noch 20 Jahre nach dem Tod der Monroe wurden in Karikaturen die fiesen Kapitalisten als Dicke in Anzug und mit Zigarre gezeichnet; in manchen Versionen zogen sie mittels eines Flaschenzuges einen Korb mit Nahrung vor den hungrigen Arbeitermassen hoch. Das ist heute alles umgewertet: die fiesen Kapitalisten sind heute durchtrainierte Männermodels à la René Obermann. Die Dicken sind die, die von ihnen rausgeschmissen werden. Ums Essen geht es auch nicht mehr, das macht weniger als 15 Prozent der privaten Haushaltsbudgets aus.

Vernachlässigt wird in landläufigen Ernährungskampagnen, dass es nicht nur viele Übergewichtige, sondern vielleicht noch mehr Essgestörte gibt. Von konkreten Strategien gegen die Ausbreitung dieser Massenkrankheit ist leider nirgends die Rede. Schon vor einigen Jahren hat eine Studie der Universität Jena ergeben, dass ein Drittel der 10-31-jährigen Frauen und Mädchen von Essstörungen betroffen ist oder war. Eine vom Robert-Koch-Institut veröffentlichte Studie zur Kindergesundheit kommt zu einem ähnlichen Ergebnis für 11-17-jährige: 28,9 Prozent der Mädchen und 15,2 Prozent der Jungen seien betroffen. Adipositas-betroffen sind dagegen nur 8,9 Prozent der 14-17-jährigen, beziehungsweise noch weniger in jüngeren Altersgruppen.

Bei Übergewichtigen lautet das Klischee, sie ließen sich gehen, würden sich selbst vernachlässigen. Da ist es stimmig, wenn Politik und Medien als Umerzieher auftreten und den unter Übergewichtigen stark vertretenen Unterschichtlern vorhalten, sie seien an ihrem Schicksal selber schuld und sollten sich erst mal selbst läutern, bevor sie Staat und Krankenkasse auf der Tasche liegen. Bei den Essgestörten sieht das Bild anders aus. Auch bei ihnen sind die Armen und die mit Migrationshintergrund (letztere laut RKI über 50 Prozent) überrepräsentiert. Sie versuchen, das Leben mit übersteigerter Selbstkontrolle in den Griff zu bekommen, sie üben zu viel Selbstdisziplin. Warum nur? Sigrid Borse vom "Frankfurter Zentrum für Ess-Störungen" beschreibt es als Versuch, "aus einer Ohnmacht heraus den Körper zum Bereich eigener Handlungsmacht" zu machen. Es fehle den Betroffenen an – schöner Begriff! – "innerer Sicherheit"! Und es gibt sie über 90 und unter acht Jahren, die Tendenz geht zur durchschnittlichen Verjüngung.

Es ist also unumstritten, dass Ess-Störungen eine Massenerkrankung, eine Volkskrankheit sind. Doch es ist merkwürdig, wie wenig das politische Debatten beschäftigt. Die Essgestörten sind schlimme Opfer herrschender Individualisierung. Sie treiben sie gegen sich selbst auf die Spitze, und kommen zu allerletzt auf die Idee, sich gar politisch dagegen zu organisieren. Foren, in denen sie sich zu immer höheren Hungerleistungen anspornen, gibt es dagegen wie Sand am Meer. In Wohngemeinschaften junger Frauen, besonders natürlich wenn sie "schön" sind, gehört das Kotzen zur gemeinsamen Alltagskultur. Sie finden nichts dabei, so wenig wie Alkoholiker ihr Saufen bemerkenswert finden. Den Regierungen fällt offensichtlich nichts dazu ein. Selbst in den Debatten der Feuilletons kommt es selten vor. Sind zu viele in der Branche selbst betroffen? Wer mag schon über sich und seine ganz persönlichen Fehler disputieren?

Doch es ist nicht "ganz persönlich". It´s the economy, stupid! Der Halt, den Berufstätigkeit und Arbeit gegeben haben, wurde und wird demontiert. Heute versuchen alle, nach Kräften zu funktionieren, weil sie nur dann durch Gehalt und soziale Anerkennung belohnt werden. Bei wem das Funktionieren gefährdet wird, verbirgt das lieber – darum auch die abnehmenden Krankheitstage. Das lässt sich der Körper nicht gefallen. Er reagiert bei jedem und jeder anders. Die einen fressen, die andern hungern, wieder andere tun beides. Die häufigste Krankheitsursache, sagt Wiglaf Droste, ist die Arbeit. Wer also gesund leben will, sollte als Erstes das Arbeiten, aber nicht Essen und Trinken einstellen.

But it´s not only the economy. Die Deutschen sind durch eine lange preußische und faschistische Genussfeindlichkeit geschädigt. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. (Sic!) War das nicht sogar ein Slogan von sozialdemokratischen Revolutionären? Die Hartz IV-Politik lässt sich jedenfalls genau davon leiten. Hier wird Essen als Nahrungsaufnahme zwecks Funktionieren des Körpers verstanden. Und das ist genau das große Missverständnis. Wenn der Mensch gesund bleiben soll, braucht er Lust und Genuss. Am Mittelmeer wurde das traditionell immer besser verstanden. Weil es dort mehr Licht gibt? Während im winterlich dunklen Skandinavien trotz prohibitiver Steuern und Preise erheblich haltloser gesoffen wird?

Heute existieren längst soziale, technische, wissenschaftliche und kulturelle Instrumente, die aus diesem archaischen Abhängigkeitsverhältnis von der Natur befreien können. Genuss kann gelernt werden, in Frankreich sogar in der Schule. Die internationale Slowfood-Bewegung bemüht sich darum, die sich bedauerlicherweise in Deutschland mehr als elitäre Gourmet-Vereinigung darstellt, als es diesem eigentlich hochpolitischen und sozialen Gedanken gut tut. Global engagiert sie sich unter italienischer Führung für regionale Erzeuger gegen die Patentpolitik der internationalen Saatgutkonzerne und für "das Recht auf Genuss". Auf jeden Fall kann man den nicht autoritär durch Regierungsdekret vermitteln, sondern nur durch Mitmenschen, die Freude und Genuss selbst vorleben können und dürfen. Furcht, Angst, Strafe haben da keinen Platz. Sie breiten sich aber gerade aus. Das ist das Ernährungsparadox unserer Tage. Wer da nicht dran will, wird weder Übergewichtigen noch Essgestörten helfen können.

Informationen über Essstörungen:

www.essstoerungen-frankfurt.de

www.bzga-essstoerungen.de

Milliarden aus NRW für amerikanische Studenten

Die NRW.Bank soll den Mittelstand in Nordrhein-Westfalen fördern, heißt es. Sie soll anders als die WestLB nicht Milliarden verzocken. Sie soll staatlich bleiben und unter dem Einfluss der Regierung Gutes für die Menschen in Nordrhein-Westfalen tun. Warum aber finanziert die Bank dann mit vier Milliarden Euro US-Studenten und nicht deutsche Lehrbegierige oder zumindest unsere Unis? Warum macht sie Cross-Border-Geschäfte und warum muss das Landesbauvermögen von 18,7 Mrd Euro in die Bank gepumpt werden?

 

NRW.Bank iun Düsseldorf Foto: NRWBank

Die Antworten führen zu folgendem Vorgang. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers will die staatliche NRW.Bank auf Druck der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stützen. Das Wohnungsbauvermögen des Landes (WfA) in Höhe von 18,7 Mrd Euro soll demnach vollständig in das reguläre Eigenkapital der Bank übertragen werden. Dadurch soll das staatliche Geldhaus gegen Risiken abgesichert werden, hieß es.

Auch bislang verwaltet die NRW.Bank das WfA-Vermögen. Allerdings ist der Zugriff des Institutes auf das Geld beschränkt. Durch eine gesetzliche Zweckbindung dürfen aus diesem Sondervermögen des Landes nur Kredite für den sozialen Wohnungsbau vergeben werden. Die Gewinne aus Geschäften mit dem WfA-Vermögen müssen zudem zurück in den Fonds fließen. Nach Ansicht der BaFin ist der NRW.Bank durch diese Zweckbindung der direkte Zugriff auf das WfA-Vermögen entzogen. Die Aufsicht zählt die Milliarden deshalb größtenteils nicht zum so genannten Kernkapital, eine der wichtigsten aufsichtsrechtlichen Kenngrößen. Um dies zu ändern, will die Landesregierung die Zweckbindung aufheben.

Ein Sprecher der NRW.Bank bestätigte, dass die BaFin bisher nur rund vier Mrd. Euro des WfA-Vermögens als Kernkapital anerkennt. In Zukunft rechnet die NRW.Bank damit, dass sie durch die Aufhebung der Zweckbindung rechnerisch rund sechs Mrd. Euro an zusätzlichem Kernkapital erhält, so dass dann insgesamt 10 Mrd. Euro des WfA-Vermögens als vollwertiges Eigenkapital anerkannt würden. Die verbleibenden gut 8,7 Mrd. Euro würden weiterhin zur Deckung der
bisherigen Wohnungsbau-Kredite dienen.

Wie zu hören ist, macht die BaFin seit Beginn der Finanzkrise Druck, das Eigenkapital der NRW.Bank deutlich zu erhöhen. Zwar weist das staatliche Geldhaus in ihren Geschäftsberichten ein Eigenkapital von 19,7 Mrd. Euro aus. Allerdings sind davon die angesprochenen 18,7 als WfA-Vermögen blockiert. Bleibt ein reines Eigenkapital ohne Zweckbindung von nur
knapp einer Mrd. Euro.

Demgegenüber stehen erhebliche Risiken. So hält die Bank etwa Kredite von zwei Mrd. Euro, die nach Angaben der Ratingagentur Fitch nicht mehr zu guten oder sehr guten Bonitätsklassen zu zählen sind. Außerdem stecken rund eine Mrd. Euro in verschachtelten Kreditverbriefungen, wie
sie bei zahlreichen anderen Banken zu hohen Verlusten geführt haben – auch wenn die NRW.Bank versichert, ihr Portfolio weise vergleichsweise geringe Risiken auf. Dazu kommen rund 22 Mrd Euro als so genannte Eventualverbindlichkeiten aus speziellen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps), die als einer der Auslöser der Krise gelten. Dieses Portfolio hatte die Bank allein im vergangenen Jahr um mehr als 50 Prozent ausgebaut. Allerdings hat die Bank zu mehr als 90 Prozent Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand abgesichert, wie ein Sprecher betont. Darunter auch erhebliche Risiken aus den Cross-Border-Geschäften der Kommunen, die im Zuge der Finanzkrise Not leidend geworden sind.
Weiter stehen in den Bilanzen der Bank rund vier Mrd Euro, die als Kredite an US-amerikanische Studenten vergeben wurden.

Nach Ansicht der Ratingagentur Fitch sind die Schwierigkeiten zwar noch beherrschbar, da die NRW.Bank sich vor allem im öffentlichen Sektor engagiert, trotzdem sei das "Risikoprofil" des Geldhauses gestiegen. Deshalb war die BaFin offenbar trotz der im Branchenvergleich durchaus soliden Kernkapitalquote von knapp zwölf Prozent beunruhigt.

Bereits im November hat die Bankenaufsicht schriftlich gefordert, das Eigenkapital der NRW.Bank zu stärken. Als Grund wurde hier unter anderem auch Verluste bei der WestLB genannt. Die NRW.Bank hält einen Anteil von 31 Prozent an der WestLB. Er ist derzeit mit 2,2 Mrd Euro bewertet. Nach Ansicht der BaFin hätte eine Wertberichtigung des WestLB-Anteils die Bilanz der NRW.Bank erheblich belastet oder aber eine Unterstützung des Landes erfordert, das den Wert der Beteiligung garantiert hat. Am 17. Dezember 2008 ist es dann zu einem Gespräch zwischen NRW.Bank, BaFin und Landesregierung NRW gekommen. Im Verlauf der Unterhaltung habe die Bafin erklärt, sie werde auch in Zukunft das WfA-Vermögen nicht vollständig als Kernkapital der NRW.Bank anerkennen, solange die Zweckbindung bestehe.

Im Gespräch habe die BaFin folgende Optionen vorgeschlagen: Zunächst sei die vollständige Trennung der WestLB von der NRW.Bank denkbar, um die Risiken zum reduzieren. Dies war nicht politisch gewollt. Dann schlug die Bafin vor, die Landesregierung und die anderen öffentlichen Gewährträger der NRW.Bank könnten dem Geldinstitut eine Summe von mehreren Milliarden Euro an frischem Kapital zuschießen. Dies lehnten sowohl die schwarz-gelbe Landesregierung als auch die anderen Gewährträger ab. Blieb nur der dritte Weg: Das WfA-Vermögen sollte in vollwertiges Eigenkapital der NRW.Bank umgewandelt werden. Dazu musste auf Verlangen der BaFin allerdings die Zweckbindung abgeschafft werden.

Im Folgenden brachte die NRW-Landesregierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Öffentlich wurde erklärt, die Zweckbindung des WfA-Vermögens solle aufgehoben werden, um die Fördermöglichkeiten der NRW.Bank für den Mittelstand zu steigern. Gleichzeitig versprach die Regierung, diese Entscheidung werde keine Auswirkungen auf den sozialen
Wohnungsbau haben, für den das Geld eigentlich gedacht war.

Vor allem der Landesrechnungshof NRW kritisiert dieses Vorgehen. In einer schriftlichen Stellungnahme, die der Welt vorliegt, heißt es, durch die Auflösung der Zweckbindung werde das WfA-Vermögen unter Umständen dem ursprünglichen Sinn entzogen. "Durch Verluste der NRW.Bank könnte das bislang geschützte Landeswohnungsbauvermögen in Zukunft
vermindert oder aufgezehrt werden." Gleichzeitig griff der Landesrechnungshof die NRW.Bank und das Düsseldorfer Finanzministerium scharf an. Diese würden eine Überprüfung der Bank aktiv verhindern. Dieses Verhalten sei "wegen der unbeschränkten Haftung des Landes und des damit einhergehenden unkalkulierbar hohen Risikos des Landes (…) besonders schwerwiegend."

Das Finanzministerium NRW, die Bafin und die NRW.Bank wollten diese Informationen nicht kommentieren.

Das Gesetz zur Aufhebung der Zweckbindung über das WfA-Vermögen soll in
den kommenden Wochen beschlossen werden.

3 FÜR 7 – Konzert-Special

Um dem (standortfaktormäßig sicherlich sinnvollen) FZW-Hype mal ein wenig entgegen zu wirken (und auf angenehmere Veranstaltungsort-Architektur und weniger martialische Sicherheitskräfte hinzudeuten), hier und äh heute ein paar Konzert-Tipps für diese Woche aus: Duisburg, Essen und Düsseldorf.

Drone-Folk oder was? Also, zwischen all den im Grunde anstehenden Diskussionen á la a) "Ist die Mystik/Rechts-Crossover Diskussion in Bezug auf Heavy und so mittlerweile irgendwie egal und für manchen Dark Folk etc. irgendwie ungültig?", b) "Ist in der amerikanischen Provinz inzwischen doch LSD ins Grundwasser geraten?" und z.B. c) "Ist das alles für (und vielleicht sogar ganz) Deutschland inzwischen aufgegeben worden, weil das auch nicht mehr ins Gewicht fällt?", neben also all jenen Diskussionen, die wohl auch nur dazu führen würden, dass hiesige Spezialisten die Ergebnisse dann dem Goethe-Institut zum Klonen neuer Bandgezüchte aus deutschen Landen überantworten würden, ab davon also spielt mit Balmorhea eine interessante und "unverdächtige" Variante im Steinbruch und hat mit Bogatzke sogar tatsächlich so einen deutschen Musikingenieur als Support dabei.

Der Goldclub haut inzwischen Bands aus Berlin deren selbst erschaffenen Auftrittskonditionen um die Ohren. Paula spielen also für 3 Euro Mindestverzehr im Rahmen der halt so funktionierenden Donnerstagsreihe, in der in diesem Monat u.a. auch noch Dangerboy auftreten. Vorgruppe von Paula sind die aberwitzig trockenen Familie Staub.

Düsseldorf? Klavier und klingende Namen: Ryuichi Sakamoto (am Freitag in der Tonhalle), Peter Broderick und Nils Frahm (beide am Donnerstag im Salon des Amateurs), Eve Risser (Foto: approximation), Dustin O’Hallaran und auch Acid Pauli. Sowie noch ganz andere. Alles im Rahmen eines fünftägigen Festivals, das ist schon "Wow!".

Balmorhea im Duisburger Steinbruch am Dienstag (also ggf. heute bzw. gleich) mit Türen um 20 Uhr.
Paula und Familie Staub im Essener Goldclub am Donnerstag mit Türen um 21 Uhr.
Das Approximation Festival im Salon des Amateurs (Ausnahme s.o.) findet von Mittwoch bis Sonntag statt.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Loveparade: Logistische Meisterleistung…RP Online

Dortmund: Personalrat will keine Kündigungen…Der Westen

Bochum: Ärger um Polizeichef…Ruhr Nachrichten

Bund I: Abbruchstimmung…FIXMBR

Bund II: FDP will Hartz IV abschaffen…Welt

Städtebau: Mercatorinsel in Duisburg…Der Westen

Buch: Schreiben im Ruhrgebiet…Hometown Glory

Pop: Markt für Methusalems…Der Westen

Westfalenpost: Preiswert Artikel…Zoom

Sportjournalismus im TV? – Es gibt ihn noch!

Sport im Fernsehen heisst heute in erster Linie "Produktpräsentation". Die Bundesliga ist hierzulande die Avantgarde des Berlusconismus. Nichts ist ihr wichtiger als die Kontrolle der Bilder. Private und öffentlich-rechtliche Sender lassen sich beliebig vorschreiben, welche Bilder sie zu senden haben, und welche nicht. Bei Ersteren erwartet man nichts Anderes, bei Letzteren ist es ein politischer Skandal. Dass das dennoch niemand juckt, sagt viel über die öffentliche Wertschätzung dieser Sender aus. Ein gallisches Dorf des Sportjournalismus im TV gibt es jedoch, es sendet heute um 22.45 Uhr im WDR-Fernsehen: "Sport inside".

 

 

Hier hat die viel zitierte "ARD-Dopingredaktion" eine ihrer wenigen Abspielstellen. Mir persönlich hat sich ein Beitrag von Vincenzo Delle Donne besonders eingeprägt, der die Dopingpraktiken im italienischen Fußball darstellte. Zu sehen war ein wie ein Schlosshund heulender Ruud Gullit, der einen im Rollstuhl sitzenden ehemaligen Mannschaftskameraden bei dessen Benefizspiel begrüßte.

Heute geht es in "Sport inside" u.a. um die ökonomischen Interessen, die sich hinter der Ausbreitung von Kunstrasenplätzen verbergen, und – da wird Gelsenkirchen wegzappen müssen – um den Brasilianer Dede, der seit 1998 beim BVB unter Vertrag steht.

Roberto Ciullli über seine umstrittene Fassbinder-Inszenierung

Am Donnerstag wurde am Mülheimer Theater Fassbinders Schauspiel "Der Müll, die Stadt und der Tod" uraufgeführt. Im vorliegenden Interview, das in den Tagen vor der Premiere geführt und am 24.9.2009 in der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung veröffentlicht wurde, gibt der Regisseur Auskunft über seine viel diskutierte Aufführung.

Herr Ciulli, es gibt starke Proteste gegen Ihre Fassbinder-Inszenierung. Auch der Zentralrat der Juden und die Jüdische Gemeinde Mülheim sehen sich nach einer Voraufführung in ihrer Kritik bestätigt. Bleiben Sie dennoch dabei, "Der Müll, die Stadt und der Tod" zu inszenieren?

Ja. Wir wussten um die Bedenken, die es gegenüber diesem Stück gibt und haben deswegen bereits im Frühjahr die Jüdische Gemeinde in Mülheim kontaktiert und angekündigt, dass wir das Schauspiel im Rahmen eines dreiteiligen Fassbinder-Projekts spielen möchten. Ich nehme die Ängste sehr ernst und glaube, dass sie berechtigt sind. Trotzdem bedauere ich die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Zentralrat der Juden und uns. Wir sind aber nach wie vor überzeugt, dass es richtig ist, dieses Projekt zu realisieren.

Warum?

Im Rahmen des Fassbinder-Projektes werden wir auch "Nur eine Scheibe Brot" aufführen. Das Stück handelt von der Problematik, in einem antisemitischen Klima einen Film über Auschwitz zu realisieren. Der dritte Teil des Projekts ist das Drama "Blut am Hals der Katze", das den Verfall der Sprache auch als Ursache und Folge des Faschismus zeigt. Dieses Projekt bietet die Gelegenheit, auf den durchaus vorhandenen Antisemitismus in Deutschland aufmerksam zu machen. Wer über unseren Versuch urteilt, muss sich mit dieser Inszenierung auseinandersetzen.

Wie soll das funktionieren: mit judenfeindlichen Parolen auf der Bühne Antisemitismus zu bekämpfen?

Es gibt in der Theaterliteratur eine Reihe von Texten, die mit judenfeindlichen Parolen gegen Antisemitismus angehen. Auf der Bühne Antisemitismus aufzuzeigen, zu entlarven und zu bekämpfen, ohne die Figuren antisemitische Phrasen und Klischees aussprechen zu lassen, erscheint fast unmöglich.

Haben Sie Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die so etwas partout nicht hören und sehen wollen?

Ja, Menschen denen solch unvorstellbar Schreckliches angetan wurde, müssen mit dem allergrößten Respekt und der allergrößten Nachsicht behandelt werden. Auch darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Doch damit solche antisemitischen Äußerungen nicht mehr gehört werden müssen, und das nicht nur auf der Bühne, machen wir diese Inszenierung. Gäbe es in der Aufführung Anhaltspunkte dafür, dass sie antisemitisch ist, wäre ich der Erste, der sie absetzen würde.

Ihr Theater ist sehr stark im Iran vertreten. Glauben Sie, man würde Ihre Inszenierung in Teheran als ein Schauspiel begreifen, das Antisemitismus demaskiert?

Die Frage ist, von welchem Iran wir sprechen. Ich glaube, dass es auch im Iran genug Intellekt gibt, diese Aufführung als einen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in der Welt zu verstehen und sie aus diesem Grund gutzuheißen. Aber es wäre politisch nicht klug, diese Aufführung im Iran zu zeigen. Die Lust ist gering, dort missverstanden zu werden und Applaus von der falschen Seite zu bekommen.

Wie gut sind Waldorfschulen?

Eine Antwort einer Mutter aus dem Ruhrgebiet auf die gleichnamige TV-Dokumentation des SWR.

Eine Waldorfschule im Ruhrgebiet Foto: Ruhrbarone

„Eltern und Lehrer“, so die Selbstdarstellung der Waldorfschule, „stehen in einem kontinuierlichen Austausch- und Beratungsprozess, denn die Schule ist ein feiner Gradmesser gesellschaftlicher Entwicklung.“ Schön. Endlich nimmt mal jemand die Eltern ernst – „kontinuierlicher Austausch- und Beratungsprozess“ – Klasse!, denke ich und lese begeistert weiter: „Jedes Kind bringt die kulturellen Prägungen einer sich verändernden Gesellschaft mit in die Schule. Eine zeitgemäße Pädagogik muss darauf reagieren“ – na, die will ich doch auch, die „zeitgemäße Pädagogik“! – und weiter: „Im Mittelpunkt der Waldorfpädagogik steht der sich zu entwickelnde Mensch, der ganzheitlich als leibliches, seelisches und geistiges Wesen begriffen wird.“ Versprochen wird, dass „die Unterrichtsinhalte und -Methoden so eingesetzt werden, dass die Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen unterstützt wird. Es werden gleichermaßen kognitive, künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten geschult. Auf diese Art und Weise sollen die Schüler aus einer inneren Harmonie Sicherheit und Kompetenz gegenüber den Anforderungen des Lebens erlangen.“  

Diese großen Versprechen wurden auch an den Informations-Elternabenden, die vor der Einschulung stattfanden, wiederholt. Alles hörte sich gut und schön an – „ganzheitlich“  – wer will denn nicht das Beste für sein Kind? So wurde mein Sohn im Sommer 2002 in die Waldorfschule eingeschult. Der Einschulungstag war sehr familiär: Jeder der Erstklässler bekam einen Paten aus der 5ten Klasse zugeteilt, dieser überreichte dem Neuankömmling eine Blume und einen selbstgenähten Turnbeutel mit aufgesticktem Namen. Alle Beteiligten waren sich einig: „Ach wie nett, mal ganz anders als die üblichen Einschulungen.“ Draußen wurde ein Reigen gemacht, in der Klasse erzählte der Lehrer das Märchen ‘Die drei Brüder’ der Gebrüder Grimm. So verlief der erste Schultag. Alles sah kindgerecht und wohlbehütet aus.

Was die Eltern vorher nicht erfahren hatten: In einer Waldorf-Klasse sitzen bis zu 40 Schüler. Die ersten beiden Waldorf-Schuljahre sind von einem Kindergarten kaum zu unterscheiden. Von ‘Fördern und Fordern’ kann in dieser Schule keine Rede sein. Der Lehrer, selbst aus einem Waldorfelternhaus stammend, übernahm zum ersten Mal eine Klasse, war unqualifiziert und völlig damit überfordert, eine 1ste Klasse mit 38 Schülern zu leiten. Er war nicht in der Lage, auf die unterschiedlichen Charaktere der Schüler einzugehen, nicht nur wegen ihrer großen Zahl, sondern auch wegen seines sowieso nicht vorhandenen Einfühlungsvermögens.

Jeden Monat fand ein Elternabend statt. Pflichtbewußt nimmt man auch regelmäßig daran teil, man gehört ja jetzt dazu, zur großen Waldorf-Bewegung. Alles wird im Detail besprochen, so glaubt man. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, so glaubt man. Es ist aber vielmehr so, dass von Seiten der Schule vorgegeben wird, wohin z.B. eine Klassenfahrt geht. Unter welchem Thema z.B. die Karnevalsfeier steht, usw., usw.. Platz für eigene Ideen bleibt da nicht, sie sind auch nicht gefragt – jedenfalls nicht so, dass diese Ideen auch einmal umgesetzt würden. Hat man irgendwelche Fragen oder Einwände, so werden diese geschickt abgeblockt oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen – es sei denn, sie könnten auch nur irgendwie der Sache Rudolf Steiners dienlich sein. ‘Steiner, Steiner über alles!’, so lautet die Devise der Waldorfschule, wie ich aber erst viel später verstehen konnte – leider verstehen musste.

Bereits Ende der 1sten, Anfang der 2ten Klasse, wurde mein Sohn von Mitschülern drangsaliert. So wurde ihm, hier nur einige wenige Beispiele: ein Bein gestellt, er wurde getreten, massiv gegen die Wand gedrückt, ihm der Hals zugedrückt – täglich wurde er mit übelsten Schimpfworten erniedrigt. Ich sprach den Klassenlehrer darauf an und bat ihn, diesen Misstand sofort abzustellen. Von anderen Eltern hatte ich gehört, dass es einigen Kindern in der Klasse ähnlich erging. Ich gab dem Lehrer ein Buch über Mobbing und Gewalt an Schulen, allerdings nicht aus den Waldorfschul-üblichen anthroposophischen Verlagen ‘Freies Geistesleben’ oder ‘Urachhaus’.  

Ich bestand darauf, das Thema ‘mobbing’ am nächsten Elternabend aufzugreifen und so schnell wie möglich nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Zweimal wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen vertagt. Als der Elternabend dann doch noch stattfand, hielt eine Gründungslehrerin der Schule den Einführungsvortrag, begann fast jeden Satz mit: „Rudolf Steiner hat gesagt …“ Was sollte Steiner gesagt haben? Die Gründungslehrerin: „Die Kinder wollen in Kontakt treten und sich dabei näher kommen, sich gegenseitig fühlen und Kräfte messen …“ Fazit: In der heilen Waldorfwelt gibt es keine Gewalt. Von Mobbing wollte man nichts wissen – es kann nicht sein, was nicht sein darf. Eltern, deren Kinder ebenfalls in die Opferrolle geraten waren, machten in rasender Geschwindigkeit eine Metamorphose durch: verstummten urplötzlich … und alles blieb beim Alten. Bei weiteren Übergriffen auf meinen Sohn setzte ich mich dann mit den Eltern der jeweiligen Schüler in Verbindung. Heraus kamen Antworten wie: „Der Lehrer macht doch Spiele mit den Kindern, damit diese sich austoben können …“ Auch hieß es: „Die Kinder müssen sich ihre Rangordnung erkämpfen …“, worauf ich antwortete: „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich meinen Sohn im Zoo angemeldet.“  

Die Eltern der Mitschüler suchten nach der besseren Alternative zur öffentlichen Schule: einer Schule ohne Leistungsdruck. Es waren Neueinsteiger, viele davon nach Hilfe suchende Allein-Erziehende mit einem unstillbarem Harmonie-Bedürfnis. Linientreue, die als Kind schon selber diese Waldorfschule besucht hatten. Nach ungefähr einem Jahr war der Großteil der Eltern auf Waldorf-Kurs gebracht. Niemand stellte mehr Fragen, schöne heile Welt: „piep, piep piep – wir haben uns alle lieb.“ Das begann schon an der Klassentüre. Der Klassen-Lehrer begrüßt die Schüler per Handschlag mit den Worten: „Guten Morgen lieber ‘…’“, worauf der Schüler brav zu antworten hat: „Guten Morgen lieber Herr ‘…’“ In der Klasse dann noch einmal alle im Chor. Mein Sohn fragte sich immer öfter: „Sind die wirklich alle so lieb?“ Und stellte fest, dass er tag-täglich anderes erlebte.  

Der ganze Schulablauf ist sehr stark strukturiert – ritualisiert – und lässt für Freiheit keinen Raum. Man will ja „den Willen stärken“. Mit meinem heutigen Wissen sage ich: die Kinder und Jugendlichen werden manipuliert –  zu tun, zu denken und zu glauben, was die Waldorfschule will. Eigene Wünsche, Meinungen und Gefühle werden unterdrückt: Du gehst in eine Schule, die dich willentlich zum Zwangsschlaf verurteilt … auf dass, wenn du Glück hast, vielleicht ein Mensch aus dir wird … der dann auch noch mit beiden Beinen im Leben stehen soll … Die eigene Persönlichkeit wird untergraben, hat nicht in Erscheinung zu treten.

Das ist in allen Fächern so, wird für den Außenstehenden aber vielleicht am deutlichsten an der ‘Eurythmie’. Einem Fach, das nach Waldorf-Aussage, von den meisten Schülern geliebt wird. Bei der Eurythmie sollen Sprache und Musik durch Bewegungen ausgedrückt werden. Dabei gibt es, wie immer bei Waldorf, von Rudolf Steiner fest vorgegebene Gebärden für jeden Sprachlaut. Freiheit gibt es nicht, haben die Sprachlaute doch eine „kosmische“ Bedeutung, die bei ihrer Wiedergabe strengstens beachtet werden muss. Mein Sohn empfand die Eurythmie eher irdisch „als schwul sein“ oder „schwul werden“. Er gab sein Bestes, weil er ja vom System und vom Lehrer dazu gezwungen wurde. Es ist heute wie ein Befreiungsschlag für ihn, in der öffentlichen Schule keine Eurythmie mehr zu haben. Sich keine Gedanken mehr darüber machen zu müssen, ob er „noch richtig tickt“, so mein Sohn. Wenn man sich nicht voll auf die Eurythmie konzentriert, so die Lehrerin, hat „man sich mit dem Stoff nicht richtig verbunden“. Dann wird ‘Heileurythmie’ verordnet. Einen Grund dafür findet der Waldorflehrer immer, wenn er denn nur will: das Kind ist dann „unkonzentriert“, „zu ruhig“, „im Bewegungsablauf zu langsam“, egal … . Einige wenige Krankenkassen bezahlen die ‘Heileurythmie’, wenn nicht: „Bitte zahlen sie aus der eigenen Tasche, denn …“, so wird es einem plausibel gemacht, „die Waldorfschule will doch nur das Beste für Ihr Kind!“ Wie sich das Kind bei den Übungen vorkommt, was es dabei empfindet, spielt überhaupt keine Rolle. Es folgen die üblichen Erklärungen nach dem Muster: „Rudolf Steiner hat gesagt …“. Hat Steiner nicht auch von der ‘Philosophie der Freiheit’ gesprochen – ein leeres Versprechen, nur ein Versprecher? ‘Philosophie der Freiheit’ ist der Titel eines von Steiners 370 Werken … noch einmal in Worten: drei-hundert-siebzig Bände Steiner …

Lehrbücher gibt es in der Waldorfschule nicht, in keinem Unterrichtsfach. Man gibt sich total in die Hände des Lehrers. Der Unterricht orientiert sich stark an seinen persönlichen Vorlieben. So nahm Englisch in der Klasse meines Sohnes einen sehr großen Raum ein, obwohl die Kinder in Deutsch noch gar nicht gefestigt waren. Die Waldorf-typischen ‘Epochenunterrichte’, das heißt, Unterrichtseinheiten von mehreren Wochen Dauer, entpuppten sich als reines ‘Wischi-Waschi’: sie waren schlecht vorbereitet, wurden schlecht durchgeführt, der Stoff wurde wenig vertieft. Folge: Gelernt wurde wenig, und nach 4 Wochen war bei meinem Sohn – und nicht nur bei ihm – fast alles wieder weg. An ein „Wiederhochholen“, so der Waldorf-Fachausdruck, war nicht zu denken, ging es doch sofort mit neuen Themen oder Fächern weiter. Wenn der Lehrer scheitert – was natürlich niemals offen gesagt wird – sind die Eltern gefragt. So hieß es in der Klasse meines Sohnes des öfteren: „Um wieder eine erfolgreiche Leseepoche durchführen zu können, werden wieder freiwillige Eltern benötigt.“ Dasselbe galt auch für die Schreib- und Rechenepoche.  

Das Netzwerk funktionierte einwandfrei, in guten wie in schlechten Zeiten machte der Lehrer wie selbstverständlich seine Hausbesuche – eine familiäre Atmosphäre ist bei Waldorfs ein absolutes Muss. Bei dieser Gelegenheit wird wie selbstverständlich auch das Zimmer des Schülers ins Visier genommen, um sich besserwisserisch auf Waldorfart einzumischen. Stein des Anstoßes war bei uns Kunststoffspielzeug, das man umbauen kann (z.B. zum Auto oder zum Roboter). Man wies mich darauf hin, dass der Gegenstand sehr starr und leblos sei und dass es sicherlich besser für meinen Sohn wäre, würde dieses Spielzeug aus seinem Zimmer entfernt werden. Besser wäre es, meinem Sohn eine Wurzel mit Wichteln und lebendige Materialien – Holz, das er selber zurechtschnitzen kann – zum Spielen zu geben. Ich war sehr überrascht, da mein Sohn bereits fast zehn Jahre alt war und wohl ein Mitbestimmungsrecht hat, was seine Spielsachen angeht. Wichtig, so der Lehrer, sei auch, dass die Hände meines Sohnes „ins Tun kommen, das steigert die Denk- und Merkfähigkeit – so hat Rudolf Steiner es gesagt.“ Ich antwortete, dass ich als Mutter durchaus in der Lage sei, selber zu bestimmen, mit welchem Spielzeug mein Sohn spielen dürfe. Zwei Tage später fragte der Lehrer meinen Sohn, ob denn jetzt die erwähnten Spielsachen aus seinem Zimmer entfernt seien, worauf mein Sohn antwortete: „Nein, warum?“ Eine Woche später wurde, wie mir mein Sohn erzählte, noch einmal nachgefragt, wieder gab mein Sohn die gleiche Antwort. Ich merkte, wie mein Sohn immer unsicherer wurde – er wollte es ja jedem recht machen. Danach wurde diesbezüglich nicht mehr gefragt. Von nun an ging es steil bergab.  

Mein Sohn wurde „ad acta gelegt“: ob er etwas lernte oder nicht, war von nun an egal, was aus ihm einmal werden sollte, „nun ja …“ Auf ärztliches Anraten hin sollte mein Sohn vorne sitzen, da er ein ruhiger, aber sehr aufmerksamer Schüler sei. Diese Bitte wurde vom Lehrer nicht beachtet: hinterste Reihe rechts, links … Hauptsache hinten, immer wieder saß mein Sohn neben den größten Rabauken der Klasse, die ihn einschüchterten und runtermachten. Dann endlich befanden wir uns wieder in der Leseepoche. Eingeschüchtert von Lehrern und Mitschülern fiel es meinem Sohn schwer, in der Klasse vorzulesen. Da ich ihn immer wieder dazu ermutigte, meldete er sich zaghaft, wurde aber nie aufgerufen. Ich setzte mich daraufhin mit dem Klassenlehrer in Verbindung und erklärte ihm, dass man Kinder nicht nur fördern, sondern auch fordern müsse. Fragte, warum er meinen Sohn auch dann nicht, wenn er sich selber meldete, einmal zum Vorlesen dran nehme. Darauf bekam ich zur Antwort, dass mein Sohn im Lesen noch sehr unsicher sei und er, als Klassenlehrer, nicht wolle, dass die anderen Mitschüler über meinen Sohn lachen. Ich war über diese Aussage sehr verwundert, war ich doch bis zu diesem Zeitpunkt der festen Überzeugung gewesen, dass es Pädagogen während ihrer Ausbildung lernen, mit dieser Routine-Situation umzugehen. Auch hier blieb alles beim Alten, sodass mein Sohn gar nicht erst die Chance für ein Erfolgserlebnis oder die Möglichkeit des „Wachsen und Werdens“ – wie es anhand von Steiner immer groß herausstellt wurde – bekam. Anders die Kinder von Gefolgsleuten und Linientreuen: Sie wurden in die erste Reihe gesetzt, und bekamen auch eine gewisse Aufmerksamkeit des Lehrers, was ihr Lernen anbetraf.  

Mittags konnten die Kinder, wenn sie wollten, im Speisesaal essen. Zweimal machte mein Sohn davon Gebrauch. Beim ersten Mal war das Gericht, das er gerne aß, bereits vergriffen. Beim zweiten Mal rannte er, um es doch noch zu bekommen. Das gefiel der Lehrerin überhaupt nicht. Sie bestrafte meinen Sohn, indem er nichts zu Essen bekam und die ganze Zeit am Tisch stehen musste (Mitschüler bestätigten mir diese Vorgehensweise). Ich selber war entsetzt, dass man so verfährt, und rief daraufhin den Klassenlehrer an. Ich sagte ihm, dass jeder Strafgefangene unberücksichtigt seiner Straftat dreimal täglich seine Mahlzeiten bekommt, und dass diese Vorgehensweise das Letzte sei. Danach ging’s erst richtig los: Die Lehrer schlossen sich, wie ich heute rückblickend sagen muss, gegen mich und meinen Sohn zusammen. Mein Sohn war damals noch keine 10 Jahre alt, ein aufgeschlossener, aber stiller Junge, der nun fortwährend von den Lehrern beobachtet und reglementiert wurde. So lange, bis er sich in der Schule gar nichts mehr zutraute und völlig verunsichert war. Er fing an, zum Perfektionismus zu neigen, wollte alles gut und noch besser machen. Hatte Angst, etwas Verkehrtes zu sagen oder zu tun, wollte wirklich jedem gefallen. Hoffnungslos.

Was sich hinter der verschlossenen Schultüre abspielte, war genau das Gegenteil von dem, was dort angeblich praktiziert wurde. Im Handarbeitsunterricht wurden die Kinder dazu erzogen, brav, braver, am bravsten nach dem benötigten Arbeitsmaterial zu fragen. Wenn die Lehrerin guter Dinge war, bekam auch mein Sohn sein Arbeitsmaterial. An schlechten Tagen wurde mein Sohn von der Lehrerin nicht beachtet oder abgewiesen. Dann traute er sich nicht, noch einmal nachzufragen … Wenn seine Arbeit dadurch nicht fristgerecht fertig wurde, tadelte ihn die Lehrerin vor der ganzen Klasse. Ich beschloss daraufhin, für das Arbeitsmaterial meines Sohnes selber zu sorgen. Zum Bittsteller möchte ich meinen Sohn nicht erziehen. Was soll das für eine ‘Erziehungskunst’ sein? „Körper, Geist und Seele werden bei der Waldorf-Pädagogik angesprochen … Kopf, Herz und Hand“, Wiederholungen machen die Waldorf-Lügen auch nicht wahrer. Hier werden Kinder und Jugendliche systematisch zu unfreien, unselbständigen, ängstlichen Menschen erzogen.  

Mein Sohn lebte in zwei Welten. Zuhause geht es bei uns locker und fröhlich zu, in der Schule war das ganze Leben und Lernen ein einziger Krampf: Von Fröhlichkeit und Spontaneität  keine Spur. Alles nur zu Steiners Bedingungen – versteinert. Oftmals wollte mein Sohn morgens nicht in die Schule, weinte dann. Ich konnte ihn immer wieder ermutigen, hinzugehen – trotzdem! Mittags leistete ich oftmals 2 Stunden Aufbauarbeit. In dieser Zeit gingen wir beide durch die Hölle. Im Sommer 2006 teilte mir dann der Lehrer mit, dass mein Sohn auf der angeschlossenen Waldorf-Sonderschule ‘Sonderförderung’ bekommen solle. Ich glaubte, „ich bin im verkehrten Märchen“. In vier Jahren war davon nie die Rede gewesen, jeder Elternabend wurde wahrgenommen, niemals wurde dazu auch nur die kleinste Andeutung gemacht. Ich gab dem Klassenlehrer zu verstehen, dass nicht mein Sohn, sondern er und das Waldorf-System versagt hätten. Teilte ihm mit, dass mein Sohn ab sofort die Schule nicht mehr besuchen würde. Das ganze ereignete sich zwei Tage vor den großen Ferien. Wie sich später herausstellte, war der Lehrer mit soviel elterlichem Ungehorsam völlig überfordert. Die Schule bot mir ein Gespräch mit allen meinen Sohn unterrichtenden Lehrern an – wenn nichts mehr geht, dann funktioniert immer noch das große Waldorf-Netzwerk. Ich lehnte dankend ab – Danke für soviel Inkompetenz und Menschenverachtung.

Danke für die ganzheitliche Erfahrung der „Freien“ Waldorfschule. Geläutert machte ich mich auf den Weg zu der in Waldorfkreisen geächteten, bösen „Staatsschule“ (so der Waldorf-Sprachgebrauch). Ich ging mit meinem Sohn zu einer öffentlichen Grundschule, um ihn dort einschulen zu lassen. Wie die erfahrenen Pädagogen durch einen Test feststellten, entsprach der Wissensstand meines damals 10 Jahre alten Sohnes dem eines Zweitklässlers: die Direktorin, sowie die anwesende Lehrerin schüttelten ungläubig den Kopf. Alle waren sich sehr schnell einig, dass es nicht an meinem Sohn lag, auch dass er vom Auftreten und von der Größe her (1.52m), nicht in die 2. Klasse passte – für die weitere schulische Laufbahn wäre es auch nicht sinnvoll gewesen.  

Wie ich rückblickend sagen muss, ist das Waldorfsystem raffiniert und an Verlogenheit nicht zu überbieten. Ist man einmal in dessen Fänge geraten, kommt man nur ganz schwer wieder heraus. Mit dem Eintritt in die Waldorfschule begibt man sich automatisch in ein Abhängigkeitsverhältnis – ohne sich dessen bewusst zu werden. Der Lehrstoff der Waldorfschulen ist so angelegt, dass Kinder beim Wechsel in eine öffentliche Schule erhebliche Lücken haben, die nur sehr schwer, oder gar nicht, wieder zu schließen sind – mein Sohn hatte diese erheblichen Wissenslücken und wurde schliesslich in die 4te Klasse zurückversetzt. Ein Schulwechsel geht auf Kosten der Kinder und Jugendlichen, die sich als Versager fühlen müssen, auch wenn sie keine sind. Ich hatte Glück, da wir an der öffentlichen Schule auf kompetente, erfahrene und verständnisvolle Pädagogen trafen.  

Die Waldorfschul-Karriere meines Sohnes erschien der jetzigen Lehrerschaft anfänglich eher unglaubwürdig. Die Waldorfschule verkauft sich nach außen hin sehr gut. Kennt man sie aber von innen, wird man eines Besseren belehrt. Die große Waldorf-Gemeinschaft lebt nach der Devise: „Bist du nicht für uns, bist du gegen uns.“ Die gegen uns sind, lassen wir außer Acht und entledigen uns dieser Eindringlinge schnellstmöglich, egal wie … Die Wahnvorstellungen Rudolf Steiners werden in der Waldorfschule ausgelebt – mit kräftiger finanzieller Unterstützung des Staates. Dieser lässt diese Sekte schalten und walten, wie es ihr gefällt. Ohne Gegenleistung, ohne Auflagen, ohne wirksame Kontrollen. Wo leben wir? Der Gesetzgeber verpflichtet die Schulaufsicht, auch die Qualität von Privatschulen zu überprüfen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass nur kompetente, gut ausgebildete Lehrer Schüler unterrichten dürfen. Selbstverständlich sollte es auch sein, dass jederzeit die Möglichkeit gegeben ist, an eine andere, auch öffentliche Schule zu wechseln – ohne riesige Wissenslücken und seelische Schäden aus der Waldorfschule im Ranzen mitzunehmen. An der PISA-Studie haben sich die Waldorfschulen gar nicht erst beteiligt …  
 

Zugesand von Andreas Lichte

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Alles in Ordnung bei der AGR?

Morgen wird im Ruhrparlament des Regionalverband Ruhr die Bilanz der
Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) verhandelt. Nach außen hin scheint
hier alles in Ordnung zu sein.

So feierte die Firma des kommunalen Regionalverbandes Ruhr (RVR) zuletzt positive Zahlen in der Öffentlichkeit. In einer Pressemitteilung heißt es, die Gesellschaft habe im vergangenen Jahr einen Überschuss von 7,6 Mio. Euro erwirtschaftet und die bilanzielle Überschuldung überwunden.

Am Montag soll der Abschluss abgesegnet werden. Tatsächlich aber wird bei einem tiefen Blick in die Bücher deutlich, dass längst nicht alles gut ist. Im Gegenteil. So weist nur die Muttergesellschaft AGR keine Überschuldung mehr aus. Rechnet man aber die Zahlen aller Tochterfirmen im Konzern AGR zusammen, so ergibt sich immer noch eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von 58 Mio. Euro, wie aus Unterlagen hervorgeht, die mir vorliegen. Auch das positive Ergebnis der Firma relativiert sich bei einer näheren Betrachtung. So konnte der Jahresüberschuss nur dargestellt werden, weil einmalige Effekte mit berücksichtigt wurden. Beispielsweise musste der Generalunternehmer Fisia Babcock Enviroment für den Bau der Müllverbrennungsanlage RZR II
eine Strafzahlung in Höhe von 7,1 Mio. Euro für die verspätete Fertigstellung der Anlage an die AGR überweisen. Im laufenden Geschäft ohne Einmaleffekte scheint es für die AGR richtig schlecht zu laufen.

Wie der Kreis Wesel in seiner Stellungnahme zu den Abschlüssen schreibt: „Aufgrund der Verluste aus dem operativen Geschäft soll der gesamten Aufbau- und Ablauforganisation der AGR überprüft werden.“
Der Kreis Wesel schreibt in einer Stellungnahme zum Jahresabschluss weiter: „Bei Betrachtung des Konzernbetriebsergebnisses wird erkennbar, dass dieses gegenüber dem Vorjahr von 6,1 Mio. Euro auf 1,1 Mio. Euro gefallen ist.“ Berücksichtigte man das darin enthaltene Ergebnis der Konzernmutter AGR von 9,1 Mio. Euro, werde das schlechte Ergebnis der Töchter deutlich. „Dieses soll nach Angabe des RVR aus problematischen
Preis- und Mengenentwicklung auf den Abfall- und Wertstoffmärkten resultieren.“ Rechnet man zudem die einmalige Strafzahlung von Fisia Babcock raus, um einen Blick in das operative elend zu werfen, erkennt man, dass die AGR im Konzern rote Zahlen schreibt.

Tatsächlich sind die Preise für die Müllverbrennung im den vergangenen Monaten stark gefallen. Aktuell gilt in der Branche ein Preis von 70 Euro je Tonne als realistisch. Für die Müllverbrennungsanlage RZR II ist das ein schlechtes Omen. Rechnete die AGR doch mit Erlösen von über 100 Euro je Tonne, um die Anlage wirtschaftlich betreiben zu können. Der Kreis Wesel kritisiert deswegen, dass in dem Geschäftsbericht der AGR keine „Aussage über das laufende operative Geschäft des RZR ll gegeben wird“. Dabei setzt die Abfallfirma nach wie vor alles auf die Verbrennungsanlage. Nur wenn das Ding ein Geschäftserfolg wird, ist die AGR in der Lage die Deponienachsorge zu bezahlen. Für die Mitarbeiter ist jedenfalls nicht alles toll. So werden derzeit die ersten Stellen abgebaut. Sozialverträglich wie es heißt.

Aus Sicht der AGR stellt das alles allerdings kein Problem dar. Vor allem die Überschuldung des Konzerns sei ignorierbar. „Ein solcher Fehlbetrag im Konzern ist insbesondere insolvenzrechtlich irrelevant, da nur juristische oder natürliche Personen dem Insolvenzrecht unterfallen. Der Konzern ist jedoch keine juristische Person“, sagte ein Sprecher.
Auch um die fallenden Preise auf dem Markt macht sich die AGR keine Sorgen. Die Auslastung des RZR II würde zum Großteil über länger laufende Verträge gesichert. Diese verfügten über eine „deutlich höhere Preisstellung“. Aus diesem Grund werde im laufenden Jahr mit einem sich weiter verbessernden Ergebnis gerechnet.

Wie genau sich die Lage entwickelt hängt auch davon ab, was die Steuerbeamten sagen, die in der AGR unterwegs sind, um den Betriebs zu prüfen. Bis zur Aufstellung der Bilanz waren die Leute jedenfalls noch
nicht fertig. Auch das kann noch teuer werden. Wenn man bedenkt, dass die AGR, als Müllfirma des Ruhrgebietes, gleichzeitig wegen schlechter Geschäfte am Finanzmarkt noch über 5 Mio. Euro einfach so vertändelt hat, wird einem schon mulmig.

Es scheint, dass die AGR dabei ist, egal was schief geht.  Die Buchprüfer der AGR weisen ausdrücklich darauf hin, „dass sich die Liquiditätslage nach den Planungen der Gesellschaft in den zukünftigen Jahren deutliche verschlechtern wird jedoch nach derzeitiger Erkenntnis noch ausreichend ist.“
Nach derzeitiger Erkenntnis.

Da können ein paar Entwicklungen entscheidend werden. Schon jetzt melden die Buchprüfer, dass es „unter anderem aufgrund der negativen Eigenkapitalquote Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Fremdkapital“
gab. Und hier sorgen vor allem zwei Vorgänge für Stirnrunzeln.

So streitet sich eine wichtige Tochterfirma der AGR seit Ende 2008 mit der FS-Karton GmbH in Neuss über einen Papierentsorgungsvertrag für die EBE aus Essen. Es stehen Gerichtsverfahren mit der FS-Karton und der EBE
an. Im Kern geht es darum, dass die Altpapierpreise im vergangenen Jahr drastisch gefallen sind.

Die AGR-Tochter kauft nun zu dem alten hohen Preis Altpapier bei der EBE auf. Die FS-Karton dagegen hat wegen der überzogenen Preise den Vertrag mit der AGR gekündigt. Das bedeutet, dass die AGR-Tochter hier Altpapier mit Verlusten handelt. An jede Tonne Zeitung wird ein Geldschein geklebt und geschreddert.
Die AGR versucht diese miese Lage zu beenden. „Da bisher kein Erfolg zu verzeichnen ist, soll auch hier der Klageweg beschritten werden.“

Ähnlich sieht es übrigens im Kreis Recklinghausen aus. Auch dort läuft das Altpapiergeschäft mit Verlusten. Anders als in Essen hat die AGR hier aber nach eigenen Worten einen gehbaren Ausweg aus der Miesere
gefunden. So wurde mit dem Kreis Recklinghausen vereinbart, dass die Rechnungen für das Altpapier nicht auf einmal gezahlt werden müssen, sondern abgestottert werden dürfen. Ein nicht unerheblicher Nachteil für Wettbewerber, die sich mit der AGR um den Entsorgungsauftrag beworben hatten. Aber egal. Dafür hat auch der Käufer des Recklinghäuser Mülls zugesagt, die Preise ein wenig anzupassen. Trotzdem ergeben sich daraus
laut AGR „aufgrund des handelsrechtlichen IMparitätsprinzip im Jahr 2009 relevante Ergebnisbelastungen.“ Ich übersetz das mal: Die AGR-Tochter droht tief in die Miesen zu rutschen, weil die schlechten Geschäfte in der Bilanz ausgewiesen werden müssen. Das belastet den gesamten Müllkonzern. Warum die Firma hier gegenüber den Abgeordneten im Ruhrparlament keinen Klartext spricht, sondern rumschwurbelt, kann ich
nicht sagen. Nicht nur mir fällt auf, dass die Materialien für die Abgeordneten nur bestenfalls Lala sind. Der Kreis Wesel urteilt über die Vorlagen für das Parlament: „Insgesamt sind die Drucksachen  nicht geeignet, einen vollständigen und umfassenden Überblick der Geschäftstätigkeiten des Jahres 2008 zu erhalten.“

Es scheint Tradition bei der AGR zu haben, nicht alles klar und deutlich zu benennen. Als vor ein paar Wochen erneut ein Giftlaster mit illegaler Ladung auf seinem Weg zur AGR nach Herten aufgefallen ist, und von der Polizei gestoppt wurde, wurde auch so getan, als sei nichts passiert. Sorgt mittlerweile die Not für kriminelle Energie? Ich denke nicht. Aber der Weg ist nicht mehr weit bis dahin. Auch wenn die AGR immer sagt, in den Eingangskontrollen würde jede illegale Lieferung aussortiert. Mir fällt das schwer zu glauben, da die Preise im Müllgeschäft verfallen und die AGR aggressiv versucht überall Müll einzukaufen. Wieder der Kreis Wesel: „Das RZR ll belastet in der Region den Abfallmarkt. Dies hat steigende Überkapazitäten und fallende Preise zur Folge. ln wie weit sich dies betriebswirtschaftlich auf das RZR ll auswirkt bleibt abzuwarten. Bekannt ist, dass das RZR ll Abfälle zu äußerst niedrigen Preisen annimmt.“

Am Schluss fällt mir auf, dass die AGR einen ganzen, durchaus erheblichen Geschäftsvorfall nicht in das Zahlenwerk ihres Jahresabschlusses aufnimmt. Und zwar das Cross Border Leasing rund um die Hertener Müllverbrennungsanlage.
Die AGR meint, das müsse nicht sein. Ich denke anders.

Gehen wir in den Kern: Die AGR hat im Januar öffentlich erklärt, die „Probleme um das Cross-Border-Lease“ gelöst zu haben. Gut. Was steckt hinter den Worten?

Als Träger, Dreh und Angelpunkt des Geschäftes gilt ein Trust in Delaware. Das ist eine Art Schatz im Piratenland. Eine Postadresse im Steuernirvana. Dieser Trust wird von einer Firma in Delaware verwaltet. Wirtschaftlich kontrolliert wird er von der AGR.

Der Trust hält Kredite der Landesbank Baden-Württemberg und der NordLB, mit diesem Geld hat der Trust die Müllverbrennungsanlage in Herten gekauft. Das Geld für den Verkauf liegt jetzt bei Töchterfirmen der Banken irgendwo auf Konten in anderen Steueroasen der Welt. Nun zahlen die Banken über den Trust der AGR sich das Geld von der linken in die rechte Tasche zurück. Dafür, dass die Zahlungsflüsse immer laufen, muss die AGR über den Trust gerade stehen.

Ich habe mich bemüht, Einzelheiten zu dem Deal herauszubekommen. Die AGR und der Regionalverband Ruhr haben gemauert. Monatelang habe ich einen Auskunftsprozess vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geführt. Glücklicherweise habe ich gewonnen. Der RVR unter dem SPD-Mann und Direktor Heinz-Dieter Klink wurde verurteilt, mir „umfassend und wahrheitsgemäß“ Auskunft zu geben. So kann ich einiges hier berichten.
Das Cross-Border-Geschäft hat ein Volumen von 350 Mio US- Dollar. Es wurde angeleiert von den Beratern der Bank Dresdner Kleinwort Wasserstein und Freshfields Bruckhaus Deringer, die auf den Regionalverband und seine Müllfirma zugekommen sind und denen das Geschäft an die Backe gequatscht haben. Auf amerikanischer Seite beriet Shearman & Sterling die Müllfirma des Ruhrpottverbandes.

Eine Ausschreibung für die Beraterleistungen gab es nicht. Das ganze wurde freihändig vergeben. Weil die das ja so gut an die Backe gequatscht hatten. Oder wie es offiziell heißt: „Es gab keine öffentliche Ausschreibung hinsichtlich der Beratungsleistungen. Dies war rechtlich nicht erforderlich.“

Die Berater haben ganze Arbeit geleistet. Nach knapp sechs Jahren war der Deal, der auf eine halbe Ewigkeit angelegt war, im Eimer. Die Sicherungen der Kreditschiebereien flogen weg. Es musste umgesichert werden, anstelle einer namenlosen US-Firma wurde die AGR in den Trust gezwungen. Und was taten die Berater, die den Dreck angerichtet hatten?
Das was Berater halt so tun. Sie beraten.

In diesem Fall sicherte sich Freshfields Bruckhaus Deringer und Shearman & Sterling den nächsten Auftrag der AGR. Nur die Berater der Dresdner Kleinwort Wasserstein wurde ausgetauscht gegen Berater der RebelGroup
Advisory Deutschland.
Und die Jungs haben fleißig kassiert.

Shearman & Sterling bekam 2003 rund 660.000 US-Dollar überwiesen. Beim zweiten Aufwasch, der Problembeseitigung, gab es noch mal 195.000 US-Dollar. Freshfields Bruckhaus Deringer kassierte 2003 rund 520.000 US-Dollar und sechs Jahre später 144.000 Euro. Freshfields Bruckhaus Deringer hat den RVR auch im Rechtsstreit gegen mich beraten, als der RVR keine Auskünfte geben wollte. Ich weiß nicht, ob das Geld für die
gescheiterte Schweigeverteidigung schon in den Beraterkosten enthalten ist.

Zuletzt kassierte noch die Dresdner Kleinwort Wasserstein im Jahr 2003 rund 1,8 Mio US-Dollar.  Und die Berater der RebelGroup Advisory Deutschland steckten sich 91.500 US-Dollar in die Tasche.
Toll oder? Hauptsache die Berater stecken die Kohle in die Tasche.

Man kann fast sicher sein, dass in den kommenden Jahren wieder ein Zahltag für die Berater kommt, denn das Cross-Border-Leasing ist immer noch nicht zu Ende. Egal was AGR und RVR meinen. Der Trust lebt und mit
ihm die Verpflichtungen. Ich hab keine Ahnung, was die Berater den Beamten eingeflüstert haben. Fakt ist jedenfalls, dass die ganze Nummer noch läuft und weiter Risiken für die AGR birgt. Und dass diese Risiken
nicht in der Konzernbilanz der AGR zu finden sind.

Fakt ist: Die Kommunalfirma aus dem Pott unterhält einen Trust im US-Staat Delaware ohne über die Details in der Bilanz zu berichten. Welche Einnahmen hat der Trust, welche Guthaben, welche Ausgaben und
welche Verbindlichkeiten? Welche Zugriffsmöglichkeiten hat die Firma, welche Zinsen fallen an, welche Umsätze? Nichts – keine Auskünfte. Eine Art Schattenhaushalt der Kommunalfirma. Es heißt nur, es gebe keine
Risiken. Aber auch das haben wir schon gehört, und dann ging es in die Hose.

Der Trust in Delaware, dieser Schatz auf der Pirateninsel, selber kennt angeblich keine Eigentümer, sondern nur einen Begünstigten, der alle Rechte und Pflichten des Trustes genießt. Und das ist die AGR.

Die AGR jedenfalls meint, sie müsste keinen Bericht über den Trust veröffentlichen. „Bei der Begünstigtenstellung gegenüber dem Trust handelt es sich nicht um eine Beteiligung, die bilanzierungsfähig wäre. Der Trust hat im eigentlichen Sinne ja keinen Eigentümer. Eine Abbildung in der Bilanz ist daher nicht möglich. Die von der AGR übernommenen Verpflichtungen aus den Miet-/Leasingverträgen sind vorausgezahlt und damit vollständig gedeckt. Weitere Verpflichtungen, die bilanziell abzubilden wären wie etwa auch Eventualverbindlichkeiten, bestehen nicht. Garantien gegenüber Banken wurden weder von der AGR noch vom RVR übernommen.“

Ich sehe das nicht so. Die Steuerzahler im Ruhrgebiet haben ein recht über diesen Trust und den verborgenen Schatz informiert zu werden. Und zwar wie es sich gehört, mit einer umfassenden und wahren Bilanzierung.
Der RVR und mit ihm die Tochter AGR können nicht einfach einen Firma mit einem Kapital von vielleicht noch 350 Mio Dollar verschweigen.