Foto: Umweltministerium / Uhlenberg steht links
Im vom NRW-Umweltministerium angestifteten Ermittlungsverfahren gegen einen ehemaligen Abteilungsleiter gerät jetzt überraschend der Umweltminister selbst in das Visier der Ermittler. Zudem gibt es Fragen bei den Reisekostenabrechnungen des leitenden Staatsanwaltes. Auf der einen Seite verfolgte der Beamte einen angeblichen Betrug wegen acht angeblich falsch berechneten Euro Fahrtkosten. Auf der anderen Seite steht in seinen Reisekostenabrechnungen eine Strecke von 700 zurückgelegten Kilometern, während nach dem Falk Routenplaner die Strecke nur 624 Kilometer lang ist.
Tja. Tatsächlich steht Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) im Visier der Fahnder. Ich habe erfahren, dass bereits seit Monaten unter dem Aktenzeichen 85 Js 21/09 ein Ermittlungsverfahren gegen den Minister wegen falscher Verdächtigungen geführt wird. Der Leiter der Wuppertaler Staatsanwaltschaft Helmut Schoß bestätigte, das Verfahren gehe auf eine Anzeige aus dem November 2008 zurück. Damals habe ein Bürger aufgrund eines Presseberichtes eine allgemein gehaltene Strafanzeige gegen Minister Uhlenberg gestellt. Das Verfahren sei jedoch bis zum Abschluss der Ermittlungen gegen Friedrich eingestellt worden. Danach werde die Anzeige bearbeitet.
Mir liegt ein Bericht der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vor, aus dem hervorgeht, dass sich die Staatsanwaltschaft Wuppertal noch im Februar gewehrt hat, dass Verfahren gegen Uhlenberg überhaupt zu übernehmen. Die Wuppertaler führten aus: Es sei zu berücksichtigen, „dass falls die Vorwürfe des Anzeigeerstatters zutreffend wären, auch eine mögliche Strafbarkeit des zuständigen Dezernenten der STA Wuppertal zu prüfen wäre, da er sich angeblich durch Minister Uhlenberg zu Handlungen anstiften ließ, die den Tatbestand der Rechtsbeugung und der Verfolgung Unschuldiger erfüllen könnten. Auch insoweit verbietet sich eine Übernahme des Verfahrens.“
Die Generalstaatsanwaltschaft fand diesen Hinweis „bemerkenswert“. Und wies die zögerlichen Wuppertaler dann im April schriftlich an, dass Verfahren zu bearbeiten.
Dieser Fall wird im Rahmen des Untersuchungsausschusses des Landtages zur Causa Uhlenberg eine Rolle spielen, der im Oktober seine Arbeit aufnimmt. Hier soll untersucht werden, ob die Ermittlungen gegen den ehemaligen Abteilungsleiter Harald F. politisch motiviert waren. Hinweise für diesen Verdacht sind in den Unterlagen zum Verfahren zu finden. So gehen die Ermittlungen auf gleich drei Anzeigen aus dem Umweltministerium zurück. Gleichzeitig wurde der Verdacht aus dem Ministerium befeuert, der Ex-Abteilungsleiter habe sich der Korruption schuldig gemacht. Im Mai 2008 wurde Harald F. für mehrere Wochen in Haft genommen.
Wie nun bekannt wurde, war das Innenministerium bereits seit mindestens Oktober 2007 in die Ermittlungen eingebunden. Aus einer Email des Landeskriminalamtes (LKA) geht hervor, dass sich Spitzenbeamte des Innenministeriums in den so genannten Vierteljahresgesprächen über den Fortgang des Verfahrens von den LKA-Beamten unterrichten ließen. So wurde beispielsweise die Vernehmung des Umweltstaatssekretär Alexander Schink thematisiert, in der dieser den Verdacht erhärtete, Harald F. habe in „betrügerischer Weise“ einen Forschungsauftrag erteilt.
Harald F. galt als einer der schärfsten Kritiker von Umweltminister Uhlenberg im Verlauf des PFT-Skandals, bei dem krebserregende Gift in den Trinkwasserfluss Ruhr eingeleitet wurde. Entsprechend auffällig ist, dass LKA-Beamte bei einer Hausdurchsuchung bei Harald F. Material zum PFT-Skandal beschlagnahmten, obwohl dieses Material nicht im Zusammenhang mit dem Durchsuchungsbeschluss stand. Eigentlich sollte belastende Dokumente zu Auftragsvergaben im Zusammenhang mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie gefunden werden. Damit nicht genug. Später regten die Beamten eine weitere Hausdurchsuchung an, um noch „weitere Unterlagen zu PFT“ zu finden.
Überraschend ist zudem, wie sehr sich die Beamten im Landeskriminalamt um politische Unterstützung sorgten. Nachdem der parlamentarische Untersuchungsausschuss von SPD und Grünen beschlossen wurde, versandte die Pressestelle der CDU im Juni eine Erklärung, nach der auch die „Hinterlassenschaften des Biotops Höhn“ aufgeklärt werden sollen. Dieses Schreiben ging über die Staatsanwaltschaft Wuppertal an das LKA. Dort kommentierte der Leiter der Ermittlungskomission, Eckhard Lech, in einer Email: „Wir sind doch nicht alleine!!! :-)“
Noch im Dezember 2008 scheint es bei dem Beamten Zweifel gegeben zu haben, ob die CDU fest hinter den Ermittlungen steht. So schickte Lech am 12. Dezember ein aus dem Internet kopiertes Dossier zu Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers an den leitenden Staatsanwalt in Wuppertal, Ralf Meyer. Darin hob er die früheren Veröffentlichungen des Regierungschef hervor: „Hallo Herr Meyer, schauen Sie mal, was unser Ministerpräsident mit herausgegeben hat.“ Es folgt eine Liste mit Sammelbänden zum Landeswassergesetz und zur Abwasserabgabe in NRW.
Unterdessen erscheinen die verbliebenen Vorwürfe gegen Harald F. nebensächlich. So wird ihm unter anderem vorgeworfen, gemeinsam mit anderen Personen im Rahmen von Arbeitsessen unberechtigterweise Pommes und Currywurst angenommen zu haben. Der Wert der Verköstigungen lässt sich laut LKA zwar „nicht individuell“ zuordnen, da immer mehrere Personen eine Portion abbekommen hätten, aber es ließe sich eventuell ein „unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang“ zu Auftragsvergaben herstellen. „Dieser Umstand nährt die These, dass die Beköstigungen nicht losgelöst von den Beauftragungen zu sehen sind.“
Wie abwegig die Vorwürfe wurden, um irgendetwas Verwerfliches zu finden, kann man an den Dienstreisen von Harald F. erkennen. Einmal wurde hier eine „Gesamtsumme“ von acht Euro kriminalistisch durchleuchtet. Dies ist interessant, weil auch der leitende Staatsanwalt Meyer es nicht so genau nimmt mit seinen Dienstreisen im Rahmen der Ermittlungen. Aus den vorliegenden Abrechnungen im Verfahren um Harald F. lässt sich beispielsweise eine Fahrt des Staatsanwaltes nach Saarbrücken rekonstruieren. Hier gab Meyer an, insgesamt 700 Kilometer mit seinem Privatwagen zurückgelegt zu haben. Laut Falk-Routenplaner ist die angegebene Strecke von Haustür zu Haustür allerdings nur 624 Kilometer lang. Jeder Kilometer wird mit 30 Cent erstattet.
Spannend wird das, wenn man bedenkt, wieviele Fehler es schon bei den Ermitlungen gab. So rügte ein Gericht, dass die Ermittlungsakten an die Hauptbelastungszeugin herausgegeben wurden. Aktuell missbiligte das zuständige Gericht, dass die Abhörprotokolle im Fall Friedrich ohne rechtliches Gehör der Beschuldigten vernichtet wurden. Wer weiß, vielleicht war ja was Entlastendes drauf.
Der Verdacht, dass dies geschehen sein könnte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn wie aus Unterlagen hervorgeht, die mir vorliegen, hat der LKA-Beamten Lech tatsächlich überlegt, entlastendes Material nicht zu den Akten zu nehmen. So erklärte ein von der Staatsanwaltschaft angesprochener Gutachter in einer Email zu einem Projekt, dass Harald F. kriminell verschoben haben soll, dass „keine Falschangaben nachweisbar“ seien. Lech kommentierte dieses Zitat am 15. Juni diesen Jahres in einem Schreiben an den Staatsanwalt Meyer mit den Worten: „Hallo Ralf, sollen wir diese Mail zur Akte nehmen? Ich denke eher nicht, oder???“
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