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Die Solarindustrie hat in Deutschland eine gute Zeit hinter sich. Dank üppiger Unterstützung aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) konnte sich eine neue Energiebranche schnell und erfolgreich entwickeln. Nun setzen Überkapazitäten setzen den Unternehmen zu. Statt die Produktion zu drosseln, hat in Deutschland ein Wettlauf um die Subventionen begonnen – mit vielleicht fatalen Folgen für die gesamte Branche.
In Lieberose, nahe der polnischen Grenze, tief in Brandenburg, schien für die Solarwirtschaft kürzlich ein großer Tag zu sein. Hier wurden 560 000 Solarmodule auf einem ehemaligen Übungsplatz der sowjetischen Armee installiert. Einer der größten Solarparks der Welt als Symbol für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns von der CDU waren da. Sie ließen ihre Finger über die glatten Oberflächen der Solarmodule streichen ließen und blauer Glanz schien auf ihre Gesichter zu strahlen.
Doch wenn man genau hinsieht, lernt man, dass dieser Glanz teuer erkauft wurde. Die sonnigen Zeiten für die Solarenergie neigen sich dem Ende zu. Mehr noch: Der Branche droht sogar ein jäher Absturz nach jahrelangem beispiellosen Booms.
Lange war die Solarenergie für alle Beteiligten ein glänzendes Geschäft. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert der Staat jedem Betreiber eines Solarkraftwerks einen Erlös von bis zu 43 Cent je Kilowattstunde, und das auf 20 Jahre. Die genaue Höhe der Vergütung hängt von der Art und Größe der Anlage ab, nicht etwa von ihrer Wirtschaftlichkeit. Für die Kalkulation genügt also ein simpler Taschenrechner.
Die Kosten trägt dabei vor allem die Allgemeinheit, denn die Förderung wird auf alle Verbraucher abgewälzt. Auch wenn die garantierten Vergütungen nach dem EEG ab 2010 durchschnittlich um neun Prozent im Jahr reduziert werden, kommen gewaltige Förderbeträge zusammen. Denn jeder Betreiber hat Anspruch auf Unterstützung, egal, wie effizient seine Anlage ist.
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) hat berechnet, dass die 2009 installierten neuen Solarmodule den Verbraucher in den nächsten 20 Jahren gut zehn Milliarden Euro an Einspeisevergütung kosten werden. Damit nicht genug. Rechnet man die älteren Anlagen dazu, kommt das RWI auf zusätzliche Kosten von 30 Milliarden Euro. Die Fachzeitschrift "Photon" rechnet gar mit Kosten für den Solarstrom in Höhe von 77 Milliarden Euro oder mehr.
Die Betreiber des Solarkraftwerks Lieberose können dank einer Leistung von angekündigten 54 Millionen Kilowattstunden mit jährlichen Erlösen von bis zu 15 Millionen Euro aus dem EEG rechnen. Bei einer Investition von rund 160 Millionen Euro verspricht das satte Gewinne.
Um die eigentlichen Subventionen auszurechnen, müssen von diesen Summen allerdings die tatsächlichen Erzeugerpreise für normalen Strom abgezogen werden, entsprechend den Preisen an den Börsen. Hier ein entsprechendes Gutachten, wie das geht. klick. Doch auch nach dieser Rechnung sind die Subventionen für die Solarbranche immer noch hoch.
Laut Bundesnetzagentur produzierten die deutschen Solaranlagen 2007 rund 3000 Gigawattstunden Strom. Hier die Studie zum Thema: klick Dafür bekamen die Sonnenstromer aus dem EEG 1,6 Milliarden Euro überwiesen. Zieht man den Wert des Stroms von der Vergütungssumme ab, bleibt eine Subvention von rund 1,4 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Die Windbranche bekam in der gleichen Zeit 3,5 Milliarden Euro aus dem EEG. Dafür speisten die Windenergieerzeuger aber 13-mal mehr Energie in die Netze ein. Insgesamt trägt die Solarindustrie derzeit nur zu 0,7 Prozent zur Energieerzeugung Deutschlands bei.
Die Entwicklung scheint sich noch zu verschärfen. Da das EEG vorsieht, dass die Förderung für neue Anlagen 2010 um rund neun Prozent gesenkt wird, wollen viele Investoren noch in diesem Jahr so viele Anlagen wie möglich installieren, um von den hohen Beträgen zu profitieren. Deshalb werden schon seit Monaten hektisch große Solarparks angekündigt oder eröffnet – alle im Megawattbereich und auch in Gegenden, in denen eher selten die Sonne scheint.
Wegen der Wirtschaftskrise legen offenbar große Investmentgesellschaften ihr Kapital an, um an die sicheren Erträge aus dem EEG zu kommen. Philipp Spitz von der Fondsgesellschaft Murphy&Spitz drückt es so aus: "Es existiert ein gewisser Anlagedruck." Statistische Daten gibt es noch nicht, wie das Umweltministerium unter Sigmar Gabriel (SPD) mitteilt. Intern wird im Ministerium erst zum Ende des Jahres eine Untersuchung der Lage angekündigt. Bis dahin wird weiter ungebremst gebaut. Schon jetzt findet man unter den größten 50 Solarparks der Welt fast ausschließlich spanische und deutsche Anlagen. Beides Länder mit den höchsten Ausbauhilfen. Hier die Liste: klick
Unter Umständen hat die Bauwut fatalen Folgen für die Branche. Denn je mehr Anlagen von den Stromkunden subventioniert werden müssen, umso stärker steigen die Stromkosten aus dem EEG, die jeder Verbraucher schultern muss und umso gerät die Sonnenindustrie unter politischen Druck.
Denn während die Verbraucher mehr zahlen müssen, sinken seit Monaten die Preise für Solarmodule. Mittlerweile kostet ein Watt Sonnenstrom nur noch rund zwei Euro, vor einem Jahr lag der Preis bei drei Euro. Der Bau von Sonnenkraftwerken wird damit um bis zu 30 Prozent günstiger. Da laut Gesetz die Stromkunden weiter die hohen Vergütungen aus dem EEG bezahlen müssen, vergrößern sich so nur die Profite der Sonnenstromer.
Dagegen formiert sich Widerstand. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt vor den "nicht hinnehmbaren" Mehrkosten für die Bürger. Er fordert: "Das EEG muss geändert werden." Ähnliches verlangt Manfred Panitz vom Bundesverband der Energie-Abnehmer: "Die neue Bundesregierung muss die Subventionen für erneuerbare Energien unverzüglich senken."
Bundespolitiker diskutieren bereits ernsthaft über eine Revision des Gesetzes. Aus Reihen der SPD wird kolportiert, es werde über eine außerplanmäßige Kürzung der Solarentgelte aus dem EEG nach den Wahlen nachgedacht. Offiziell will sich allerdings niemand aus der Partei äußern, um Umweltminister Gabriel nicht mitten im Wahlkampf in den Rücken zu fallen. Auch der energiepolitische Sprecher der CDU, Joachim Pfeiffer, fordert Änderungen des EEG. Er sagt: "Wir wollen uns das Gesetz nach der Wahl anschauen und die Vergütungen gegebenenfalls anpassen." Gabriels Ministerium bestreitet allerdings, dass eine erneute Überprüfung des EEG geplant sei.
Setzen sich die Kritiker durch, wird das die Situation in der Branche verschärfen. Die Lage ist ohnehin schon prekär: Trotz des Booms gibt es erhebliche Überkapazitäten im Markt. Unternehmen wie Conergy, Solon oder Ersol haben reihenweise schlechte Bilanzzahlen präsentiert. Selbst der einstige Branchenprimus Q-Cells musste schon Mitarbeiter entlassen. Chinesische Anlagenbauer verdrängen immer effektiver die deutschen Vorreiter auf dem Weltmarkt – sie können billiger liefern. Die deutschen Anlagenbauer fordern bereits Schutzzölle.
Verschärft wurde die Lage noch durch den Zusammenbruch des spanischen Marktes. Dort hatte die Regierung den ungebremsten Ausbau der Solarkraftwerke gestoppt. Die Ausgaben nach einem dem EEG verwandten Fördergesetz wurden gedeckelt. In Spanien bekommt nicht mehr jeder Geld, stattdessen wird nur noch bis zu einer Höchstgrenze subventioniert. Nach dieser Änderung scheiterten reihenweise Projekte. Bereits verkaufte Module kamen zurück auf den deutschen Markt, sie werden nun zum großen Teil hier verbaut.
Sollten nun auch in Deutschland die Förderungen aus dem EEG gedrosselt oder gar wie in Spanien gedeckelt werden, bräche der Absatz ein, Pleiten wären unausweichlich. Die Solarblase würde platzen.
Die Industrie hat das Problem erkannt. Um den politischen Druck etwas zu reduzieren und zu verhindern, dass das gesamte EEG infrage gestellt wird, diskutieren Branchenvertreter intern darüber, in den kommenden Tagen selbst eine niedrigere Einspeisevergütung vorzuschlagen. Die Rede ist von einer Kürzung der Entgelte um bis zu 13 Prozent im kommenden Jahr statt der vorgesehenen Senkung um durchschnittlich neun Prozent. "Man könnte einfach die vorgesehenen Senkungen der nächsten Jahre zusammenziehen", sagt ein Spitzenmanager der Branche.
In Lieberose an der polnischen Grenze würde das Ganze allerdings nicht weiter auffallen. Die Anlage ist rechtzeitig fertig geworden. Sie genießt Bestandsschutz, und die Millionen fließen weiter – so wie im Gesetz versprochen.