Polizei schiebt Anti-Nazi Demo ab

Das S5 Bündnis wollte am Samstag im Dortmunder Kreuzviertel gegen eine geplante Nazi-Demo protestieren. Geht es nach dem Willen der Polizei wird daraus nichts.

Denn das Bündnis unabhängiger linker Gruppe soll nicht, wie geplant, im Kreuzviertel demonstrieren dürfen, sondern nur im Kaiserstraßenviertel. Begründung der Polizei: Andere Anti-Nazi-Demonstrationen könnten sich gestört fühlen. Das S5 Bündnis will gegen diese rechtlich vorgehen um den Platz von Amiens als Auftaktort der Demonstration zu erhalten. Sonja Brünzels, Pressesprecherin der S5-Bündnisses, dazu in einer Erklärung: “Es kann nicht sein, dass die Polizei Dortmund am 5. September, während mehr als 1000 Nazis durch Dortmund laufen wollen, antifaschistische Demonstrationen und Kundgebungen schikaniert und sie aus der Innenstadt heraus verlegt. Die Polizei spricht von einer „Harmonisierung der Veranstaltungen“ und meint damit, dass möglichst niemand durch Protest gestört werden solle. Gerade dafür ist aber Protest da: damit er gehört wird. Es ist uns nicht verständlich, wie sich zwei Veranstaltungen gegen Nazis stören können. Wir freuen uns über jede Initiative gegen die Dortmunder Neonazis und sind zuversichtlich, dass das Gericht unserer Argumentation folgen wird.“
 

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Dortmunder Haushaltssperre: Lüge oder Ahnungslosigkeit?…Ruhr Nachrichten

Dortmunder Haushaltssperre II: Der Gipfel der Arroganz…Ruhr Nachrichten

Dortmunder Haushaltssperre III: SPD nimmt Sttellung…Ruhr Nachrichten

Dortmunder Haushaltssperre IV: Mit dem Rücken an der Wand…Der Westen

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RWE, E.on, EnBW werben für Kernkraftwerke – Vattenfall macht nicht mit

Je näher die Wahl rückt, umso klarer mischen sich die großen Energiekonzerne mit einer Pro-Atom-Kampagne in den Bundestagswahlkampf ein. Es geht um die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke. Besonders RWE treibt das Thema in der entscheidenden Phase voran, nachdem der Vorstandschef des Unternehmens, Jürgen Großmann, vor kurzem von einer bevorstehenden wichtigen politischen Entscheidung gesprochen hat. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Brief publik, in dem die Energiekonzerne RWE, E.on und EnBW ein gemeinsames, im "Düsseldorfer Kreis" abgestimmtes Vorgehen bekannt gaben und in diesem Zusammenhang Vattenfall drängten, an einer gemeinsamen Werbekampagne vor der Bundestagswahl teilzunehmen. Die großen Drei ärgerten sich, dass Vattenfall nicht richtig mitzieht.

Wie dem auch sei: Am Freitag haben jetzt die Jugendvertreter des Essener Energieriesen RWE zu einer Demo vor dem Atomkraftwerk Biblis aufgerufen, dessen Block A laut Ausstiegsbeschluss eigentlich schon 2007 hätte abgeschaltet werden sollen.

Insgesamt rechnen die Jugendvertreter des RWE mit rund 1800 Teilnehmern. Neben den RWE-Auszubildenden sollen auch wieder Jugendliche der Konzerne E.on und EnBW nach Biblis reisen. Sie wurden von RWE nach eigenen Angaben eingeladen und sagten zu, Busse nach Hessen zu schicken. Ich habe mit Matthias Dürbaum, 21, Jugendvertreter aus dem Tagebau Hambach gesprochen. Er sagt: „Wir wollen einen ausgewogenen Energiemix. Dazu gehört auch die Kernenergie.“ Zudem gehe um den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.

Auf der Demonstration der Jugendlichen wird neben RWE-Chef Jürgen Großmann auch der der hessische Ministerpräsident Roland Koch sprechen. Der Konzernjugendsprecher des RWE, Daniel Ullrich, 25, zeigte sich darüber erfreut. „Es geht um die Zukunft. Und das wird durch den Ministerpräsidenten gewürdigt.“ Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte Ullrich: „Der 27. September ist der Tag der politischen Entscheidung über die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Das sollte jeder Wähler bedenken.“ Allerdings möchte Ullrich diesen Satz nicht als Wahlempfehlung verstanden wissen. Die Frage nach der Kernenergie sei nur ein Faktor, der eine Wahlentscheidung beeinflusse. Da sei jeder selbst gefragt.

Der Konzern RWE unterstützt die Demo nach eigenen Angaben mit Bussen. Zudem werden die Azubis für den Demotag zu vollen Bezügen freigestellt. Überstunden würden allerdings nicht bezahlt, heißt es.

Auch Vertreter von Vattenfall seien zur Demo eingeladen gewesen. Doch hätten sich keine Azubis des schwedischen Konzerns angemeldet, der nach den Zwischenfällen in Krümmel einen heftigen Konflikt mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ausgetragen hat.

Ich weiß nicht, ob der Politikkurs für RWE so ohne Probleme ist. Gerade das Engagement mit dem hessischen CDU-Ministerpräsidenten Koch könnte noch Probleme bringen. Im Aufsichtsrat von RWE sitzen gleich drei SPD-Kommunalvertreter. Zudem wird das größte Aktienpaket des RWE von SPD-regierten Städten kontrolliert. Den Gemeinden könnten die CDU-nahen Äußerungen des Konzerns missfallen.

Müntefering in Recklinghausen

Gerade hielt Franz Müntefering eine Wahlkampfrede in Recklinghausen. Zugehört haben nur ein paar hundert Menschen.

Irgendwann einmal, so vor zwölf Jahren, besuchte der damalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping im Winter Recklinghausen. Der wohl letzte Bergarbeiterstreik in der Geschichte der Republik war gerade zu Ende gegangen, aber über 10.000 Menschen wollten Scharping hören. Scharping. In der Kälte. Man kann es sich kaum vorstellen.

Heute, an einem warme Spätsommernachmittag hielt Franz Müntefering eine Wahlkampfrede in Recklinghausen. Es war eine gute Rede. Müntefering warnte vor dem erneuten Aufkommen der Nazis, beschwor die Solidarität der Menschen und beschwor weiter eindringlich: "Jeder Mensch ist ein Individuum, aber keine ist mehr Wert als der andere." Keine Drei-Wort-Sätze, wenig Polemik. Sehr ernst. Aber kaum 500-600 Menschen hörten ihm zu.

Interessiert sich niemand für diesen Wahlkampf? Interessiert sich niemand für das, was die Politiker sagen?

Man bekam in Recklinghausen ein Gespür für das, was Müntefering und die SPD will und das müsste doch eigentlich für jeden interessant sein, der sich auch nur ein klein wenig für Politik interessiert – egal ob er SPD-Anhänger ist oder nicht, egal ob er Müntefering mag oder nicht.

Der Mann ist immerhin noch der Chef der SPD und sein Wort hat Gewicht.

Lafontaine habe ich in Bochum vor gut 200 Leuten gehört. Bei Trittin und Gysi soll auch nicht viel mehr losgewesen sein. Koch-Mehrin habe ich verpasst, bei Kauder kamen in Bochum kaum 100 zusammen. Schade.

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Jako: Der Anfang vom Ende der Abmahnanwälte?

Horn & Kollegen und die Anwältin Iris Sanguinette. Abmahnen war für viele Anwälte bislang ein einfacher Weg Geld zu verdienen. Das könnte sich jetzt ändern.

Ausriss: Horn.biz Die Kontaktdaten wurden entfernt

Die Sache zwischen Trainer Baade und Jako hätte so schön geregelt werden können: Trainer Baade lästert ein wenig über das neue Logo von Jako, Jako kommentiert im Blog von Trainer Baade und beschwert sich meinetwegen auch über den Vergleich mit Aldi und Lidl, ein paar andere Leser diskutieren und die Sache wäre für alle gut ausgegangen: Trainer Baade hätte auf seinem Blog eine interessante Diskussion gehabt, Jako wäre mit Kunden in Kontakt gekommen und hätte gezeigt, wie dass so geht mit der Streitkultur im Internet. 

Dumm nur, dass das Unternehmen eine Kanzlei beauftragte und die Kanzlei Baade nicht nur einmal abmahnte, sondern immer mehr Geld von ihm wollte. Das hat weniger mit den Interessen des Kunden zu tun, wie Jako im Augenblick  schmerzhaft erfahren muss, sondern mit den Interessen der  Kanzlei: Mit Abmahnungen können Anwälte einfach und schnell Geld verdienen: Ein paar hundert Euro für einen Brief der aus ein paar Textbausteinen besteht und eine Briefmarke lohnen sich – zumindet früher. Die Betroffennen, häufig in Rechtsfragen unsicher und vielleicht auch knapp bei Kasse, wehrten sich nicht oft. Ein schönes Geschäftsmodell. Das geht langsam aber sicher dem Ende entgegen: Unternehmen werden es sich künftig dreimal überlegen, ob sie Blogs auch künftig so schnell abmahnen wie bislang oder nicht eher den Dialog suchen. Sollte es nicht nicht um harte Rechtverstöße wie die Verbreitung plumper Lügen etc. handeln allemal der bessere Weg.

Für einige Anwälte könnte so allerdings ein Geschäftsmodell wegbrechen – Abmahnungen sind um so ein Vielfaches attraktiver als Prozesse, auf die man sich vorbereiten muß und die man dann trotzdem verlieren kann. Und Frau Sanguinette wird irgendwann einmal vieleicht einem neuen  Arbeitgeber erklären müssen, was sie denn so unter der Wahrung des Mandanteninteresses versteht – sollte der Google kennen, wird sie eventuell ein Problem haben. Jako aber kann, wenn es das Unternehmen will, einfach aus der Sache raus: Kanzlei wechseln, Sanguinette wird das Bauernopfer, gütliche Einigung mit Trainer Baade und  das Schlimmste ist vorbei.

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Spezialdemokrat der alten Schule: Dortmunds noch OB Langemeyer

Haushaltssperre-Dortmund: Wahlbetrug der SPD?…Ruhr Nachrichten

Haushaltssperre-Dortmund II: Kämmerin unter Druck…Der Westen

Bochum:
Koalition oder Haushalt…Ruhr Nachrichten

Bochum: CDU mag keine Aufarbeitung der Niederlage…Dirk Schmidt

Arcandor: Schickedanz haftet für 215 Millionen…Stern

Arcandor II: Ordnungspolitik mit Ellbogen…Weissgarnix

Nazis: Protest in Dortmund…Der Westen

Jubiläum: 20 Jahre Visions…Visions

Iran: Ahmadinedschad zu Ehren…Verlorene Generation

Opel: Entscheidung vor der Wahl?…Spiegel

Duisburg: Duisblogs…Ruhr Digital

Gelsenkirchen…Junge Frauen…Hometown Glory

 

Das Dr.-Hendrik-Brömme-Spiel

Zuerst war da nur Dr. Udo Brömme. Ein CDU MdB wie aus dem Bilderbuch. Aber genau genommen entstammt er dem Oberstübchen und Schauspieltalent Ralf Kabelkas, Redaktionsleiter von Harald Schmidt, klick. Eine Musterkarriere hat der hingelegt, von der Jungen Union des Erftkreises in den Bundestag. Dr. Jur., Lehrbeauftragter, tadellos, adrett, gescheitelt, Wintermantel. Schwiegersohn mit mal brillanten, mal zotigen Auftritten. Eine Late-Night-Karriere, irgendwann in der Versenkung abgetaucht. Seit anderthalb Jahren meldet sich Dr. Udo Brömme nun wieder zu Wort, klick, es gibt ein Buch von ihm, klick. Und dann ist da noch Herr Wüst.

Genauer: Dr. Hendrik Wüst, MdL, CDU-Generalsekretär. Adrett, gescheitelt, Schwiegersohntyp. War Jung-Unionist,  Messdiener und Handballer. Doktor der Rechte (Rechtswissenschaftler), Hobbyjäger. Hat eine Traumkarriere hingelegt von der JU in den Landtag und direkt in die Landesparteizentrale der frisch gebackenen Regierungspartei-CDU.

Die Ähnlichkeit zwischen beiden war von Anfang an frapierend, erst äußerlich, biografisch, nun in Wahlkampfzeiten zusehends auch inhaltlich. Beispiele: klick, klack. Deshalb ein kleines Ratespiel aus gegebenem Anlass:

Sagen Dr. Brömme oder Dr. Wüst: "Zukunft ist gut für alle".

Ist es die Kunstfigur oder Rüttgers Ziehsohn, der behauptet, "wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Dafür stehen wir in Nordrhein-Westfalen und dafür arbeitet die CDU."

War die Wende Wüsts oder Brömmes Erweckungserlebnis: "1990 bin ich zur Jungen Union gekommen, weil ich wollte, das die beiden deutschen Teile möglichst schnell wiedervereinigt werden, dafür stand die CDU und deswegen war ich dabei."

Und ist das die CDU des Landespolitikers oder des Fernsehmannes: "Die CDU unterscheidet von den anderen Parteien, dass wir die Union aus Männern und Frauen, aus Selbstständigen und Arbeitern, aus Alten und Jungen sind. Wir machen Politik für alle Gruppen der Bevölkerung."

Viel Spaß beim Raten!                 

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Tamtaratatam um angeblichen Wahlbetrug in Dortmund

In diese Sache gibt es zwei Sichtweisen: die einen sagen, es geht in Dortmund um Wahlbetrug, die anderen meinen, es geht um pampige Loser. Wie auch immer. Fakt ist folgendes: Die Wahlen sind gelaufen und direkt danach verkündet Dortmunds Noch-OB Gerhard Langemeyer (SPD), dass die Stadt Dortmund ein Finanzloch von 100 Mio Euro zu beklagen habe und dass deswegen eine Haushaltssperre ausgesprochen werden müsse. Ich übersetzt das mal in Normal: die Gemeinde hängt einen Tag nach Wahl wegen der gescheiterten Haushaltspolitik der vergangenen Jahre unter rot-grün am Fliegenfänger. Basta mit Spaß.

Foto:Impression aus der Dortmunder Nordstadt via Flickr.com

Zunächst zu den Verlierern. Die meinen nämlich, es wäre doch spannend gewesen, diesen Fakt VOR den Wahlen erfahren zu haben. Dann hätten sich die Wähler vielleicht anders entschieden. O-Ton CDU-Generalsekretär in NRW Hendrik Wüst:

Was die SPD in Dortmund gemacht hat, ist ein beispielloser Betrug und ein in seiner ganzen Dimension heute noch gar nicht absehbarer Skandal. Einen Tag nach der Wahl (!) räumt Noch-OB Langemeyer ein Loch von bis zu 100 Millionen Euro ein und verkündet eine Haushaltssperre. Vor der Wahl hatte die SPD noch alles abgestritten und entsprechende Vermutungen der CDU strikt zurückgewiesen.

Es fällt damit ein großer Schatten auf das Wahl-Ergebnis in der "Herzkammer" der Sozialdemokratie, wo die SPD am Sonntag schon nur 37,8 Prozent erreichte. Frau Kraft wird das Lachen über das Dortmunder Ergebnis jetzt sehr schnell im Halse stecken bleiben. Es scheint vielmehr so, dass der SPD im Ruhrgebiet jedes Wahlkampfmittel recht war – nach dem Motto "Tarnen, Tricksen, Täuschen". Die SPD hat die Menschen sowohl über ihre rot-roten Ziele getäuscht als auch ihre Misswirtschaft verschleiert. Die SPD kann offensichtlich selbst in ihrer Herzkammer nur noch mit Betrug den Oberbürgermeister-Posten verteidigen.

Nun gut. Den Vorwurf will die SPD jetzt nicht auf sich sitzen lassen und läßt Fraktionschef Ernst Prüsse sagen:

Wir haben vor der Wahl keinerlei Aussagen zu einer möglichen Haushaltssperre nach der Wahl getroffen. Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Sie werden an keiner Stelle eine Aussage zu einer Haushaltssperre finden. Die SPD hat nichts versprochen, was sie nicht halten kann.“

Im übrigen meint Prüsse, sei die urplötzlich und unmittelbar nach der Wahl die  "weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise" über Dortmund hereingebrochen.

Dortmund stellt keine Ausnahme dar. Eine Haushaltssperre zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb eine angemessene Reaktion auf die sich verschärfende Finanzkrise. So macht es jeder verantwortliche Kämmerer auf allen politischen Ebenen. Das Vorgehen von Frau Uthemann ist auch deshalb berechtigt, weil schon jetzt absehbar ist, dass die städtischen Finanzen im nächsten Jahr durch die CDU/FDP-Landesregierung gefährdet werden. Sie will den Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2010 rund 250 Millionen Euro vorenthalten und hat um diesen Betrag die Zuweisungen des Landes im Gemeindefinanzierungsgesetz gesenkt. Die CDU will mit ihrem Betrugsvorwurf von ihrer gemeindefeindlichen Finanzpolitik ablenken.

Ich finde das so …..uhhhhh……

Möge sich der geneigte Leser eine Meinung bilden, diese aufschreiben und aufessen. Wählen kann er ja nicht mehr.

Über das Schicksal der Piraten entscheiden die Grünen – es sieht gut aus; für die Piraten

Es war eine Freude vor einigen Wochen die gesammelten Ratlosigkeiten von Bodo Hombach zu lesen. Was ist nur aus ihm geworden? In den 80ern organisierte er SPD-Wahlkämpfe, die zu absoluten Mehrheiten in ganz NRW führten, allerdings auch Krater in der Parteikasse hinterliessen, die entschieden länger fortgewirkt haben, nämlich bis heute, als die Wahlergebnisse, über die hier ja schon berichtet wurde. Heute führt er die Geschäfte in einem anderen Tanker, dem WAZ-Konzern. Ob er dort auch schon Krater in der Kasse geschaffen hat, weiss ich nicht. Aber offensichtlich ist er viel ratloser, als in seiner besten Zeit als SPD-Geschäftsführer.

„Die große Internet-Debatte muss kommen!“ – Haben wir gelacht. Hallo Bodo, wie lange hast Du denn gepennt? Es gibt sie schon seit Jahren. Wer hat Dich denn narkotisiert, dass Du nichts davon gemerkt hast?“

Piraten haben sich schon formiert. Nichts dagegen. (Bodo, kannst Du auch ganze Sätze?) Da hat man wenigstens engagierte Gesprächspartner. Die Handelsflotte will sich auch aufstellen.“ Die Handelsflotte, das ist wohl Bodo.

„Nach welchen Regeln wird im Internet gespielt? Wie kommen diese zustande, wie werden sie abgesichert und durchgesetzt?“ Die Antwort ist: nach den gleichen Regeln, wie sonst auch. Ist es Bodo vielleicht etwas zu schnell gegangen? Hat man es versäumt, ihn nach seinen persönlichen Vorstellungen zu fragen? Hat „das Internet“ ihn, den ehemaligen Kanzleramtschef, zu wenig konsultiert? Das ist natürlich irgendwie unverzeihlich von „dem Internet“? Sollte es nicht dafür bestraft werden? Nein, so streng meint Bodo das gar nicht. Moderner als Zensursula ist er schon. „Es darf nicht zu einer Frontstellung neue gegen alte Medien kommen.“ (Satzbau ist ein schwieriges Handwerk und Redakteursausbildung ist teuer.)

Dann lobt Bodo den Spiegel (ohne Anführungsstriche) und einen gewissen Dr. Döpfner, „das waren Treffer – mitten ins Schwarze“. Was der Spiegel gemeint hat, vermag Bodo nicht zu beschreiben, nur dass er aufgeschrieben habe „was wirklich ist.“ Was mag es wohl sein? Dr. Döpfner wolle sich nicht damit abfinden, „dass Printmedien dauerhaft Online-Journalismus subventionieren.“ Wer subventioniert eigentlich uns Ruhrbarone? Bezahlt Bodo uns, und keiner hat mir was gesagt?

Dann schreibt Bodo von Neidern, Nörglern, Skeptikern, Besserwissern, Schlauen und Experten, also alles Leute, die er nicht leiden kann, deren Äußerungen ihm beweisen: „die Zeit ist reif.“ Boah, gut, dass uns dass endlich mal einer mitteilt.

„Dabei geht es nicht um Kommerzialisierung der neuen Frei- und Freiheitsräume, die das Internet bietet.“ Ooch, nicht? Bodo, jetzt enttäuscht Du aber Deinen Arbeitgeber. Das meinst Du doch nicht wirklich, oder? Du hast doch längst gemerkt, welche Goldadern sich in der Computerspielebranche verbergen und auf Eurer Homepage eine eigene Rubrik dazu eingepflegt. Du beobachtest doch längst mit Argusaugen, was in das hochsubventionierte Dormunder „U“ einziehen und sich dort möglicherweise entwickeln wird und hast mit Deinem CDU-Kumpel Jürgen (Rüttgers) längst ein Ãœbereinkommen gefunden, dass das ein zentrales Element der steuerlich unterfütterten NRW-Standortpolitik sein muss, dem Dein Haus nicht nur publizistischen sondern auch betriebswirtschaftlichen Segen erteilen wird. Denn kein lukrativer Vertriebsweg soll entstehen, ohne dass der WAZ-Konzern daran mitverdient. Völlig freiheitlich natürlich.

„Die Kostenlos-Gewohnheiten gelten als unwandelbar“ beschreibst Du, aber dabei darf es natürlich nicht bleiben. Darum soll der Verlegerverband ins Feld ziehen, um für „Qualitätssicherung“ zu sorgen. Das ist lustig, Qualitätssicherung fordert ausgerechnet ein WAZ-Geschäftsführer 😉 Das ist endlich mal was Neues! „Ohne unabhängigen, glaubwürdigen, investigativen Journalismus, der enthüllen kann, und was Mächtige nicht enthüllt sehen wollen, kann unsere Demokratie nicht funktionieren.“ (Originalsatzbau Hombach). Tja, es wäre ja schön, wenn die WAZ-Blätter mal dazu beitragen würden, aber das ist sicher zuviel verlangt. Hilfe kann von woanders kommen: „Das wird man auch mit den Piraten besprechen können.“

Das ist wohl der Rest von Hombachs früherer schneller Auffassungsgabe: die Piraten sind, wahrscheinlich, kein vorübergehendes Phänomen. Bei der Bundestagswahl haben sie gute Chancen, die Schwelle zur Erstattung der Wahlkampfausgaben zu überspringe(0,8 %).

Sie finden ihren überwiegenden Anhang bei den Jungens, nur wenigen Mädels, unter 40, 30, noch mehr unter 25 und im noch nicht wahlberechtigten Alter. Warum? Weil die es leid sind, von inkompetenten Leuten erzogen zu werden. Politiker, Lehrer, Eltern, alle von nix ’ne Ahnung, aber einem ständig Vorschriften machen wollen. Insbesondere was die Funktionsweise und Nutzanwendung des Internet betrifft, haben sich die Machtverhältnisse zwischen den Generationen umgekehrt: die Jungen müssen die Alten ausbilden. Nur wenige Alte sehen der Realität ins Auge, und sind bereit von den Jungen zu lernen. Die meisten lassen sich verunsichern und versuchen, zunehmend verzweifelt, die Kontrolle zurück zu gewinnen. So viel ist sicher: das wird vergeblich sein, schützt aber nicht vor unter Umständen verheerenden Auswirkungen solcher untauglichen Kontrollversuche.

Das Zensursula-Gesetz ist nur ein Symptom dieser Entwicklung, allerdings kommt hier noch eine verschlimmernde Komponente hinzu. Frau von der Leyen hat nicht „von nix ’ne Ahnung“, sondern betreibt eine Verhohnepipelung mit Kalkül. Sie weiss, dass sie für ihre Nischenpartei CDU nur eine hinreichend unwissende Zahl von ängstvoller Klientel an die Wahlurne treiben muss – demografisch und wahlstrategisch sind die unwissend-furchtsamen Alten viele, die cleveren Jungen dagegen wenige. Wenn sie nur, mithilfe von BILD, ARD und ZDF genug Angst mobilisiert, schafft die CDU locker ihre 30 bis 35%. Wenn es ausserdem gelingt, den ahnungslosen und garantiert über 50-jährigen Chefstrategen bei den Oppositionsparteien genug Angst vor solchen erfolgreichen Angstkampagnen zu machen, dann hat man die von jeder Möglichkeit der Gegenmobilisierung, der Nachwuchsrekrutierung und -entwicklung abgeschnitten und den Keil mitten in sie hineingetrieben – siehe die – berechtigte!  – Arbeitseinstellung des SPD-„Onlinebeirates“ oder das seltsame Abstimmungsverhalten einiger Grüner MdBs zum Zensursulagesetz. Dieses Kalkül sieht man der von der Leyen an der Nasenspitze an, und das ist ein Supermobilisierungsfaktor für die Piraten – so widerlich kann Politik sein, „Ihr werdet Euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen“.

Die Piraten werden noch viele Geburtswehen der Parteiwerdung durchmachen. Auf etliche wurde hier schon hingewiesen. Derzeit wird über sie geredet, wie über die Grünen Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre, eine Verbindung von Faszination für das Neue  und Verständnislosigkeit für so manche unerfahrene Dummheit. Die Grünen haben dieses Stahlbad überlebt. Es könnte sein, dass das den Piraten auch gelingt. Die Nahrung dafür werden die Grünen liefern.

Als die SPD 1982 von der FDP aus der Regierung gestürzt wurde, übernahm sie relativ zügig die programmatischen Vorstellungen der damaligen Anti-AKW- und Friedensbewegung. Geholfen hat es ihr nichts, sie wurde kleiner, weil sie nicht mehr glubwürdig war und nährte so die Grünen. Heute enthält das Wahlprogramm der Grünen alle wesentlichen inhaltlichen Vorstellungen der Piraten. Das Problem, das die Piraten nährt, ist: viele Grüne Mitglieder, und zwar ziemlich proportional zu ihrem Lebensalter, wissen das gar nicht. Und viele ihrer Parlamentsmitglieder, das allerdings ist kein sehr neues Phänomen, wollen es nicht wissen.

Jedes Parlamentsmitglied ist – aus guten Gründen – verfassungsrechtlich nur seinem Gewissen verantwortlich und nicht einem Parteiprogramm. Nach den Bundestwagswahlen, egal wie sie ausgehen, wird mindestens ein Dutzend, eher mehr, Grüner Bundestagsabgeordneter feststellen, dass die Ideen des Grünen Wahlprogramms gegen Zensur und für Bürgerrechte im Internet mit ihrem Gewissen in gewissen Teilen nicht vereinbar sind. Das wird die Nahrung für die Piraten sein. Wenn es so kommt, es muss nicht so sein, aber vieles spricht derzeit dafür, dann sind sie 2013 im Bundestag.