Echo Beach wird 15

Mit Echo Beach ist nicht der gleichnamige Song von Martha & the Muffins gemeint, obwohl Nicolai Beverungen, der seit 15 Jahren von Hamburg aus das gleichnamige Dub-Label macht, eben diesen bereits mehrfach durch die Dubmühle geschickt hat. Wie so oft gilt der Prophet im eigenen Lande weniger als in der weiten Welt. Dies gilt auch für Echo Beach. Das Ganze soll jetzt nicht in eine Lobhudelei ausarten, sondern nur kurz auf die neue CD aus dem Hause hinweisen. File Under: Wie gehört bei Fiehe am Sonntag Abend

Weltreisen duch die Dubmusik gleich, finden sich auf dem Album Formationen mit obskuren Namen, hinter denen sich oft Mitglieder bekannter Bands verbergen, die bekannten Songs ein neues, ein Dub-Gesicht geben. International Observer zum Beispiel, hinter dem sich Tom Bailey von den Thompson Twins verbirgt, machen einen Dub-Reggae Mix Version mit dem Titel "House of the Rising Dub". Natürlich bedienen sie sich hier Eric Burdons Hit aus den 60ern.

Es gibt Songs, die regelrecht danach schreien, einen Dub aus ihnen zu mixen. Oftmals sind es sogar die, wo man es am wenigsten erwartet. "Private Life" von Chrissie Hynde und den Pretenders ist so einer. Bereits in den 80er hatte Grace Jones gemeinsam mit der Reggae Musikern Sly Dunbar und Robbie Shakespeare einen entspannten Dub aus diesem New Wave Klassiker gemacht. Auf der neuen CD aus der King Size Reihe ist es der Dubvisonist, der "Private Life" der noch mehr Tempo aus der Nummer nimmt und einen Slow-Motion Dub daraus zaubert.

Ein anderes Beispiel geben die aus Australien stammenden Junglehammer. Sie mixen "Live and let die" von den Wings zu Dubsoße.Oder Dub Spencer & Trance Hill nehmen sich Falcos Hit Jeanny vor. Im Grunde nicht mehr wiederzuerkennen. Auf diese Art versammelt Echo Beach seit anderthalb Jahrzehnten, kleine Kapriziösen auf seinen Compilations und das lange bevor man von Bastard Pop und Mash Up sprach.

 

Mal Sondock ist tot

Mal Sondock ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Wahrscheinlich können nur Menschen zwischen 40 und 50 nachvollziehen, wie stark dieser Mann meine Jugend mitgeprägt hat. Von unserem Gastbaron Mario Herrmann

Mal Sondock. Foto: Fanpage

So etwa mit zwölf Jahren (1974) begann ich mich für Musik zu interessieren. Damals gab es im Fernsehen nur zwei monatliche Sendungen, wo internationale Popmusik lief: „Disco“ mit Ilja Richter (da fand ich die albernen Sketche zwischendurch überflüssig) und „Musikladen“ mit Manfred Sexauer. Später kamen dann zweimal im Jahr die legendären „Rockpalast-Nächte“, wo von Samstagabend bis Sonntagfrüh live aus der Grugahalle drei spektakuläre Konzerte hintereinander übertragen wurden. In den Umbaupausen gab es Backstage-Interviews, geführt von einem stets entweder angetrunkenen oder bekifften Alan Bangs. Oft haben wir kleine Partys aus diesem Anlass organisiert und mit mehreren Leuten bei Bier und Chips um den Fernseher gesessen.

Aber das eigentliche Popmusikmedium war das Radio. Heute hat EinsLive die Rolle des Jugendsenders, in den Siebziger und Achtziger Jahren war das WDR 2. Täglich gab es von 19.05-21.00 Uhr die Sendung „Fünf nach Sieben – Radiothek“. Auch nachmittags liefen legendäre Programme wie die „Dave-Coleman-Show“. Spätabends Sendungen wie „Rock-In“ (progressiver Rock) oder „Schwingungen“ (elektronische Musik). Im Rahmen der „Radiothek“ gab es zwei Pflichtsendungen pro Woche: Samstags die „Schlagerrallye“ (die hieß nur so, da liefen aber keine deutschen Schlager) mit Wolfgang Neumann, wo man per Postkarte seinen Favoriten für die folgende Sendung wählen konnte. Unter allen Einsendern wurden jede Woche Platten verlost. Ich hab’ da mal eine Alice-Cooper-LP gewonnen.

Und Mittwochabends lief die „Diskothek im WDR“ mit eben jenem Mal Sondock, der sich immer als „euer guter alter Jockdiscy M. A. L.“ vorstellte. Die Sendung wurde live mit Publikum produziert. Platz 15 bis 1, dazu fünf Neuvorstellungen, von einer Jury aus dem Publikum mit „Hit oder Niete“ bewertet und eine kleine Oldieecke. Ich glaube, die Sendungen, die ich zwischen 1974 und 1980 verpasst habe, lassen sich an einer Hand abzählen. Das war ein absoluter Pflichttermin! Auch da konnte man mittels Postkarte abstimmen, auch da habe ich einmal gewonnen: Eine LP von Showaddywaddy mit Original-Autogrammen! 😉
 
Aber Mal Sondock war auch ständig mit seiner „Mal Sondock’s Road Show“ unterwegs in NRW. Da gab’s dann so was wie ein großes Schützenfestzelt, wo der schwergewichtige Meister Platten auflegte, das Publikum bespaßte und ständig irgendwelche Gimmicks und Autogrammkarten in die Menge warf. Im zweiten Teil fand dann immer ein Livekonzert statt. Ich habe zum Beispiel mal eine dieser Road Shows mit Smokie-Konzert in Gladbeck auf dem damaligen Festplatz erlebt. Das war da, wo heute die verwaisten Gebäude von Mercedes Lueg stehen.
 
Tja, so merkt man, dass man älter wird. Die prägenden Leute aus der Jugend sterben langsam weg…

Rettet den Blätterwald (6) – Heute: Galore

So, das war es jetzt für die Printausgabe von Galore. Im Netz geht es weiter. Schönen Dank an Valeska Bogatzke für das Rezensionsexemplar, der Autor strickt diesen Artikel mal "live", also während des Lesens quasi, zur Feier des Tages und im Gedenken an die ursprünglichen Werte des Rock’n’Roll, sozusagen. "Rettet den Blätterwald", liebe Neuleser/innen? Ist eine lose Artikelserie (siehe z.B. hier) über Printpublikationen und deren (fragwürdige) Sinnhaftigkeit, exklusiv bei ruhrbarone.de. (Kann aber ausgedruckt werden.)

Schlingensief sieht gut aus, fast nicht erkannt. Auch auf dem Cover: Ein Kölner Model in Japan, Eismacher (??), Talese, Dafnäs, Dath. Mühe, von Otter, Everett. Zwei erste Eindrücke: Genau, die Filmbeilage wirkte schon immer etwas wie wilder Aktionismus gegen Auflageeinbruch. Und: Auch und gerade in der letzten Ausgabe sieht es mal wieder aus, als wollten sich Journalisten ein paar persönliche Interviewwünsche wahr machen. Das ist natürlich erlaubt, erinnert den Autor dieser Zeilen aber direkt daran, wie er Galore immer gesehen hat: Von Verlagsseite eine nette Idee für Visions-Leute jenseits der 30, aber kaum ein auf Dauer tragbares Konzept. Die zweite vom Schreiber gelesene Nummer nach der Erstausgabe wird also die letzte Printausgabe sein. Ab in’s Heft.

Ja: Die Nouvelle Vague Alben werden auch nicht gerade immer besser. Schöne Anzeige auf der U2 also. Und Michael Lohrmann verabschiedet das Blatt und ruft zum Reinklicken auf. Nun gut. Erste echte Doppelseite: "Smalltalk". Bitte? Es geht irgendwie um Showbiz-Interna wie Filz bei MTV und Fotografen. Dann verabschiedet sich der Chefredakteur, ein Dieter Grabbe, "präsentiert von Wii Fit", beantwortet eine Frage (?) zum Thema Fitness und Wellness und es gibt Möbel- und andere Produktinformationen. Das ist etwas weniger spannend als die BUNTE bisher. "Neu im Kino" folgt als weitere Unterrubrik von "Smalltalk". Der Artikel über Cannes wirkt dafür leicht am Thema verhoben, macht nichts, danach wird im Rahmen eines Interviews ein Berater für Führungskräfte und Psychologe vorgestellt. Gewährt uns das jetzt Einblicke in den Verlag, die wir gar nicht wollten? Zitat: "In anderen Ländern ist es heute selbstverständlich, nach drei oder vier Jahren den Job zu wechseln und was Neues zu machen." Außerdem ist der Interviewpartner Autor des Buches "Neu auf dem Chefsessel – Erfolgreich durch die ersten 100 Tage". Das kann keine Selbstironie sein, dafür sind die doch viel zu ehrlich und volksnah in dem Verlag, oder? Befremden.

Erstes großes Interview: Klaus Lemke. Kennichnich. Aha, Mark Oliver Everett ist der Sänger der Band The Eels! Überschrift: "Ich glaube ich habe das Schlimmste hinter mir." Zurückblättern: Bei Lemke war es "Style kommt nicht mit der Post." Bei Everett lesen sich die ersten Fragen alle etwas nach oldschool-Ami-Journalismus: Familie, Kindheit. Irgendwie kommt man dann auf Sex, Hunde und Musikinstrumente. Hoffen auf den nächsten Interviewpartner, Dietmar Dath. Der wird darauf angesprochen, dass er die aktuelle Weltwirtschaftskrise (wenn man das so nennen will) in seinem Buch "Maschinenwinter" quasi vorhergesehen hat. Guter Einstieg, aber auch hier hat man den Eindruck eines etwas zu vertrauten Kaffeeklatsches. Bis auf saublödes Fragen wie "Spüren Sie als Marx-Anhänger (…) Genugtuung, wenn Sie aus dem Fenster schauen oder die Tagesschau sehen?" Vielleicht gehören viele Redakteure doch im Grunde ins Fernsehen – kommen sie ja jetzt via Internet dann auch irgendwie, und zum Glück gibt es da recht viele "Sender".

Anna Maria Mühe: Schauspielerin. Christoph Schlingensief: "Künstler" genannt. Erstmal nicht viel Neues von ihm, es geht tatsächlich immer noch bis zum Ende um die Krankheitsverarbeitung. Hoffentlich lässt man Schlingensief aus der Ecke bald mal wieder raus. Die beigelegte DVD: "La Antena". Sieht nach einem feinen Retro-Vergnügen aus, danke! Dann Jürgen Schadeberg, Fotograf und "Südafrika-Zeitzeuge". David Schumann: Das (andere, haha) Model vom Cover. Peter Lind, der Eis-Entwickler. Ein Blick des Schreibers auf den Preis: fast sieben Euro wollten die dafür haben? Weiter. Eine Reportage über Philadelphia, vielleicht so etwas das beim Zweitdurchblättern an einem langweiligen Sonntag gelesen würde. Hm, unwahrscheinlich. Anne Sofie von Otter: Opernsängerin. Michael Gantenberg: Autor. Welche Zielgruppe hatten die im Auge? Frühvergreiste bis 50? Sorry, mal was Positives: Die Anzeigen (Filme, Musik, Bücher) machen alle einen sehr soliden Eindruck. Helmut Pfleger: Schachkommentator! Adolfo Cambiaso: Polo-Spieler!! Lars Defnäs: Design-Chef von IKEA!!! Helmut Oehring: Komponist. Gay Talese: "Erfinder des New Journalism". Er erläutert am Ende auf Anfrage "drei Grundregeln, die ein Journalist nie vergessen darf": "Erstens: Seien Sie skeptisch. (…) Zweitens: Schreiben Sie über diese Informationen so, dass der Leser es verstehen kann. Und drittens: Verfälschen und übertreiben Sie nicht. (…)" Dem Schreiber wird gaaanz müd und langweilig.

Erstaunlich viele Kurzartikel über DVDs. CDs? Placebo, Phoenix, Manic Street Preachers, La Roux, Elvis Costello, Green Day,… Reinhard Mey!!!! Prefab Sprout, Björk, Rolling Stones, Götz Alsmann? Es muss fürchterlich sein, heutzutage für die Zielgruppe 30 – 55 im deutschen Markt für Musik zuständig zu sein! Da ergreift einen ja das kalte Grausen!! Oder die Melancholie, denn bei "Literatur" (ja, genau, gähn) ist Cees Nooteboom an der Reihe. Und Judith Hermann schreibt über den Tod. Irvine Welsh. Helge Schneider – um nur klare Namen zu nennen. Zum Schluss eine Seite mit Namen, als Dank an alle Interviewten, eine taz-Anzeige, eine Anzeige für einen Mini Cabrio. Das ist alles keine Weltwirtschaftskrise, es ist eine Depression. Sagt der Kritiker. Man muss ja immer alle Entschuldigungsmöglichkeiten geltend machen. Freuen wir uns auf galore.de mit neuer Chefredaktion ab dem 6. Juli!

Europa muss entspannen – Für neue Beziehungen zum Iran

Foto: Flickr.com / camden olive

Demokratie ist toll. Auch im Iran. Heute wird in dem Vielvölkerstaat gewählt. Und dies wird sich auf Europa und Deutschland auswirken.

Es deutet viel darauf hin, dass im Iran die Weichen für die Politik im mittleren Osten neu gestellt werden. Im Wahlkampf zwischen den beiden aussichtsreichen Präsidentschaftkandidaten Mahmud Ahmadinejad und Mir Hussein Mussawi wurde das Land polarisiert.

Es schält sich immer deutlicher heraus, dass Ahmadinejad an Popularität verliert. Nicht nur in den Städten, wo das konservative Regime vielen gerade jungen Leuten mit seinen teils absurden Vorschriften auf die Nerven geht, sondern auch auf dem Land. Ahmadinejad hat seine Versprechen nicht gehalten. Es gab weder mehr Arbeit für die Bauern, noch bessere Straßen oder mehr Elektrizität. Vor einigen Tagen gab es einen spannenden Bericht über den eitlen Mann und seinem gebrochenen Verhältnis zur Bevölkerung im WDR. Die Doku von Peter Lom hieß Erdbeeren und Atomkraft. Peter Lom war der einzige Ausländer, der den Präsidenten auf dessen Wahlkampftour begleiten durfte. Die Sendung ist Spitze. Lom beschreibt die hoffnungsvollen Briefe, die von den verzweifelten Menschen an den Präsidenten geschrieben wurden – und die ausbleibenden Antworten.

Der Wind des Wandels ist wieder in der Luft. Es scheint, als wird sich etwas ändern – ändern müssen. Denn so wie es war, geht es nach Ansicht vieler Menschen im Iran nicht weiter.

Damit zeigt sich, dass Iran nicht ein böses Land ist, beherrscht von Wahnsinnigen, ähnlich wie Nord-Korea. Sondern dass dort eine Art Demokratie herrscht, mit Abstimmungen und Meinungsumschwüngen, wie auch bei uns. Natürlich gibt es dort die für uns nicht nachvollziehbaren Religionshüter, die weitreichend ins Leben der Menschen eingreifen. Aber immerhin lassen die Leute es nicht zu, dass der Iran zu einer totalitären Diktatur wird. Ein Wandel im Frieden ist scheinbar möglich.

Dies hat für uns in Europa weitreichende Auswirkungen. Sollte es gelingen, den neuen Iran-Präsidenten davon zu überzeugen, Israel anzuerkennen und auf Atomwaffen zu verzichten, dann steht dem Handel nichts mehr im Wege. Die Beziehungen zu den USA würden sich normalisieren und damit auch die Beziehungen zur EU.

Das allerdings würde gerade uns in Europa voranbringen. Iran ist einer der größten Energielieferanten der Welt. Es geht nicht nur um Öl. Es geht vor allem um die Erdgasreserven des Golfstaates. Denn diese sind mit denen Russlands zu vergleichen. Bei einer Entspannung dürften unsere Konzerne im Iran Gas kaufen. Damit könnte die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas gelockert werden. Ein unschätzbarer Vorteil. Sowohl für die Energiepreise als auch die Versorgungssicherheit. Ein Streit zwischen der Ukraine und Russland könnte nicht mehr für kalte Wohnungen in Schwaben sorgen.

Bereits jetzt bemühen sich die Konzerne wie E.on und RWE das Verhältnis zum Iran zu entspannen. Dabei haben sie durchaus gute Argumente. Das Gas des Iran kommt auf den Markt – das ist ein Fakt. Warum sollen wir das nicht kaufen? Sollen wir die Reserven den Chinesen und Russen überlassen?

Zusätzlich hat der Energiehandel mit dem Iran weitere stabilisierende Folgen für den Mittleren Osten. Wer Geld hat, sein Land zu entwickeln, will weniger intensiv einen Krieg mit den Nachbarn führen, um alles zu ruinieren. Selbst auf Afghanistan bezogen würde sich die Entspannung lohnen. Nur mit Hilfe des Iran lässt sich die Situation dort verbessern.

Wir könnten also einen Stück Frieden kaufen und Wohlstand bringen. Vielleicht sogar die weitere Demokratisierung des Iran voranbringen. Und im Gegenzug würden wir Energie erhalten. Wenn die Entspannung gelingt. Das hört sich doch nach einem guten Deal an, oder?

Selbst wenn Ahmadinejad die Wahlen gewinnen sollte, bleiben die Gründe für eine Entspannung weiter richtig. Deswegen hoffe ich, dass es dem Westen gelingt, den Iran nach den dortigen Wahlen aus der Schmollecke zu locken. Barack Obama hat in seiner Kairo-Rede die Signale gegeben, alte Feindschaften zu überwinden und Beziehungen neu aufzubauen. Diese Chance müssen wir nutzen.

Zumindest die Energiekonzerne scheinen auch überzeugt zu sein, dass dies gelingt. Nicht umsonst führt die Gaspipeline Nabucco bis an die Grenzen des Iran.

Noch dürfen die beteiligten Konzerne wie RWE keine offiziellen Gespräche über eine Verbindung mit dem Mullahstaat führen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits gedroht, in diesem Fall ihre Unterstützung für das Projekt zu entziehen.

Aber es ist klar, dass es in den kommenden Monaten Versuche geben wird, diese Blockade zu überwinden. Ich drücke die Daumen.

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Zehn Geschichten über Klaus Steilmann

Grafik: ruhrbarone, Foto: klick

"Der schönste Tag in meinem Leben", war für Klaus Steilmann der 11. Dezember 1992 – und zwar um zwanzig nach neun. Die SG Wattenscheid hatte den VfL Bochum durch zwei Tore von Suleyman Sané besiegt. Sowieso eine gute Spielzeit für Steilmann: Am Ende der Saison stieg Bochum ab. Und Wattenscheid schaffte als 14. den Klassenerhalt.

Der zweitbeste Tag Steilmanns Leben war dieser gewonnene Grand ohne vier, im März 1984. Manchmal ärgert er sich noch heute, nicht Re gesagt zu haben.

Seine beste Tat, verriet der Textilunternehmer nur engsten Vertrauten, war die Verpflichtung von Michael "Ata" Lameck für seinen Betrieb und die Klaus Steilmann Traditionsmannschaft. Weniger weil Lamek ein passabler Mittelfeldspieler ist, mehr weil er den Bochumern ihren Kultspieler ausspannte. "Seit fast zwanzig Jahren hat er mir so manches Törchen aufgelegt", kichert sich Steilmann eins.

So richtig traurig war Klaus Steilmann nur einmal, vor einem Jahr, seither kann er Samstags nicht mehr Fußball spielen – die Kraft ließ nach. "Ich konnte nicht mehr schlafen".

"Was ich am Fußball mag?", antwortete der Sportmäzen einmal: "Gut geschnittene, aber preisgünstige Trikots".

Fast hätte sich Steilmann damals vergessen: Wenn Neujahr 1975 nicht die Geschäfte zu gewesen wären, wer weiß, was passiert wäre? Steilmann, der in Wattenscheid seine Heimat fand, freut sich an den rigiden Ladenöffnungszeiten in Deutschland: "Sonst wäre ich mit all den Messers und Pistolen wohl richtig lange in den Kahn gewandert", grinst er erleichtert.

Auf seine drei Töchter ist Steilmann echt stolz – nur Britta ging (nicht nur) ihm ganz schön auf die Nerven mit ihrer indianischen Baumwollwäschekollektion. Gut, dass sie jetzt in Ratingen als Dekorateurin arbeitet, murmelt der Unternehmer morgens beim Rasieren.

Steilmann hat jede Menge Auszeichungen bekommen, er weiß auch wofür. Nur warum sie ihn "Weltbürger aus Wattenscheid" nennen, ist ihm schleierhaft: "Ich bin doch aus Vorpommern."

Als er auf Italienreise war, erkundigte sich Steilmann beim Taxifahrer nach Fußballvereinen in der italienischen Hauptstadt: "Do you know a Club of Rome?" Als der Kutscher ihn an einem Kongresshotel heraus ließ, staunte er nicht schlecht, ließ sich aber nicht lange bitten, als ihm die gut gekleideten Herren sofort die  Mitgliedschaft antrugen. Nach ein paar Stunden Vorträgen über Nachhaltigkeit und die Grenzen des Wachstums wurde es Steilmann dann aber zu bunt; – und das will was heißen. Er rief "Where is the Whistleblower?". Die Gesellschaft stutzte, dann verstanden sie: Ihnen fehlte Insiderwissen, da kam der erfahrene Unternehmenslenker aus Wattenscheid gerade Recht. Mann, haben sie ihm die Schulter platt geklopft! 

Auf Klaus Steilmanns Schreibtisch finden sich immer noch ungewöhnliche Dinge aus anderen Erdzeitaltern: Zigarettenstangen der Marken Lux oder Atika. Anfragen vom Kardinal Hengsbach. Briefpapier der Stadt Wattenscheid. Lederfett. "Dabei hab ich das Rauchen leider dran geben müssen!", ärgert er sich.

Was Klaus Steilmann richtig wurmt, dass sein Betrieb ausgerechnet rund um seinen achtzigsten Geburtstag von Bochum, sorry: Wattenscheid nach Bergkamen verlagert wird. "Mit Italienern hab ich ja so meine Erfahrungen machen können", grummelte der schlanke Senior. Der Verkauf an den Modekonzern Radici geht dem Textilfachmann noch immer gegen die Naht.    

Und hier noch zwei Geburtstagslinks: klick, klack.

Netzsperren: Drohsel und Böhning werden es nicht schaffen

Mit einem Initiativantrag wollen SPD-Linke den SPD-Parteitag dazu bringen, sich gegen die Netzsperren auszusprechen und so das Gesetzesvorhaben der großen Koalition in letzter Minute stoppen. Es wird nicht klappen.

Franziska Drohsel Foto: SPD

Während die Intitative von Juso-Chefin Franziska Drohsel und Björn Böhning (MdB, SPD)  die Netzsperren doch noch zu verhindern im Internet auf viel Zustimmung stößt, hat die BIld-Zeitung heute den Stab über Böhning gebrochen: Er ist wegen des Initiativantrags für den Parteitag am Sonntag der Verlierer des Tages, Bild fordert Böhning zu stoppen. In der Wahlkampfzentrale der SPD wird man das mit Sorgen registriert haben, denn die Richtung, wie die Boulevardzeitung einen Erfolg des Antrags kommentieren wird, ist damit klar: Die SPD weigert sich, Kinder zu schützen. Und da Bild ein Herz für Kinder hat und es mit den Fakten nicht immer so hat, werden die guten Argumente für Löschen statt Sperren einfach unter den Tisch fallen. Auch die Union würde ein Nein der SPD zu den Netzsperren skrupellos im Wahlkampf gegen die SPD ausnutzen. Die Union würde aus "Löschen statt Sperren"  "Löschen und Sperren" machen. Dieses Risiko wird die SPD nicht eingehen.

Aber das ist sind nicht die einzigen Gründe dafür, dass sich der SPD-Parteitag gegen Böhnings Antrag aussprechen wird. Hätte Böhning Erfolg, würde das die SPD-Minister im Bundeskabinett düpieren, die dem Gesetzesvorhaben ja zugestimmt haben – und den Innenexperten Wiefelspütz gleich mit, der ja ebenfalls hinter den Netzsperren steht.

Hinzu kommt: Der Parteitag am Sonntag ist kein Debattenparteitag – in Berlin soll das SPD-Wahlprogramm verabschiedet werden. Steinmeier soll gut aussehen – kontroverse Diskussionen über ein Randthema wie die Netzsperren würden da nur schaden. Selbst über für die SPD weitaus wichtigere Punkte wie die Sozial- und Steuerpolitik soll auf dem Parteitag möglichst nicht gestritten werden. Dass ausgerechnet über die Netzsperren – ein kompliziertes, technisches Thema das außerhalb der Netzgemeinde nicht viele Menschen interessiert, diskutiert wird, und der Parteitag dabei eine Position gegen die eigene Spitze einnimmt, ist extrem unwahrscheinlich.

Wir sollten uns nichts vormachen: Unsere Themen sind noch Randthemen, viele Menschen verstehen unsere Positionen nicht und in einer Zeit, in der Millionen Arbeitsplätze bedroht sind, gibt es auch andere Themen, die  im Zentrum stehen. Wer auf schnelle Erfolge setzt, wird enttäuscht werden. Es wird noch lange dauern, bis Bürgerrechte im Internet ein Thema für die breite Öffentlichkeit werden. Kein Grund, sich nicht dafür einzusetzen sie auch online zu bewahren.

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Arcandor: Karstadt macht wieder Gewinn…FTD

Schweinegrippe: 46 Schüler infiziert…Der Westen

Opel: Guttenberg heizt Bieterrennen an…FTD

Opel II: Mitarbeiter sollen Lohnverzicht absegnen…Der Westen

Opel III: Magna besucht Bochum…Ruhr Nachrichten

Pro NRW: Die Rechtsabbieger…buerpott

Gladbeck: Eine Siedlung geht vor die Hunde…Der Westen

Antrag: Will die SPD löschen statt sperren?…Pottblog

Flughafen Dortmund: Billigflieger bleiben…Ruhr Nachrichten

Netz: CDU-Politiker will mehr Sperren…Heise

Piraten: Politik für das Netz, nicht im Netz…Tagesspiegel

Piraten II: Sind die Piraten die neuen Grünen?…Spiegelfechter

Koch-Mehrin: An news is good news…Keine Experimente

KWI: The great Transformation…Zeit

iPhone: Tethering für alle Netze…Macnotes

Ein paar in der SPD gegen Zensursula

Über 115.000 Unterschriften bei der E-Petition gegen die Netzsperre und fast 230.000 Stimmen für die Piratenpartei bei der Europawahl zeigen langsam ihre Wirkung: Einige Sozialdemokraten wollen auf dem SPD-Parteitag am kommenden Wochenende in Berlin ihre Partei auf ein Nein zu Netzsperren festlegen.

Björn Böhning (SPD) Foto: Homepage

Mit dem Antrag  des Bundestagsabgeordneten Björn Böhning und der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel soll die SPD darauf festgelegt werden, im Bundestag gegen den Gesetzentwurf der großen Koalition zu Internet-Sperren zu stimmen. Der Parteitag, auf dem vor allem die Verabschiedung des  Wahlprogramms im Zentrum steht, könnte spannend werden: Neben dem Antrag zu den Netzsperren werden sich wohl auch linke Kritiker des Wahlprogramms zu Wort melden. Die Lage der SPD ist nach der Europawahl-Schlappe zu desaströs, als das der Parteitag so glatt wie geplant über die Bühnen gehen wird: Erfolg schafft Einigkeit und im Augenblick ist die SPD alles andere als erfolgreich. In das gerade erst begonnene Wahlkahr ist die SPD denkbar schlecht gestartet und all überall  läuten die Totenglöcklein das Lied vom Ende der Sozialdemokraten – ein Klang an den sich viele Genossen mittlerweile allerdings gewöhnt haben dürften.

Die Netzgemeinde kann also einen ersten Erfolg verbuchen: Der Protest gegen  Netzsperren und Spielekiller, die euphorische Wahl der Piratenpartei am vergangenem Wochenende – all das beginnt nun Wirkung zu zeigen: Zumindest in der SPD werden die ersten nervös, andere wagen es nun mit dem Wissen um die Unterstützung der "Generation C64" Alternativen zum durch keine Fachkenntnis getrübten Sicherheitswahn zu formulieren: "Internet-Sperren, wie sie die Bundesfamilienministerin der CDU vorschlägt, sind in Wirklichkeit nur Sichtblenden. Die Täter werden damit nicht ermittelt, die Seiten mit den schlimmen kriminellen Inhalten nicht gelöscht, sondern sollen lediglich mit technischen Maßnahmen vor zufälligem Zugriff verborgen werden. Diejenigen aber, die solches Material über das Internet beziehen wollen, stoßen nicht zufällig darauf. Sie suchen gezielt danach und können die geplanten Sperren ohne nennenswerten Aufwand umgehen. Auch wird einschlägiges Material in der Regel über andere Wege als das Web verbreitet. Die Sperre wird das vorgebliche Ziel nicht erreichen: Die Inhalte sind weiterhin vorhanden und können weiter konsumiert werden", heißt es in dem Böhning/Drohsel Antrag.

Ob er auf dem Parteitag eine Chance hat? Noch hat sich keiner der Sozialdemokraten aus der ersten Reihe gemeldet – und die Parteitagsregie wird kaum ein Interesse daran haben, dass ein Randthema wie die Netzsperren die Berichterstattung über den Parteitag dominiert. Vom Berliner-Parteitag soll ein Bild der Geschlossenheit ausgehen, er soll den Rahmen bilden, in dem sich Steinmeier als Kanzlerkandidat präsentiert und eine Alternative zur Politik der großen Koalition formuliert – kontroverse Diskussionen und knappe Abstimmungen sind da eher stöhrend.

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Piratenparteitag in Dortmund

Die Piratenpartei bereitet sich auf die Bundestagswahl vor. In Dortmund treffen sich die Freibeuter aus NRW um ihre Landesliste aufzustellen.

Foto: Nospickel

Bei der Europawahl hat die Partei 0,9 Prozent geholt – ein  Achtungserfolg. Im Moment erlebt die Partei einen Boom: Ortverbände werden gegründet und die Zahl der Mitglieder steigt. Und es gibt Geld: Durch den Erfolg bei der Europawahl erhalten die Piraten Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Das Geld kann die Piratenpatei gut gebrauchen, denn sie will bei der  Bundestagswahl am 27. September  antreten. Die dafür nötige Landesliste wird die Piratenpartei NRW auf einer Landesmitgliederkonferenz am 28. Juni in Dortmund im Langen August wählen. Wer die Piraten schon vorher kennenlernen möchte kann am Samstag den Infostand der Piratenpartei in der  Düsseldorfer Altstadt (Kurze Straße Ecke Burgplatz) besuchen.     

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Festival: Bochum Total Programm steht…Der Westen

Mißfelder: Der Schattenmann…Spiegel

Diskurs: Die SPD ist die Staatsverwaltungspartei…Freitag

Freitag: Schiebener fragt Augstein…Zoom

Müntefering: Hartz IV war richtig…Der Westen

Gelsenkirchen: Die Götter der Bauverwaltung…Gelsenkirchen Blog

Recklinghausen: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Museums-Leiter…Ruhr Nachrichten
Online: Verfassungsrat kippt Internetsperre…FAZ