„Das geht eigentlich nicht“

Oliver Wittke wird Geschäftsführer beim Duisburger Bauunternehmen Hellmich. In der CDU hält sich die Begeisterung über diesen Schritt in Grenzen. 

Oliver Wittke Foto: Görges

Eigentlich ist ein Landtags- oder Bundestagsmandat eine Tätigkeit, die man als auslastend bezeichnen kann: Neben den Sitzungen will der eigenen Wahlkreis bearbeitet werden, ist man in der Regel noch in den Gremien der eigenen Partei aktiv und ein wenig ehrenamtliches Engagement ist auch noch üblich. Für eine berufliche Vollzeitbeschäftigung ist da wenig Platz. Das hinderte Politiker aller Parteien lange Zeit nicht daran, neben ihren Mandaten auch noch zumeist nicht schlecht bezahlten Tätigkeiten nachzugehen: Ob Laurenz Meyer (CDU), Jochen Welt (SPD) oder Bernhard Kasparek (SPD) – sie alle sorgten mit beruflichen Tätigkeiten neben ihrem Mandat für Schlagzeilen und läuteten dabei nicht das Ende ihrer politischen Karriere ein.

Und nun Oliver Wittke: Der Landtagsagbeordnete, der erst vor kurzem wegen eines Verkehrsdeliktes als Landesverkehrsminister zurücktreten musste, wird Geschäftführer der Bauunternehmens Hellmich und dort in der Projektentwicklung tätig sein. Laut Der Westen soll sich Wittke um Stadienneubauten in Algerien kümmern.

"Wittke ist nicht nur Landtagsageordneter, sondern auch noch Vorsitzender der CDU-Ruhr und stellvertretender Vorsitzender der CDU NRW. Wenn er bei Hellmich operativ tätig wird, passt das nicht gut zusammen", so ein Vertreter der CDU Ruhr. In der Partei rumort es: Wittkes Entschluss bei Hellmich einzusteigen gilt velen Christdemokraten als erneuter Fauxpas: "Wittke ist durch seine offene Art in der Partei sehr beliebt, aber so etwas geht nicht."

Nachvollziehbar ist hingegen für viele, dass sich Wittke um seine berufliche Zukunft sorgt: Bei der letzten Landtagswahl konnte Oliver Wittke seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen nicht direkt holen und kam auch nicht sofort über die Landesliste in den  Landtag: Erst im Februar 2007 rückte er für den verstorbenen CDU-Landtagsabgeordneten Wolfgnag Aßbrock nach. Wegen der vielen Direktmandate der CDU bei den Landtagswahlen ist auch ein guter Listenplatz keine Garantie auf ein Mandat. "Wittke hat Familie und muss sich Gedanken machen, wie er sie ernährt. Dass er eine berufliche Perspektive ausserhalb der Politik sucht, ist nachvollziehbar. Mit seiner Tätigkeit als Politiker passt das allerdings nicht zusammen."

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40 Jahre Raumplanung an der TU Dortmund

Kaum eine Hochschul-Einrichtung dürfte einen so großen Einfluss auf die Entwicklung der Diskussionen um das Ruhrgebiets gehabt haben wie die Fakultät für Raumplanung der TU Dortmund. In diesem Jahr feiert sie ihr 40-jähriges Jubiläum.

Hans-Heinrich Blotevogel Foto: TU Dortmund

Beinahe immer, wenn über Strukturen und Planung im Ruhrgebiet geredet wird – und das ist traditionell im Ruhrgebiet eigentlich ständig der Fall –, sind Mitarbeiter oder ehemalige Studierende der Fakultät für Raumplanung der TU Dortmund in die Auseinandersetzungen involviert: Die Professoren Stefan Greiving, Carl-Heinz David und Hans-Heinrich Blotevogel bescheinigten im vergangenen Jahr dem regionalen Flächennutzungsplan der Städte, dass er kaum dazu geeignet ist, die Planungsprobleme im Ruhrgebiet zu lösen und Prof. Dr. Benjamin Davy baute gemeinsam mit den Städten die Grundlage für neue Kooperationsmodelle auf die zu genau dem regionalen Flächennutzungsplan führten, der von Blotevogel und Co kritisiert wurde und bei dem ein Absolvent der Raumplanung in Dortmund zu den treibenden Kräften zählte: Auch Ulrich Sierau, OB-Kandidat der Dortmunder SPD und Planungsdezernent der Stadt, hat in Dortmund Raumplanung studiert.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die Fakultät für Raumplanung war der berufliche Startpunkt des Stadtplaners Arnold Voß, des Gelsenkirchener Stadtdirektors Michael von der Mühlen, des Essener Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best, des Herner Planungsdezernenten Jan Terhoeven und des Herner Stadtentwicklers Volker Bleikamp, des Lünener Planungsreferenten Dr. Detlev Schiebold und des Dortmund Planungsamtsleiters Ludger Wilde, um nur einige zu nennen. Ulrich Sierau: „Dadurch, dass sich viele von uns kennen, haben wir eine Vertrauensbasis untereinander, die gut für die Zusammenarbeit im Ruhrgebiet ist. Viele Fragen lassen sich so schnell klären und Probleme können schon im Vorfeld gelöst werden. Wir wären mit Projekten wie dem Masterplan Ruhr oder Konzept Ruhr nicht so weit, wenn es dieses Netzwerk nicht geben würde.“
Bei aller Kritik an diesen Projekten, die man sich durchaus immer weiterreichender vorstellen könnte muß daran erinnert werden, das die Vorgängergeneration der Planer in den Rathäusern des Reviers kaum miteinander sprach und sich zum teil noch nicht einmal persönlich kannte.
Wohl kaum eine andere Fakultät hat am gewandelten Selbstbild des Ruhrgebiets einen so großen Anteil wie die Dortmunder Raumplanung: Dass sich das Ruhrgebiet zunehmend als Region und nicht mehr als fast zufällige Ballung einzelner Städte begreift, dass aus dieser Erkenntnis heraus auch das Bewusstsein gewachsen ist, dass Probleme nur gemeinsam gelöst und Chancen nur zusammen ergriffen werden können, ist auch dem in Dortmund für die Region geschärften Blick zu verdanken.
Informationen zu den Veranstaltungen im Jubiläumsjahr unter:
www.raumplanung.uni-dortmund.de/rp/

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Pink Floyd des Düsterrocks setzen erstes Ausrufezeichen

Metal ist kein Jazz und das ist gut so. Doch die zu nichts führende Diskussion um die Relevanz einer Musikrichtung will ich hier heute nicht wieder sehen. Beide Stilrichtungen haben ihre Berechtigung. Umso besser, dass es an Pfingsten sowohl für die Freunde der heftigen Gangart als auch für kopflastigere Klänge ein Festival gibt. Während in Moers oft mehr diskutiert und philosophiert wird, wird in Gelsenkirchen einfach nur gefeiert (und zuviel getrunken), passend zur Kitschromantik einer einfachen, gebeutelten, ehrlichen Arbeiterstadt.

 

Die auf dieser Seite bereits erwähnte schwarze Hüpfburg habe ich nicht gefunden bislang, wohl aber einige Lücken im Ständegetümmel. Wirtschaftskrise? War Metal nicht die Antwort auf alle Wirtschaftskrisen dieser Welt? Ein erstes Ausrufezeichen musikalischer Art setzten auf jeden Fall die Düsterrocker von Opeth am gestrigen Freitag als erster Headliner. Pink Floydige Soundkaskaden, nervenzerfetzende Growl-Attacken, die von süßestem Gesang abgelöst wurde – die Band um Mastermind Mikael Åkerfeldt (Foto bewies, warum sie derzeit die Speerspitze im progressiven Deathmetal (klingt komisch, ist aber so) ist. Zuvor vergnügten sich Möchtegern-Metalgötter wie Jag Panzer auf der großen Bühne im Gelsenkirchener Amphitheater, unter dem tobenden Applaus unglaublich vieler, sehr junger Metalanhänger. Dass die Musik in den vergangenen Jahren sehr viel Boden gutgemacht hat (dank Bands wie Bullet for my Valentine etwa), ist schon häufig aufgefallen. Dies kulminiert bei einem Festival wie dem RockHard dann in einem großen Mix der Generationen. Metal war mal eine Jugendbewegung, wurde dann fast schon zu Musik für alte Leute und ist nun eine Jugendbewegung UND Musik für alte Leute. Genreführer wie Iron Maiden sind locker um die 50 und werden von beiden Lagern abgöttisch geliebt. So wird ein Rockfestival heute zu eben jenem, was das Wort verlangt – ein FEST. Tagesaktuelle Fotos vom Rock Hard, das noch bis Sonntag läuft und mit dem Auftritt von Saxon endet, findet man auf www.rocknroll-reporter.de . Foto: RnR Reporter

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Update 2: Wirbel um Eid von FDP-Europaspitzenkandidatin Koch-Mehrin wird immer wilder

Foto: FDP Baden-Württemberg

—– UPDATE – weitgehend neu: Rechtsanwälte erklären Eid von Koch-Mehrin —–

Hier geht es seit heute Mittag um Silvana Koch-Mehrin. Ich war zufällig in Hamburg bei der Pressekammer des örtlichen Landgerichtes, als dort der Fall Koch-Mehrin versus FAZ behandelt wurde. Der Fall kann die Europawahlen beeinflussen. Denn die Story gibt den lahmen Europawahlkampf ein Thema: es geht um die Anwesenheit der Europaabgeordneten im Europaparlament. Wie oft sie da sind und was tun sie dort überhaupt? Eine Frau steht im Mitelpunkt des Geschehens. Die FDP-Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin. Wie es aussieht, hat die Frontfrau der FDP für die Europawahl, Koch-Mehrin eine zweifelhafte eidesstattliche Versicherung über ihre Präsenz im europäischen Parlament abgegeben, um ihre Arbeit besser aussehen zu lassen. Sollten die Aussagen in der eidesstattliche Versicherung falsch sein, kann dies strafbar sein.

Koch-Mehrin hat in einer eidesstattlichen Versicherung behauptet, sie habe rund 75 Prozent der Plenartagungen des EU-Parlamentes besucht – wenn man ihre Fehlzeiten als Mutter berücksichtigt. Die eidesstattlichen Versicherung wurde dem Hamburger Landgericht vorgelegt. Das europäische Parlament allerdings gibt an, Koch-Mehrin habe nur rund 62 Prozent der Sitzungen besucht – wenn man ihre Fehlzeiten als Mutter berücksichtigt. Diese Zahlen kann man sehen, wenn man die Seite der Abgeordneten Koch-Mehrin auf den Seiten des EU-Parlamentes im Internet ansteuert und dann auf "Anwesenheitsliste" klickt.

Zwischen beiden Aussagen gibt es einen Widerspruch. Eigentlich kann nur einer Recht haben. Aus dem Umfeld von Koch-Mehrin ist nun zu hören, dass der Druck auf die Verwaltung des Europaparlamentes erhöht werden soll, die offiziellen Zahlen in den Dokumenten des Abgeordnetenhauses nach oben zu korrigieren. Die EU-Verwaltung soll Koch-Mehrin Recht geben. Auf jeden Fall sei es richtig, dass Koch-Mehrin rund 75 Prozent der Plenarsitzungen mitgemacht habe. Es sei halt nicht alles protokolliert werden.

Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hat Koch-Mehrin weniger Tage in den Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses gesessen. Irgendwas unter 45 Prozent. Das stand auch zunächst so auf der Internetseite des Europäischen Parlamentes, doch wurde dies auf Druck aus der FDP geändert. Denn die FDP gab an, Koch-Mehrin habe schließlich entschuldigt und wegen ihrer Kinder gefehlt. Das müsse berücksichtigt werden. Die Tagungen, die stattfanden als Koch-Mehrin in Mutterschutz war, dürften nicht gezählt werden. Das hat die Parlamentsverwaltung dann auch getan und 59 Tage berücksichtigt. Trotzdem wurden es nicht 75 Prozent, wie Koch-Mehrin in ihrer Versicherung an Eides statt gesagt hatte. Sondern nur 62 Prozent.

Abgestimmt hat Koch-Mehrin laut EU-Parlament übrigens zudem nur 22 mal. Was hat sie die restliche Zeit gemacht? Keine Ahnung? Wahrscheinlich Hintergrundpolitik gemacht.

Foto: EU-Dokument zu Fehlzeiten

Die Rechtsanwälte von Koch-Mehrin sehen das anders. Gegenüber den Ruhrbaronen sagen sie, Koch-Mehrin habe viel öfter abgestimmt, dies würden die Abstimmungsprotokolle des Parlamentes belegen. Aus dem Hintergrund ist auch hier zu hören, dass mehr Druck auf EU-Parlament ausgeübt werden soll, damit auch diese Zahlen nach oben korrigiert werden. 

Warum die Aufregung? Nun, ein Mitarbeiter im Europäischen Parlament hatte zusammengerechnet, wie viele Fehlzeiten sich die Abgeordneten im europäischen Parlament leisten. Dabei kam heraus, dass Koch-Mehrin unter 45 Prozent der Plenarsitzungen besucht hatte. Grundlage der Untersuchung waren die Anwesenheitslisten, in denen sich die Parlamentarier eintragen müssen. Der Mitarbeiter hatte in seiner Arbeit die Zahl von rund 39 Prozent der Sitzungen genannt, an denen sich Koch-Mehrin in diese Listen eingetragen hat. Die FAZ hat darüber geschrieben. Und dabei sogar darauf hingewiesen, dass die Zahl nicht mitberücksichtigt, dass ein Teil der Fehlzeiten auf die Schwangerschaften der FPD-Politikerin zurückzuführen seien. Nach dem Erscheinen des Berichtes hat die FAZ sogar noch mehr gemacht und die Sichtweise von Koch-Mehrin explizit dargestellt. Und trotzdem ist Koch-Mehrin gegen den ersten Bericht der FAZ Amok gelaufen. Sie hat eine Einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg, Pressekammer Richter Buske, durchgesetzt. Für die Einstweilige Verbotsverfügung hat Koch-Mehrin die oben genannte eidesstattliche Versicherung abgegeben, die ihr nun zum Verhängnis zu werden droht. Denn wer eine falsche eidesstattliche Versicherung abgibt, kann erheblich bestraft werden.

In Deutschland steht im Paragraph 156 des Strafgesetzbuches:

Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Genau das droht jetzt, wie ich das überblicke, Koch-Mehrin, wenn ein Gericht feststellt, dass die eidesstattliche Versicherung falsch war: bis zu drei Jahre Knast oder Geldstrafe.

Und wer wegen eines falschen Eides verurteilt ist, hat es schwer als Politiker. Nicht umsonst heißt es gewöhnlich am Beginn einer eidesstattlichen Versicherung:

Mir ist bekannt, dass die nachfolgende eidesstattliche Versicherung zur Vorlage bei einem deutschen Gericht bestimmt ist und die Abgabe einer – auch fahrlässig – falschen eidesstattlichen Versicherung strafbar ist.“

Koch-Mehrin kannte also das Risiko.

Der Knackpunkt ist dabei ein ganz spezieller. Wenn man sich die Plakate von Koch-Mehrin ansieht, mit denen sie versucht, Stimmen für ihre Europaspitzenkandidatur zu gewinnen, dann sieht man das Bild einer stolzen Frau. Sie will den Eindruck erwecken, sie verträte die Interessen der Bürger in Europa gut. In dieses Image scheint es nicht zu passen, wenn herauskommt, dass jemand nur irgendwas unter 45 Prozent der Plenarsitzungen in der EU besucht. Egal aus welchen Gründen.

Eigentlich hätte man erwarten können, dass Koch-Mehrin diese Wahrheit im Wahlkampf wegsteckt. Doch die FPD-Dame scheint punktgenau da getroffen worden zu sein, wo es wehtut. Sie war bereit, eine möglicherweise irreführende eidesstattliche Versicherung abzugeben, um diese Wahrheit aus der Welt zu schaffen. Sie hat das EU-Parlament unter Druck setzen lassen, um diese Wahrheit zu vertuschen.

Damit nicht genug. Seit dieser Bericht in den Ruhrbaronen hochgefahren ist, setzen uns die Anwälte von Koch-Mehrin zu. Sie sagen, wir würden uns strafbar machen, wenn wir schreiben, dass es einen Widerspruch gibt zwischen den Zahlen in der eidesstattliche Versicherung und den offiziellen Zahlen des EU-Parlamentes. Sie drohen offen mit einer Strafanzeige, wenn wir fragen, ob hier eine falsche strafbewehrte eidesstatliche Versicherung vorliegt.

OK. Ich denke, diesen Konflikt halten wir aus. Dabei spielt es in meinen Augen keine Rolle, ob Koch-Mehrin wegen Kinderzeiten fehlte. Das ist OK, jeder hat Verständnis dafür, dass sie wegen ihrer Kinder Fehlzeiten hat. Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht um die Frage, warum muss sie ihre Anwesenheit aufpusten. Warum sagt sie dann nicht: Hey, ich war zwar nicht 100 Prozent der Sitzungen anwesend, aber immerhin 62 Prozent, wenn man meine Fehlzeiten als Mutter berücksichtigt.

Warum musste sie diese Zahl noch treiben? Was hat sie dazu gezwungen?

Mich interessiert vor allem eines:

Warum die eidesstattliche Versicherung?

Die Rechtsanwälte von Koch-Mehrin erklären die Geschichte so:

Zunächst habe Koch-Mehrin die Versicherung abgeben müssen, um im Verfahren gegen die FAZ einen gerichtsverwertbaren Beweis in der Hand zu haben, um die Einstweilige Verfügung durchzukriegen. Und dann sagen sie:

Die Zahlen von Frau Koch-Mehrin basieren auf den ihr zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zugänglichen offiziellen Listen der EU-Verwaltung. Dies war am 5. Mai 2009. Der offizielle Launch der EU Seite war erst am 14. Mai 2009. Aus den Zahlen die Frau Koch-Mehrin vorliegen ergibt sich eine Präsensquote von mindestens 73,95 Prozent.

Da frage ich mich, wieso entsteht der Widerspruch zwischen ihren Zahlen und den Zahlen der EU-Verwaltung? Die EU bezieht sich ausdrücklich in ihren Zahlen auf die Anwesenheitslisten.

Auch das versuchen die Anwälte zu erklären: Zu den ursprünglich auf der EU-Webseite veröffentlichten Zahlen von 120 Tagen seien weitere 24 Fälle dokumentiert worden, bei denen Koch-Mehrin nachweislich der Protokollabstimmungen im Plenum war, nicht jedoch in der Anwesenheitsliste aufgeführt worden sei. Anders formuliert heißt das: Koch-Mehrin soll im Parlament gewesen sein, sich nicht in die Anwesenheitsliste eingetragen haben und trotzdem abgestimmt haben. Tja. Die Anwälte haben dazu lange Listen vorgelegt. Was ein Politiker halt seine Anwälte machen läßt, wenn man ihn mit der Hand in der Keksdose erwischt.

Wie dem auch sei: Die ganze Nummer ist hochgradig peinlich – und sie kann Koch-Mehrin das Amt kosten. Denn die Diskrepanz zwischen den Zahlen in der eidesstattlichen Versicherung und den offiziellen Zahlen in der EU bleibt. Ich weiß nicht, ob jemand eine Anzeige wegen einer falschen eidesstattlichen Versicherung stellen muss, oder ob das ein Delikt ist, das von Amts wegen verfolgt wird. Wer weiß, was passiert? In England treten die Politiker in diesen Tagen wegen Kleinigkeiten zurück. Weil sie Steuergelder im Tausend-Pfund-Bereich privat verschwendet haben.

Dies ist bei Koch-Mehrin nicht der Fall. Trotzdem ist die Frage offen, ob sich eine Spitzenpolitikerin kleinliches Gefeilsche politisch leisten kann – um Anwesenheitszeiten, die je nach Zählung zwischen 39 und 75 Prozent liegen.

Wie arg die Dinge stehen, kann man einer Talk-Runde des SWR sehen, in der Koch-Mehrin vor wenigen Tagen mit ihren Anwesenheitszahlen konfrontiert wurde. Sie antwortete irgendwas zu ihrer Rechtfertigung in der Aufzeichnung und versuchte nachträglich über Ihre Rechtsanwälte die Ausstrahlung der Sendung zu verhindern. Dazu später mehr.

Wer weiß, was passiert? Vielleicht kann die FDP-Politikerin ja auch mit Druck erreichen, dass die EU ihre Zahlen korrigiert. Und so der Unterschied verschwindet. Und sie mit einem blauen Auge davon kommt.

Ich denke, in der FAZ wird man noch manches zu dem Thema lesen können. Denn die Verhandlung zu dem Zahlentheater hat Koch-Mehrin heute in Hamburg verloren. Die einstweilige Verfügung gegen die Zeitung wurde zurückgenommen.

Die Frankfurter haben also Feuer frei.

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