Wäre Bochum Literatur…

Bochum führt bekanntlich ein Buch im Stadtwappen. Gerne möchte die etwas zu große, zu leere Stadt auch als Literaturhochburg punkten. Kein Wunder, dass Wahlkampf hier ein Krieg der Wörter ist. Genauer: der Wie-Wörter. Mit einem klaren Ergebnis: Schlechter Stil. Mit Adjektiven unbedingt sparsam umgehen.

Fotos: ruhrbarone

Im Einzelnen:

"Menschlich" nennen sich sowohl CDU und SPD.

"Stark", SPD und FDP.

"Sozial", SPD und Soziale Liste.

"Mutig", CDU und SPD.

Als Alleinstellungsadjektive können wir nur "modern" für die CDU verzeichnen und "klug" für die SPD, bzw. "Dr." Ottilie Scholz.

Vorbild für Paris?

Heute stellten Vertreter der Städte und der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung den Zwischenstand des Projektes Konzept Ruhr vor. 

"Dass im Ruhrgebiet die Kirchturmpolitik vorherrscht, ist längst ein Klischee ohne inhaltliche Substanz." Hanns-Ludwig Brauser, Chef der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr (WMR), beschwört die Zusammenarbeit der Städte: Mit über 800 Projekten hatten sich die Städte des Ruhrgebiets vor Jahren beim Land beworben – für die wollte man EU-Fördermittel haben. Das Land schickte die allzu üppige Projektliste zurück und forderte die Städte auf, sich auf ein kleineres Programm zu verständigen – und vor allem auch untereinander abzusprechen. Wirtschaftsministerin Christa Thoben hatte gleich zu Beginn ihrer Amtszeit klar gestellt: "Zukünftig sollen Projekte, die wir fördern, eine regionale Ausstrahlung haben."

Und die Städte des Ruhrgebiet kooperierten, erstellten eine neue Liste mit 508 Projekten, von denen an 82 Projekten mehrere Städte beteiligt sind. Die Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best, Essen und Ullrich Sierau, Dortmund gerieten ob der guten Zusammenarbeit schon fast ins Schwärmen. Jede Stadt, so beide einhellig, profitiere von den Stärken der anderen und nur gemeinsam könne man es schaffen, das Ruhrgebiet nach vorne zu bringen. Kürzlich, so Sierau, hätte er eine Delegation aus Paris zu Besuch gehabt, die von der Zusammenarbeit im Ruhrgebiet begeistert gewesen sei und sie als Vorbild für den Großraum Paris gesehen hätte. "Das Ruhrgebiet als Vorbild für Paris – vor ein paar Jahren hätte das doch niemand für möglich gehalten".

Doch es sind nicht nur die großen Städte, die von der Zusammenarbeit profitieren. Wilfried Klein, Chefplaner aus Dinslaken, kommt mit Wesel aus einem Kreis, in dem sich nicht alle Städte an den gemeinsamen Planungen beteiligt haben – aber mit Dinslaken, Moers, Voerde, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort und Schermbeck trotzdem bis auf Wesel und Xanten die wichtigsten Kommunen: "Das Ruhrgebiet mit seinen großen Städten ist für Dinslaken ein Haifischbecken – aber wir wollen in diesem Becken mitschwimmen und uns durchsetzen. Und die Zusammenarbeit mit den anderen Städten klappt gut." Er sei froh, dass der Kreis Wesel im Regionalverband Ruhr geblieben sei und sich die Austrittsbefürworter nicht durchgesetzt hätten: "Wenn wir kein Teil des Ruhrgebiets mehr wären, hätten wir viele unserer Pläne vergessen können."

Ein Überblick über die Projekte unter: www.konzept-ruhr.de

Ruhr oder Berlin Teil 3: Kreativität und Flexibilität

Kreativität ist weder zeitlich noch räumlich steuerbar. Deswegen werden Kreative nach dem Ergebnis und nicht nach der Effizienz ihrer Arbeit beurteilt und bezahlt. Die ist ausschließlich ihre eigene Sache und führt unausweichlich bei den noch nicht angemessen Entlohnten unter ihnen zu enormer (Selbst-)Ausbeutung

Bild: Ruhrgebietskreativer mit Stoffelefant

Kreative sind ihrer Kreativität nämlich in gewisser Weise ausgeliefert. Sie kommt und geht wann sie will, lässt sich nicht  erzwingen, ist im Prinzip überall möglich und kann sich sehr plötzlich beschleunigen oder auch bis zum Stillstand verlangsamen. Zeitliche und räumliche Flexibilität sind deswegen das  Nonplusultra eines kreativen Prozesses. Das sieht  für Außenstehende nach großer Freiheit aus, ist für die Betroffenen  aber pure Notwendigkeit. Sie wissen einfach nicht genau wann und wo  ihnen etwas einfällt.

Deswegen schleppen die Kreativen der Wissensgesellschaft fast immer ihren Laptop und ihr Handy mit sich herum. Wie es schon die Wandergesellen im Zeitalter der Manufaktur mit ihrem Handwerkszeug  gemacht haben. Da kreative Prozesse oft in direkten Zusammenhang mit anderen geistigen und materiellen Produktionsprozessen stehen, die räumlich unbeweglicher  sind, ist direkter und permanenter Kommunikationszugang die andere Seite der räumlichen Ungebundenheit. Konkret heißt das, ständig Online sein und/oder das Handy nie abschalten.

Das setzt wiederum eine bestimmte räumliche und technische Infrastruktur voraus. Kneipen, Parks, Hotels und andere öffentliche sowie private Orte die weder im Funkloch liegen noch für den flächendeckenden Online-Zugang private Kosten verursachen sind deswegen für Kreative beliebte Aufenthaltsorte jenseits der eigenen Wohnung und/oder des Büros. Erst recht, wenn Letzteres (noch) gar nicht vorhanden oder klitzeklein ist.

Verfügen diese Orte obendrein über inspirierende natürliche (Wasser, Flora und Fauna usw.), und/oder bauliche (Architektur, Ambiente usw.) und/oder soziale (Multikulti, hohe Besucherfrequenz, andere Kreative usw.) Elemente, dann werden sie besonders bevorzugt. Fügen sich alle Elemente an einem Ort zusammen wird er für die Kreativen zum sogenannten „Hot Spot“, was nichts anderes als eine begriffliche Übertragung des Begriffs Hot House (Treibhaus) auf  Räume im  Allgemeinen ist.

Dazu gehören, was die Nahversorgung betrifft, wenn möglich auch Restaurants, Kinos, und Geschäfte die 24 Stunden, zumindest aber bis in die späten Abend-  respektive frühen Morgenstunden geöffnet haben. Arbeitspausen haben bei Innovationsprozessen keinen festen Rhythmus und damit auch nicht das Bedürfnis nach Ablenkung, Mahlzeit oder einfach nur „Chillen“. Vervielfältigungs- und sonstige mediale Produktions- und Reproduktionsdienstleistungen sollten, weil meistens „outgesourct“,  auch in der Nähe und (fast) durchgehend zugänglich sein.

Es gibt aber für Kreative auch einen innerhäuslichen Anpassungszwang an  die Gesetze der Flexibilität. Die überdachten und zugleich nicht öffentlichen  Orte ihrer Arbeit, also Büro/Werkstatt und/oder Wohnung müssen schon deswegen multifunktional ausgestattet sein, weil es auf Grund der Nichtsteuerbarkeit von Innovationen für die Akteure keine Trennung zwischen Arbeit und Leben gibt. Weder eine räumliche noch eine zeitliche. Obendrein gilt, dass jede Innovation unerwartete Elemente ins Spiel bringt.

Für Kreative die nicht nur mit dem Computer sondern auch oder vorwiegend  mit Pinsel, Farbe, Bleistift und Leinwand, ja sogar mit Modellen und/oder kleineren Werkzeugen und Maschinen arbeiten, ergibt sich dadurch in der Regel ein überdurchschnittlicher Platzbedarf. Viel natürliches Licht und große hohe Räume sind da ein großer Produktionsvorteil. Die Möglichkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit einen gewissen Grad von Lärm/Unruhe zu erzeugen ebenfalls.

Lofts, erst recht in dickmäuerigen ehemaligen Fabrikgebäuden, sind deswegen für Kreative nicht nur Wohn- oder Lifestyle sondern vor allem notwendige bis optimale Arbeitsvoraussetzungen. Wenn dann in der Nähe dichtes Leben stattfindet  d.h. das eigene oder mit anderen geteilte Loft Teil eines „Hot Spots“ ist oder dieser zumindest in  erreichbarer Nähe liegt, dann  ist der Standort perfekt.

Im Gegensatz zu Berlin gibt es Lofts und „Hot-Spots“  in  dieser engen räumlichen Kombination im Ruhrgebiet so gut wie gar nicht, bzw. müssen sie hier erst entwickelt respektive gebaut werden. Das obwohl viele der durch den vielgerühmten Strukturwandel leergefallenen Fabrik- und Zechengelände innerstädtische Lagen haben oder hatten. Es ist vielmehr keiner (rechtzeitig) auf die Idee gekommen, sie auch in diese Richtung um zu nutzen.

In Ruhr sind deswegen Fabriklofts  zur  Zeit,  wiederum  im Gegensatz zu Berlin, eher in städtischen Rand- oder Zwischenlagen zu finden. Manche davon sehr wohl mit inspirierendem Blick auf Wasser und/oder Natur und/oder guter, ja spektakulärer Industriearchitektur, dafür aber meilenweit entfernt von etwas, das man „Hot Spot“ nennen oder was man dazu entwickeln könnte. Erst recht wenn man nicht über einen privaten PKW verfügt. Für die Kombination aus Hot-Spot und Loft haben der  Innenhafen von Duisburg und der Dortmunder Stadthafen noch die meisten Qualitäten, liegen aber nach meiner Einschätzung schon zu weit von den  jeweiligen Hauptbahnhöfen entfernt.

Das Ruhrtal hat dagegen, was die landschaftliche Umgebung der dortigen Lofts betrifft, innerhalb des Ruhrgebietes faktisch ein Alleinstellungsmerkmal, liegt aber von den Nahverkehrsanbindungen noch weiter vom Schuss. Ganz anders z.B. das Girardet-Haus in Essen-Rüttenscheid, von dessen Art es in Berlin allerdings dutzende in innerstädtischer Lage gibt.

Bleiben die vielen Kanäle und still gelegten Kanalhäfen des Ruhrgebietes. Hier wäre die Bildung ganz spezieller und urban eigenständiger „Hot Spots“ möglich, wenn die Hausbootkultur massiv gefördert und wasseramtlich erlaubt wird. (Natürlich erst recht in Teilen der oben schon erwähnten Stadthäfen von Duisburg und Dortmund)

Das gleiche gilt für die Kultur der landgebunden Mobile-Homes die auf den  großen noch vorhandenen wilden Freiflächen des“ Ruhr-Stadt-Dschungels“ eigene kreative Dörfer mit W-LAN-Anschluss ausbilden könnten. Auch hier wäre allerdings amtliche Erlaubnis und ideelle und materielle Unterstützung nötig.

Während sich Berlin auf Grund der kompakteren Stadtform mit den Mobile Homes, speziell in Form der „Wagenburgen“ schwer tut, hat sie sich auch bezüglich der schwimmenden Siedlungen schon einen Vorsprung erarbeitet, in dem sie dafür offizielle Stellen/Wasserflächen innerhalb des gesamten Stadtgebietes ausweisen wird, bzw. teilweise schon ausgewiesen hat. Fabriklofts aber auch Loft- und Atelierneubauten direkt am Wasser und zugleich in zentraler Lage gibt es schon lange und in enorm großer Auswahl.

Kampf bis zur Erleuchtung

Lorenzo Ravagli und der Glaubenskrieg der Anthroposophie gegen Helmut Zander. Von unserem Gastautor Andreas Lichte.

Lorenzo Ravagli Foto: Esowatch

Frühjahr 2009. Als Antwort auf Helmut Zanders preisgekröntes Standardwerk “Anthroposophie in Deutschland” erscheint Lorenzo Ravaglis Schmähschrift “Zanders Erzählungen”. Im Vorwort sagt Dr. Walter Kugler, Leiter des Rudolf Steiner Archivs in Dornach, Ravagli habe das Ziel gehabt, “zu retten, was noch zu retten ist” und dabei Mut bewiesen. Zum Beispiel so:

Ravagli beschuldigt Zander, dieser verfolge mit seiner publizistischen Tätigkeit zur Anthroposophie eine “verdeckte Agenda” [S. 24].

Ravagli stellt Zander als “Enthüllungsjournalisten marxistischer Orientierung” dar, der “trotz seiner katholischen Vergangenheit einem marxistisch inspirierten, historischen Materialismus verpflichtet ist” [S. 35].

Ravagli stellt klar, dass nicht etwa die Anthroposophie eine Sekte ist, sondern: „Zander als Eingeweihter einer trivialaufklärerischen Entmythologisierungtradition strebt wie alle Angehörigen von Wissenschaftssekten (sic!) danach, die Normativität seiner partikularen Rationalität zu universalisieren und alle Angehörigen abweichender Traditionen oder Diskursgemeinschaften als Ketzer zu stigmatisieren.“ [S. 372]

Möchte jemand versuchen, das zusammenzufassen? Wie wäre es damit: Helmut Zander – ein katholisch-marxistischer, materialistischer Verschörer der Sekte Wissenschaft gegen die Anthroposophie?

Solch mutige anthroposophische Charakterisierungen Zanders haben Tradition. Ein Blick zurück:

Sommer 2007. Nach Zanders Artikel “Jenseits von Steiners höherer Erkenntnis – Entmythologisiert die Anthroposophie!” kommt es im eigens eingerichteten Diskussionsforum der Stuttgarter Zeitung zu heftigsten Angriffen gegen Zander:

Autor: didlda“ gibt dem Leser einen Crashkurs in moderner Spiritualität, weist auf „banalstes Allgemeinwissen“ hin, das – ausser Helmut Zander – „heute jeder weiss, damals auch“. So erfährt der Leser etwas über den Zusammenhang von Chakras und der Quantenphysik, „die heute weit in geistige Gebiete hineinreicht, die Steiner bereits vor 100 Jahren ganz klar nachvollziehbar benannt hat.“ Dankbar werden Heisenberg, Planck und Schrödinger in ihren nächsten Inkarnationen den Kollegen Steiner begrüßen!

Bei „didlda“ wird aus Zander „Zehnder“, der Zehn-Ender, der zum Abschuß freigegeben wird. Halali! Zanders Buch „Anthroposophie in Deutschland“ ist mit 1884 Seiten und 246,00 Euro Kaufpreis wahrlich ein kapitaler Hirsch, dem man mit großkalibrigen Waffen begegnen muss:

Autor: Vater“ nimmt Zander so aufs Korn: „Ich finde die Herangehensweise von Herrn Zehnder höchst unsachlich und unwissenschaftlich.“ Lieber Leser, sagen Sie jetzt bitte nicht, dass sei aber ein glatter Fehlschuss. Es gibt andere Autoren, die für „Vater“ nachladen und nachladen:

Autor: Dr. Jörg Ewertowski, Leiter der Rudolf Steiner Bibliothek in Stuttgart“ wirft Zander vor, er besässe keine „echte ergebnisoffene wissenschaftliche Fragehaltung“, sonst hätte Zander ja schon längst selber entdeckt, dass es nur EINE, Zitat Ewertowski, „Weisheit vom Menschen“ geben kann, nämlich die „Anthropo-Sophia“.
Autor: frank schneider, theatron die bühne stuttgart“ verdächtigt den „katholischen Theologen Zander“, im Auftrage der Kirche Andersgläubige zu verfolgen. Zander versuche, „jahrhundertealte katholische Postulate zu zementieren,“ was „Autor: Lilli Kurz und Gerd Raisch“ mit Hinweis auf den aus anthroposophischer Sicht größten Sündenfall der Kirche bestätigt: „Es scheint Herrn Zander als Historiker entgangen zu sein, dass die katholische Kirche beim Konzil in Konstantinopel im 9. Jahrhundert den Geist abgeschafft hat.“

Zander, der als Katholik offensichtlich nicht im Vollbesitz des Geistes ist, wird von „Autor: Dieter Knellessen“  bescheinigt, dass er spirituell-esoterische Sachverhalte entweder nicht kenne, oder aber ihnen nicht sachgerecht, statt dessen mit materialistischen Methoden begegne.

Gerade noch fundamentalistischer Katholik, wird Zander also als Anhänger der „materialistischen Weltsicht“  entlarvt, die laut „Autor: Hans Bohnstengel“ „uns im Ergebnis zwei verheerende Weltkriege, die wachsende Umweltzerstörung und den immer deutlicher sich abzeichnenden vom Menschen bewirkten Klimawandel bescherte.“ Böse, böser, Materialismus. Hier macht sich die anthroposophische Doppelbesetzung des Bösen bemerkbar: Es muss für beide Hauptdarsteller – „Lucifer“ UND „Ahriman“ – genug zu tun sein … und Ahrimans anthroposophische Paraderolle ist nun einmal der Materialismus.

Autor: Wolfgang Dengler“ ergänzt: „Herrn Zander ist [es] offenbar ein Dorn im Auge, wenn jemand die Entwicklung aus der geistigen Welt heraus erklärt. Er will offenbar nur das sinnliche Geschehen als solches gelten lassen.“ Sehbehindert fällt Zander die Hellseherei als „geisteswissenschaftliche“, d.h. anthroposophische Standardmethode naturgemäß schwer, so dass Zander Dengler wohl einfach glauben muss, wenn dieser erklärt: „Nichts ist lebenssinn- und lebenskraftgebender als das Weltbild der Anthroposophie, das die Errungenschaften der Naturwissenschaft auf sinnlichem Gebiet voll anerkennt. Die Veränderung eines Weltbildes benötigt eben Jahrhunderte und erzeugt heftigste Widerstände, wie dies bei dem kopernikanischen Weltbild auch geschah.“

Steiner, der Kopernikus des 21igsten Jahrhunderts …

Stolz ist man vor allem auf die „anhaltenden Erfolge anthroposophischer Lebenspraxis“, die man sich nicht kleinreden lassen will. Vielleicht sieht Zander hier tatsächlich nicht den kreativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Impuls des neuen Weltbildes, hätte es sich denn erst einmal durchgesetzt. Man stelle sich vor …

Nach gescheitertem Verkaufsgespräch kehrt der Handlungsreisende Willi Lohmann auf sein Hotelzimmer zurück und sucht Trost in der Bibel. Es folgt der übliche Griff in die Schublade des Nachtschränkchens … Halt! Es gab inzwischen die anthroposophische Zeitenwende: Willi Lohmann findet nun Erbauung in der Mini-Bibliothek, die im anthroposophischen „5ten nachatlantischen Zeitalter“ zur Standard-Ausstattung jedes Hotelzimmers gehört. Wobei „Mini“ vom Understatement des Hoteliers zeugt, gilt es doch, 354 Bände der Rudolf Steiner Gesamtausgabe unterzubringen.

Welch neue, grossartige Perspektiven bieten sich hier dem Architekten! Berücksichtigt man auch noch die Gestaltungsvorgaben Steiners, freut sich auch noch die Beton-Industrie:

Jubeln wird der Innenminister: Deutschland und die Welt sind gewappnet für den Kampf gegen den Terror, oder wie es Steiner sagt: „(…) es werden aus der gesamten Masse der Menschheit sich überall diejenigen herausrekrutieren, die reif sind, die gute, die edle, die schöne Seite der nächsten Kultur nach dem Kriege aller gegen alle zu bilden.“

Weitere praktische Konsequenzen für die zukünftige anthroposophische „Menschheitsentwickelung“  kann jeder, der Zitat „Autor: Holger Böttcher“, über die „geeignete Schulung“ verfügt, in Steiners „Akasha-Chronik“ nachlesen. „Autor: Dr. Jörg Ewertowski“, Leiter der Rudolf Steiner Bibliothek in Stuttgart, wird bei der Entschlüsselung des „Äthers“ – „Akasha“, Sanskrit – gerne behilflich sein, ist er sich doch sicher, „dass wir alle die Wahrheit erfahren werden“, sei Steiner doch „rational und vernünftig“.

Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Glück so nahe liegt? Schliesslich haben wir sie ja schon, die Waldorfschule, wo man „Autor: Heike S. Mayer“ „voll und ganz zufrieden ist“. Und profitiert. Heike S. Mayer: „Ich werde gerne zu Lesungen eingeladen, weil ich das so routiniert machen würde. Nur selten hätte man so gute Leser gehabt.“

Gratulation Frau Mayer! Waldorfschüler sind eben „in der Regel intelligent, kreativ und integrativ und haben ein gesundes Selbstbewusstsein“, so „Autor: Hanna Kowatsch – Ehemalige Waldorfschülerin“.

Hat man sich erst einmal selbst – oder die eigenen Kinder – ins rechte Licht gerückt, lobt man auch gerne noch Steiners Waldorfschule. Und gesellt sich als „Nur“-Waldorfeltern und -Schüler zu den eigentlichen Steiner-Anhängern. Sie lobpreisen ihren „Menschheitsführer“ in den höchsten Tönen, fast hat man den Eindruck, es handele sich um ein „O beate et benedicte et gloriose Rudolphe“, vorgetragen vom Chor der Kastraten der Päpstlichen Kapelle.

Wer nun meint, „Kastrat“  sei doch eine äusserst ungehörige Beleidigung des Anthroposophen, kennt Steiner nicht. Zum Beweis sei hier ein längeres Steiner-Zitat erlaubt, vorgetragen von „Autor: fast-Waldorfvater“:

“Ursprünglich war auch der Mensch ein ätherisches Wesen von pflanzlicher Substanz. Damals hatte der Mensch diejenige stoffliche Natur, welche heute die Pflanze noch besitzt. Hätte der Mensch nicht die pflanzliche Substanz zum Fleisch umgewandelt, so wäre er keusch und rein geblieben wie die Pflanze. (…)

Die Fortpflanzungsorgane haben am längsten ihren pflanzlichen Charakter bewahrt. Alte Sagen und Mythen berichten uns noch von Hermaphroditen (…).

Manche glauben, das Feigenblatt, das die ersten Menschen im Paradies gehabt haben, sei ein Ausdruck der Scham. Nein, in dieser Erzählung hat sich die Erinnerung daran bewahrt, daß die Menschen an Stelle der fleischlichen Fortpflanzungsorgane solche pflanzlicher Natur gehabt haben (…).

Der Mensch wird nicht auf seiner jetzigen Stufe stehenbleiben. Wie er von der reinen Keuschheit der Pflanze in die Sinnlichkeit der Begierdenwelt hinabgestiegen ist, so wird er aus dieser wieder heraufsteigen mit reiner geläuterter Substanz zum keuschen Zustande.”

Na, ist doch schön, wenn man klare Ziele hat! Wenn man als Anthroposoph endlich die ach so lästige Sexualität los wird.

Ziele hat auch Andreas Molau: er möchte eine NPD-Waldorfschule gründen. Molau war von 1996 bis 2004 Waldorflehrer in Braunschweig, „Autor: harry“ läßt Molau selber berichten, zitiert von der NPD-homepage: „Ich unterrichtete die Fächer Deutsch, Geschichte, Musik und Politik und war auch Klassenlehrer im Grundschulbereich. Nachdem meine Zusammenarbeit mit der nationaldemokratischen Zeitung „Deutsche Stimme“ bekannt wurde, folgte die Kündigung (…).“

„Warum nicht früher?“, fragt man sich. Molau war vor seiner Waldorf-Karriere publizistisch tätig, machte aus seiner Gesinnung nie ein Hehl: Seine Staatsexamensarbeit über Alfred Rosenberg wurde 1993 bei dem extrem rechten Verlag Siegfried Bublies veröffentlicht. Während seines Studiums arbeitete Molau als verantwortlicher Kulturredakteur bei der Jungen Freiheit, die er u.a. aufgrund fehlender Distanz zu Positionen von Holocaustleugnern 1994 verlassen mußte. Daraufhin war er verantwortlicher Redakteur bei der Zeitschrift Deutsche Geschichte des mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilten Verlegers Gert Sudholt.

Dann schwieg er und wurde Waldorflehrer. Verstummte er wirklich? Was unterrichtete er beispielsweise in Geschichte und Politik? Die Antwort kennt nur Molau, der Rudolf Steiner und der Waldorfpädagogik sein größtes Lob ausspricht: „Steiner hat stets völkisch argumentiert. So betont er nicht umsonst die Differenzen von Rassen und Völkern. Die ganze Waldorfschulpädagogik ist von dem Begriff der ‘Geliebten Autorität’, über den Gemeinschaftsaspekt in großen Klassen, die Behandlung der Völkerfrage in der Mittelstufe, die der Nibelungen und des Faust in der Oberstufe eine gute deutsche Sache.“

Wäre Molau nicht DER Fall für die „interne Konferenz“ der Waldorfschule Braunschweig gewesen? „Autor: Thekla Walker, Bund der Freien Waldorfschulen“ erklärt uns: „Zander spricht von ‘interner Machtausübung’. Die Organe und Gremien der Waldorfschulen sind aber transparent organisiert. Die ‘interne Konferenz’ ist ein kollegiales Selbstverwaltungsorgan, das aus der Lehrerkonferenz gebildet wird und die Funktion der Schulleitung ausübt.“ Man stelle sich vor …

Molau wird in der „internen Konferenz“ befragt:

„Herr Molau – meinen Sie ‘Volksgeist’ oder ‘Volksgeist’?“
„Natürlich ‘Volksgeist’!“

Und um letzte Zweifel zu beseitigen, bringt Molau ein geflügeltes Steiner-Wort: „Soll Goethe die gleichen Bedingungen haben wie ein beliebiger Hottentotte?“

„Goethe“! – was will man mehr! Jetzt steht es fest: Molau ist Anthroposoph und ohnehin ein überaus geschätzter Kollege …
Sollte man hier einen Zusammenhang mit der Wortmeldung von „Autor: info3“ sehen? Zitat: „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien untersucht derzeit, ob sie Schriften des Reformpädagogen Rudolf Steiner auf den Index setzt. Es geht dabei um zwei Vortragsreihen aus den Jahren 1908 und 1910, in denen Steiner die Menschenrassen bezüglich ihrer Hautfarbe und ihres Standes in der Menschheitsentwicklung darstellt. ‘Es gibt zweifelsohne rassistische Motive in Steiners Denken’, sagt der Historiker Helmut Zander. ‘Beispielsweise, wenn er von «passiven Negerseelen» oder «degenerierten Völkern» redet (…).’ Das Bundesfamilienministerium hatte zwei Bände aus Steiners Gesamtwerk zur Prüfung vorgelegt. Eine Entscheidung der Bundesprüfstelle wird für den 6. September 2007 erwartet.“

All das lässt den Anthroposophen natürlich völlig unbeeindruckt. Wie sagt „Autor: Dr. Jörg Ewertowski“: „Warum schmeckt denn die Demeter Tomate so gut? Weil die Präparate, die Rudolf Steiner aus seinen Erkenntnisquellen heraus entwickelt hat, eben wirken!“

Und keinesfalls, weil, wie „Autor: AnhroPa“ unterstellt, „Reichsführer SS Heinrich Himmler die biologisch-dynamische Landwirtschaft in den Konzentrations- und Vernichtungslagern anbauen ließ.“

Der Text erschien ursprünglich auf dem BrightsBlog

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Spiegel Online ohne Krisenticker

Schluß. Aus. Vorbei: Die Krise ist beendet…und das liegt nicht nur an popeligen 0,3 Prozent Wachstum.

Seit dem Herbst vergangenen Jahres begleitete uns der Krisenticker auf Spiegel-Online. SPON schaltete auf das Manager-Magazin weiter und dort bekam man rund um die Uhr die Horrormeldungen geliefert. Das ist jetzt vorbei. Der Krisenticker bei SPON heißt jetzt Wirtschaftsticker und auf Manager Magazin Tagesticker. Und die Nachrichten sind auch nicht mehr so schlimm.

Kollegenschelte

Ich weiß, man soll sich nicht über Kollegen aufregen. Ich tue das auch nicht gerne. Aber in diesem Fall geht es nicht anders. Hat eigentlich irgendwer da draußen mal den Wahlkampfblog der WAZ gesehen – da auf derwesten.de? "Mein Gott", hab ich gedacht, als ich da über die derwesten.de-Seite "Wahl und Kampf" gesurft bin, "was ein Kack."

Sie brauchen ein Beispiel für Belanglosigkeit? Wie wär es hiermit: Zitat

"Hallo Wahlkampf?!? Ein bisschen lauter bitte. Hallo Wahlkampf, wo bist Du?!?"

aus dem Blog-Beitrag: "Wahlkampf, bitte melden!"

Gibt es keine guten Geschichten aus dem Wahlkampf? Nichts was man wegbloggen kann? Klar gibt es das und damit sind wir beim Grundproblem des Zeitungseigenen Wahlkampfblogs der WAZ. Politik ist Wahlkampf, Streit ist Wahlkampf, Polemik ist Wahlkampf. Jetzt gerade. Jetzt. Da draußen auf jeder Ebene. Vom Dorf in Harsewinkel bis nach Berlin.

Auch in der WAZ findet das Ringen um Programme und Köpfe statt. Auch in derwesten.de. Aber eben weil dort alles stattfindet, was spannend ist, bleibt für Wahl und Kampf nur Wahl und Krampf übrig. Zitat:

Manchmal kann Politik richtig gut schmecken. Ja, Sie haben richtig gelesen. In Billerbeck im Kreis Coesfeld vertreibt eine Bäckerei bis zur Wahl am 30. August Gebäck mit den Gesichtern der Bürgermeister-Kandidaten.

Keine Kommentare, keine Trackbacks. Warum auch? Das ist belanglos. Vielleicht wird der Blog auch nur deshalb alle paar Tage aktualisiert. Wie sehen die Zugriffszahlen der Krampfgeburt aus? Mit Sicherheit mies.

Ich denke jeder sieht das. Wenn das aber gesehen wird, warum wird das nicht beendet?

Sorry für die Kollegenschelte – aber das musste raus. Ich nehme an, andere haben sich auch schon drüber aufgeregt und drüber geschrieben. Sorry, habs nicht nachgesehen – komme gerade aus dem Urlaub wieder und dachte ich seh nicht richtig.

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Biedermanni mit Gerichtserfahrung

Im Kreis Recklinghausen buhlt due rechtspopulistische "Unabhängige Bürgerpartei" im Kommunalwahlkampf um stimmen. Sie will die Politik "ehrlicher" machen. Sie könnte damit in den eigenen Reihen anfangen.

Sie wollen Kinder,  die Probleme mit der deutschen Sprache haben, in Sonderschulen abschieben und spielen sich als Saubermänner im Kampf  gegen die angeblich hohe Kriminalität im Kreis Recklinghausen auf: Die von ehemaligen CDU-Mitgliedern aus Herten gegründete Unabhängige Bürgerpartei (UBP) versucht mit Ressentiments und Angst bei der Kommunalwahl Stimmen und Mandate zu gewinnen.

Auch der Resozialisierung von Straftätern, vor allem mit Migrationshintergrund sieht die UBP kritisch: "Nach unserer Überzeugung kommt „Opferschutz vor Täterschutz“! Gesetzgebung und Rechtsprechung haben in jüngerer Zeit im Strafverfahren die Folgen der Bestrafung für den Täter (Resozialisierungsgedanke) zu sehr in den Vordergrund gerückt. Dadurch sind die Prinzipien der Gerechtigkeit und des Schutzes der Öffentlichkeit viel zu sehr in den Hintergrund geraten. Unsere Grundposition ist, dass hier eine neue Balance gefunden werden muss. Keine falsche Toleranz gegenüber straffällig gewordenen Migranten: Tüchtige Einwanderer, die sich an unsere Gesetze halten, sind uns herzlich willkommen! Wer jedoch unsere Gastfreundschaft missbraucht, sollte unserer Ansicht nach mit einer Verweigerung staatlicher Hilfeleistungen und Abschiebung rechnen müssen. Der Staat war in der Vergangenheit oft zu nachsichtig und hat die Bevölkerung nicht hinreichend vor ausländischen Mehrfachtätern geschützt."

Mit Straftätern mit Migrationshintergrund  kennt sich die UBP aus. Ihr Kreistagsmitglied, das auch im Hertener Rat sitzt und  Vorsitzender der UBP-Herten ist, gehört zu dieser Gruppe: Der persischstämmige Rechtspopulist Borsu Alinaghi ist seit seiner Jugend immer wieder straffällig geworden. Ob Diebstahl  oder Körperverletzung gegen ein Kind – mit dem Strafgesetzt kommt  Alinaghi immer wieder in Konflikt. 

OK, man könnte sagen, da nimmt sich einer eines Themas an, von dem er Ahnung hat. Man könnte aber auch zu der Erkenntnis kommen, dass da jemand einen extrem schmierigen und verlogenen Wahlkampf macht.