FDP-Ruhr für Ruhrstadt

In ihrem Programm zur Kommunalwahl fordern die Liberalen eine intensivere Zusammenarbeit der Städte und einen Ruhrbezirk als Vorstufe zur Ruhrstadt.

Thomas Nückel, Fraktionsvorsitzender der FDP im Ruhrparlament

Am 30. August entscheiden wir nicht nur über die Zusammensetzung der Räte und Kreistage und wer Oberbürgermeister, Bürgermeister oder Landrat wird sondern indirekt auch über die Zusammensetzung der Verbandsversammlung des RVR, dem Ruhrparlament. Nun hat nach CDU und Grünen auch die FDP ein Ruhrgebietsprogramm zur Wahl veröffentlicht. Die Sozialdemokraten scheinen so etwas nicht nötig zu haben. Die  Liberalen fordern darin eine Direktwahl  des Ruhrparlaments und eines Bürgermeisters für das Ruhrgebiet, eine Stärkung der Zusammenarbeit der Städte  und einen Ruhrbezirk als Vorstufe zur Ruhrstadt und ein Nahverkehsrunternehmen für das Revier. Zudem sollen die Städte Teile ihrer Wirtschaftsförderung auf die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr über.

Ziel der FDP ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähig des Ruhrgebiet. Thomas Nückel, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Ruhrparlament:  " In Sonntagsreden wird immer die Metropole Ruhr beschworen, aber die ist zur Zeit  mehr Wunschdenken als Wirklichkeit. Das Ruhrgebiet ist eine Region mit großen Potentialen, aber eben auch reich an Grenzen: zwischen Städten und Kreisen, zwischen Landschaftsverbänden und Regierungsbezirken, Kammern, Landesoberbehörden und Verkehrsgesellschaften."  Einheit, sagt Nückel, gäbe es  nur im gemeinsamen Wehklagen und wenn es darum geht, Geld von außen einzufordern: "Viel zu lange haben Kirchturmdenken und Provinzialismus die Region in ihrer Entwicklung gebremst. Die FDP erwartet von den Verantwortlichen in den Städten, Teamgeist zu beweisen und sich gemeinsam als starke Region zu profilieren, nicht zuletzt auch, um international überhaupt wahrgenommen zu werden."

 

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Wo bleibt das Orgasmotron?

1997 gab das amerikanische Magazin Wired ein Buch mit dem Namen Reality Check heraus. Experten beantworteten darin die Frage, wann welche technologische Vision Wirklichkeit werden würde. Wir haben mal den Reality Check Check gemacht.

Zwei technische Errungschaften, da war man sich 1997 im Wired-Expertenkreis ziemlich sicher, würden im Jahr 2009 ihren Durchbruch erleben: Zum einen das Orgasmotron, einen Maschine oder eine Tablette, die einen Orgasmus auslöst und die VR-Sonnenbrillen, mit denen man Virtuelle Realitäten, damals ein ganz wichtiges Thema, erfahren könne. Mal davon abgesehen, das Howard Rheingold mit seiner schon damals geäußerten Vermutung, das Orgasmotron sei schon erfunden, sein Erfinder  nur nicht in der Lage das Haus zu verlassen, um das Patent anzumelden, recht haben könnte, sieht es mit den VR-Sonnenbrillen schlecht aus. In Laboren gibt es zwar viele Spielereien, aber von marktfähigen Geräten die sich durchgesetzt haben, ist kaum etwas zu sehen.

Die Bilanz des 1997 von US-Computermagazin Wired veröffentlichten Prognosebuches Reality Check ist gemischt: Einige Veränderungen und Innovationen haben sich früher durchgesetzt als damals vermutet wurde. Längst ist die CD zweitrangig (Prognose: 2010), gibt es digitale Bücher (2013) und weltweite Mobiltelefonnummer war auch schon vor 2001zumindet in weiten Teilen der Welt üblich. Ein paar Visionen setzten sich, zumindest in Deutschland, mit etwas Verspätung durch: 1998 waren Telefon-Flatrates ebenso unüblich wie Internet-Flatrates. Beides brauchte noch ein wenig und auch Filme über das Netz konnten nicht schon 1997gekauft werden – es fehlte schlicht an der nötigen Bandbreite.

Und dann gibt es auch die Visionen, die längst da sein sollten, aber bis heute auf ihren Durchbruch warten oder noch gar nicht erfunden sind: Es gibt leider nicht seit 2002 einen Impfstoff gegen AIDS, das allgemeine Organspendetier (2005) steht noch nicht im Stall und auch die Pille für den Mann (2002) gibt es noch nicht in der Apotheke. Selbst die schöne Idee einer sich selbstreinigenden Toilette zu Hause (2006) hat sich noch nicht durchgesetzt.

Weit mehr als die Hälfte der Prophezeihungen im "Reality Check" gingen daneben. Durchgesetzt haben sich vor allem Technologien oder Ideen, die schon Mitte der 90er abzusehen waren, wie das langfristige Ende der CD oder das elektronische Buch. Diese Vorstellungen folgten nur dem durch die Digitalisierung vorgegebenen Entwicklungspfad.

Und so blicken wir entspannt auf die Prognosen, die nun die aus heutiger Sicht nicht mehr ganz so ferne Zukunft betreffen: 2014 werden Überschallflüge für alle sicher nicht üblich sein, wir werden  2020 Menschen keine Menschen auf den Mars schicken und 2015 wird es auch keine Vollverpflegung durch Pillen geben – der Zeitgeist geht gerade in eine andere Richtung.

Das 2014 das Volumen der Werbung online höher sein wird als im TV halte ich für möglich –  aber vieles andere Ideen wie die Kontaktaufnahme mit Aliens (2025), die Ernüchterungspille (2020) oder die Freigabe von Drogen in den USA (2019) dürften ihre Ursprung in den Wünschen der von Wired damals interviewten Experten haben.

Trotzdem lohnt es sich, einen Blick in das Buch zu werfen – es gehört zu den wenigen Tech-Büchern die mit den Jahren gewinnen, wenn auch nicht durch die Präzision der Prognosen, sondern eher weil es etwas über unsere Wünsche verrät.

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Ein Tag mit Kopftuch

Mein Name ist Meriem, ich bin 24. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Algerier. Meine Heimat ist Deutschland. Ich wurde hier geboren und wuchs als Deutsche auf. Oft werde ich allerdings gefragt: „Wo kommst du denn eigentlich her?“. Ich antworte dann meist: „Ich komme aus Deutschland, aber mein Vater ist aus Algerien.“

Er kam in den 80ern nach Deutschland. Genauer gesagt nach West-Berlin. Er ist also Immigrant und ich habe dadurch einen „Migrationshintergrund“, wie es so schön heißt. Die arabische Kultur und die Religion meines Vaters hatten allerdings kaum Einfluss auf mein Leben. Ich bin Christin, er ist ein traditionsbewusster Muslim. Gerade im Ruhrgebiet begegne ich jeden Tag jungen Frauen, die durch ihr Kopftuch zeigen, dass sie an den Islam glauben. Ich habe mich gefragt, wie es wohl ist, als Kopftuchträgerin unter Christen zu sein. Es wird immerzu darüber gesprochen, dass Integration ohne Toleranz nicht gelingen kann. Doch werde ich als Frau mit Kopftuch genauso behandelt, genauso toleriert wie sonst? Heute wollte ich dieser Frage auf den Grund gehen und selbst erleben, wie es ist, einen Tag lang als Muslimin wahrgenommen zu werden.

Mein Tag beginnt mit einer sehr pragmatischen Erkenntnis: das Kopftuchbinden ist eine Kunst für sich. Ohne eine Anleitung aus dem Internet, komme ich nicht weit. Als es mir endlich gelingt, jedes noch so widerspenstige Haar unter einem grün glitzernden Schal zu verbergen, betrachte ich mich kritisch im Spiegel. Ein fremdes Bild. Als ich meinen morgendlichen Kaffee auf den Balkon trinke, streckt mein, so wie ich glaube, türkischer Nachbar den Kopf aus dem Fenster. Sein Haar ist schon etwas schütter und er raucht Zigaretten. Offenbar kein strenger Muslim. Plötzlich lächelt er mir entgegen. Das ist vorher noch nie passiert. Ob es wohl an meiner neuen Haartracht liegt? Ich bin nicht sicher, mache mich aber beschwingt auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle vor meinem Haus. Schließlich steht heute der wöchentliche Sport in meinem Fitnessstudio auf dem Programm. Der Schritt auf die Straße kostet zwar keine Überwindung, lässt mein Herz aber etwas höher schlagen. Verstohlen blicke ich nach links und rechts, um zu sehen, wie Passanten reagieren. Alles ist wie immer.

An der Haltestelle angekommen, passiert dann doch etwas. Ein Mann mit stattlichem Bierbauch und matter Halbglatze begutachtet mich von Kopf bis Fuß. Er hält einen vergilbten Leinbeutel mit Einkäufen in seiner Hand. Als ich ihm in die Augen schaue, huscht sein Blick auf den Boden. In der Bahn angekommen, kontrolliere ich schnell, ob mein Tuch verrutscht ist. Nein. Alles in Ordnung. Beim Überqueren der Straße, gerate ich das zweite Mal in die Gesichtskontrolle. Aus einem tiefergelegten Opel Corsa linsen mir zwei junge Männer hinterher. Ich erwidere ihre Blicke. Sie beginnen zu tuscheln. Ich bin etwas verunsichert und gehe rasch weiter. Im Studio angekommen, schaut mir die Dame an der Rezeption die entscheidenden drei Sekunden länger in die Augen, als ich es gewohnt bin. Mir fällt auf, wie auch andere Blicke meinen Kopf streifen und kurz auf mir verweilen. In der Damenumkleide tausche ich schnell meine Jeans gegen eine weite Jogginghose. Währenddessen schielt die nackte Blondine neben mir ununterbrochen auf meinen Kopf. Auf dem Laufband wird mir nicht nur klar, wie warm es unter dem Tuch werden kann, sondern auch, dass ich hier nicht unbeobachtet bleibe. Rechts von mir kann eine junge Frau mit braunem Pferdeschwanz und roter Leggings ihre Augen nicht abwenden. Ich laufe weiter. Schwitze. Spüre Blicke.

Das ist viel Aufmerksamkeit für so wenig Stoff, denke ich, als ich wieder zu Hause bin. Ich nehme langsam das Tuch ab, das ich gar nicht mehr so befremdlich finde. Lege es auf den Tisch. Heute unterlag ich der Beobachtung. Es wurde geprüft, was ich tue und wie ich es tue. Nicht offensiv, auch eben nicht mit Worten, sondern ganz subtil. Die Blicke machten mich irgendwie zu der „Anderen“. Ich frage mich, ob andere Frauen mit Kopftuch das auch so wahrnehmen. Und ob die Blicke uns voneinander trennen.

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Foto: Flickr/subtle_sarcasm

Kirmes: Crange ist gestartet…Ruhr Nachrichten

Wahlkampf: Steinbrück im Industrieclub…Ruhr Nachrichten

Internet: Die Online-Opposition…taz

Finanzen: Nach der Wahl wird gespart…Der Westen

Finanzen II: Bochums Sparpläne…Der Westen

Finanzen III: Keine Selbstkritik von Bochums Stadtspitze…Bo Alternativ

Opel: …im Kreis…FAZ

Krise: V-Förmige Erholung…Weissgarnix

USA: Obama als Sozialist…FIXMBR

Wahlkampf II: Frau Doktor bleibt am Ball…Pottblog

Dortmund: Grüne ziehen Bilanz…Ruhr Nachrichten

Kultur: Pool-Installation…Hometown Glory

Wahlwerbung: Was wollen die Piraten?…LDP

Medien: Freitag kickt…Zoom

Online I: Kreative Denkmäler fürs Revier…Dorstener Zeitung

 

 

 

Ruhrbarone Ausfall: Es war meine Blödheit…

Gestern schmierten die Ruhrbarone ab und seit 11.00 Uhr wurde fieberhaft nach den Gründen gesucht – und nach dem Verursacher.

Der Verursacher war ich: Als ich Teile des Umweltprämienartikel im Quellcode kopierte um ihn in die Kurzansicht zu einzufügen habe ich einen Link nicht vollständig mitkopiert. Das war der Fehler – komisch finde ich nur, dass er sich erst 13 Studen später bemerkbar machte. 

Der Fehler hatte einige Konsequenzen und ich bitte um Verständnis: Wir haben alle Artikel gelöscht von denen wir glaubten, sie könnten die Beschädigung verursacht haben. Klugerweise natürlich nicht den Text, der wirklich verantwortlich war. Auch alle Kommentare des gestrigen Vormittags wurden gelöscht – auch aus der Sorge, in einem könnte der Fehler stecken. War unnötig, tut mir leid und war nicht böse gemeint.

Nun zum Dank: Nachdem ich auf Twitter um Hilfe gebeten habe bekamen wir zahlreiche Hilfsangebote auf die ich nicht alle reagieren konnte. Bei mir funktionierte auch die Twitter-Message-Funktion irgenwie nicht. Also auf diesem Weg vielen Dank an DieFisch, das3zehn, dot8, Netzgockel, Chris von FXMBR , Pattimaus und Florian von Ruhr Digital  

Einen ganz besonderen Dank an Jens vom Pottblog und Stefan von Bo-Alternativ, die sich viele Stunden Zeit genommen haben, um mit Irene die Seite wieder ans Laufen zu bekommen. Ich verspreche künftig etwas sorgfältiger beim kopieren zu sein. Sorry.

Mohamed war ein Prolet…

 . . . und ein paar weitere heitere Fußballgeschichten, weil es gleich wieder losgeht!!!

abb: stadtwerke bo/ ruhr nachrichten

RWE/ Für mehr als 30 Millionen Euros soll Traditionsclub und Viertligist Rot-Weiß Essen nun endlich doch ein neues Stadion bekommen kick. Ein Steinwurf entfernt vom alten Georg-Melches Stadion fällt deshalb am Samstag, High Noon, der feierliche symbolische Startschuss für die neue rot-weiße Spielstätte. Eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden OB Wolfgang Reiniger (CDU). Immerhin ist das neue Stadion mit vier Tribünen geplant und damit gegenüber dem bisherigen Traditionsbau (3) klar im Vorteil. Klar im Nachteil sind Fußballtraditionalisten im Essener Norden. Statt Georg Melches – dem für die meisten vor allem nur noch rätselhaften Namen des Cluburvaters kick – soll die neue Arena laut "derwesten" einen Namenssponsor aus der Wirtschaft bekommen kick. Allerdings handelt es sich dabei um das allerunauffälligste Sponsoring der Fußballgeschichte: Die neue Anlage wird schlicht "RWE-Arena" heißen. Rheinisch-Westfälischer Kapitalismus, man muss ihn einfach lieben!

VfL/ Zwanzig Kilometer ostwärts heißen die Dinge schon längst anders. Namenssponsor des Rewirpower-Stadions sind die Stadtwerke Bochum und nach der Umbenenung des Ruhrstadion hat der kommunale Versorger nun die nächste Verwandlung ins Auge gefasst. In einer Anzeige haben sich die Bochumer Lizenzspieler in Haka-Pose ablichten lassen. Auffällig: Die Spieler aus der zweiten Reihe posen besonders grimmig. Auch die eher witzigen Ankündigungsplakate für die VfL-Spiele, die bislang die Abenteuer der Bochumerin Gerda zeigten, machen nun einem neuen Motiv Platz. Etwas Fankurve ist zu sehen und dazu das Motto: "Andere haben Trophäen, wir haben Euch!" Angesichts der chronischen Unzufriedenheiten mancher Bochumer Fanseele (kick) kann das allerdings auch als Klage verstanden werden.

BVB/ Im Pokal hat Lucas Barrios bereits getroffen, der neue Weltttorjäger des BVB, doch nun macht ihm Don Alfredo Pöge, Erbsenzähler des Weltfußballs den Titel streitig kick. Zu Pöge und seinen Fußballstistikern ist schon viel geschrieben worden, zum Beispiel im Spiegel.
Persönlich glaube ich ja, die alten Männer und der Republikflüchtling sind eine Art Fußballfreimaurerloge, die den Fußball unterwandern wollen, seine Geschichtschreibung monopolisieren um die ewige Herrschaft des Bösen einzuleiten.

S04/ Schalke hat(te) bekanntlich dieses interkulturelle Problem mit seinem Vereinslied. Für mich nur wieder ein Beispiel von "misheard lyrics". Auf der Nordkurve singen sie seit Jahren klar und eindeutig "Mo-ha-med war ein Prolet". Und was man so von Mohamed weiß – erst am Feuer, Walzwerk, Mannesmann, dann auf Stütze, nebenbei Taxi – muss ich sagen, sie haben recht!  

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Bütikofers Kommentar beim Vorwärts nicht erwünscht

Das SPD-Magazin Vorwärts suchte über Twitter Kommentare zu Steinmeiers Kompetenzteam. Der Grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer wollte sich an der Aktion beteiligen – sein Kommentar wurde abgelehnt.

Neues von der hippen Internetpartei SPD. Am 30 Juli waren die Genossen ganz wuschig: Ihr Kanzlertkandidat Frank Walter Steinmeier hatte gerade sein Kompetenzteam vorgestellt und nun wollte das Traditionsblatt Vorwärts  Kommentare zu Steinmeiers Leuten sammeln und weil die SPD die Online-Partei der Republik ist geschah das natürlich via Twitter.

Reinhard Bütikofer, Langjähriger Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen und frischgebackener Europaageordneter las den Aufruf  und fühlte sich angesprochen. Via Twitter fragte "Bueti" an, ob  auch er kommentieren könne. Die Antwort über das Polit-Promi-Angebot kam prompt: "Das kommt auf den Kommentar an. Ein ehrlicher und kein hämischer Beitrag von Reinhard Bütikofer bei uns wäre doch was! ;-)"

Bütikofer begann also zu schreiben. Nicht wie abgesprochen über das Kompetenzteam von Steinmeier sonder über den Deutschlandplan des Kandidaten, aber das passte den Genossen nicht. "Mir wurde" sagt Bütikofer auf Anfrage der Ruhrbarone "Von Guido Schmitz, dem Geschäftsführer des Vorwärts erklärt, mein Text könne nicht veröffentlicht werden." Hubertus Heil, der netzbegeisterte Generalsekretär der SPD,  soll das entschieden haben.

Nun gut, damit sich Reinhard Bütikofer die ganze Mühe nicht umsonst gemacht hat veröffentlichen wir hier seinen Text – und warum der Vorwärts das nicht getan hat kann ich zumindest nicht verstehen, denn so viel Diskussionskultur sollte auch in einer Parteipostille möglich sein.

 

It´s a green economy, stupid!

Ich begrüße den Deutschland-Plan des SPD-Kanzlerkandidaten Frank Walter Steinmeier.

Ich begrüße ihn, obwohl er offenkundig ein Zeichen von Panik ist angesichts eines Rückstandes des SPD gegenüber der Union, der bis zum 27. September nur noch durch ein politisches Wunder aufgeholt werden kann.

Ich begrüße ihn, obwohl er dem Green New Deal, der ökologisch-sozialen Innovationsstrategie, für die wir Grüne seit langem werben, ebenso unverbindlich in der Durchsetzungsstrategie wie detail-verliebt und detail-verkehrt hinterher läuft.

Ich begrüße ihn, obwohl er durch das großspurige In-Aussicht-Stellen von 4 Millionen Arbeitsplätzen und von Vollbeschäftigung bis 2020 seinen Autor eher daran hindert, kurzfristig neue Glaubwürdigkeit aufzubauen.

Steinmeiers Deutschland-Plan ist das progressivste programmatische Dokument, das die SPD seit einiger Zeit zustande gebracht hat. Ich vermute, er kommt für die Bundestagswahl zu spät. Sicherlich ist er noch zu wenig durchdacht, zu angreifbar. Doch er ist ein deutliches Signal, dass die SPD die Anstrengung des Gedankens, das Bemühen um Begriffe und Strategie nicht aufgegeben hat. Er könnte mittelfristig zur Basis werden für eine grüne Erneuerung der SPD und damit Perspektiven öffnen für eine Wiederbelebung von Rot-Grün – Rot-Grün 2.0 – oder für Grün-Rot-Plus. Wenn die SPD es denn ernst nimmt. Kann man darauf hoffen? Ich bin nicht sicher, ich tu´s mal.

Eigentlich ist die ganze Zeit-Spanne vom per Akklamation durchgezogenen SPD-Wahlprogramm bis zum Deutschland-Plan ein jammervolles Exempel dafür, wie es nicht geht.

Dass die Wirtschaft grün erneuert werden muss, dass wir vor einer grünen industriellen Revolution stehen, dass ein Aufbruch zu neuen Ufern durch ökologische Innovation, vor allem durch Energie-Effizienz und durch Setzen auf Erneuerbare Energie, nötig ist, das hat niemand als die Botschaft des SPD-Wahlprogramms verstanden. Einige hätten das vielleicht gerne gehabt, Sigmar Gabriel oder sein Staatssekretär Michael Müller, die beide, wo es um allgemeine Agitation und Propaganda geht, solche Thesen ja wie eine tibetanische Gebetsmühle vor sich her tragen. Aber Gabriel war noch nicht einmal in der Lage, die Kohlebegeisterung der SPD, die damit nun ganz und gar nicht zu vereinbaren ist, für´s SPD-Programm auch nur wesentlich abzuschwächen. Nachdem er selbst sehr lange der größte Kohle-Vorkämpfer gewesen war, unternahm er einen kurzen, zaghaften Versuch, da zurück zu rudern, knickte aber gleich wieder ein. Es siegte der sozialdemokratische Strukturkonservatismus.

Ich habe mich gewundert, wie kampflos die SPD uns Grünen den Green New Deal überlies, der ja keineswegs unsere Erfindung ist. Während wir unter dieser grünen Fahne für einen wirtschaftspolitischen Neuanfang trommelten, während wir argumentierten, dass damit eine gemeinsame Antwort auf Wirtschaftskrise und Klima-Krise und globalen Hunger gegeben werden kann, während wir uns mit dem Argument stark positionierten, dass heute die Umwelt- und Klimapolitik der Wirtschaft enorm viel zu bieten hat, während wir dabei auf Obama und Achim Steiner und Ban Ki-moon und Schwarzenegger als Brüder im grünen Geiste verwiesen, die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer sozialen und ökologischen, einer grünen Marktwirtschaft konzipierten, kam von der SPD vor allem eine dünne Gerechtigkeitsbotschaft, die ein doppeltes Problem hatte. Zum einen war sie belastet durch einen verdrucksten Umgang mit den Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierung. Steinmeier und Müntefering glaubten allen Ernstes, sie könnten die Hartz-Debatte zur Frage der Zeitgeschichte erklären und dadurch hinter sich lassen, ohne geklärt zu haben, was daran richtig und falsch war. Zum anderen konnte die Gerechtigkeitsbotschaft der SPD, der Linkspartei ist es zeitgleich ganz ähnlich ergangen, nicht hegemoniefähig werden, weil sie nicht genug das feine, realistische Gefühl der Menschen ins Kalkül nahm, die jedem misstrauen, der ihnen Gerechtigkeit verspricht ohne sagen zu können, auf welche ökonomische Basis diese in Zukunft gegründet sein soll. Die SPD orientierte sich noch am Paradigma Verteilung als schon längst ein Paradigmenwechsel stattgefunden hatte: Wir stecken in einer tiefen Krise; es geht nicht besonders gerecht zu, wenn die Wirtschaft an Krücken geht; woher kommt neue Dynamik, um diesen Zustand zu überwinden?

Die Konzentration der SPD auf den wirtschaftspolitischen Versuch, einzelne große Unternehmen unter Inkaufnahme hoher Subventionen, ja, fast um jeden Preis zu retten, dabei aber keinerlei industrie- und ordnungspolitische Linie erkennen zu lassen, hat massiv dazu beigetragen, die Wirtschafts-Kompetenz der SPD zu untergraben. Gegen die Handwerkelei, die Konfusion und Orientierungslosigkeit Merkels hätte sich die SPD positiv abheben können, wenn sie grundsätzlich geworden wäre, klare Grundlinien gezogen hätte, eine Strategie angeboten hätte. Eine Strategie der europapolitischen Wirtschaftskoordination zum Beispiel. Da war Steinbrück mit seinem ökonomischen Nationalismus vor. Eine Strategie der ökologischen Erneuerung zum Beispiel. Kurz flackerte ein Vorschein davon sogar einmal hoch, als Gabriel und Steinmeier nach dem erfolgreichen Grünen Wahlprogramm-Parteitag ein Papier präsentierten, das auch eine grünere Wirtschaft thematisierte. Statt dem Green New Deal wurde etwas hilflos ein ökologisch-sozialer New Deal formuliert. Aber das blieb völlig folgenlos. Gegen das Grüne Versprechen, mit ökologischer Innovation und Investition in Bildung und Gerechtigkeit bis 2010 eine Million Jobs zu schaffen, war die Steinmeier-Gabriel-Ansage, dasselbe bis 2020 zu leisten, nicht attraktiv. Aktuelle politische Konsequenzen zogen die beiden Minister auch nicht. Andere in der SPD ließen das Thema gleich ganz links liegen. Und praktisch verkämpfte man sich für die Abwrackprämie, von der IG Metall erfunden, ökologisch unsinnig, für die Autobranche mittelfristig noch nicht einmal eine wirkliche Hilfe.

Während des Europa-Wahlkampfes ergab sich ein kurioses Bild in der wirtschaftspolitischen Konkurrenz von Grünen und SPD. Während wir um neue Jobs am Bug der Volkswirtschaft kämpften, die Innovationskarte spielten, progressiv auftraten, rang die SPD am Heck der Volkswirtschaft um Subventionsmilliarden. Dass das letztere kein erfolgreicher Kurs war, noch nicht einmal an den Opel-Standorten, hat sich herumgesprochen. Und die Rolle als Alternative zum hilflosen Gewurstel, die die SPD nicht angenommen hatte, die mimt nun der Guttenberg ohne tatsächlich mehr als eine Pose einzunehmen, aber populär und wahlpolitisch aussichtsreich.

Jetzt, auf den aller letzten Drücker, ist Steinmeier mit seinem Deutschland-Plan doch noch bei grüner Innovation gelandet. Jetzt, endlich, sagt er seiner SPD, sie solle nicht vor allem an Merkel und der Union rummeckern, sondern selber versuchen grundsätzlich zu werden. „Es ist viel Freude im Himmel, über einen Sünder, der Buße tut,“ möchte man gerne sagen. Aber. Steinbrück verhindert zeitgleich im Kabinett die Förderung von Elektroautos. Steinmeier projeziert seine grünen Wirtschaftsvisionen auf 2020 und umschifft so viele konkrete Fragen, auf die es ankommt, wenn es grün werden soll. Was ist z.B. mit LKW-Maut; Tempolimit; Dienstwagen-Privileg; Energieeffizienz der Autoflotten; ÖV-Investitionen; Kerosin-Besteuerung? Ist 30% Erneuerbare Energien bis 2020 nicht eher ein konservativ-ängstliches Ziel? Muss man sich für Bildungsinvestitionen nicht klar auf eine Umwandlung des Soli in einen Bildungssoli festlegen? Den allergrößten Tort tut sich Steinmeier selbst dadurch an, dass er meint, unter der Verheißung „Vollbeschäftigung“ mehr Arbeitsplätze versprechen zu müssen als Grüne und LINKE zusammen. Gegen das Versprechen „Vollbeschäftigung“ spricht so vieles. Dass es schon oft fruchtlos gegeben wurde. Dass der Politik heute niemand mehr wirklich die Kraft dazu zutraut. Dass die Vokabel selbst zur Chiffre für eine konservative Haltung geworden ist: es soll durch fürsorgliche staatliche Politik wieder werden, wie es in der goldenen Vergangenheit mal war; das klingt mit, wenn ein Gewerkschafter oder Sozialdemokrat oder Merkel – die dann natürlich ganz besonders vage – von Vollbeschäftigung spricht. Wer den Aufbruch nach vorne, zur grünen Wirtschaft, in das Prokrustes-Bett eines Vollbeschäftigungsversprechens steckt, der desavouiert diesen Aufbruch damit. Dafür wird Steinmeier jetzt insoweit zu Recht gerüffelt.

Doch nach allem, was ich zu kritisieren habe, bleibe ich dabei, dass ich den Deutschland-Plan begrüße. Er markiert die Einsicht jedenfalls beim Kanzlerkandidaten der SPD: It´s a green economy, stupid!

Um diese Einsicht ist Steinmeier der Union und der FDP voraus. Dass die so heftig polemisieren hat meines Erachtens auch damit zu tun, dass sie das spüren. Was immer der Baron zur Wirtschafts-Innovation im Auftrag der Kanzlerin oder aus eigenem Antrieb noch aufschreiben mag, es wird bestenfalls der Nachtrab zum Nachtrab sein. Der politische first mover advantage winkt ihm nicht. Natürlich: politische relevant ist dieser Vorsprung nur, ob schon für den 27.9. oder jedenfalls die Zeit danach, wenn diesmal die SPD den Impuls aufgreift und praktisch wird (nicht nur bei der Kohle und beim Auto). Grün reden und strukturkonservativ handeln verliert an allen Fronten. Die Roten müssen gründlich grün werden, wenn sie wieder eine Chance haben wollen.

Von Churchill gibt es das bissige Urteil über die US-Außenpolitik, sie hätte immer alles richtig gemacht – „after first having exhausted all other options“. Alle „anderen Optionen“ hat die SPD wirklich ausgeschöpft. Ich würde mich freuen, wenn sie diesmal also anfangen würde, es richtig zu machen. Ich denke, wir könnten sie als Partner für eine grüne Ökonomie gut brauchen. Genug Gegner dieses Zukunfts-Projektes gibt es nämlich immer noch.