Wikipedia will Geld einnehmen

Es könnte eine grundlegende Neurorientierung der Online-Enzyklopädie Wikipedia sein. Denn das freie Lexikon will zusätzlich zu den freien Spenden, die bereits jetzt angenommen werden, professionelle Sponsoren auf seinen Seiten zulassen. Seit ein paar Wochen läuft dazu eine Diskussion auf den Vereins-Seiten von des Wikipedia-Betreibers Wikimedia: klick. Das bedeutet: Firmen sollen Geld geben, damit ihr Name und Logo auf der Homepage der deutschen Wikipedia-Seite erscheint. Ein erschreckendes Beispiel für die Vermarktung der letzten freien Enklave der Online-Welt? Oder eine Chance, um eine der umfangreichsten Wissendatenbanken der Welt für alle frei zugänglich zu erhalten und auszubauen? Nachdem vor zwei Jahren ein ähnlicher Versuch offenbar noch gescheitert ist, soll nun eine Agentur die professionelle Sponsorensuche übernehmen. Die Diskussion über den Vorstoß des deutschen Wikipedia-Vereins Wikimedia e.V. wird sicher spannend. An ihr wird sich entscheiden, wie zukunfts- und ausbaufähig das Online-Lexikon ist, wie weit sich der Laden entwickeln läßt.

Ich persönlich halte die Nummer für nachvollziehbar und richtig. Der Unterhalt der Wikipedia-Server kostet ein Heidengeld. Dazu kommt der momentane Riesenaufwand für den Ausbau der Bilddatenbanken. Je erfolgreicher Wikepedia ist, desto teurer wird der Traffic über die entsprechenden Seiten. Wir verstehen uns richtig. Es geht nicht darum, dass sich nun ein paar Leute von Wikimedia an Wikipedia bereichern wollen, oder das der gesamte Dienst kommerzialisiert wird. Es geht darum, dass der gemeinnützige Trägerverein Wege finden muss, wie er sich selber am Leben erhalten und die Rechnungen jeden Monat begleichen kann.

Der Gegenwert, den die Sponsoren bekommen, ist relativ klein. Sie sollen auf der Homepage der deutschen Wikipedia vorgestellt werden – mit Namen und Logo. Das ist aber schon wegen der Transparenz notwendig, denke ich. Deswegen wird keiner korrumpiert.

Ich glaube auch nicht, dass die Firmeneinträge der Sponsoren in Wikipedia danach werblich aufgehübscht werden. Da wird die Wikipedia-Community aufpassen. Dies kann auch nicht das Ziel der Sponsoren sein, da sie sich in diesem Fall dermaßen ins Aus manövrieren würden, dass es knallt. Den Streisand-Effekt will keiner haben.

In meinen Augen gibt es nur ein Problem. Es muss verhindert werden, dass sich irgendwelche Firmen weißwaschen mit dem Persil-Label von Wikipedia. Also, dass etwa Firmen, die in Datenschutzskandale verwickelt sind,  wie die Deutsche Bahn oder die Telekom, mit einem Mal Sponsoren werden, um der Online-Welt zu zeigen, wie nett sie sind. Das darf nicht sein.

Wie hart es abgehen kann, wenn der Hauch eines Makels entsteht, zeigt die Diskussion um die Vodafone-Kampagne, die über Adnation und die  angeschlossenen Blogger gelaufen ist. Zunächst fand ich persönlich die Vodafone-Kampagne weder schlimm noch anrüchig. Auch wenn Vodafone zu den Zensur-Providern gehört. Werbung ist Werbung, finde ich. Und wenn sie als solche gekennzeichnet ist, weiß jeder, was er davon zu halten hat. Da muss man in meinen Augen nicht päpstlicher als der Papst sein. Auch in der taz erschien schon Werbung von Vattenfall und E.on.

Allerdings wurden Grenzen überschritten, als sich mindestens eine Bloggerin nicht nur Werbung auf die Seite knallen lies, sondern dazu noch auf dem Werbeblog von Vodafone schwer verdauliches Produkt Placement betrieb. Zitat:

Seit drei Monaten habe ich ein neues Handy, das HTC Magic mit Internetanschluss. Tolles Ding, mit wenig Knöpfen dran, das ist äußerst praktisch. Mein altes Handy hatte viel zu viele Knöpfe. Zu viele Knöpfe sind nicht gut, da gibt es für mich zu viele Möglichkeiten, versehentlich an ein Knöpfchen zu kommen. Mit dem neuen Handy geht das alles zum Glück leichter, ich erwische immer das richtige Knöpfchen und ich kann die Fotos sogar direkt auf die Plattform Flickr ins Internet hochladen und in mein Blog stellen. So geht mir nichts mehr verloren und meine Handyrechnung beschert mir seitdem auch keine böse Überraschung mehr.

Verständlich, dass die Häme über die Dame hereinbrach. Sie zog sich mittlerweile aus dem Blogger-Leben zurück, angeblich weil sie den Vodafone-Eintrag nicht erklären konnte, da ihr Worte im Mund umgedreht wurden. Ich glaube, so einen peinlichen Werbeeintrag kann man gar nicht erklären. Da muss man keine Worte im Mund rumdrehen. Es bleibt immer peinlich.

Diese Debatte zeigt aber etwas für die Sponsorensuche auf Wikipedia. Schon einige Blogs können Werbediskussionen nur schwer aushalten , wenn der Ruch der Schleichwerbung und der ethischen Verfehlungen auftritt. Wikipedia könnte eine solche Debatte erst recht kaum ertragen.

Die Online-Enzyklopädie gilt als sauberer als weiß, wenn es um ethische Fragen geht. Deswegen wird es entscheidend sein, dass der Wikimedia e.V. bei der Auswahl der Sponsoren großen Wert auf ethische Fragen legt, unabhängig vom Geld. Es darf nicht der Eindruck entstehen, Einträge auf Wikipedia könnten gekauft oder aus werblichen Gründen beeinflusst sein. Diese Gefahr sehe ich aber nicht. Bereits jetzt geht Wikimedia sehr offen und transparent mit seinen Finanzen um. Spender werde ganz offen mit Summen genannt. Siehe hier: klick. Sollte ein Sponsor auftauchen, der nicht zu Wikipedia passt, bin ich sicher, wird er erstens auffliegen und zweitens nicht zugelassen.

Klar gibt es Puristen, die sowieso gegen Sponsoren für Wikipedia sind, aber ich denke, sie sind in der Minderheit. 

Wenn es gelingt, die Gradwanderung zu meistern, sehe ich kein Prob in der Sponsorensuche. Im Gegenteil, dann fände ich die angestrebte Lösung klug. Über transparente Unterstützung die Online-Wissensdatenbank zu finanzieren. Ist doch perfekt, oder? So ließe sich das vielleicht wichtigste Wissensprojekt im Netz dauerhaft unabhängig finanzieren und zudem noch weiter ausbauen.

Verlosung Jochen Distelmeyer

Mein 2 ¾ Jahre alter Sohn zeigt auf das Foto von Jochen Distelmeyer in der Zeit und sagt; „Großer Mann!“. Unbestreitbar ist er das. Mit seinen sieben Alben mit der Band Blumfeld hat er die deutsche Popmusik neu justiert. Am 25. September erscheint sein mit neuen Musikern eingespieltes Soloalbum „Heavy“.

Doch die Ruhrbarone sind nicht die Zeit. Sonst hätten wir das neue Album von Jochen Distelmeier bereits gehört. Und es launig besprochen. Daher dieser Stelle nur ein Zitat von den Kollegen aus Hamburg:

Die große Überraschung von Heavy aber ist zunächst, dass es darauf keine musikalische Überraschung gibt.

Oder wie Distelmeyer selber sagt, hat er den Titel Heavy gewählt, da es sich um schwere Musik und um schwere Themen dreht. Auch schön.

Im Juli berichteten wir bereits vom Gastspiel Jochen Distelmeyers mit neuer Band im Essener Grend. Zwar ließ das Management von Distelmeyer die beiden dazugehörigen kurzen Videoausschnitte vom Konzerte bei Youtube sperren. Heute setzen sie das umstrittene Downloadportal Rapidshare für eigene Guerilla-Marketing Zwecke ein und bieten hier ein Making-Of-Interview zum Download an.

Macht aber nix. Jetzt gibt es Devotionalien zum Geschenk. Folgendes machen wir dem größten Fan unter euch zum Geschenk.

  • 1 EP auf Vinyl "Lass uns Liebe sein"
  • 1 CD des Album "Heavy"
  • 1 Poster

Kriegt natürlich nicht jeder der mitmacht geschenkt, sondern nur der Gewinner. Und wie soll das gehen? Ihr schreibt in das Kommentarfeld, was gerade euch qualifiziert zu gewinnen. Aber machts euch nicht zu schwer. Wir wollen doch alle nur Spass haben…
Am Abend des 24. September schließen wir die Liste und küren den Gewinner. Schaut am Freitag vorbei bei den Ruhrbaronen und lest, ob ihr gewonnen habt.

BUND-Geschäftsführer will weiter Kraftwerks-Projeke stilllegen

Dirk Jansen ist der Geschäftsführer des BUND in NRW. Er hat eine klare Meinung zu neuen Kohlekraftwerken in Deutschland. Man sollte auf sie verzichten, sagt Jansen. Hier lesen wir im Interview mit den Ruhrbaronen, wieso er so denkt:

Ruhrbarone: Kam die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster gegen das Kohlekraftwerk Datteln für Sie so überraschend, wie für den Rest des Landes?

Dirk Jansen: Wir haben seit drei Jahren immer wieder in allen parallelen Verfahren auf die Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens in Datteln hingewiesen. Sei es im Bereich des Immissionsschutzrechtes, im Bereich des Naturschutzrechtes, im Bereich der Störfallverordnung oder im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Jetzt haben wir folgerichtig endlich auch mal vor einem Gericht Recht bekommen. Das freut uns.

Wird durch die Gerichtsentscheidung der Industriestandort NRW gefährdet?

Das ist absurd. Ohne das Kraftwerk geht das Abendland nicht unter. Das Gegenteil ist richtig. Wer jetzt noch Kohlekraftwerke baut, verhindert den Aufbau einer klimafreundlichen Industrie und damit zukunftsfähige Arbeitsplätze im Land. Das Wohl einer ganzen Region wird bedroht. Wir müssen die Blockade der Energiewende endlich auflösen und zu Erneuerbaren Energien sowie effizienten Techniken umschwenken. Das ist der Markt der Zukunft.

Bis die Erneuerbaren Energien Strom für Industrieproduktionen bereitstellen können, vergeht noch viel Zeit. Gleichzeitig sollen Atomreaktoren abgeschaltet werden und keine neuen Kohlekraftwerke entstehen. Gefährdet Sie nicht Industriearbeitsplätze?

Ein Kohlekraftwerk, das heute ans Netz geht, läuft 40 Jahre. Das ist unumkehrbar. Wir haben aber aus Klimaschutzgründen keine Zeit mehr, um den Temperaturanstieg wie international beschlossen auf zwei Grad zu begrenzen. Wir müssen jetzt umschwenken. Es darf kein neues Kohlekraftwerk mehr ans Netz gehen. Es gibt auch keine Stromlücke, wie die Energiekonzerne behaupten. Wir können die Altanlagen durch Energiespartechnologien ersetzen und durch erneuerbare Energieträger. Für die Übergangszeit können wir zudem hocheffiziente Gaskraftwerke nutzen, die elektrische Energie und Wärme erzeugen. Davon profitiert der Industriestandort NRW ebenso wie die Umwelt.

Wenn man weiter mit den alten ineffizienten Kohlekraftwerken Strom produziert, pustet man doch viel mehr Kohlendioxid in die Luft als mit den neuen Anlagen. Warum sollen die alten Mühlen weiter betrieben werden?

Die alten Mühlen besitzen unbefristete Betriebsgenehmigungen und werden nur ersetzt, wenn im Zuge der Fortentwicklung des Emissionshandelssystem endlich strikte CO2-Obergrenzen festgelegt und die Verschmutzungsrechte zu 100 Prozent von den Kraftwerksbetreibern erworben werden müssen. Erst dann steigt der Druck, alte und ineffiziente Kraftwerke abzuschalten. Bislang hat der Emissionshandel kläglich versagt. Wird das Kohlekraftwerksneubauprogramm wie geplant realisiert, steigen allein in NRW die Kohlendioxidemissionen um jährlich 40 Mio. Tonnen.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Strompreise bei so einer Politik durch die Decke geschossen werden?

Die ökologischen und gesellschaftlichen Folgekosten der Kohleverstromung und der Atomenergie sind wesentlich höher. Nehmen wir allein die Subventionen für diese Energieformen. Diese gehen in den dreistelligen Milliardenbereich.

Ein Industriebetrieb wie eine Aluminiumhütte kann sich aber jetzt schon höhere Strompreise kaum leisten. NorskHydro in Neuss musste schon wegen hoher Energiekosten dichtmachen. Anderen Unternehmen droht womöglich das gleiche Schicksal. Streben sie die Deindustrialisierung unseres Landes an?

Wer das meint, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. In NRW wurden über 20.000 Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien geschaffen und es können wesentlich mehr werden. Sei es beim Bau von Windkraftanlagen, oder im Bereich der Solar-, Biomasse- oder Erdwärmenutzung. Das ist unser Arbeitsmarkt der Zukunft. Anstatt an überholten Strukturen festzuhalten, sollten wir die Chancen der Energiewende nutzen. Wenn das nicht erkannt wird, werden wir alle dafür teuer zahlen.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Betriebsräte sauer auf Magna…Spiegel

Zensursula: Kinderporno Wahlkampf in Castrop…Ruhr Nachrichten

CIA: Die Seite für die Kleinen…Kueperpunk

Piraten: Aufstieg der Nerds…FAZ

Bundestagswahl: Alle wollen Guido…Stern

Ruhr2010: Der Funke springt nicht über…Morgenweb

Theater: Fassbinder-Inszenierung in Mülheim…Der Westen

Schwarz-Gelb: Pro und Contra…taz

Bundesliga: Koller fliegt beim VfL…Ruhr Nachrichten

Essen: Schüsse vor Schickidisse…Der Westen

Sicherheit: Auf Menschen setzen statt auf Technik…Welt

Uni: Lieber, lieber Herr Professor…Gelsenkirchen Blog

Frohes Fest!

Ich mag am Ramadan, dass die Menschen zusammen rücken. Man lädt Freunde zu sich nach Hause ein, um gemeinsam Fasten zu brechen. Ladenbesitzer und Geschäftsleute stellen Tische und Stühle auf die Straße, und spendieren den Nachbarn und Passanten eine Mahlzeit.

Wohltätige Organisationen schicken Freiwillige in den Berufsverkehr, und verteilen bei Sonnenuntergang in U-Bahnen, Zügen und roten Ampeln kleine Pakete aus Keksen, Datteln und Orangensaft an Berufstätige und Reisende, die es nicht rechtzeitig zum Fasten brechen nach Hause schaffen.

Allen Muslimen, die im Ruhrgebiet leben: ein Frohes Fest!

Kampf ums Deputat

Hasta La Deputat

Hier geht es um eine Tradition. Eine alte Tradition. Es geht um so genannte Deputate. Wie ich erfahren habe, will der RWE-Vorstand unter Konzernchef Jürgen Großmann diese nicht länger jedem Mitarbeiter des Stromriesen gewähren. Streit ist programmiert.

Hinter einem Deputat verbirgt sich eine Sonderleistung der alten Montangiganten im Ruhrpott. Jeder, der auf dem Pütt arbeitete, bekam einen Teil der Erzeugnisse aus seinem Betrieb geschenkt. Wer in einer Zeche malochte, dem wurden ein paar Tonnen Kohle vor die Tür gekippt. Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, wenn man durch die Siedlung gefahren ist, und vor fast jedem Haus lag ein Kohleberg. Die meisten haben die Kohle verscheuert. Ein paar in den Keller gescheppt. Naja, das war alles nicht ungewöhnlich: Wer im Grubenwald ackerte, der bekam Holz. Und wer schließlich in der Energiewirtschaft schaffte, der kriegte Strom – entweder umsonst oder zu einem günstigen Tarif. Ähnliche Regelungen gibt es heute noch bei der Bahn oder bei Fluglinien. Auch Brauereien und Schnapsbrenner geben ihren Leuten einen Freitrunk.

Allerdings änderte sich im Ruhrgebiet im Laufe der Zeit die Form des Deputates. Statt Kohle und Holz bekamen die Arbeiter häufig einmal im Jahr das so genannte Deputatgeld. Eine Art Geschenk aus dem Betrieb. Andere Unternehmen verzichteten ganz auf die Regeln.

Und auch beim RWE will man diesen Zopf nun abschneiden, wie ich erfuhr. Im Vorstand wird demnach diskutiert, neu eingestellten Arbeitern ab 1. Januar keine Deputatregelungen mehr in die Verträge zu schreiben. Zudem sollen die unterschiedlichen Vereinbarungen in den RWE-Töchtern vereinheitlicht werden. Nach Ansicht des Managements ein guter Gedanke, wären da nicht die Gewerkschaften.

Und die schreien auf, wenn es um die Deputate geht. Mir liegt ein Schreiben der Gewerkschaften Verdi und IGBCE vor, in dem diese ankündigen, „den Widerstand gegen die geplanten Einschnitte bei den Mitarbeitern“ zu unterstützen. Zur Not werde die Deputatregel, die bisher freiwillig war, in den Haustarifvertrag verankert.

Im RWE liegen nun Unterschriftenlisten aus, um gegen die Deputatkündigung zu protestieren.

Den Sommer genießen

Parteien und Bürger haben gemeinsam beschlossen, den Sommer zu genießen, denn alle wissen: Der Herbst und der Winter werden unangenehm.

Eiegntlich mag ich Wahlkampfzeiten. Ich lese, rede und schreibe gerne über Politik, sauge jede Umfrage auf und habe schon ganze Nächte damit verbracht mit Freunden die Lage und den Ausgang der kommenden Wahlen zu diskutieren.
Diesmal ist alles anders: Statt dem „Duell“ Merkel vs. Steinmeier habe ich am vergangenen Sonntag den Simpsons Film geschaut und es nicht bereut.

Die noch weit entfernte Silvesterfeier bei Klaus und Simone wir ausgiebiger besprochen als die Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Habe ich ein Parteiprogramm gelesen? Nein. Habe ich in der Fußgängerzone an einem Parteistand diskutiert? Nein. Interessieren mich die Blogs der Parteien und ihr superhipper Internetwahlkampf? Ich finde das eher alles ein wenig peinlich.

Wir alle, die Parteien wie die Wähler, wissen, dass der Wahlkampf nichts anderes als ein Sommertheater ist und wir wollen es auch nicht anders. Wir genießen die letzten warmen Tage, denn wir wissen, dass der Herbst bitter und der Winter hart werden wird: Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland ist laut der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr von 63,4 Milliarden Euro auf 74,8 Milliarden gestiegen. Im kommenden Jahr sollen es dann 80,4 Milliarden sein. Gleichzeitig wird die Wirtschaft in diesem Jahr um fünf Prozent schrumpfen. Im nächsten Jahr wird sie stagnieren, denn die Prognostizierten 1,5 Prozent Wachstum, die im Augenblick  optimistischste Schätzung sind, tun nur so als wären sie ein Aufschwung: 1,5 Prozent beträgt in Deutschland das systemische Wachstum. Es kommt beispielsweise daher, dass Produkte komplexer werden, ab und an Innovationen auf den Markt kommen wie Navigationsgeräte, Dieselrussfilter oder es einen kleinen Boom bei Smartphones gibt. Ein Aufschwung fängt erst oberhalb von 1,5 Prozent an.

Für den Staat heißt das, dass in den kommenden Jahren die Steuereinnahmen auf einem niedrigen Niveau bleiben werden. Erst 2013 soll die Wirtschaft wieder das Volumen des vergangenen Jahres haben. Und gleichzeitig werden die Kosten für den Erhalt des Sozialsystems steigen. Und die Zahl der Arbeitslosen in die Höhe gehen. Und schon in normalen Zeiten mussten Schulden gemacht werden und stieg das Volumen der Haushalte.

Das Geld um das alles zu bezahlen muss irgendwo herkommen und es wird nicht nur über immer mehr Schulden kommen können. Wir werden es bezahlen. Keck fragt die Wirtschaftswoche in ihrer aktuellen Ausgabe, wie meine Brieftasche wählen würde. Ich habe sie gefragt: Sie würde gerne für ein paar Jahre unsichtbar werden, damit keiner sie ausplündern kann. Denn egal welche Koalition wir bekommen, es wird teuer für uns: Die Mehrwertsteuer wird steigen, es wird eine Vermögensabgabe geben, vielleicht kommt  ein Krisensoli, Verbrauchssteuern auf Tabak und Energie werden steigen. Gesundheit und Klima sind so gute Gründe uns unser Geld wegzunehmen, dass jeder Politiker sie gerne nutzen wird.

Unterschiede wer regiert? Sie werden gering sein. Es fehlt so viel Geld, es gibt so große Probleme, dass die Politik in den nächsten Jahren  durch die klammen Haushalte bestimmt wird. Gestaltungsspielräume? Wird es kaum geben.
Und da wir das alle wissen, die Parteien und wir Wähler, wahren wir die Form: Die einen plakatieren alberne Sprüche, wir werden zu Wahl gehen.

OK, man hätte auch über alles, was da auf uns zukommt, diskutieren können. Man hätte über Konzepte streiten können. Aber niemand wollte das. Wir wollten alle nur den Sommer genießen. Und wir wissen warum.

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Die Party ist fast vorbei – der Solarbranche droht ein Absturz

Foto: Flickr.com / conergyus

Die Solarindustrie hat in Deutschland eine gute Zeit hinter sich. Dank üppiger Unterstützung aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) konnte sich eine neue Energiebranche schnell und erfolgreich entwickeln. Nun setzen Überkapazitäten setzen den Unternehmen zu. Statt die Produktion zu drosseln, hat in Deutschland ein Wettlauf um die Subventionen begonnen – mit vielleicht fatalen Folgen für die gesamte Branche.

In Lieberose, nahe der polnischen Grenze, tief in Brandenburg, schien für die Solarwirtschaft kürzlich ein großer Tag zu sein. Hier wurden 560 000 Solarmodule auf einem ehemaligen Übungsplatz der sowjetischen Armee installiert. Einer der größten Solarparks der Welt als Symbol für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns von der CDU waren da. Sie ließen ihre Finger über die glatten Oberflächen der Solarmodule streichen ließen und blauer Glanz schien auf ihre Gesichter zu strahlen.

Doch wenn man genau hinsieht, lernt man, dass dieser Glanz teuer erkauft wurde. Die sonnigen Zeiten für die Solarenergie neigen sich dem Ende zu. Mehr noch: Der Branche droht sogar ein jäher Absturz nach jahrelangem beispiellosen Booms.

Lange war die Solarenergie für alle Beteiligten ein glänzendes Geschäft. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert der Staat jedem Betreiber eines Solarkraftwerks einen Erlös von bis zu 43 Cent je Kilowattstunde, und das auf 20 Jahre. Die genaue Höhe der Vergütung hängt von der Art und Größe der Anlage ab, nicht etwa von ihrer Wirtschaftlichkeit. Für die Kalkulation genügt also ein simpler Taschenrechner.

Die Kosten trägt dabei vor allem die Allgemeinheit, denn die Förderung wird auf alle Verbraucher abgewälzt. Auch wenn die garantierten Vergütungen nach dem EEG ab 2010 durchschnittlich um neun Prozent im Jahr reduziert werden, kommen gewaltige Förderbeträge zusammen. Denn jeder Betreiber hat Anspruch auf Unterstützung, egal, wie effizient seine Anlage ist.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) hat berechnet, dass die 2009 installierten neuen Solarmodule den Verbraucher in den nächsten 20 Jahren gut zehn Milliarden Euro an Einspeisevergütung kosten werden. Damit nicht genug. Rechnet man die älteren Anlagen dazu, kommt das RWI auf zusätzliche Kosten von 30 Milliarden Euro. Die Fachzeitschrift "Photon" rechnet gar mit Kosten für den Solarstrom in Höhe von 77 Milliarden Euro oder mehr.

Die Betreiber des Solarkraftwerks Lieberose können dank einer Leistung von angekündigten 54 Millionen Kilowattstunden mit jährlichen Erlösen von bis zu 15 Millionen Euro aus dem EEG rechnen. Bei einer Investition von rund 160 Millionen Euro verspricht das satte Gewinne.

Um die eigentlichen Subventionen auszurechnen, müssen von diesen Summen allerdings die tatsächlichen Erzeugerpreise für normalen Strom abgezogen werden, entsprechend den Preisen an den Börsen. Hier ein entsprechendes Gutachten, wie das geht. klick. Doch auch nach dieser Rechnung sind die Subventionen für die Solarbranche immer noch hoch.

Laut Bundesnetzagentur produzierten die deutschen Solaranlagen 2007 rund 3000 Gigawattstunden Strom. Hier die Studie zum Thema: klick Dafür bekamen die Sonnenstromer aus dem EEG 1,6 Milliarden Euro überwiesen. Zieht man den Wert des Stroms von der Vergütungssumme ab, bleibt eine Subvention von rund 1,4 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Die Windbranche bekam in der gleichen Zeit 3,5 Milliarden Euro aus dem EEG. Dafür speisten die Windenergieerzeuger aber 13-mal mehr Energie in die Netze ein. Insgesamt trägt die Solarindustrie derzeit nur zu 0,7 Prozent zur Energieerzeugung Deutschlands bei.

Die Entwicklung scheint sich noch zu verschärfen. Da das EEG vorsieht, dass die Förderung für neue Anlagen 2010 um rund neun Prozent gesenkt wird, wollen viele Investoren noch in diesem Jahr so viele Anlagen wie möglich installieren, um von den hohen Beträgen zu profitieren. Deshalb werden schon seit Monaten hektisch große Solarparks angekündigt oder eröffnet – alle im Megawattbereich und auch in Gegenden, in denen eher selten die Sonne scheint.

Wegen der Wirtschaftskrise legen offenbar große Investmentgesellschaften ihr Kapital an, um an die sicheren Erträge aus dem EEG zu kommen. Philipp Spitz von der Fondsgesellschaft Murphy&Spitz drückt es so aus: "Es existiert ein gewisser Anlagedruck." Statistische Daten gibt es noch nicht, wie das Umweltministerium unter Sigmar Gabriel (SPD) mitteilt. Intern wird im Ministerium erst zum Ende des Jahres eine Untersuchung der Lage angekündigt. Bis dahin wird weiter ungebremst gebaut. Schon jetzt findet man unter den größten 50 Solarparks der Welt fast ausschließlich spanische und deutsche Anlagen. Beides Länder mit den höchsten Ausbauhilfen. Hier die Liste: klick

Unter Umständen hat die Bauwut fatalen Folgen für die Branche. Denn je mehr Anlagen von den Stromkunden subventioniert werden müssen, umso stärker steigen die Stromkosten aus dem EEG, die jeder Verbraucher schultern muss und umso gerät die Sonnenindustrie unter politischen Druck.

Denn während die Verbraucher mehr zahlen müssen, sinken seit Monaten die Preise für Solarmodule. Mittlerweile kostet ein Watt Sonnenstrom nur noch rund zwei Euro, vor einem Jahr lag der Preis bei drei Euro. Der Bau von Sonnenkraftwerken wird damit um bis zu 30 Prozent günstiger. Da laut Gesetz die Stromkunden weiter die hohen Vergütungen aus dem EEG bezahlen müssen, vergrößern sich so nur die Profite der Sonnenstromer.

Dagegen formiert sich Widerstand. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt vor den "nicht hinnehmbaren" Mehrkosten für die Bürger. Er fordert: "Das EEG muss geändert werden." Ähnliches verlangt Manfred Panitz vom Bundesverband der Energie-Abnehmer: "Die neue Bundesregierung muss die Subventionen für erneuerbare Energien unverzüglich senken."

Bundespolitiker diskutieren bereits ernsthaft über eine Revision des Gesetzes. Aus Reihen der SPD wird kolportiert, es werde über eine außerplanmäßige Kürzung der Solarentgelte aus dem EEG nach den Wahlen nachgedacht. Offiziell will sich allerdings niemand aus der Partei äußern, um Umweltminister Gabriel nicht mitten im Wahlkampf in den Rücken zu fallen. Auch der energiepolitische Sprecher der CDU, Joachim Pfeiffer, fordert Änderungen des EEG. Er sagt: "Wir wollen uns das Gesetz nach der Wahl anschauen und die Vergütungen gegebenenfalls anpassen." Gabriels Ministerium bestreitet allerdings, dass eine erneute Überprüfung des EEG geplant sei.

Setzen sich die Kritiker durch, wird das die Situation in der Branche verschärfen. Die Lage ist ohnehin schon prekär: Trotz des Booms gibt es erhebliche Überkapazitäten im Markt. Unternehmen wie Conergy, Solon oder Ersol haben reihenweise schlechte Bilanzzahlen präsentiert. Selbst der einstige Branchenprimus Q-Cells musste schon Mitarbeiter entlassen. Chinesische Anlagenbauer verdrängen immer effektiver die deutschen Vorreiter auf dem Weltmarkt – sie können billiger liefern. Die deutschen Anlagenbauer fordern bereits Schutzzölle.

Verschärft wurde die Lage noch durch den Zusammenbruch des spanischen Marktes. Dort hatte die Regierung den ungebremsten Ausbau der Solarkraftwerke gestoppt. Die Ausgaben nach einem dem EEG verwandten Fördergesetz wurden gedeckelt. In Spanien bekommt nicht mehr jeder Geld, stattdessen wird nur noch bis zu einer Höchstgrenze subventioniert. Nach dieser Änderung scheiterten reihenweise Projekte. Bereits verkaufte Module kamen zurück auf den deutschen Markt, sie werden nun zum großen Teil hier verbaut.

Sollten nun auch in Deutschland die Förderungen aus dem EEG gedrosselt oder gar wie in Spanien gedeckelt werden, bräche der Absatz ein, Pleiten wären unausweichlich. Die Solarblase würde platzen.

Die Industrie hat das Problem erkannt. Um den politischen Druck etwas zu reduzieren und zu verhindern, dass das gesamte EEG infrage gestellt wird, diskutieren Branchenvertreter intern darüber, in den kommenden Tagen selbst eine niedrigere Einspeisevergütung vorzuschlagen. Die Rede ist von einer Kürzung der Entgelte um bis zu 13 Prozent im kommenden Jahr statt der vorgesehenen Senkung um durchschnittlich neun Prozent. "Man könnte einfach die vorgesehenen Senkungen der nächsten Jahre zusammenziehen", sagt ein Spitzenmanager der Branche.

In Lieberose an der polnischen Grenze würde das Ganze allerdings nicht weiter auffallen. Die Anlage ist rechtzeitig fertig geworden. Sie genießt Bestandsschutz, und die Millionen fließen weiter – so wie im Gesetz versprochen.

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