Berlin oder Ruhr – Eine Serie für Kreative und die sich dafür halten – Teil II
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Kreativität und Mobilität sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wer Kreative locken oder halten will muss ihnen deswegen Orte bieten, zu denen man gut hin u n d wieder weg kommen kann. Denn Kreative wollen immer wieder geistig u n d körperlich unterwegs sein. Die virtuelle Welt reicht ihnen nicht aus. Sie sind sinnliche Wesen und lieben deswegen auch die physisch vermittelten Anregungen des Lebens. Würde man sie mit Schiffen vergleichen , dann wären sie speziell für die hohe See gemacht. Solch Schiffe brauchen Häfen, die am Meer liegen. Häfen die mehr bieten als Schutz und Verpflegung. Die mit der Welt verbunden sind und in denen zugleich die Welt zuhause ist. Ein großer Stadtsoziologe nannte das einmal auf das Festland übertragen eine „Karawanserei des Geistes“.
Ich würde es als gelebte Urbanität bezeichnen. Als Urbanität also, die sich nicht (nur) durch den gebauten Raum sondern durch die dort aktiven Menschen und ihre besondere Art und den besonderen Inhalt ihrer Kooperation und Interaktion definiert.
Im Jahrhundert des Klimawandels kann der Zugang zu diesen kreativen Orten nur der Bahnhof sein. Er ist das ökologische Tor der sogenannten „kreativen Stadt“ . Für eine oder einen KreativeN kann das nur ein ICE-Bahnhof sein. Einer von dem man nicht nur schnell zur nächsten ICE-Stadt sondern auch zum nächsten internationalen Flughafen kommt, denn der interkontinental Verkehr wird auch in weiterer Zukunft per Luft stattfinden (müssen).
Vergleichen wir diesbezüglich Berlin und Ruhr, oder sagen wir konkreter den Berliner mit dem Essener oder dem Dortmunder Hauptbahnhof, dann gibt es funktional wie ästhetisch nur einen und zugleich überragenden Sieger. Nimmt man dann die Taktzeiten der S-Bahnverbindungen zwischen den großen Bahnhöfen Berlins und des Ruhrgebiets hinzu, vergrößert sich der negative Mobilitätsabstand zu Hauptstadt noch einmal erheblich. Nehmen wir den Luftverkehr dazu, so wird, spätestens mit der Fertigstellung des neuen Großflughafens Schönefeld, Berlin auch bei den Interkontinentalverbindungen Düsseldorf überlegen sein. Eine für finanzstarke Kreative besonders wichtige tägliche direkte New York Linie gibt es allerdings schon seit ein paar Jahren von Tegel aus.
Für die weniger betuchten Kreativen, und das ist die große Mehrheit, gibt es – seit gut 10 Jahren auf der ganzen Welt beobachtbar – eine neue Form der Mobilität, die aus der Natur des Fahrzeuges heraus eine vorrangig innerstädtische ist: das Fahrradfahren. Es ist mittlerweile sogar stilprägend für die sogenannten LoFiBos (Low Finance Bohemiens). Nicht nur was den Typ und das Design des Vehikel selbst , sondern auch was die seiner häufigen Benutzung entsprechende Bekleidung betrifft. Und je mehr diese Form der urbanen Mobilität zum „Style“ wird, desto mehr wird sie auch von den Kreativen übernommen, die sich ein Auto selbst der höheren Klassen leisten können bzw. auf dessen Besitz und/oder Nutzung schon aus Statusgründen nicht verzichten wollen.
Die Fahrradfreundlichkeit eines Ortes ist damit für Kreative nicht mehr nur ein ökologisches sondern auch ein lebenskulturelles Thema geworden. Sie ermöglicht den Differenz- und damit auch Identitätsgewinn als Pionier einer neue urbanen Mobilität. Das ist in sich logisch, ist doch für Kreative Urbanität auch als materieller dichter und damit tendenziell autofreier Lebensraum ein verteidigungswertes Gut geworden. In gewisser Weise habe Kreative mit dem Fahrrad ein Vehikel gefunden das nicht nur zu ihrer Lebensart sondern auch zu dem von ihnen bevorzugten Lebensraum passt.
Und da holt das Ruhrgebiet mobiltätsmäßig wieder etwas auf. Aber (noch) nicht wirklich, denn schon in den rot-grünen Jahren Berlins, d.h. noch vor dem massiven Zuzug an jungen Kreativen, ist ein innerstädtisches Radwegeprogramm umgesetzt worden, dass sich sehen lassen kann. Hinzu kommen die überbreiten Bürgersteige, die auch da das Radfahren ermöglichen , wo es der dicht befahrende Straßenraum bzw. die fehlenden Radwege verbieten oder nur unter Lebensgefahr erlauben.
Für die Kreativen ist aber nicht nur das Rad sondern die leichte, flächendeckende und billige Kombination aus Pedal- und Schienen/Linienverkehr von großer Bedeutung. Erlaubt es ihnen doch auf das Auto aus finanziellen und/oder ökologischen Gründen zumindest als Besitz gänzlich zu verzichten. Zusammen mit niedrigen Mieten ergibt sich damit ein unschlagbarer materieller Vorteil vor allem für jüngere und/oder (noch) nicht erfolgreicher innovativer Menschen. Und genau diese Gruppe ist für die Zukunft von Ruhr besonders interessant. Es gibt also noch viel zu tun, was die Mobilitätserleichterung für diese Gruppe betrifft. Maßnahmen die im Endeffekt jedoch allen Bewohnern von Ruhr nützen würden.
Auch zu dem Thema:
Berlin oder Ruhr – Eine Serie für Kreative und die sich dafür halten – Teil I