Für Herbert Wehner war Dortmund einst die Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie. Ein Testfall für rot-rote Zusammenarbeit im Westen soll die größte Stadt des Ruhrgebiets allerdings nicht werden.
Die diversen Umfragen, die in Dortmund kursieren, haben dreierlei gemeinsam: OB Kandidat Ullrich Sierau liegt, wenn auch zum Teil nur knapp, vorne, die SPD bleibt stärkste Partei und für die Linken sieht es nicht gut aus.
Auch eine Machtperspektive, ein Ziel der Linke zumindest für die kommunale Ebene im Westen, will Sierau der des öfteren ihren Namen wechselnden Partei nicht zugestehen: "Mit den Linken wird es in Dortmund nach der Kommunalwahl keine Zusammenarbeit gegen," sagt Sierau im Gespräch mit den Ruhrbaronen. Erklärtes Ziel der SPD sei eine Fortführung der Zusammenarbeit mit den Grünen. Sollte es dafür keine Mehrheit im Rat geben, müsse die SPD auch mit den anderen Parteien im Rat reden. "Wir stehen vor schwierigen Herausforderungen und brauchen in Dortmund eine Zusammenarbeit von Parteien, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind." Die Linkspartei, sagt Sierau, mache jeden Tag ein neues Versprechen, von dem klar sei, dass es nicht zu halten sein wird. "Das ist keine Basis für eine Zusammenarbeit. Die Linkspartei in Dortmund kann ich poilitisch nicht ernst nehmen."
"JedeR hat so seinen Schuss" ist so eine Art aktuelle Variante von "JedeM/R das Seine/Ihre". Was gestern Ironie, Zynismus oder gar aktive Boshaftigkeit war, das schmückt heutzutage die Küchen und Schlafzimmer (von) der westlichen Welt (aus). Nun gut, nicht überall. Und manches tut ja auch nicht weh – es sei denn, man merkt noch etwas und/oder geht tatsächlich hin. Die Kombination CoolTour/Gelsenkirchen/Schloss macht z.B. einen herrlichen Mutantenstadl in dieser Woche. Essen setzt mehr auf so etwas wie "Joy Division Oven Gloves" im ehemaligen Knappengrab. Und Essen schickt auch noch Freunde passabler bis guter deutschsprachiger Texte zu Gitarrenrock in eine dieser Jugendfrüherziehungsgroßraumdiskos. Letzteres ist natürlich voll okay, harhar. Die Woche an der Ruhr:
"Neue Deutsche Welle" war ja tatsächlich das Synonym dafür, wie die Deutschen immer gern im Grunde gute und richtige Ansätze aus Großbritannien in ihre spät-post-faschistische Suppe reinrühren. Kokserparanoia hier, "freie Fahrt für freie Bürger" da. Genau, Extrabreit und Markus sind u.a. dabei. Aber auch Peter Hubert von UKW und der andere Hubert – und selbst Gary Numan hatte ja nur bei den frühen Human League und bei Bowie geklaut, wenn überhaupt selbst. Also ganz großes Katastrophentouristenkino im Schloss Berge. Soll niemand sagen, man hätte nicht gewarnt – hätte der Autor gewusst, dass ihm in der Bahn letztens 500 Boxfreunde zusteigen, wäre er z.B. ja auch nie (mit der Bahn) zur FZW-Rohbauparty gefahren. Soweit dazu.
"A design for life" macht immer gerne eine ganze Armee von Folkwangs Gnaden, es geht bei "Sichtwerk" um Industrie- und Kommunikationsdesign sowie Fotografie. Das sind Trendberufe? Ja! Und voll Pop! Denn umso rebellischer der Gestus der Studierenden, umso mehr ahnen sie, unter welchen Umständen und für welche Art Leute sie später welche hm dann doch eher unkreativen Aufträge ergattern müssen – oder man geht direkt zur Großindustrie und macht schlechte Werbung für Windkraftwerke oder so, natürlich. Ist ja alles gut für den Standort. Nun, Exponate zwischen "Empfehlungsschreiben" und "irgendwie Kunst" natürlich am von allen geschätzten, fluffig dahinvegetierenden Designstandort Zollverein.
Und dann Element Of Crime (Foto: Promo). Nicht der gute Film von Lars von Trier – aus dem natürlich auch dieses und jenes gezogen werden kann – sondern die gute Band. Plus Tomte, Kilians, Muff Potter, Gysbyrt zy Knyphysyn und Why?. Das ist im Rahmen der Tour des Labels Grand Hotel van Cleef und der Headliner ist natürlich Verstärkung – nach den Ansagen vor einiger Zeit wie es dem Label geht wünscht man dann doch eine erfolgreiche Tour, selbst für den Aufenthalt im Delta Musik Park. Leicht harmloser, "ehrlicher" Deutschrock ist ja nicht das Schlimmste, was man hierzulande so machen kann, nicht wahr?
Im Überblick: "Sommerfest Schloss Berge" (seit mehr als 50 Jahren schon! oh, fix nachrechnen) vom 10. bis 12. Juli. "Sichtwerk" ebenso.
Beim "Fest van Cleef" am Sonntag, 12. Juli, sind die Türen bereits ab 13 Uhr geöffnet.
Am 23. Februar 2003 schrieb ein Mann unter dem Namen Bodo Thiesen um 3:46 folgendes Posting in eine Newsgroup.
Es hören manche Leute nicht gern. Aber Hitler wollte keinen Krieg. Zumindest nicht mit dem Westen. (Ich glaube aber, generell nicht.)
Aufgrund inhaltlich ähnlicher, dokumentierter Äußerungen des Funktionärs der Piratenpartei mit Namen Bodo Thiesen vermute ich, es handelt sich um die selbe Person.
Im gleichen Pfad der Diskussion schrieb jemand unter dem Namen Bodo Thiesen:
Hitler hat Polen angegriffen. Aber erst nach einer Kriegserklärung seitens der Polen gegen Deutschland.
Weiter heißt es:
Oh, jetzt wurde also die Sowjetunion inzwischen auch überfallen. Seit wann eigentlich das? Das muß doch noch ziemlich neu sein.
Die Äußerungen sind lange her. Gibt es vom Funktionär der Piratenpartei Bodo Thiesen heute eine klare, unmißverständliche Distanzierung zu diesen Äußerungen?
Hier findet man die angesprochenen Beiträge aus dem Jahr 2003: klick(dann weiter auf die Beiträge von Bodo Thiesen klicken.)
Das Profil von Bodo Thiesen (oder Leuten, die unter diesem Namen auftreten) kann man unter folgendem Link ansehen: klack
Wir erklären hiermit in Übereinstimmung mit der Satzung der Piratenpartei Deutschland, dass wir faschistische Bestrebungen jeder Art entschieden ablehnen.
Weiterhin erklären wir, dass wir den Holocaust als historische Tatsache ansehen und deren Relativierung oder Verharmlosung nicht dulden werden.
Wir haben keinen Zweifel daran, dass im Zuge dieses historisch einzigartigen Verbrechens des nationalsozialistischen Deutschlands circa 6 Millionen Menschen umgebracht worden sind, die meisten von ihnen Juden.
Wir haben demütigen Respekt und tiefes Mitgefühl für die Opfer dieses Verbrechens und ihre Angehörigen.
Wir werden auch in Zukunft keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass dies eine gemeinsame Position der PIRATEN ist."
Sollte sich Bodo Thiesen nicht innerhalb von 24 Stunden von seinen Äußerungen distanzieren, will der Vorstand "entsprechenden Maßnahmen" ergreifen. Ich bin gespannt.
Der Tusch des Tages geht heute mal an die DPA, denn: die wissen alles. Und zwar vor allen anderen. Heute um 9.12 Uhr flatterte eine Agenturmeldung in die angeschlossenen Redaktionen. Nicht wirklich interessant, aber es ist schließlich Sommerpause im Fußball. "Ergebnisse und Tabelle des Concacaf-Gold Cup" in den USA. Gruppe A aus Columbus, Kanada und El Salvador trennen sich 0:0, Jamaika und Costa Rica trennen sich 1:1, zur Pause führte Jamaika. Doch seit kurz nach zehn gibt es auch eine Eilmeldung auf DPA …
Foto: Ruhrbarone beim Abnehmen des "Tusch des Tages" (flickr.com)
Gold Cup, Ergebnisse EIL, steht dort. Und es folgt eine dürre Erklärung an die Redaktionen, die Ergebnismeldung von 9:12 Uhr nicht zu verwenden, die Spiele fänden nämlich erst in der "Nacht zum Mittwoch" statt. Mistbau, aber was für einer! Sei es drum: Ich vertraue weiter der guten alten DPA. Habe auf die beiden Unentschieden beim Buchmacher gesetzt und halte Euch auf dem laufenden, wer wirklich Recht hatte – die Meldung von 9:12 oder die von 10:07. Könnt mir (und DPA) mal kräftig die Daumen drücken!
PS: Wetten kann süchtig machen, fangen Sie gar nicht erst damit an!
Die Geschichte hier ist kurz und reicht weit zurück. Es geht um eine geschönte Tabelle aus dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium, frisierte Daten und viel Geld gegen die Öffentlichkeit.
Wir müssen wirklich lange zurück. Seit fast drei Jahren berichte über einem Giftskandal an der Ruhr. Hier gelangen nach wie vor Perflourierte Tenside, PFT, in den wichtigsten Trinkwasserfluss der Region. PFT stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. Das Gift reichert sich im Körper des Menschen an. Bei zwei Kindern aus dem Sauerland wurden Werte von über 200.000 Nanogramm je Liter Blut gemessen. Das Gift war nach Ansicht von Wissenschaftlern sehr wahrscheinlich über das Ruhrtrinkwasser geschluckt worden. Aber auch über die Umwelt kommt das Gift in die Menschen. Bei einem Angler, der regelmäßig Fische aus der Möhne gegessen hat, wurde ein Wert von über 100.000 Nannogramm je Liter Blut gemessen. Seine Frau hatte noch 67.000 Nannogramm je Liter im Blut. Zum Vergleich: Im Trinkwasser gilt derzeit eine Konzentration von 100 Nanogramm als unbedenklich.
Im vergangenen Januar konnte ich berichteten, dass Umweltminister Eckhard Minister (CDU) in der Tabelle „komkas.pdf“ aktuelle Daten nicht berücksichtigt und in Klärwerken den Anstieg der PFT-Emissionen auf Null gesetzt hatte. Meine Recherchen zeigten außerdem, dass das Ministerium Zahlen offensichtlich frisiert hatte. So fielen die Anstiegs-Daten von Klärwerken, in denen sich die Situation verschlechtert hatte, unter den Tisch. Das Landgericht Berlin bestätigte später meine Ergebnisse. Es hieß: Uhlenberg habe die komkas.pdf "geschönt".
Der Kern meiner Berichterstattung war, dass täglich mehr als 200 Gramm PFT aus den Klärwerken in die Ruhr gelangen. Dies stellt keine Verbesserung der Situation dar – entgegen der Behauptung des Ministers, die Klärwerke würden dank seiner Mühen erheblich weniger PFT in die Ruhr ausscheiden.
Meine Recherchen stützten sich auf Messdaten der Bezirksregierung Arnsberg, die mit den Angaben des Ministeriums verglichen wurden.
Die Daten der Bezirksregierung musste ich mit einer Auskunftsklage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erstreiten. Ich hatte die Nase voll von den Vertröstungen und Heimlichtuereien.
Interessant ist nun zu sehen, wieviel Geld der Steuerzahler im Zuge des Verfahrens verschleudert wurde, um die Auskunft im letzten Augenblick zu verhindern – zum Glück erfolglos. Nach einem Bericht aus dem Umweltministerium bekam Professor Martin Beckmann von der Kanzlei Baumeister und Partner aus Münster 14.000 Euro für ein Gutachten, um Minister Uhlenberg dabei zu helfen, die Daten geheim zu halten. Hier der Bericht. klack
Ich sag es nochmal klar: Anstatt umgehend im PFT-Skandal für Transparenz zu sorgen, gab Minister Uhlenberg lieber 14.000 Euro aus, um Gründe zu finden, die Daten zum Gift in der Ruhr möglichst lange unter dem Tisch halten zu können.
Zum Glück konnte auch Professor Beckmann keine Gründe gegen die Offenlegung finden und die Daten mussten veröffentlicht werden.
Eine einfache, ehrliche Auskunft durch den Minister wäre umsonst gewesen.
Ich bin gerade in einem Flieger, einem Turbo-Prop und fliege über der Ostsee. Tief unter mir Schiffe, irgendwo die Küste, ein Windpark im Meer.
Vor 1000 Jahren saßen die Menschen in dieser Gegend noch in Lehmhütten. Die Frauen sind im Kindbett verreckt, und wenn einer 20 Jahre alt wurde, konnte er fast sicher sein, in irgendeinem Krieg zu fallen. Was haben die Leute damals gedacht?
Zeit meines Lebens gibt es Flugzeuge. Es gibt Strom und Autos. Es gibt Zentralheizungen, Solardächer, Handys, Schrimps am Spieß mit Currysauce. Das ist für mich normal.
Meine Oma hat noch mit einer Petroleumlampe im Haus gelebt. Das Licht war schön, sagt sie – nicht hell, aber schön. Es sind Ihre Bilder aus der Kindheit, lange vorbei. Wenn man jemanden sprechen wollte, musste man ihn besuchen. Keine Email keine SMS.
Und wenn das Schwein im Herbst zu dünn war, gab es im Winter kein Fleisch.
So war das damals. Als junge Frau hat meine Oma auf Hitler geflucht und wurde verhaftet.
Warum kann ich heute fliegen, auf einem Computer schreiben und über die Zeit nachdenken?
Waren die Leute früher doof? Zur Zeit meiner Oma, vor 1000 Jahren.
Nein – sie waren genau wie wir, hatten die gleichen Gedanken, die gleichen Gefühle.
Wir haben nur mehr Wissen gesammelt, angehäuft, aufgetürmt, verfügbar gemacht.
Jede Generation hat ihre wichtigsten Erfahrungen aufgeschrieben, über 3000 Jahre lang. Der Satz des Thales muss nicht immer neu erdacht werden. Wir kennen ihn. Heute lernt man das bisschen Mathematik für die mittlere Reife. Bei den Griechen war das Rocket-Science.
Wenn heute jemand ein Flugzeug baut, fragt er nicht zuerst nach dem Flug des Vogels. Das Vorgedachte wird auswendig gelernt. Um mehr Zeit für neues Denken zu haben.
Vor 1000 Jahren war das Wissen, Petroleum brennt besser als Sumpfholz neu – zumindest an der Ostsee. Vor 100 Jahren war das Wissen um den Drehstrom frisch. Heute denken die meisten Menschen die Energie der Zukunft kommt aus Mist, Gras, Wind und Sonne. Dies sei das Ziel der Entwicklung. Nein – das Lernen hört nie auf, niemals. Wer weiß schon, was wir in 100 Jahren wissen.
Wir wissen, weil wir Erkenntnisse festhalten. Weil wir auf das erprobte Wissen vertrauen. Irgendwann hinterfragen wir Wahrheiten nicht mehr, sondern akzeptieren sie. Benutzen das Wissen wie Bausteine, aus denen wir unsere Welt errichten. Das nennen wir Aufklärung.
Das Wissen wird dabei fester, je älter und erprobter es ist. Man kann sagen, das Haus des Wissens wird immer größer. Irgendwo auf der Welt macht sich gerade jemand Gedanken darüber, wie ein Mensch auf dem Mars leben kann. Irgendwo denkt jemand über Mikromotoren nach, mit denen man Arterien frei kratzen kann.
Das alles passiert gleichzeitig. Der Gewinn fester Erkenntnisse als Baustein unserer Zukunft findet statt. Das Haus wird immer größer.
Das Internet ist Teil dieser Aufklärung. Wir lernen noch, wie es funktioniert, welchen Nutzen es bringt. Wir wissen bis jetzt eigentlich nur, dass es ein Riesengebäude ist, in dem wir unser Wissen lagern. Oder besser gesagt, das Internet ist ein ganzes Viertel aus Wissenshäusern. Und es wächst.
Wir fliegen gerade über einen Meeresarm, es ist wohl der Belt. Das Land liegt unter uns flach und friedlich. Jeder Meter sieht bearbeitet aus. Felder, Wiesen, Hecken. Wir haben unser Wissen genutzt.
Ich muss an das Gesicht des toten Mädchens aus dem Iran denken. Neda heißt sie. Ich habe ihr beim Sterben auf youtube zugesehen. Das Internet und die elektronische Aufklärung haben uns den Iran und den Kampf dort um Freiheit nahe gebracht. Der Guardian schreibt, die Milizen im Iran hätten der Familie von Neda verboten zu trauern. Sie dürften keine Fahnen aufhängen, keinen Trost der Nachbarn entgegennehmen, nicht in der Öffentlichkeit weinen, selbst die Leiche hätten die Regimetreuen Kräfte nicht herausgegeben. Sie nehmen den Leidenden und den Toten die Würde, aus Angst vor der Freiheit. Niemand soll reden, niemand soll denken.
Es ist ein freundlicher Mittag in Deutschland und ich denke weiter an den Iran, wo jetzt die Nacht beginnt. Dort wollen sie das Internet kontrollieren, ein Ganzes Land aus dem Wissensviertel herausschneiden. Lieber sollen die Menschen abgeschnitten werden, als an der Freiheit des Wissens beteiligt zu werden.
Es ist die Angst vor der Aufklärung. Denn jeder Mensch der lernt, will seine Gedanken formulieren, will zum Besseren Streben, will die Bausteine des Wissens nutzen, um sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen.
Der Iran reißt mit dem Internet seine Verbindung zum Haus des Wissens ab. Damit zerstört das Regime die Hoffnung seiner Menschen auf ein besseres Leben. Diktatoren brauchen Dummheit. In drei Wochen endet die Trauerfrist für Neda. Dann werden die Menschen im Iran wieder aufstehen. Sie werden ihren Namen rufen.
Wir landen jetzt in Cuxhaven. Es geht weiter zu einem Testfeld für neue Windturbinen. Hier wird die Zukunft gebaut. Jeden Tag, den der Iran unter der Diktatur verharrt, verliert er Bausteine für seine Zukunft. Die Nacht wird Dunkel für die Menschen am persischen Golf. Die Jugend dort verliert ihre Zeit im Kampf um Freiheit.
Zeit, die sie nutzen könnte, um ihre eigene Zukunft zu errichten.
Erst Tauss jetzt Thiesen – Die Piraten haben ein paar Fehler zu viel in zu kurzer Zeit gemacht.
Der Jubel über den Eintritt von Tauss fand ich befremdlich, die Argumentation, er sei formal noch nicht verurteilt eine arg legalistische und nicht politische Argumentation, zumal er den Besitz und auch die Weitergabe von Kinderpornographie ja nicht leugnet, sondern sich nur anmaßt bei seinen „Ermittlungen“ weiter zu gehen als es der Polizei erlaubt ist. Ich hielt Tauss für einen Spinner, der sich heillos überschätzt hat – aber nicht unbedingt für einen Kinderschänder. Das Anhänger der Piraten hier in den Kommentaren Kinderpornographie lässig mit "KiPo" abkürzten fanden wir alle widerwärtig. (Und wir haben beschlossen solche Kommentare nicht mehr freizuschalten)
Ich hoffte bei Tauss er würde nicht aufgenommen und erklärte mir die Begeisterung über seinen Beitritt als ein Zeichen von Naivität und ging davon aus, dass Tauss ja wohl rausfliegt wenn er schuldig gesprochen wird.
Und jetzt Thiesen: Thiesen , ein Holocaust-Leugner und Geschichtsrevisionist, der sich mit seinen Argument auch in der NPD wohl fühlen würde, wurde gestern auf dem Parteitag der Piraten als Ersatzrichter gewählt – OK, sicher nicht das wichtigste Amt, aber dass so eine dubiose Gestalt nicht hochkant aus der Partei fliegt ist nicht zu rechtfertigen.
Hier ein paar Aussagen von Thiesen:
Nun, bis vor einigen Monaten glaubte ich auch, daß diejenigen, die "Auschwitz leugnen" einfach nur pupertäre spinner sind. Damals hatte ich aber auch noch nicht Germar Rudolf gelesen. Sorry, aber das Buch prägt einfach – zumindest wenn man objektiv ran geht. –Bodo Thiesen 19:50, 15. Jul 2004"
Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland *jede* legitimation, Polen anzugreifen."
Ich kann mich Chris von FIXMBR nur anschließen: „Wer will diese Partei noch ernsthaft wählen? Ich hoffe, niemand.“ Das Parteineugründungen Leute wie Thiesen anziehen wie Scheiße Fliegen ist nichts Neues: Auch bei Gründung der Grünen haben Rechtsradikale versucht, sich in der Partei zu etablieren, zum Teil waren, gerade auf Ebene der Ortsverbände, auch ziemliche Spinner unterwegs, aber sie wurden nicht auf Bundesebene in irgendwelche Ämter gewählt sonder flogen sofort hochkant raus. Dass die Piraten Thiesen gewählt haben, nachdem sie seine Meinung kannten, macht sie unwählbar.
Offensichtlich fehlt es den Piraten an einer gemeinsamen Wertebasis. Schade.
Landschaftpark Duisburg-Nord, Sonntag Nachmittag, der dritte und letzte Tag. Es ist recht heiß, die Menschen sind langsam, in einer Stunde beginnt das Konzertprogramm. Facharbeiter-Familien essen in ihren Reihenhäusern Erdbeer-Torteletten. Dieweil im stillgelegten Meidericher Hüttenwerk: Balearisch anmutender TripHop verdunstet leise aus den Boxen in die Sonne. Im Publikum dominieren Sommerkleider, Bermuda-Kombis und Fahrräder neben den blauweißen RWE- und WDR-Bannern. Biere, Säfte, Colas. Live-Kritik macht man, wenn eine Steckdose vorhanden ist und man gerne was zu tun hat zwischendurch. Denn Festival bedeutet hier an verschiedenen Orten kurz aufeinander folgende Konzerte. An der Knipse mit Stativ: Baronski Ralle. An der Kiste mit Akku: Baronski Jens. Am Notizbuch auf Heimspiel: Baronski Tom. Und weit und breit keine Jusos, die nicht tanzen können. Anyway – diese Traumzeit heißt Bewußtwerdung: Das heißt also Stress oder mal was auslassen. Erste Idee: Mal nebenan in der Jugendherberge und bei den Veranstaltern fragen, wieviel Prozent der Gäste eigentlich drei Tage lang in dieser Atmosphäre das ganze Programm mitmachen.
Nun, der Portier der Jugendherberge Duisburg-Meiderich (direkt auf dem Festivalgelände) erzählt, dass dort sowohl Teile der Crew sowie auf speziellen Wunsch der Stadtverwaltung wohl noch zwei Beamte auf den letzten Drücker untergekommen sind. Ansonsten sei ja auch "Tour de Ruhr" und eh schon länger ausgebucht. Die nächste Unterkunftsmöglichkeit sei mehr als 5 km entfernt, ein Motel in Oberhausen. Tim Isfort (Foto: Helmut Berns), künstlerischer Leiter von Traumzeit, erbittet noch drei, vier Jahre Zeit, bis an einen Zeltplatz oder ähnliches zu denken sei. Man bewege sich mit einem kleinen Künstlerdorf schon in diese Richtung, mehr scheint aber schwierig zu sein. Dies bestätigen die eher kunstgesonnenen Festivalmacher, einige wilde Camper waren übers weite Geläuf verteilt.
Das Problem wäre, so erzählt Stadtmarketing-Mann Uwe Gerste (CDU) uns, das mit den Klos und Duschen, die natürlich erstmal zu refinanzieren wären.
Schauen wir mal, ob die sterbende Eisenhüttenstadt im Ruhrdelta zum Jahr der Kulturhauptstadt 2010 geneigt ist, die Chance auf ein kleines Jugend-der-Welt-Dorf an Pfennigen scheitern zu lassen.
Tata. Tata. Tata.
Dann Musik und ein schöner Übergang (vom Schreiben weg): Christian Zehnder-Kraah arbeitet nämlich als Vokalist kaum mit Sprache, sondern hauptsächlich mit einer Art grammatik-freiem Bergvolk-Esperanto. Jodeln, Keuchen, asiatisch anmutender Singsang, begleitet von Kontrabass und Percussion. Das ist jazzy, teils durchaus "archaisch" (lt. Programmheft), irgendwie aber auch recht schweizerisch und vor allem hervorragend in Szene gesetzt.
Ist aber der vokalisierende Krähenmann ein Epigone Phil Mintons, des wahnwitzigen Shouters, welcher schon auf dem Moers-Festival verschiedentlich baren Fußes, aber mit Mac vom Fleck weg das Publikum becircte?
In der Meidericher Kraftzentrale fällt vor allem die hervorragende Licht- und Klang-Ästhetik auf: Kein Brei, Kein Geschrei. Minimal, auf den Punkt, im Dienste der Bühne und Musik.
Umsonst und Draußen derweil der No-Budget-Teil der Veranstaltung: Wochenendtouristen, von denen sich einige zur offenen Bühne hin trauen, wo auch unschwere Imbisse und bunte Getränke zu haben sind. Die Musiker dort werden es aber schwer haben, sich gegen die noch folgenden Künstler behaupten zu können, u.a. Oberlinger & Hahne. Und Kronos Quartet natürlich. Irgendwas is‘ ja immer: Die übliche blendende Brillianz. Die diesen Jungs keiner nachmacht. Wohlfeil, at it’s best!
Schön: Da wo wir Autoren, wieder mal zufällig und unabhängig voneinander, beim letzten Mal vor Ort bei Schlingensiefs "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" Zuschauer waren, wird diesmal Hildegard von Bingen durch den Neue Musik-Fleischwolf gedreht. Und das sehr virtuos halb-elektronisch, halb-akustisch von Dorothée Hahne und Dorothee Oberlinger (Foto: Traumzeit). Geloopte Flöten, leichter Jazz-Appeal und etwas, das mal Dekonstruktion genannt wurde.
Dann Pressekonferenz: Zufriedenheit der Veranstalter vor allem mit den ersten beiden Tagen, wen wundert’s, Duisburg Marketing lobt die Öffnung hin zu neuen Konzerthallen, etwas Pop und Party. Die Kritiken an den zeitlichen Überschneidungen im Programm werden ernst genommen, Tim Isfort bezeichnet E-Mails, die ob dessen von "Betrug" sprechen als "grotesk". Das Programm wolle mehr als Menü verstanden werden, mit Traumzeit als Ort in dem Verschiedenes passiert und das Publikum selbst auswählt. Dass noch mehr Festivalatmosphäre im Sinne eines permanenten Festivalwochenendes gewünscht ist und man ebenso permanent auch zusätzlich noch jugendlicher wird, das steht ebenfalls außer Frage.
Soweit, so trocken. Meiser notiert gähnend, Wasselowski trinkt Wasser gelangweilt, Kobler hört erstmal auf zu tippen, hat längst alles online gestellt, Herr über die Lage.
Wo liegt die Chance der neuen Traumzeit?
Wo liegt die Chance jenseits des legendären Moers-Festivals, abseits von völlig überschätzten Kinderferien-Angangs-Faßbrausen-Events wie Bochum Total, jenseits von aus Wurzeln der katholischen Gemeinde ins Giganomanische wie ein Papstbesuch gesteigerten Ex-Geheimtipps wie das Haldernfestival –
wie würde die Chance realisiert, die Traumzeit nach 15 Jahren Spielzeit zum respektablen, zum überregional bedeutenden Periodikum zu machen?
Fragen wir doch mal Valentin Allgayer, einen Querflötisten aus Sindelfingen im Süddeutschen, den wir seit Jahren aus Moers als zuverlässigen Nachtsession-Beisteuerer kennen.
Qualitativ und finanziell attraktiv wäre die Duisburger Traumzeit, er ist extra für die drei Tage von unten angereist, in Stuttgart kostete ein Reigen derartig hochwertiger Konzerte mehr als das dreifache mindestens.
Und nicht nur die Sets, es ist auch das Setting:
Stellen wir uns das ehemalige Meidericher Hüttenwerk vor als eine verlassene Liebe, die deswegen neu aufblüht (Fotos vom Tage: Ralf Wasselowski).
Begeben wir uns am Freitag abend in dessen Gießhalle, einer Open-Air-Bühne mit Deckel drauf, die in die alte Hütte reinragt.
Minuten vorher flaute die Frequenz der Notrufe infolge des härtesten Gewitterregens seit dem Krieg bei der Duisburger Rettungsleitstelle einigermaßen ab. Jetzt betritt Lampchop mit Kurt Wagner die Bühne, dann und wann zimmern Blitze von hinten Helligkeit in den dunkeln Raum des Auditoriums, indem sich Lampchops Mucke unten verspielt.
Ihr kennt Lambchop? I see, you know – das ist Kurt Wagners Stimme und Tennessee-Tackle, das ist der beginnende Herbst im September, und trotzdem klampft man auf dem Lande nach Aufbruch, weil die Ernte im Scheuer ist.
Die Ernte – im Gewitter eingebracht, das ist auch ein Sinnbild für die neue Traumzeit, die jenseits von ehedem Sonntagskleidungsträgern, die John Mc Laughlin und den Buena Vista Social Club hören wollten, sich heuer deutlich riskioreicher und interessanter darstellt.
Sie haben viele Bühnen, sie haben die große Kraftzentrale für die Abräumer, die Gießhalle für die Mitgehcombos, die Gebläsehalle für das eher Kammermusikalische eingerichtet.
Und eine Agora, in der Mitte von allem, wo die Mucke für die Zaungäste spielt. Und wo man fressen und saufen kann.
Mit dem Konzept kann man viel Publikum kletten – 12000 zahlende Gäste waren es heuer nach Angaben der Veranstalter.
Vieleicht müßte ich auch mal meinen alten Schulfreund Andre darüber befragen, wir haben in der Sexta gemeinsam unsere Fallerbahnen aufgebaut, auf der Traumzeit machte der Andre bei irgendeiner Auftragskomposition mit, er selbst komponiert auch für das ernsthafte Fach.
Und im Brotberuf geht er Möbel packen.
Soweit alles zu: "Keine Kompromisse."
Mit anderen Worten: Man kann die Traumzeit 2010 als eine der wenigen relevanten Veranstaltungen in der Kulturhauptstadt einschätzen.
Auf der Duisburger Traumzeit war die Welt zu sehen – Video: Manfred Ganswindt
Wir verwenden Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wir tun dies, um das Surferlebnis zu verbessern und um personalisierte Werbung anzuzeigen. Wenn Sie diesen Technologien zustimmen, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn Sie Ihre Zustimmung nicht erteilen oder zurückziehen, können bestimmte Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.