Bochum Total: 1Live macht schlapp

Bochum Total Nass hieß das Motto zum Start am Donnerstag. Der Jennifer Rostock-Gig auf der 1Live-Bühne musste sogar abgebrochen werden und auch danach lief zumindest auf dieser Stage nix. Alle anderen hatten Vollbetrieb, doof gelaufen für den so hippen Radiosender. Sogar auf der WAZ-Bühne konnten abgehangene Acts bewundert werden, während Madcon (sollten auf der 1Live-Bühne spiele) in den Ausguss gespült wurden. Gut so, nächstes Jahr hat man die ohnehin vergessen. Besser wurde es wettermäßig erst zwei Tage später. Und Sonntagabend verlor 1Live schon wieder das Duell mit einer anderen Bühne, denn die beste Band des Wochenendes spielte am Ring, Black Stone Cherry. Fotos vom Fest im Pott gibt es HIER!


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Microsoft: Zum kotzen…2.0

Krise: Steinbrück droht den Banken…FAZ

Krise II: Bofinger gegen Zwangskredite…Welt

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Medien: Wort zum Sonntag…Gelsenkirchen Blog

Medien II: Aust arbeitet für die WAZ…Meedia

 

Hagelterror im Ruhrpott

Das Unwetter am Nachmittag des 3. Juli brachte die härtesten Hageleinschläge seit Jahren ins Ruhrgebiet. Hier ein kurzer Film über die Lage an der Zeche Zollverein. Ein Blick auf den Parkplatz. Er verwandelt sich in sowas wie ein eisiger Gebirgsbach. Hab ich noch nie gesehen.

Genausowenig, wie das Video hier aus Schonnebeck vom gleichen Tag. Was da schwimmt, sind die Hagelkörner. Unglaublich. Das ist in Essen.

Danke an Thomas S.

Jusos können nicht tanzen

Trinken ist ein politischer Akt. Tanzen auch. Kann eine Großstadt wie Dortmund beides nicht bieten, verliert sie nicht nur den Titel „Westfalenmetropole“, das übernimmt dann Bielefeld, sondern bindet nicht länger Menschen, Ideen, Kreativpotenzial – und verliert damit mittelbar und mittelfristig richtig Kohle.

Warum mir das jetzt einfällt? Weil ich gerade in der Hitze mal kurz mit dem Rad raus war und über ein paar bemerkenswerte Plakate gestolpert bin. Dazu später. Erst was anderes.

Man muss Bochum Total nicht total toll finden. Ich hab mich gestern da mal durchschieben lassen und war immerhin von der vergleichsweise unaggressiven Partystimmung beeindruckt. Und von der Konsumfreude, die den Rewe am Engelbertbrunnen wohl zum heimlichen Gewinner dieser Tage gemacht hat. Das nur zum Thema Geld, das dank Gastronomie und Popkultur in der Stadt hängen bleibt. Trotzdem war ich heilfroh, später im klimatisierten Logo zu landen und folgendes zu erleben: klack

Während in Dortmund zur gleichen Zeit das bräsige kulinarische Stadtfest „Dortmund à la carte“ die Luft mit Reibekuchenschwaden schwängerte und den Beweis antrat, dass die vergleichbare Veranstaltung „Essen genießen“ und das Essener Publikum etwa zehn Jahre kulinarische Entwicklung voraus haben (gefühlter Anteil der unter 30-Jährigen: 4), tanzten, tranken und kauften sich also geschätzte 2,6 Teenillionen durch Bochum. Das tut dem Dortmunder Metropolenanspruch richtig weh.

Nun aber die Geschichte mit dem Rad vorhin: Da hängt doch im Kreuzviertel ein Juso-Plakat, auf dem ein Spurenermittler damit beschäftigt ist, zerschmettertes Vinyl von der Straße abzukratzen; im Vordergrund eine blutende Discokugel. Natürlich geht es um das „Discosterben in Dortmund“: Nachdem die rege Feierszene das Thier-Gelände verlassen musste, weil neue Einkaufszentren halt wichtiger sind, gibt es kein entsprechendes Angebot mehr in Nordrhein-Westfalens (noch) zweitgrößter Stadt. Die Jusos fordern also ein neues Discoviertel in Dortmund. Nun wissen wir ja alle, dass Jusos neben vielen anderen Dingen auch nicht tanzen können und ihre Forderung also recht durchsichtig ist. Doch auch trotz des plumpen Versuchs, ein so genanntes „Jugendthema“ zu besetzen, sollte Dortmunds oberster Wirtschaftsförderer Udo Mager gewarnt sein. Die Discoszene ist neben allem Spaß auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Leute in die Stadt zieht. Und Tänzer sind nicht unpolitischer als Netzbewohner.

Von Intelligenz und Kreativität war bis jetzt noch gar nicht die Rede. Nun aber: Wer Stilbewusstsein und britisch anmutende Pop-Attitüde in einem sehr urbanen Gastronomiekonzept paart, hat meine Stimme. Das „Balke“ an der Hohen Straße ist genau dieser Laden, von dessen Art es in Dortmund keine zwei weiteren gibt: klick

Offenbar ist der Standort ca. 280 Meter zu weit entfernt von den ausgetretenen Pfaden im Kreuzviertel, jedenfalls scheint’s denen gerade nicht gut zu gehen. Aber jammern die Betreiber, immerhin die Erfinder von Bosch Bobby und Eskort Klub? Nö. Sondern hängen Plakate, die dermaßen die Zunge in der Backe haben, dass man Preise dafür verleihen müsste. Im Fenster hängt übrigens ein Flyer: „Wir haben weder Millionen verspekuliert noch schlechte Autos gebaut. Trotzdem läuft kein Laden der Stadt schlechter. Deshalb, und vielleicht nur noch diesen Sommer: Das Balke, die Kneipe für Melancholiker und Trendsetter. Kommt vorbei, bevor es voll wird. Wir freuen uns auf Eure Gesellschaft.“

Wir wissen, was zu tun ist.

Peter Erik Hillenbach, Downtown Gomorrha

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Foto: Opel

Opel: China greift nach Opel…FAZ

Theater: Ciulli fordert 1-Prozent vom Bankenrettungsfonds…Der Westen

Logo: Die geilste Party des Jahres ist getanzt…Revier Magazin

Sampling: Kunst mit Handyvideos…Ruhr Digital

NRW: 1000 Schulen sollen saniert werden…Ruhr Nachrichten

SPD: Münte-Talk in Duisburg…Keine Experimente

Piraten: Parteitag in Hamburg…Süddeutsche

Dortmund: Keine Genehmigung für Strandbar…Ruhr Nachrichten

Moers: A Jazz Fest Thats Puts Jazz First…Jazz.com

Mülheim: Zank um  Zähler…Tagesspiegel

Dorsten: Neue Gesamtschule?…Walhus Blog

Unwetter: The Day After…Gelsenkirchen Blog

Auf die befreite Tour!

Die große Schleife ist für mich immer noch die Orangina im Dorfbistro. Sommeraugen, die sich langsam gewöhnen an den Schattenraum hinter der Markise. Der Fernseher klebt wie ein Spinnennetz an der Zimmerecke, bringt 20 Tage Sirenenhupe mit Schluckauf, Tourfunk. Gleich beginnt die 96. Tour de France – eine Hymne, trotz allem!

20 Tage steht die Piquenique-Nation jetzt am Straßenrand. Pferde nehmen es mit dem Pulk auf, bis sie am Ende ihrer Koppel bockig austreten. Flat-flat-flat-flat-flat Hubschrauber über dem Feld der 200 Fahrer, für die es drei Wochen lang keine Grenzen gibt. Kann kommen, was will: Der Mont Ventoux, die Atlantikküste im Gegenwind, 40 Kilometer Contre-La-Montre, Massensturz in La Grande Motte. Verschorfter Zellstoff an bronzenen Armen, wirbelgezackte Leguanrücken. Das Fernsehen – ganz nah hält es auf Rippenbögen, Hühnerbrüste, Wangenknochen, Stirnhöhlen, Sonnenbrände. Ausgezehrte Männer, die Pässe hinauf wanken, zu stehen scheinen, wenn sie eingeholt werden.

Zielgesten. Selbst mit 60 Kaemha werden Sieger und Platzierte aufgefangen, umspült vom Meer der Reporter, Betreuer, Fans. Nur kurzer Stillstand. Auf steifen Beinen zur Kontrolle, in den Tourbus. Ehrungen. Später fahren sie wie die  Touristen auf dem Rad ins Mannschaftshotel zu Nudelbergen und Massageöl. Drei Wochen D-Zug, Mastvieh, Knetmasse.   

Le Tour das ist Merckx, Thurau, Laurent Fignon, LeMond, Indurain. Le Tour ist Eurosport. Le Tour ist Hundert Jahre und mehr. Le Tour war nie unschuldig, ein Kräftemessen mit allen Mitteln, und trotzdem großer Sport, grundehrliche Schinderei – wer das nicht sieht, hat keine Augen im Kopf. Oder mal wieder den Krieg verloren!

Auch Deutschlands vierter Frankreichfeldzug, diesmal auf zwei Rädern und angeführt von einem privatisierten Staatsbetrieb, war eine Pleite. Aufgespielt haben sie sich, die Straßenrandreporter mit ihren neudeutschen Radhelden, als hätten sie auch diesen Sport erfunden. Radsport war das Aufputschmittel der korrupten "Kollegen", ihr Chefschwätzer sitzt im Gefängnis. Die Starfahrer von damals sind in Pension. Bis auf einen haben sie gestanden. Helden, die gerichtet wurden. Und am Ende der Dienstfahrt werden dieses Jahr nur noch dreißig Minuten Live im deutschen Fernsehen gezeigt. Tatsächlich haben die Sendeanstalten nichts begriffen, schon stehen sie vor dem nächsten Scherbenhaufen im olympischen Winter.

Ich habe mich nicht in ihnen getäuscht, nicht in Zabel, in Ullrich oder Armstrong. Welches Recht habe ich auf sauberen Sport? Als Zuschauer, keines. Welche Recht(e) hat das Fernsehen? Senderechte. Sie zahlen für zwanzig Tage Radterror, den Wahnsinn der Getriebenen, bekommen gewaltige Bilder, Dramen, Tempo, aber auch Liebe, Tradition und Kultur, das säuselnde Peloton vor Rapsfeldern. Und statt über die Kultur der Leistungsgesellschaft auf dem Rennrad, über die Tradition der Hilfsmittel zu berichten, haben das die "embedded broadcasting companies" den deutschen Zuschauern für Jahre lieber verschwiegen. So gemein waren sie mit den experimentellen Pedaleuren auf der Terrasse des Teamhotels. Jetzt endet dieser Feldzug endgültig mit 30 Minuten am Tag. Und im nächsten Jahr wird totgeschwiegen.

Das ist die Crux am Doping: Betrogen wird nur der Konkurrent. Aber wer ist schon zimperlich, bei 3.500 Kilometern, 21 Etappen, dem ewigen Auf und Ab. Gleich (16 Uhr) geht es los, ich freu mich – hier klicken und länger zusehen. 

Ruhr oder Berlin ? Eine Serie für Kreative und die sich dafür halten Teil1: Inspiration

Ich bin in der "Kultstadt" Wanne-Eickel mitten im tiefsten Ruhrgebiet geboren, bin dort zur Schule gegangen und habe in Dortmund studiert. Meinen ersten Job hatte ich an der Technischen Universität in West-Berlin  (damals noch „Frontstadt“) bekommen, ging aber danach wieder zurück ins Ruhrgebiet. Meinen engen persönlichen Kontakt zur Spreemetropole  habe ich jedoch weiter bewahrt. Seit fast  10 Jahren lebe ich sowohl in der Ruhr- als auch in der Hauptstadt und möchte auf beide nicht mehr verzichten, so lange ich noch mobil genug fürs regelmäßige Pendeln bin.

Ruhrgebiet bei Nacht: Schwerstintellektuelle lassen sich bei einem Dialog über Wittgenstein von Pils- und Weizenbier inspirieren.

Mag sein dass mir niemand glaubt. Aber Ruhr kann inspirierender  sein als  Berlin. Ich z.B. brauche dafür Abwechslung und Ungewohntes, neue Gesichter wie neue Gegenden.  Im direkten sinnlichen Austausch.  Sie bringen mir neue Gedanken und Ideen.  Es nützt mir nichts regelmäßig da zu sein, wo angeblich was los ist. Weder in Berlin noch in Ruhr. „Was los“- Orte gibt es in Berlin sehr viel mehr als in Ruhr. Ganze  Stadtbezirke haben sich zu dem gemausert, was man heute Szeneviertel nennt. Nach Prenzlauer Berg („Prenzelberg“), Kreuzberg und Friedrichshain ist jetzt wahrscheinlich der Wedding dran. Zumindest sind erste Anzeichen dafür vorhanden.

 Der dazugehörige Szenetourismus ist gewaltig. Immer noch mehr  schlacksige  dünne Männchen mit großen Brillen und auf wild geföhnten und gelegten Haaren mit  darauf drapierten  kleinen Hütchen. Immer noch mehr  weißhäutig Mädchen mit  ebenso  großen Brillen, dafür aber umso kleineren Hund(ch)en,  deren Frau(ch)en ihren nichtssagenden  Gesichter mit  Amy-Winehouse –Frisurvariationen  Authentizität verleihen.  Das ist im ersten Moment ganz spannend, wird  aber sehr schnell langweilig. Da siehst du in jeder S-Bahn im Ruhrgebiet  zwar nicht so gestylte, dafür aber wesentliche interessantere Menschen.  Ihre Unterhaltungen,  vertont in babylonischer Sprachverwirrrung, drehen sich nur sehr selten um die Szenenstandards  Kunst, Kultur und neue Medien, dafür jedoch umso mehr um das, was man das reale Leben nennt.

Bei den „Skinny People“  (nicht nur) in Berlin geht es  dagegen in der Hauptsache um verbale Selbstinszenierung. Ihre  Internationalität demonstrieren sie dabei  mit (schlechtem) Englisch und dieses  möglichst in der amerikanischen Fassung, denn dann könnten die Zuhörer meinen, dass man/frau aus New York wäre.  Es gibt nämlich mehr New Yorker in  Berlin als in sonst einer deutschen Stadt. Ihre Zahl ist allerdings lächerlich klein gegenüber der Menge von Leuten, die so tun als ob und deren krampfhafte Intonation  sie in jeder Sekunde dafür Lügen straft. Dann lieber Kanak-Deutsch  vermischt mit Ruhrslang.

So halte ich mich in Berlin sehr wenig in den sogenannten Vierteln der „Kreativen“ auf. Nicht nur das man die Miete für ein Loft oder auch nur ein kleineres Apartment dort nicht mehr bezahlen kann.  Es ist die besondere Art von Menschen die mich (und nicht nur mich) dort zunehmend nervt. Ihre  ständigen Versuche  anders zu sein als alle anderen, ihre angestrengten Bemühungen immer cool zu wirken, haben etwas tief Vergebliches und damit äußerst  Lächerliches an sich. Als „boringly different”  werden sie  in  New York selbst bezeichnet.  „From being cool to being a fool it´s only a little step”. Stimmt!

Ich suche in Berlin sowie in Ruhr  deswegen ganz bewusst die weniger „szenigen“  Orte auf um mich inspirieren zu lassen. Und dazu benutze ich das urbanste aller Fahrzeuge: das Fahrrad. Der 3D-Film den ich dann jedoch jeweils zu sehen bekomme, könnte unterschiedlicher nicht sein. In Berlin die fast immer währende Dichte und Höhe der kompakten großen Stadt, in Ruhr das nicht enden wollende Straßendorf mit Einsprengsel von etwas, dass man landläufig City nennt. Ja, und Stadtteilzentren gibt es auch. Hunderte. Viel mehr als in Berlin. Dafür aber kleiner und umso weniger frequentiert. Abends und nachts häufig komplett tot. Solche Gegenden gibt’s natürlich auch in Berlin. Mehr als die meisten denken. Aber der größte Teil des innerstädtischen Bereichs ist auf Grund eben dieser baulichen Hochstapelung  und der Zuwanderung vieler junger Leute auch nach 20 Uhr flächendeckend belebt.

Das vermisse ich manchmal in Ruhr. Dieses räumlich breit gestreute und durchaus juvenile urbane Leben. Da muss ich dann doch regelmäßig ins Bermudadreieck nach Bochum um mir in der Ruhrstadt genügend Kompensation für die sonstige Leere  zu holen. Wobei Leere nicht das wirklich trifft, was diesen zweifellos überwiegenden, wenn nicht dominanten Teil dieser ehemaligen Industrieagglomeration ausmacht.  Es gibt sehr wohl Fülle in dieser Leere. Man muss sie nur entdecken wollen. Sie ist nicht offensichtlich, liegt nicht auf der Straße. Sie hat etwas Melancholisches, Verlorenes. Eine Urbanität die  hinter den Kulissen stattfindet.
 Sie hat, was die kreativen Menschen  die (auch) dort leben, betrifft, etwas Dissidentenhaftes.

Ihre Protagonisten verweigern sich nämlich den dröhnenden Treffpunkten der Selbst- und Fremdinszenierung. Des ständigen Sehen und Gesehen-Werdens. Zum einen weil sie es nicht nötig haben, weil ihre Selbstvermarktung  auch ohne das gelingt. Zum anderen weil es die Inspiration des verschworenen kleinen aber feinen Kreises gibt, der vertrauten Gruppe, die sich in der urbanen Diaspora in eben ihrer Distanz zur „Szene“ heimisch fühlt.  Die nur ab und zu die Impulse großer Gruppen und einer Menge fremder Gesichter braucht. 

 Besucht man diese Leute, sofern man von ihnen überhaupt weiß, ja sie sogar kennt,  in der urbanen „Wüste“ der Ruhrstadt, so springt einem im selben Moment der Begriff der „Oase“ an. Ein gerade in seiner Abgelegenheit inspirierender Ort, der allerdings auch von seinen ständigen Besuchern lebt.  Diese wiederum müssen in der Ruhrstadt – im Gegensatz zu Berlin – jedoch, wie die urbanen Wüstenkamele, bereit sein, längere Durststrecken der augenscheinlichen Leere zu überstehen.

Aber wie die Leere  der Wüste eben selbst eine eigene sehr wohl inspirierende  ästhetische Qualität hat,  so hat diese auch das nicht endende Straßendorf namens Ruhr, die sogenannte größte Kleinstadt der Welt. Denn sie enthält  im Gegensatz zu provinziellen Ordnung üblicher ländlicher Kleinorte so viele Brüche,  Verschachtelungen und Fragmentierungen, dass auch der Weg zu den Oasen selten langweilig wird. Zumindest am Tag und in den frühen Abendstunden.  Wer Gespräche führen will, kann das während dessen alle Nase lang tun. Er muss sich nur hinsetzen. Pause machen. Oder von sich aus Jemanden ansprechen. Selbst die schlichte Frage nach dem Weg kann hier ohne Weiteres zu einem überraschend langen Gespräch werden, dem sich in kürzester Zeit weitere (auf den Fremden) Neugierige  anschließen.

Wer hoch interessante bisweilen sogar ausgesprochen schöne Gebäude bzw. Gebäudekomplexe sehen möchte kommt ebenfalls auf seine  Kosten, sofern er die sonstige Banalität der Zwischenstadt nicht als Augenbeleidigung sondern  als  Ausdruck von Normalität auffasst. Auch Berlin ist in seiner Peripherie voll davon und nicht nur da. Wie alle Vorstädte dieser Welt. Die alte europäische Stadt, für die gerade aktuell wieder so viele der „Kreativen“ Schwärmen, macht nun mal auch in Europa nur noch einen Anteil von unter einem Prozent der städtischen Flächen  aus. Das kann man bedauern und/oder sich in ihren letzten vorhandenen Enklaven ein mehr oder weniger teures Plätzchen sichern. Oder man kann sich dem stellen und auf Entdeckungsreise gehen. Im Emschertal  zum Beispiel.

Gäbe es allerdings das B3E nicht, dann würde ich mich in Ruhr als Urbanaut , der ich nun einmal bin, nicht mehr so oft aufhalten. Dann wäre für mich Berlin eindeutig die erste Wahl in Deutschland.  Egal wie viele tolle Museen, Theater, Konzerthäuser usw. usw. es in Ruhr gibt und noch geben wird. Egal wie viele kreative Oasen und Dissidenten sich im Ruhrstadtdschungel verstecken. Egal ob sich das ganze zu einer Stadt mit einer Verwaltung zusammenfindet oder weiter im Klein-Klein der Stadtfürstentümer verharrt.

Ich brauche auch die Impulse durch die dichte Menge der Unterschiede. Ich brauche auch das Schaulaufen der Vielen, die Selbstinszenierung der anderen, und sei es nur als Zuschauer.  Ich brauche klassische sinnlich-interaktive Urbanität durch Menschendichte.  Und da  ist das sogenannte   B3E im Ruhrgebiet (immer noch) nicht zu toppen. Und auch an diesem Ort –an dem es natürlich auch ein paar „Skinnys“ gibt – ist der Unterschied zu Berlin sichtbar. Nicht nur, dass es diese  wenn auch nur städtisch punktuelle Dichte an so vielen Restaurants, Kneipen, Kinos usw. auf engstem Raum selbst in Berlin (noch) nicht gibt.

Hier begegnen sich in der Regel  andere Leute. Sie sind bodenständiger und ihre Unterschiedlichkeit und Vielfalt  ist real größer als in den meisten Szenevierteln Berlins. Dort  werden sie in der Mehrzahl sowohl vom Outfit als auch vom Szene-Sprech  von der mittlerweile weltweit  recht einheitlichen Style- und Face-Book-Generation bestimmt. Und natürlich von ein paar echten und erfolgreichen „Kreativen“ die ihren Epigonen als umschwärmte Vorbilder  gelten. Vielfältigkeit aus dem Worldwide Copyshop mit anschließender (Selbst-)Bildbearbeitung zwecks individueller Note.   Nicht wirklich inspirierend eben.

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Ruhrgebiet, Nahverkehr und Regen

Ich liebe das Ruhrgebiet. Hier ist immer was los. Am Freitagabend muss ich mich zwischen einer Oper in Essen, einem Festival in Bochum und einem Filmmusikkonzert in Dortmund entscheiden. Die Freunde überreden mich, das Jubiläumskonzert des Studentenorchesters in Dortmund zu besuchen.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Es dauert nur eine halbe Stunde, von Essen zur Dortmunder Uni mit der S-Bahn zu fahren. Als ich am Bahnhof die Treppe zum Gleis hochlaufe, merke ich: Etwas stimmt nicht. Auf der Anzeige steht nicht wie erwartet „S1“, sondern „S3“. Alle Leute steigen aus der Bahn aus. Der Zug fährt nicht weiter. Wegen des Unwetters gab es einen Stromausfall, die Strecke ist gesperrt, erfahre ich vom Zugbegleiter. Wann fährt die S-Bahn nach Dortmund? „Im ganzen Ruhrgebiet kommt es zu Verspätungen“, klärt die Durchsage auf.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Ich sehe, wie eine Regionalbahn nach Minden, die über Dortmund Hauptbahnhof fährt, auf dem Nachbargleis eintrifft. Ich laufe schnell hin und erwische den Zug. Ich freue mich aufs Konzert. Ich muss jetzt nur noch einmal am Hauptbahnhof umsteigen; dann bin ich am Ziel. Doch irgendwas stimmt ncht. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich, dass keine Züge in Gegenrichtung fahren. Sie stehen still auf den Gleisen. Was wird, wenn jetzt die S1 Richtung Universität gar nicht fährt?

Ich liebe das Ruhrgebiet. Am Dortmunder Hauptbahnhof riecht es nach Waffel und Vanille. Ich sehe auf der Anzeigetafel, dass die S1 pünktlich ankommen wird. Auf dem Gleis warten schon viele Leute. Die S1 fährt pünktlich ein. Auf der Anzeige erscheint aber die Aufschrift: „10 Minuten Verspätung“. Die S1 verwandelt sich plötzlich laut der Aufschrift auf dem Zug in S2. Die Anzeige: „Nicht einsteigen“, dann „15 Minuten Verspätung“, dann wieder „Nicht einsteigen“. Die Uhr steht. Sie zeigt schon 5 Minuten lang die Abfahrtzeit des Zuges – 20 Uhr 34 Minuten. Die S-Bahn steht. Die Menschen auf dem Gleis stehen. Steht die Zeit still?

Ich liebe das Ruhrgebiet. Trotz der Zugverspätung sehen die Menschen nicht böse aus. Sie unterhalten sich. Ich gehe durch den Gleis und fühle mich wie in Babylon. Ich höre Deutsch, Französisch, Türkisch, Russisch und noch einige mir unbekannte Sprachen. Nur zwei Frauen mit riesigen Koffern sind besorgt. Sie müssen zum Düsseldorfer Flughafen, höre ich.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Die Waffel am Dortmunder Hauptbahnhof schmeckt lecker. Die Besitzer des Kaffeeautomats auf dem Gleis haben in den letzten 20 Minuten den Umsatz einer Woche gemacht. Die Anzeige spinnt weiter. „Nicht einsteigen“ – „30 Minuten Verspätung“ – „Nicht einsteigen“ – „25 Minuten Verspätung“. Die Frauenstimme kündigt regelmäßig an: „Aufgrund vom Unwetter kommt es zu Verspätungen und Zugausfällen. Wie werden sie weiter informieren“. Die Nachbarn auf dem Gleis sprechen mich an, sie fragen, wohin ich hin will und beschweren sich über das Chaos. Ich erinnere mich an die „wetterbedingten Seminarausfälle“ an der Uni im Winter. Ich erzähle meinen neuen Bekannten, dass Zugausfälle wegen Schnee oder Regen in Russland unvorstellbar wären.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Auf dem Gleis gegenüber warten die Menschen tolerant auf die S2. Die kommt auch nicht bzw. der Zug steht, aber man darf nicht einsteigen. Dann lautet die Durchsage: „Die S2 fällt aus“. Die Damen mit den Koffern sind inzwischen verschwunden. Ich rechne im Kopf nach, wieviel ein Taxi von Dortmund zum Düsseldorfer Flughafen kosten könnte.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Ganz unerwartet kommt die erfreuliche Ansage: „Die S1 steht für Sie bereit“. Die Menschen auf dem Gleis steigen erst mal nicht ein, sie schauen sich gegenseitig an, sie glauben ihrem Glück nicht. Dann stürmen sie in den Zug; jeder will jeden vor Freude umarmen.

Ich liebe das Ruhrgebiet. Ich komme nur eine Stunde später als geplant an und erwische die zweite Hälfte des Konzerts. Ein ganz normaler Freitagabend wurde zum Abenteuer. Und das Wichtigste: Man kommt trotz allem an. Im Ruhrgebiet.

Fünf neue Süchte für Sabine Bätzing

Als ich jung war, war alles ganz einfach: Süchtige waren schlank, hatten Nadeln im Arm und gingen auf David Bowie Konzerte. Spätestens seitdem Sabine Bätzing Drogenbeauftrage der Bundesregierung ist, ist das vorbei.

Sabine Bätzing (Mitte, ohne Hut) kann auch Spaß haben. Ausriss: Seelsorgeeinheit Rheinbrohl

Denn Bätzing hat sich der Suchtproduktion verschrieben: Haschh, Heroin und Hagebuttenlikör reichen ihr nicht mehr. Sie will neue Süchte denn mit jeder Sucht steigt die Bedeutung ihres Amtes und ein wenig natürlich auch ihre eigene Bedeutung. Und: Neue Süchte sind immer ein guter Grund um etwas zu verbieten. Zum Beispiel Online-Spiele für Jugendliche. Aber es muß weiter gehen. Ich habe mir mal fünf Süchte angeschaut, um die sich Bätzing unbedingt kümmern muß, wenn das Abendland gerettet werden soll.

1.  Lesesucht – Hilflose Menschen glauben sie wären Intellektuelle, werden aber von einer skrupellosen Verlagsmafia auf subtile Weise dazu gezwungen, immer neue Bücher zu kaufen.

2. Parteisucht: Irgendwann mal sind die Opfer dieser Sucht ganz naiv in eine Partei eingetreten. Nun, Jahrzehnte später, hat die mit ihren ursprünglichen Zielen nix mehr zu tun aber mit Streuselkuchen, Bratwurst und Bier und sogenannten „gemütlichen Beisammensein“ werden die Mitglieder immer wieder auf neue daran gehindert, sich endlich loszureissen.

3. Kindersucht: Es fängt mit einem an und das ist ja noch ganz niedlich. Dann kommt ein zweites, ein drittes und so geht es immer weiter. Um die Kindersucht finanzieren zu können schleichen sich manche der Kidjunks in Ministerien ein.

4. Redesucht: Trotz aller Mühe: Die Betroffenen sind nicht in der Lage auch nur an einem Mikrofon vorbei zu gehen. Was gefragt wird interessiert sie nicht. Sie erzählen einfach was ihnen in den Sinn kommt.

5. Arbeitssucht: Es ist mit der Arbeit wie mit vielen anderen Drogen:  Den Kick bekommt man längst nicht mehr, es geht nur noch darum die Schmerzen des Entzugs zu lindern: Jeden Tag schleppen sich Millionen Deutsche gegen ihren Willen in Büros und Fabriken. Ein Leben ohne Job? Undenkbar!