„Die Sicherheitsbehörden haben versagt!“

Foto: Frederik Görges

Rechtsradikale Banden haben die Worte von den sozialen Unruhen wohl ernst genomen. Jedenfalls stürmte ein Trupp von über 200 Nazis heute den Maiumzug der Gewerkschaften in Dortmund.

Es ging heute morgen gegen 9:00 Uhr los, sagte die Polizei den Ruhrbaronen. Gut 40 Neonazis hätten sich in der Dortmunder Innenstadt versammelt. Innerhalb von nur einer Stunde wuchs die Gruppe nach Informationen der Polizei auf 300 Personen an. Die Nazis sagten der Polizei, sie wollten vom Hauptbahnhof aus zu einer Demo nach Siegen fahren. Es gab keine große Bewachung. Das war naiv: Im Internet hatten Nazigruppen zu „kreativen Aktionen“ und dem Besuch „anderer Demos“ aufgerufen, nachdem ein geplanter Aufmarsch von Autonomen Nationalen in Hannover verboten worden war.

Und so kam es, dass die Nazis nicht nach Siegen fuhren, sondernvom Bahnhof weg stürmten und  marodierend in die Dortmunder Innenstadt zogen. Die Polizei Dortmund rief  Polizeikräfte aus anderen Ruhrgebietsstädten zu Hilfe – unter anderem waren Beamte aus Recklinghausen und Bochum vor Ort – aber die kamen zu spät, um den Angriff verhindern zu können.   Ab 11 Uhr griffen die Nazis dann an.

Norbert W. vom Dortmunder Bündnis gegen Rechts erlebte den Nazisturm aus der  Nähe: „Man hat sie vorher schon gehört. Sie kamen aus der U-Bahn-Haltestelle Stadtgarten, sammelten sich in der Nähe der DGB-Demonstration und griffen dann an.“ W. hörte auch Explosionen wie von Knallkörpern oder Schreckschusspistolen. „Dann ging alles sehr schnell. Die Polizei konnte sie nicht aufhalten und sie prügelten auf die Menschen ein.“

Vermummte Schläger warfen Knallkörper und Steine auf Passanten. Der Maizug der Gewerkschaften wurde angegriffen. Es kam zu Schlägereien. Die Nazis haben mit Lehmklumpen geworfen in denen Glassplitter steckten. SPD-Unterbezirkschef Franz-Josef Drabig hat einen verletzten Kurden eigenhändig versorgt. Es gab weitere Verletzte. Die Dortmunder Polizei bestätigte,  dass mehrere Beamte verletzt sind und  es erhebliche Sachschäden an  Polizeifahrzeugen gab. Das es auf Seiten der Deomonstranten Verletzte gab wusste Polizeisprecher Peter Schulz Stunden noch immer nicht.

Zu den Teilnehmern der DGB-Kundgebung gehörte auch der SPD-Oberbürgermeisterkandidat und Dortmunder Stadtdirektor Ulrich Sierau. Er  sagte den Ruhrbaronen. „So etwas hat es in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte noch nie gegeben. Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen. Wir werden mit der Polizei Gegenmaßnahmen einleiten.“ Augenzeugen berichten, dass SS Siggi unter den Angreifern war. SS Siggi war Chef der Nazi-Borussenfront.

Zunächst wurden 150 Personen auf dem Brüderweg festgesetzt, sagte die Polizei. Die  Leute wurden eingekesselt. Eine weitere Gruppe von 40 Nazis wurde auf dem Westenhellweg gestellt.  Die Nazis sitzen auf dem Boden herum oder stehen. Sie feixen über ihren gelungenen Coup. Nach und nach werden sie unter dem Vorwurf des Landfriedensbruch abgeführt, erkennungsdienstlich behandelt und danach festgenommen. Über der Stadt kreist ein Hubschrauber. Die Innenstadt ist abgeriegelt.

Bericht zur Lage

Der Dortmunder SPD-Chef Franz-Josef Drabig besuchte die DGB-Kundgebung gemeinsam mit seiner Familie und war Zeuge der Naziattacke. Drabig: „Ich war entsetzt, mit welcher Brutalität die Rechtsradikalen zugeschlagen haben. Den wenigen Polizeibeamten vor Ort kann man keinen Vorwurf machen. Sie wurden von dem Angriff überrascht. Ich frage mich allerdings, wie unter den Augen von Polizei und Verfassungsschutz eine solche Zusammenrottung von Nazis unbemerkt bleiben konnte. Da haben die Sicherheitsbehörden versagt.“ Er habe sich schützend vor seinen siebenjährigen Sohn stellen müssen. Angesprochen auf die Aussage des Polizeipressesprechers Peter Schulz gegenüber den Ruhrbaronen, die heutige Attacke sei nichts anderes gewesen als die Ausschreitungen durch Autonome vor zwei Jahren in Dortmund, sagte Drabig: „Eine solche Bemerkung ist für mich absolut nicht nachvollziehbar. Der Angriff von mehr als 200 Nazis auf einer DGB-Demo zeigt die große Gefahr, die von den Rechtsradikalen heute ausgeht. Das heutige Ereignis wird Konsequenzen haben.“

Dietmar Krempa, Mitglied der Vertrauensleute-Leitung der Stadtverwaltung Bochum, war auch dabei, als die Nazis die Demonstration stürmten. Er fordert politische Konsequenzen: „Es kann nicht sein, dass in Dortmund weiterhin Nazi-Demos genehmigt werden. Damit muß jetzt Schluß sein.“ Die Gesellschaft müsse den Rechten entschieden entgegentreten: „Wir brauchen ein Verbot von Naziorganisationen inklusiver der NPD. Ich weiß, dass wird alleine nicht helfen, aber was wir tun können, muß getan werden.“ Krempa war wie viele andere nach dem Geschehnissen in der Dortumder Innenstadt auf dem 1. Mai Fest des DGB im Westfalenpark. Er findet es gut, dass die Veranstaltung nicht abgesagt wurde: „Wir haben gute Gründe, Flagge zu zeigen.“

Martin Tönnes, Ratsherr der Grünen fordert ein Umdenken des Dortmunder Polizeipräsidenten, sieht aber auch die demokratischen Parteien in der Pflichr: Martin Tönnes: „Der gezielte Gewaltakt der Nazis und die Brutalität gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der 1.Mai-Kundgebung in Dortmund muss alle Demokraten und das gesamte Ruhrgebiet betroffen machen. Der Auftritt der Rechten in Dortmund erreicht damit eine neue Dimension. Mit dem heutigen Tag sind alle demokratischen Parteien aufgefordert, geschlossen und ohne Wenn und Aber den braunen Mob politisch zu bekämpfen. Wer hierbei jetzt noch politische Ausflüchte sucht oder die Hände in den Schoß legt, schafft den zukünftigen Raum für weitere Angriffe der Rechten in dieser Stadt. Aus diesem Grund muss auch der Polizeipräsident in Dortmund endlich den Ernst der Lage begreifen.“

 

Die Stadt hat eine lange Tradition rechtsradikaler Schlägertrupps. Früher gab es zum Beispiel die Borussenfront unter SS Siggi. Die WR hat mal einen Hintergrund zum Thema gemacht. Den gibt es hier: klack

Erst vor Kurzem hat die Westfälische Rundschau bekannt gemacht, dass die Nazis Todeslisten kursieren lassen, auf denen sie zukünftige Opfer aus Holzwickede eingetragen haben. Holzwickede liegt in der Nähe von Dortmund.

 

Schneider bestätigt als RWE-Aufsichtsratschef

Foto: Bayer

Am Schluss gab es keine Überraschung mehr. Manfred Schneider, seit Dezember 1992 einfaches Mitglied im Aufsichtsrat des RWE, ist ohne Probleme zum neuen Aufsichtsratschef gewählt worden. Das haben die anderen Aufsichtsräte so in einer außerordentlichen Sitzung beschlossen. Schneider löst damit Thomas Fischer ab, der den Aufsichtsrat seit dem 8. Dezember 2004 geleitet hatte. Ex-West-LB Chef Fischer hatte sein Amt aus persönlichen Gründen zum 30. April 2009 niedergelegt. Die Amtsperiode des Aufsichtsrates endet im April 2011.

Der neue Aufsichtsrats-Chef Fischer wurde am 21. Dezember 1938 in Bremerhaven geboren. Er  studierte Betriebswirtschaft an den Universitäten Freiburg, Hamburg und Köln. Nach dem Examen als Diplom-Kaufmann wurde er Assistent am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der Technischen Hochschule Aachen und promovierte während dieser Zeit.

Seine berufliche Karriere absolvierte Schneider bei der Bayer AG. 1966 trat er in das Unternehmen ein. Zum 1. Januar 1987 wurde Dr. Schneider in den Vorstand berufen, fünf Jahre später zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Nach der operativen Zeit wechselte er in den Aufsichtsrat der Bayer AG, der ihn nach der Hauptversammlung 2002 zum Vorsitzenden wählte.

Schneider gehört außerdem dem Aufsichtsrat der Linde AG in München an. Auch hier ist er Aufsichtsratschef. Weiter ist er Aufsichtsrat der Daimler AG, und der TUI AG. Von Oktober 1999 bis 2001 war er Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).

1. Mai Songcontest

Draußen ist das Wetter so schön, dass sowiso keiner am Rechner sitzt. Sei’s drum, hier eine Rate-Top-Ten als Soundtrack zum Tag der Arbeit:

Auf Platz zehn: Soundtrack für heute abend in Berlin, soviele Bullen waren da. Auflösung nach dem klick

Auf Platz neun: Nehmt die Dinger vom Dachboden, wir wollten doch die Weltrepublik. Auflösung nach dem klick

Auf Platz acht: Außer dem Papst hat nur einer Recht. Auflösung nach dem klick

Auf Platz sieben: Wer schläft jetzt noch. Auflösung nach dem klick

Auf Platz sechs: Jetzt ist auch noch die Rose futsch. Auflösung nach dem klick

Auf Platz fünf: Selbst in den Schluchten ist was los. Auflösung nach dem klick

Auf Platz vier: hatten wir schon. Auflösung nach dem klick

Auf Platz drei: Schnurbärte aus dem NDR. Auflösung nach dem klick

Auf Platz zwei: Vorwärts immer, rückwärts nimmer – im Blümchenrock. Auflösung nach dem klick

Auf Platz eins: Aufgewacht. Auflösung nach dem klick

Tatsache: RWE bloggt seit Monaten – erst jetzt bemerkt

Ich habs erst jetzt bemerkt – andere waren sicher schneller. Seit Anfang Februar bloggt RWE. Oder besser gesagt, die Stelle für gesellschaftliche Verantwortung im Konzern (Corporate Responsibility) betreibt einen Blog, in dem Mitarbeiter über ihr soziales Engagement berichten können. Das Ding ist professionell aufgemacht, durchgestylt und vielleicht deswegen streckenweise öde.

Grundsätzlich ist die Idee ja gut. Mitarbeiter können sich mit Projekten bewerben oder Externe Ideen vorschlagen. Diese werden dann gefördert – wenn das Projekt taugt. Mal mit Geld, mal mit Zeit oder Aufmerksamkeit. Gefördert werden Vereine, Initiativen und soziale Dinge. Damit die Menschen auch von den guten Taten erfahren, werden die Projekte dann im RWE-Blog vorgestellt.

So fand der Artenschutztag Eingang in den Blog. Oder ein Sportprojekt an der Astrid-Lindgren-Schule in Essen. Oder eine Tour zu Libellenlarven in Mülheim.

Der ganze Blog strahlt vor guten Menschen. Das ist nett, damit ungefährlich und deswegen nicht spannend – finde zumindest ich. Mir gefällt es besser, wenn  man diskutieren muss, wenn man sich reiben kann und wenn es knistert.

Ok, vielleicht ist das unfair jetzt. Denn zunächst einmal hat der RWE-Blog ja nur die Aufgabe PR-Arbeit zu machen. Deswegen kann man nicht mit Maßstäben kommen wie Spannung. Aber mich würden schon die Zugriffszahlen am Tag interessieren. Wieviele Leute lesen das?

An den Kommentaren kann man das nicht erkennen. Auf dem RWE-Blog gibt es wenige bis keine Kommentare.

Ich fänd es ja spannend, wenn sich RWE in einem Blog der Diskussion um seine Projekte stellen würde. Zum Beispiel über die Themen Atomstrom, Braunkohleabbau, Einstieg in Holland, Kohlekraftwerke, Klimaschutz, etc…

Das würde so richtig knistern. Natürlich müsste man mit einer guten, transparenten  und kompetenten Moderation dafür sorgen, dass der Blog nicht zu einer Klowand verkommt. Alles was unfair diskutiert, fliegt raus. Alles was beschimpft, fliegt raus. Wenn man einen unparteilichen Moderator oder noch besser ein Moderatorenteam findet, könnte so ein Blog-Projekt vorbildlich für ein Firmenblog werden.

Das was jetzt da ist, ist schön, aber wie gesagt, streckenweise öde.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Einkaufszentrum: Buers Angst vor den Löhrhof-Arcaden…Gelsenkirchen Blog

Todesliste: Neue Dimension rechter Hetze…Der Westen

Recklinghausen: Ruhrfestspiele eröffnen…DDP

Dortmund: Bürgerinitiativen gegen Industrie…Ruhr Nachrichten

Web 2.0: Blogs von deutschen Zeitungen…Muschelschubserin

Bergbau: Der schwarze Traum der Kammern…Der Westen

Party: Stühle raus im Bermudadreieck…Ruhr Nachrichten

Herten: Zeche Ewald wird Revuetheater…Recklinghäuser Zeitung

Ruhr2010: Spektakel wackeln Kulturhautstadt nicht…Der Westen

Ruhr2010 II: Projekte wegen Finanzkrise gestrichen…Ruhr Nachrichten

„Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr“

Im Januar brach die Duisburger Polizei eine Wohnung auf und riss eine Israelflagge aus einem Fenster. Islamistische Demonstranten hatten begonnen, das Haus anzugreifen. Ein Gutachten gibt den Beamten Recht. Merkwürdig zu lesen ist es teilweise trotzdem.

Ausriss: YouTube

Am 10. Januar fand in Duisburg eine Demonstration gegen den Gaza Krieg statt. Als die Demonstranten in der Duisburger Innenstadt an einem Haus an der Claubergstrasse vorbei kamen, in dem eine Israelflagge im Fenster zu sehen war, eskalierte die Situation: Gegenstände wurden gegen das Haus geworfen, Demonstranten skandierten antisemitische Parolen und die Polizei griff ein: Nein, sie schützte nicht das Haus vor den Angriffen der Islamisten, sie nahm nicht diejenigen fest, die das Haus bewarfen und antisemtische Parolen skandierten, sondern sie stürmte zwei Wohnungen – die Beamten irrten sich zuerst im Stockwerk – und nahmen die israelische Flagge aus dem Fenster. Die Begründung: Die Fahne habe verschwinden müssen, weil ansonsten die Situation hätte weiter eskalieren können.

Dieser Ansicht schloss sich auch der Jurist Prof. Dr. Jürgen Vahle von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in einem Gutachten an, das heute dem Innenausschuss des Landtages vorgelegt wurde, das auch mir mittlerweile vorliegt: Die Aktion gegen die Israelflagge sei "(…) legal, weil Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit (…)" notwendig gewesen sei. Laut einer von Der Westen veröffentlichten DDP-Meldung fordert die Polizeigewerkschaft eine Entschuldigung von den Landespolitikern, die damals erklärt hatten, die Polizei hätte rechtswidrig gehandelt.

Dabei wirft der gutachterliche Blankoscheck für die Duisburger Polzei einige Fragen auf: Warum war die Polizei nicht darauf vorbereitet, dass eine solche Demonstration eskalieren konnte? In anderen Städten war das zu diesem Zeitpunkt schon der Fall gewesen. Das Gutachten hat dafür eine Antwort:  "Art und geplanter Verlauf der Versammlung boten keinen Anlass für Schutzvorkehrungen, die über die tatsächlich getroffenen hinausgingen." Vielleicht hätte ein Blick in den aktuellen Verfassungsschutzbericht der Polizei und dem Gutachter geholfen. Angemeldet hatte die Demo vom 10. Januar die islamistische Organisation Milli GörüÅŸ. Über die ist dort zu lesen: "Ziel der Bewegung (Milli GörüÅŸ) ist es, dieses heute herrschende, als „westliche“, „bürokratische Ordnung“ bezeichnete demokratische System zu überwinden und durch die in „Adil Düzen“ skizzierte „gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung“ zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt. Die Ablehnung „westlicher Demokratie“ und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die ‚Milli-GörüÅŸ‘-Ideologie ist evident. Dies zusammen mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen des Führers der ‚Milli GörüÅŸ‘, wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung (…) durch den Verfassungsschutz (…) erforderlich."

Dass die Anhänger einer antidemokratischen und antisemitischen Gruppierung sich nicht an Regeln der ihnen verhassten Gesellschaft halten, kann nur die Naivsten überraschen. Während die Duisburger Polizei und auch Prof. Vahle von Milli GörüÅŸ nichts Böses erwarten, begegnet man dem jungen Mann, der die Flagge in sein Fenster gehängt hatte, mit deutlich mehr Misstrauen. Der, so das Gutachten, gehöre zu  den Antideutschen und habe auch schon Plakate von Rechtsradikalen beschädigt. Klar, dass so einem alles zuzutrauen ist, und so lässt Vahe in seinem Gutachten seiner Phantasie freien Lauf – der könne ja alles nur inszeniert haben: "Eine gewisse Indizwirkung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass der Polizeieinsatz – mit hoher Wahrescheinlichkeit von der gegenüber liegenden Straßenseite – gefilmt und die Aufzeichnung anschließend zusammen mit einem Kommentar im Internet publiziert wurde. Hieraus könnte gefolgert werden, dass es den betroffenen Personen (Mieter bzw. Gästen der Wohnungen im Haus Clausberger Str.) maßgeblich darauf ankam, die Polizei zu einem – aus ihrer Sicht rechtswidrigen – Zugriff zu veranlassen und das (angebliche) Fehlverhalten anschließend publik zu machen. Zwingend ist der Schluss auf eine intendierte Inszenierung freilich nicht. Gegen die Wohnungsinhaber oder ihre Gäste bestehen nur Verdachtsmomente."

Nun, dass die Polizei in Deutschland eine Wohnung stürmt, um eine Israelflagge abzunehmen, damit Demonstranten, die zum Teil Fahnen von in Deutschland verbotenen Organisationen wie der Hamas schwenkten, glücklich und zufrieden sind, konnte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand vorstellen – auch der Wohnungsinhaber nicht, der den Ruhrbaronen damals  ein Interview gab.

Vielleicht sollte sich der Innenminister überlegen einen zweiten Gutachter zu bestellen. Jemand, der Polizisten in NRW ausbildet, ist vielleicht nicht der objektivste Gutachter, den man sich vorstellen kann. Es gibt in diesem Land viele Juristen. Das Land würde gut daran tun, die Stimme eines weiteren zu hören – und vielleicht ist der dann auch ein wenig unabhängiger. Aber das ist nur die Frage der juristischen Auseinandersetzung, diese ist jedoch in dieser Frage nicht die eigentlich interessante: Die Frage, ob das Verhalten der Polizei in Ordnung war, ist eine politische, und sie muss auch politisch beantwortet werden. Auf wessen Seite steht die Polizei? In Duisburg stand sie auf der Seite von einem gewalttätigen, antisemitischen Mob und tat alles, um diesen zu beruhigen. Auf der Seite des Bewohners der Clausbergstraße, der seine Solidarität mit Israel zeigte, stand sie nicht. Sein Recht auf freie Meinungsäußerung war anscheinend kein schützenswertes Gut.  

Pleitgens Pleite

Keine große Kulturhauptstadtparty in der Arena, keine abendliche Übertragung im ZDF. Warum hat man eigentlich Fritz Pleitgen zum Direktor der Kulturhauptstadt gemacht?

Firtz Pleitgen Foto: Ruhr2010

Firtz Pleitgen ist eine Journalistenlegende. Er moderierte souverän den Presseclub und gehörte zu den großen Auslandskorrespondenten. Für das Ruhrgebiet hat sich der in Duisburg geborene Pleitgen indes nie eingesetzt und daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen: Seine beruflicher und privater Lebensweg führte in aus dem Revier heraus. Kein Problem.  Aber warum wurde er Direktor der Kulturhauptstadt? Weil er lange Jahre Intendant des WDR war. Pleitgen sollte die Aufmerksamkeit der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie sichern. Sein Renommee und seine Kontakte sollten bei der medialen Vermarktung des Ruhrgebiets helfen. 

Daraus wurde nichts: Weder gelang es, ein tragfähiges Konzept für eine große Kulturhauptstadtshow zu entwickeln, noch konnten ARD oder ZDF dazu gebracht werden, eine solche Sendung in ihr Abendprogramm aufzunehmen.

Ein solche Sendung vom Konzept her zu entwickeln, kann so schwer nicht sein. Die Zutaten für eine große Samstagsabendshow sind bekannt. Prominente, Prominente und noch einmal Prominente. Sie hätte die Aufmerksamkeit garantiert, die Menschen dazu gebracht hätte sich für die Kulturhauptstadt zu interessieren und  – vielleicht – das Ruhrgebiet zu besuchen. Sie hätte dazu beitragen können, das Image des  Ruhrgebiets zu verbessern. Letzteres ist meiner Ansicht nach die wichtigste Aufgabe der Kulturhauptstadt. Also: Peter Lohmeyer und Iris Berben führen durch den Abend, Grönemeyer singt,  Chöre der Opern im Ruhrgebiet treten auf und die Orchester spielen populäre Melodien.

Dann Schalten zu prominenten Ruhrgebietlern im Ausland: Funke und Möller aus Hollywood erzählen, wie toll es im Revier war und wie gerne sie immer wiederkommen. Ein paar Fußballstars treten auf, etwas Comedy und von mir aus noch ein wenig Ballett. Fettich is.

Das wäre ein Aufschlag gewesen, der die Kulturhaupstadt populär gemacht hätte. So ein Konzept hätte entwickelt und ZDF oder ARD hätten es übertragen müssen. Am besten die Sender hätten eine solche Show gleich konzipiert. Aber allen voran die Mainzelmännchen haben sich geweigert, diese Leistung zu erbringen. Mehr noch: sie haben zwei Millionen Euro von der Ruhr 2010 GmbH gefordert. Sonst würde nicht gesendet. Das ist beinahe so etwas wie eine Erpressung, die als Beteiligung an den Produktionskosten getarnt ist. Das ist eine Unverschämtheit für einen Sender, der gefühlt wöchentlich den Samstagabend fröhlichen Volksmusikanten als Vermarktungsplattform für Konzerte und CD-Verkäufe zur Verfügung stellt.

Fritz Pleitgen hätte der Mann sein müssen, der das anders hinbekommt, der hinter den Kulissen den Druck organisiert, um eine solche Show möglich zu machen. Ein Ex-Intendant ist immer auch ein Strippenzieher – und als Strippenzieher hat Pleitgen versagt.

Zur Not hätte man das ZDF öffentlich angreifen müssen, hätte der WDR sich für das Ruhrgebiet ins Zeug legen müssen, denn hier leben über fünf Millionen Menschen und verdammt viele von ihnen bezahlen Fernsehgebühren mit denen solche kulturellen Höhepunkte wie die Übertragung des Neusser-Schützenumzugs, Karnevalssendungen oder der Fassanstich auf dem Oktoberfest finanziert werden. Die Übertragung einer Show aus der Arena und von mir aus auch die Unterstützung bei der Konzeption sind schlichte Pflichtaufgaben für Sender, die von den Bürgern finanziert werden. Das muß einfach gehen – auch während der Wirtschaftskrise. 

Nun wird am 9. Januar am Samstagmittag die offizielle Eröffnung auf Zollverein live im ZDF übertragen. Zwischen den Pausen eine Biathlonsendung. Honoratioren TV vom Feinsten. Viele Sportfreunde werden sich über die lange Pinkelpause freuen.

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Update: Ruhr2010 + Eröffnungsveranstaltung wird abgesagt

Die Eröffnungsveranstaltung der Kulturhauptstadt 2010  gescheitert.

Die Ruhr2010 GmbH bestätigt die Absage der Eröffnungsveranstaltung der Kulturhauptstadt im kommenden Jahr. Der Grund sind akute Finanzierungsprobleme. Insgesamt gibt es eine Finanzierungslücke von sieben Millionen Euro. Die Eröffnungsveranstaltung sollte am 9. Januar kommenden Jahres in der Schalke Arena stattfinden. Sie sollte eine große Party werden. Allerdings konnten die Kulturhauptstadtmacher bislang weder von der ARD noch vom ZDF eine Zusage für eine abendliche Ausstrahlung im Fernsehen erhalten. Die offizielle Eröffnung am selben Tag auf Zollverein mit Politikern und Kulturfunktionären wird nicht abgesagt und soll aufgehübscht werden. Die Eröffnungsveranstaltung ist nicht das einzige Projekt, das abgesagt wird: Auch die "Welt der Religion" im Gasometer in Oberhausen wird es nicht geben. Auch die  Schachtzeichen stehen auf der Kippe. Ebenso die zweite Stadt auf Zollverein – aber das wissen die Leser der Ruhrbarone ja schon lange.

Für die Toten

Über all auf der Welt werden Reporter umgebracht. Weil sie recherchieren, weil sie nachdenken, weil sie schreiben und die Wahrheit sagen. Die Wahrheiten, die den Menschen mit den Waffen nicht passen.

Ob im Irak, in Birma, in Mexiko, Russland, Usbekistan oder Kolumbien. Reporter werden getötet.

Im Dezember 1993 rief die UNO-Vollversammlung den 3. Mai zum Tag der Pressefreiheit aus. Damit würdigte die UNO die "Erklärung von Windhoek".

In dieser Erklärung hatten Reporter aus aller Welt zwei Jahre zuvor freie, pluralistische und unabhängige Medien als einen wesentlichen Bestandteil jeder demokratischen Gesellschaft gefordert. Sie prangerten vor allem Zensur und Repression als schwere Verletzungen der Menschenrechte an.

Die Reporter forderten in ihrer Erklärung allen Staaten auf, Verfassungsgarantien für die Presse- und Versammlungsfreiheit zu geben. Sie forderten die Freiheit

In diesem Jahr wird der Tag der Pressefreiheit zum 15. Mal begangen.

Über 827 Reporter haben seither ihr Leben verloren. Sie wurden erschossen, erschlagen, geköpft.

In den wenigsten Fällen wurden die Täter bestraft.

Ich hab mit Thorben Korpel, Andreas Schmitz und Hilger Tintel einen Kurzfilm gemacht. Wir wollen an die toten Reporter erinnern.

Sie sind nicht vergessen.

Der Film kann auf for-freedom.cc runtergeladen werden. Dort gibt es auch Banner.