3 FÜR 7 – Ausgehtipps, jetzt wieder wöchentlich

Also: Über Ostern fällt nach diesem Satz hier kein einziges Wort mehr. Aber es steht halt ein langes Wochenende an, darauf kann man sich ja wohl einigen – sogar mit Leuten, die im Grunde selbst keine Wochenenden an sich kennen. "Werktage". "Feiertage". Klingt wie "ora et labora" ohne "ora". Jedenfalls kann man zu solchen Zeiten, an denen viele Besuche machen oder einen solchen haben (oder zwei oder mehr), ja durchaus mal hier- oder dorthin fahren. Nicht, wie manchenorts angekündigt, schon zu Roberto Benigni, die Veranstaltung ist dann doch erst in gut zwei Wochen in Duisburg, aber zu: Selim, Skatern, Siegen.

Branding mal anders: Deanna Templeton hat ihre Kameras mal auf das Phänomen gerichtet, dass Männer junge Frauen gern mit ihren Unterschriften und Logos verzieren, und dass diese das dann für eine Auszeichnung halten. So geschehen und gesehen passenderweise in der L.A.-Skateboardszene, und nun hübsch transferiert in’s NRW-Forum (Foto: ebendie). Welche Parallelen lassen sich ziehen? Nun, die wenigsten Frauen hier tragen Tattoos ihrer Polit- oder Kunstmäzene. Und die hiesigen Billy-Damen würden sich solche Vergleiche wohl verbitten. Also was? Hauptsächlich wohl einfach Skater anziehen, und natürlich der üblich gern gesehene Punk-Link D’dorf-Staaten. Der ursprüngliche Name der Serie, "Your Logo Here", wurde für Düsseldorf übrigens in "Scratch My Name On Your Arm" geändert (The Smiths, "Rusholme Ruffians"). Re-Branding heißt das wohl. Mag ja seine Hintergründe haben.

Zwischen erträumter und fassbarer Realität schwanken (auch) die Protagonisten in den Werken von Selim Özdagan ganz gern; manchmal auch nicht so gern. Wegen seines aktuellen Romans "Zwischen zwei Träumen" ist der Autor auf Lesereise, vielleicht wird er aber auch aus Werken wie "Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist", "Ein gutes Leben ist die beste Rache" und "Trinkgeld vom Schicksal" vorlesen. Oder auch kurze Stücke wie "Yoga". – Da könnte jemand mal die Homepage überarbeiten.

Und damit zur Biennale einer ganz eigenen Kleinmetropole: Siegen. Diesen Freitag geht es los mit dem "Hiob" der Münchner Kammerspiele, es folgt der "Tod des Handlungsreisenden" der Schaubühne Berlin und einige mehr. Aus dem Ruhrgebiet hat es Bösch’s "Woyzeck" des Schauspiels Essen geschafft. Der Autor hat genau den gesehen und fand ihn ja vor allem gut "in Szene gesetzt", wenn auch inhaltlich nicht gerade vertiefend angelegt. Aber warum nicht mal Siegen? Diesjähriger Titel übrigens "Vom Verlieren. Ein Theaterfest". Und da denken wir dann mal nicht an die Situation auf den kommunalen Bühnen, sondern gehen schnell zum…

Überblick:

"Scratch My Name On Your Arm" noch bis zum 10. Mai im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf.
Selim Özdagan am Donnerstag, 9. April, ab 20 Uhr im Theater Oberhausen.
Die Siegener Biennale vom Freitag, den 10. April bis zum 2. Mai im Apollo-Theater.

RWE bekommt Streß in Holland

Es ist der ganz große Deal des Essener Energiekonzerns RWE. Die Übernahme des holländischen Versorgers Essent. Und ausgerechnet bei diesem sowohl wichtigen, wie prestigeträchtigen Deal kommt es jetzt überraschend zu Problemen.

Die niederländische Wirtschaftsministerin Maria van der Hoeven lehnt das Geschäft politisch ab und ist bereit alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, um die größte Übernahme des RWE seit Jahren zu blockieren. Das hat mir ihr Sprecher so gesagt.

Zudem zeichnen sich Schwierigkeiten ab, die Essent-Entsorgungsparte wie geplant vor der Übernahme durch das RWE zu verkaufen. Nach Brancheninformationen ist derzeit kein größerer Müllkonzern bereit, für die Essent-Sparte die geforderte Summe von rund 1 Mrd Euro zu zahlen. Ich hab mit einigen der dicken Entsorger gesprochen, die sagen, das Geschäft sei nicht realistisch. Zu teuer und zu unsicher, gerade jetzt in der Kreditkrise und Zeiten von zusammenbrechenden Sekundärrohstoffmärkten. Müll hat gerade keine Konjuntur.

Ein RWE-Sprecher sagte mir, die Schwierigkeiten würden den Prozess der Übernahme nicht behindern. „Wir sind zuversichtlich, alle Bedenken ausräumen zu können.“

Aber der Reihe nach. In den vergangenen Tagen hatte die christdemokratische Politikerin Maria van der Hoeven einen Brief an die EU-Wettbewerbskomissarin Neelie Kroes gesandt, in dem sie erhebliche Vorbehalte gegen die Übernahme formulierte. Zum Hintergrund: die gebürtige Holländerin Neelie Kroes wurde von der niederländischen Regierung in die EU-Kommission geschickt. Im Brief von Holländerin an Holländerin hieß es, solange RWE Stromübertragungsnetze in Deutschland behalte, drohe der Wettbewerb in Holland verzehrt zu werden. Denn in Holland gelte die Regel, dass jeder Stromhändler nicht Eigentümer von Stromnetze sein dürfe. Ein Sprecher der holländischen Wirtschaftsministerin sagte zudem, dass Maria van der Hoeven die Privatisierung des derzeit noch von Kommunen kontrollierten Versorgers Essent sehr kritisch sehe. „Wir wollen unsere Sorgen klar machen und hoffen darauf, dass RWE und die EU unsere Bedenken entkräften.“ Gleichzeitig machte der Sprecher der Wirtschaftsministerin klar, dass die Niederlande die Übernahme nicht verhindern könnten. Dies stehe alleine in der Verantwortung der EU.

Ich hab dann in Brüssel angerufen. Ein Sprecher von der EU-Wettbewerbskomissarin Kroes sagte mir, Kroes werde im Rahmen der Essent-Übrnahme durch RWE nichts erlauben, was negative Einflüsse auf den Wettbewerb habe. „Das ist unser einziges Kriterium.“

Tja, RWE weist die Kritik zurück. Ein Sprecher sagte: „Unser Übernahmevorstoß auf Essent entspricht voll und ganz EU-Recht.“ Es gebe keine Wettbewerbsverletzungen. So würden die Essent-Netze nicht vom RWE übernommen, sondern blieben in niederländischem Besitz. Zudem spiele es für die Übernahme in Holland keine Rolle, wem die deutschen RWE-Netze gehören, solange die rechtlichen Vorgaben eingehalten würden. Hier folge RWE den EU-Ansprüchen, das eigene Netz von einer organisatorisch unabhängigen RWE-Tochter betreiben zu lassen. „Wir sind guten Mutes, dass die Transaktion durchgeführt wird.“ Die holländischen Kommunen, denen bislang Essent gehört, hätten bereits weitgehend dem Verkauf zugestimmt. Rund 90 Prozent der Anteile könnten demnach abgegeben werden.

Und auch das offenbar mangelnde Interesse an der Essent-Entsorgungssparte stößt beim RWE nicht auf Besorgnis. Offiziell wird nichts dazu gesagt, doch intern heißt es, zur Not würden die holländischen Kommunen einfach das Müllgeschäft behalten. Ein Essent-Sprecher hat das mir gegenüber bestätigt: „Wir werden die Entsorgungssparte nicht um jeden Preis verkaufen.“

Die Schwierigkeiten kommen vor allem überraschend, nachdem RWE und Essent in den vergangenen Tagen den Verkauf der holländischen Anteile an den Bremer Stadtwerken in die Wege leiten konnten. Die Beteiligung an dem kommunalen Unternehmen galt als Hindernis bei der notwendigen Kartellrechtlichen Genehmigung der Übernahme in Deutschland. Nach Ansicht der Wettbewerbshüter darf RWE keine weiteren Gemeindebetriebe in Deutschland übernehmen. Auch nicht über Eck, etwa über den Kauf der Essent und deren Beteiligungen an deutschen Stadtwerken.

Handelsblatt-Chef gegen Dummblogger für Qualität

Bernd Ziesemer. Chefredakteur des Handelsblattes / Foto: e-ini.nrw

Vor ein paar Minuten ist mir etwas interessantes untergekommen. Es geht um einen Beitrag des Handelsblatt-Chefredakteurs Bernd Ziesemer auf einer Tagung zur Lage des Wirtschaftsjournalismus in Köln, oder sagen wir eher um eine Polemik. Aber egal. Ziesemer greift die Dummschwatzblogger an, die Empfehlungen an die etablierten Medien zur Online-Strategie verpassen, ohne selbst den Beweis zu liefern, es besser zu können. Damit hat er wohl recht. Denn noch immer wird unzweifelhaft das meiste Geld im Print verdient und nicht auf den Internetseiten. Ziesemer ergreift Partei für den Qualitätsjournalismus, der in der Krise nicht zum Spielball der verlegerischen Profitablität verkommen dürfe. Edle Worte, richtig Worte. Und besonders spannend, nachdem das Handelsblatt selbst nur knapp dem Massaker zugunsten des Profitstrebens entkommen ist.

Aber genug der Vorrede: Hier die 10-Punkte Polemik von Bernd Ziesemer in ihrer ganzen Pracht, so wie sie offenbar zuerst bei Klaus J. Stöhlker erschienen ist:

1. Er sei ein „hoffnungsloser Anhänger der Trennung von Redaktion und Anzeigengeschäft“. Die redaktionelle Unabhängigkeit sei in der derzeitigen Krise allerdings akut gefährdet. Als Journalisten „sollten wir daher alle Modelle danach abklopfen, ob sie Unabhängigkeit und damit Qualitätsjournalismus stärken“, forderte Ziesemer.

2. „Zu viele Verlagsmanager gebärden sich so, als ob sie Chefredakteure wären. Und zu viele Chefredakteure tun so, als ob sie Verlagsmanager wären“, stellte Ziesemer fest. Manche Chefredakteure würden sich sogar Redaktionsmanager nennen. Ziesemer: „Ich finde das zum Kotzen.“ Das Geschäft der Wirtschaftsjournalisten seien Scoops, Leitartikel, spannende Reportagen. „Warum reden wir zu wenig auf solchen Veranstaltungen über unser Kerngeschäft?“, fragte er – und räumte ein, das in der Vergangenheit auch getan zu haben. „Ich habe gesündigt, aber ich werde ab heute damit aufhören“, versprach Ziesemer.

3. Einige „junge Verlagsmanager“ und „einige Unternehmensberater, die sich derzeit in den Verlagen tummeln“, würden bei ihm „einen Würgereiz auslösen“, so Ziesemers dritter Punkt. Unter ihnen seien „zu viele kulturelle Analphabeten, die längst keine Zeitung mehr lesen, aber uns erklären wollen, wie man eine Zeitung macht“, stellte er fest. Als beim „Handelsblatt“ kürzlich Berater gesucht worden seien, seien etliche der Powerpoint-Präsentationen von Firmen, die sich dafür bewarben, in ihrer „intellektuellen Dumpfheit, betriebswirtschaftlichen Vordergründigkeit und moralischen Impertinenz“ nicht mehr zu überbieten gewesen. Journalisten in einigen Verlagen seien dabei, ihren Berufsstolz zu verlieren und sich nur noch als Lückenfüllproduzenten am Band zu verstehen, um Anzeigenlücken zu füllen. „Der Vorgang bei Gruner&Jahr erfüllt mich mit Zorn und Scham“, so Ziesemer.

4. Es gebe in Printmedien eine „komische Mischung aus Bullshitting und Masochismus“, so Ziesemer. Das Bullshitting sei, bei den eigenen Marken jede Sparmaßnahme „als verlegerische Großtat zu verkaufen“, statt sie als das zu benennen, was sie seien: Sparmaßnahmen. Der Masochismus drücke sich etwa in einem Artikel im „Wirtschaftsjournalist“ aus, in dem es hieß, es gebe keine Branche, die so konservativ und innovationsfeindlich sei wie die Medienbranche. „Ach Quatsch“, so Ziesemer. Das Problem gehe „von ganzseitigen Werbepostern auf Seite 1“ aus. „Wer soll die Zeitung kaufen wenn sie aussieht wie Waschmittelwerbung?“, fragte Ziesemer. Und was die Krise angehe, so sei zwischen 1990 und September 2008 die Auflage des „Wallstreet Journal“ nicht gefallen, sondern um 6,6 Prozent gestiegen. Und das=2 0obwohl, oder gerade weil, die Zeitung den einzigen kostenpflichtigen Internetauftritt einer Tageszeitung weltweit betreibe.

5. Eine „besondere Kategorie von Dummschwätzern“ finde sich unter den Medien-Bloggern, klagte Ziesemer, die versuchten „ein paar lousy Pennys zu verdienen, dabei aber nicht mal auf Hartz-IV-Regelsatz kommen“. Diese würden dennoch den Journalisten täglich empfehlen, ihre Printprodukte einzustampfen und nur noch auf Online zu setzen – obwohl dort offenbar nicht so viel Geld zu verdienen sei.

6. Es sei ihm „vollkommen unerfindlich, warum sich einige Chefredakteure in Deutschland an diesem Dauergeschwätz beteiligen“, so Ziesemer. So habe FTD-Chefredakteur Steffen Klusmann jüngst in der FAZ gesagt, „die Zeitung werde in fünf Jahren vom iPhone gekillt“. Nur, warum habe er nicht sieben oder acht Jahre gesagt, fragt Ziesemer, und gibt sich selbst die Antwort: „Weil der Prognosewert gegen Null geht.“ Wenn Klusmann daran glaube, dann solle er sich „mal schnell bei iPhone bewerben“. Allerdings habe derselbe Klusmann auch 2005 gesagt, die FTD werde das „Handelsblatt“ „schon bald“ überholen. Das erinnere ihn an einen Daihatsu-Fahrer, so Ziesemer, der bei einem Kilometer Abstand auf der Autobahn den BMW-Fahrer mit seiner Lichthupe erschrecken wolle. Das „Handelsblatt“ habe heute eine Auflage von 150.000, die FTD 100.000 – der Abstand gelte seit fast drei Jahren. „Soweit zur Prognostik“, so Ziesem er.

7. Es sei ja bisher ein ungeschriebenes Gesetz gewesen, sich auf solchen Veranstaltungen nicht gegenseitig zu kritisieren. „Davon weiche ich heute leicht ab“, so Ziesemer. Der Grund sei ein Zorn, den er sich in 30 Jahren als Journalist erworben habe. Eine Einheitsredaktion für fünf Titel zu bilden erinnere ihn an einen Satz Lech Walesas, der über den Sozialismus gesagt habe, es sei leicht, aus einem Aquarium eine Fischsuppe zu machen, aber sehr schwer, aus Fischsuppe ein Aquarium. „Klusmann sollte aufhören, uns allen seine Fischgruppe als Rezept zu verkaufen“, forderte Ziesemer. Er solle ruhig machen, was er wolle, aber es sei „intellektuell unredlich“, ständig zu behaupten, alle anderen würden das auch tun.

8. Ein Problem sei, dass „die Kollegen, die über Medien schreiben, mit wenigen Ausnahmen das Langzeitgedächtnis einer Ameise haben“. Sie würden „den Bullshit, den Verlage präsentieren, eins zu eins runterschreiben“, so Ziesemer. Stattdessen sollten sie lieber mal ins Archiv schauen, was in der Vergangenheit gesagt und getan wurde. „Medienjournalismus ist leider weitgehend recherchefreie Zone“, so Ziesemer. Hörensagen werde als Faktum präsentiert. Er habe in 15 Blättern gelesen, was angeblich beim „Handelsblatt“ vor sich gehe, nur ein Journalist habe ihn angerufen und ein weiterer eine Mail geschickt.

9. Das Herz der Zeitung sei „Recherche und Qualität“, zitierte Ziesemer die Professorin Miriam Meckel aus einem Beitrag in der FAZ. Dafür brauche man keinen Newsroom, sondern Schreiber, die über eine Welt berichteten, die man nicht im Internet finde.

10. Das sei vielleicht eine „sehr konservative, fast altmodische Sichtweise“, die Meckel äußere, räumte Ziesemer ein, aber „ich teile sie“. Es gebe aber auch Verleger und Verlagsmanager, die das täten.

Sabine von der Beck führt Grünen-Liste an – Ruhrgebiets-Gegnerin auf Platz 3

Die Grünen haben Ihre Liste für das Ruhrparlament aufgestellt.

Sabine von der Beck (Kreis Recklinghausen und auf dem Foto) sowie Martin Tönnes (Dortmund) führen die Liste der Grünen für das Ruhrparlament des Regionalverbandes Ruhr an. So bestimmten es die Landesdelegierten von 15 Kreisverbänden aus dem Ruhrgebiet auf einem Teil-Parteitag.

Auf Platz drei folgt Christel Winterberg, die sich massiv für den Austritt des Kreises Wesel aus dem RVR stark gemacht hat.

Hier der Rest der Liste: Sabine von der Beck Herbert Goldmann (Kreis Unna), Dorothea Schulte (Herne) Jörg Obereiner (Ennepe-Ruhr-Kreis), Claudia Leiße  (Duisburg),  Mehrdad Mostofizadeh  (Essen), Regina Wittmann  (Oberhausen), Wolfgang Cordes (Bochum), Sigrid Lange ( Bottrop), Hubert Niehoff  (Mülheim), Susanne Dippel (Ennepe-Ruhr-Kreis), Rüdiger Ludwig (Hagen), Mario Herrmann (Kreis Recklinghausen), Dr. Carsten Grüneberg (Hamm), Peter Saatkamp (Gelsenkirchen).

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

ThyssenKrupp: Arbeiter protestieren gegen Stellenabbau…Ruhr Nachrichten

Ökologie: Weitere Fahrverbote für Autos?…Der Westen

Buer: Neues Online-Magazin…Gelsenkirchen Blog

Opel: Schließung wäre dramatisch für das Revier…Süddeutsche

Ärger: Hüseyin Aydin kritisiert Linkspartei…Kölner Stadtanzeiger

Ehrung: Stefan Soltesz und Steven Sloane Bürger des Ruhrgebiets…Der Westen

Ruhr2010: Beitz und Scheytt haben weiter Probleme miteinander…Der Westen

Kultur: Ohne Eintritt ins Museum…Ruhr Nachrichten

Vattoz: Neuer Musikdienst…2.0

?Ich will es mir gar nicht vorstellen…?

Der Norden des Ruhrgebiets steht vor einem wirtschaftlichen Kollaps. Nach Ansicht von SPD und Gewerkschaften sind die Finanzkrise und die Landesregierung schuld.

Frank Baranowski und Josef Hülsdünker. Foto: Ruhrbarone

Im Norden des Ruhrgebiets, der Emscher Lippe Zone, im Kreis Recklinghausen, in Bottrop und in Gelsenkirchen ist eigentlich seit den 60er Jahren Krise. Erika Runge beschrieb schon damals in den Bottroper Protokollen den Niedergang der Stadt – oder das, was man damals dafür hielt, denn heute ist die Lage weitaus schlimmer, als man es sich vor 40 Jahren hatte vorstellen können: Allein seit 1995 nahm in der Emscher Lippe Zone die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 14,7 Prozent ab. 41.587 Jobs gibt es heute weniger als  damals – davon allerdings 38.625 im Bergbau.
Und nun auch noch Opel: Über 1000 Jobs hängen im Armenhaus des Ruhrgebiets direkt an Opel – noch einmal so viele sind es bei den Zulieferern schätzt Josef Hülsdünker vom DGB. „Der Region droht die Deindustrialisierung.“ Hülsünker und andere Gewerkschaftler zeichnete heute im IG Metall Haus in Gelsenkirchen ein düsteren Bild der Lage.

Man habe große Hoffnungen darauf gesetzt das Opel und später Nokia die verlorenen Jobs in der Montanindustrie zumindest zum Teil ersetzen würden. Hülsdünker: „Wir sehen jetzt unsere Felle davon schwimmen.“ Umso wichtiger sei es, dass die Gewerkschaften nun im Schulterschluss mit der Politik um die Zukunft der Region kämpfen würden. „Ich bin froh das heute Frank Baranowski, der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen da ist um uns zu unterstützen.“
Auch Baranowski ist froh das sein zu dürfen. Immerhin ist Wahlkampf und das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und SPD war lange mehr als gespannt. Aus den Kreisen der IG Metall gründetet sich die WASG, heute Teil der Linkspartei. Da tut der Schulterschluss gut.
Baranowski weiß auch wer der Böse ist: Die Landesregierung. Sie vernachlässige das nördliche Ruhrgebiet, vergebe Fördermittel nur nach Wettbewerben die man fast immer verliere und habe selbst den Ausbau der FH Gelsenkirchen verhindert.

Dass die so gescholtene Landesregierung drei neue Fachhochschulen im Ruhrgebiet gründet und auch der Gesundheitscampus ins Revier kommen wird spielt da schon längst keine Rolle mehr.
Und auch der wahre Star des Vormittages, Reiner Einenkel, der Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum, hat seine ganz eigene Sicht auf die Wirklichkeit: Opel sei ein gesundes Unternehmen, leistungsfähig und innovativ. Einenkel hat die Hoffnung noch nicht aufgeben: „Es gibt Gespräche mit Investoren. Ob der Scheich aus Abu Dhabi dabei ist, weiß ich nicht. Den kenne ich auch nur aus der Zeitung.“ Aber Einenkel hat eine Forderung an die Bundesregierung: „Geld vom Bund darf es nur geben, wenn alle Standorte in Deutschland erhalten bleiben.“ Da ist er mit Baranowski einer Meinung. Für den ist Opel Bochum Systemrelevant für das Ruhrgebiet.

Das kann sogar stimmen: Gut 20.000 Jobs im Revier hängen an Opel – einem Automobilhersteller, besser: einer Marke von GM, das in den letzten Jahrzehnten fast die Hälfte seines  Marktanteils verloren hat. Und weitere Jobs hängen immer noch am Bergbau, mit dem bald Schluß ist. Da liegt die Frage nahe, wieso es  überhaupt soweit kommen konnte und welche Pläne man für die Zukunft hat. Die Antwort von Baranowski und Hülsdünker ist: Bildung. Das Ruhrgebiet müsse Akademiker importieren, weil es nicht genug Ingenieure ausbilden kann. Auch nicht so ganz richtig: Gut 60 Prozent aller Absolventen verlassen das Ruhrgebiet, weil sie hier keine Jobs finden. Aber natürlich ist das mit der Bildung trotzdem richtig, alleine weil den Unternehmen die Facharbeiter ausgehen – sie finden zu wenige Schulabsolventen, denen sie eine erfolgreiche Ausbildung zutrauen. Und so fordert Hülsdünker zu Recht mehr Geld für die schulische Bildung. Aber eine Vision ist das nicht. Ob sich Baranowski das nördliche Ruhrgebiet ohne Bergbau und Opel vorstellen kann, wir der Gelsenkirchener OB gefragt? „Ich will es mir nicht vorstellen“ ist sein Antwort und man glaubt es ihm. Alle schauen an diesem Vormittag im IG Metall Haus in Gelsenkirchen in ein tiefes, schwarzes Loch.

Nun rächt sich dass man in den 60er und 70er Jahren Investoren die kalte Schulter gezeigt hat, dass man zu lange am Bergbau festhielt und auch keine Hochschule wollte, als man stolz darauf war, ehrlich zu arbeiten und sich nicht in Büchereien rumzulümmeln. Nein, weder Hülsdünker noch Baranowski haben diese Fehler gemacht, aber sie müssen jetzt die Suppe auslöffeln, die ihnen ihre Vorgänger eingebrockt haben  – und zigtausenden Arbeitnehmern im nördlichen Ruhrgebiet.
Klar, es gibt Hoffnungsschimmer: „New Park wird etwas bringen“, glaubt Hülsdünker an den Segen eines großen neuen Gewerbegebietes in Datteln. Über 10.000 Jobs kann es bringen, glaubt das RWI. Aber ist Waltrop nicht dagegen? Hat es das Projekt nicht blockiert? „Ja, wir wissen dass wir Probleme in der Nachbarschaft haben an denen wir arbeiten.“

Und dann ist da doch noch eine Vision. Reiner Einenkel hat sie: „Opel in Bochum muss den Zuschlag  bekommen, den Ampera zu bauen. Wir können dann eine technologische Struktur um das Werk errichten und gemeinsam mit den Hochschulen so nachhaltig etwas für den Standort tun.“ Der Ampera ist angeblich technisch weit vorne. 2011 soll, nach Einenkel wird, er in Produktion gehen.  Der Ampera ist aber kein Opel, sondern nur eine Version des Chevrolte Volt. Es ist ein GM Auto. Visionen die Mut machen klingen anders. Wenigstens hat auch vor dem IG Metall Haus in Gelsenkirchen der Frühling begonnen.

Beim Westen tobt der Mob

Eine lebendige Community ist die Zierde jedes Internetangebotes. Theoretisch…

Praktisch sieht es ganz anders aus – zum Beispiel auf Welt.de und Der Westen. Beide Seiten erfreuen sich einer großen Beliebtheit unter den Kommentatoren – aber ob die eine Zierde für die Seiten sind wage ich zu bezweifeln. 

Zum Beispiel DerWesten.de: Wer sich dort in den Kommentaren umschaut bekommt das Gefühl, die Leserschaft der WAZ würde ausschließlich aus Links- und Rechtsextremisten bestehen, deren Ziel es ist auszuloten, was die Administratoren denn gerade noch so dulden.

Gestern gab es bei der Eröffnung einer Moschee in Herten eine anonyme Bombendrohung. Ein Kommentar zum Artikel von einem gewissen Rüdiger: Das ganze Ausländerpack raus! Dann geht es Deutschland wieder besser! Und Asylanten Hartz 4? Besser 9 mm. Wohliwssend dass solche Ansichten bei dem Online-Ableger der WAZ nicht beliebt sind schwadroniert ein irgendein Charly: schade nur ,das die zensur gleich wieder zuschlägt.

Auch die Linke Seite ist nicht viel differenzierter. Dort sind die Politiker von SPD, CDU, FDP und Grünen HartzIV-Verbrecher und die Bundesrepublik eine Bananrepublik, regiert von korrupten Verrätern am einfachen Manne.

Bei Stichworten wie Islam, Hartz IV oder Kriminalität kommen die intellektuellen Zombies aus ihren Gräbern und stürmen die Site.

Nun versuche ich mir vorzustellen, wie sich der normale WAZ-Leser fühlt, wenn er auf diese Community stößt. Der normale WAZ-Leser ist, daran dürfte kaum ein Zweifel bestehen, politisch fest in der Mitte verankert, im Zweifelsfall eher etwas links und alles, nur kein Freund von Extremismus. In der WAZ hat er eine Zeitung gefunden, die politisch ebenfalls ziemlich in der Mitte steht und in der es durchaus unterschiedliche Positionen gibt – und alle sind sie natürlich demokratisch und liberal. In der Community des Westens findet der WAZ-Leser dies aber nicht wieder: Hier tummeln sich die Idioten in einer so großen Zahl, dass man am Erfolg des Bildungssystems dieses Landes erhebliche Zweifel haben kann. Der normale Leser der WAZ wird sich dort nicht wohl fühlen. Wenn er, was der Idealfall ist, in seiner Zeitung ein Stück Heimat sieht, findet er sich online in der Fremde wieder. Wäre ich ein WAZ-Verantwortlicher würde mich das stören. Warum werden solche Kommentare – auch wenn sie später gelöscht werden – überhaupt zugelassen? Sie werfen ein falsches Licht auf die Site.

Ich weiß nicht wieso Der Westen das zulässt – die Trottel-Kommentare füllen die Site, schrecken aber andere ab, sich an den Diskussionen zu beteiligen. Es gibt Leute mit denen will man nicht diskutieren – noch nicht einmal online. Wir machen es hier anders (Und haben wirklich schon viel Scheiße gelöscht)  – und das hat mit Zensur nichts zu tun, sondern ist für mich eine Frage des Hausrechts. Eine Site ist so etwas wie eine Kneipe: Man will, dass die Gäste sich amüsieren und auch mal laut streiten, aber man will als Wirt nicht, dass sie sich prügeln und laut anschreien. Es geht schlicht um Niveau. Und wem dass nicht passt, der kann die Kneipe wechseln oder eine eigene aufmachen – das ist alles, nur keine Zensur.

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Zu Gast bei Walter Kempowski. Eine Erinnerung

Foto: PrimaryMaster

Heute vor anderthalb Jahren verstarb der Schriftsteller Walter Kempowski im Alter von 78 Jahren. Er gilt als einer der bedeutendsten Autoren seiner Generation. Einen Monat vor seinem Tod besuchte unser Autor Philipp Engel die letzte Lesung von Kempowskis in dessen Haus und sprach mit dem Schriftsteller.

Sein einzigartiges Collage-Werk Das Echolot. Ein kollektives Tagebuch hält auf mehreren tausend Seiten fest, was Menschen – ganz gleich ob Hitlers Leibarzt, Thomas Mann oder KZ-Häftling – während des zweiten Weltkriegs schriftlich festgehalten haben. Es verwundert kaum, dass Kempowski schon als Kind „Archiv“ werden wollte. Er hat unglaubliches geschafft, er hat die Stimmen der Toten, sowohl der Täter als auch der Opfer, vor dem Vergessen gerettet. In seinem Vorwort des Echolots beschreibt Kempowski sein archivarisches Selbstverständnis wie folgt:

Wir sollten den Alten nicht den Mund zuhalten, wenn sie uns etwas erzählen wollen, und wir dürfen ihre Tagebücher nicht in den Sperrmüll geben, denn sie sind an uns gerichtet – die Erfahrungen ganzer Generationen zu vernichten, diese Verschwendung können wir uns nicht leisten. Seit langem bin ich wie besessen von der Aufgabe, zu retten, was zu retten ist, ich habe nie etwas liegenlassen können, ich habe angesammelt, was zu bekommen war, und ich habe alles gesichtet und geordnet.“

15.10.2007 Der Literaturnachmittag bei Walter Kempowski beginnt im Nartumer Hof, einem rustikal-biederen Gasthaus, wie es in wohl jedem Dorf auf dem Land zu finden ist. Es haben sich mehr als 60 interessierte Leser zur Einführung in das Leben und Werk Kempowskis durch die Gästeführerin des Ortes eingefunden. Wenngleich die meisten Anwesenden um die unheilbare Krebserkrankung des Autors wissen, weist sie darauf hin, dass Kempowski auf Grund seines Zustandes nicht allzu lange lesen könne.

Nach etwa einer Stunde findet sich die Gesellschaft in Haus Kreienhoop, Walter Kempowskis Zuhause, ein. Der Autor betritt den großen Salon und liest aus seinem Roman Aus großer Zeit. Kempowski gehört keineswegs zu denjenigen Schriftstellern, deren Werke darunter leiden, wenn sie der Autor selbst vorliest. Er bringt seine Zuhörer mit gewohnt humorvollen Episoden mehrmals zum Lachen. Just in dem Moment als es im Roman um einen Hund geht, betritt Kempowskis Hund den Saal und lässt sich, so scheint es jedenfalls, von jedem Zuhörer persönlich begrüßen.

Man merkt, dass es Kempowski gegen Ende der Lesung zunehmend Schwierigkeiten bereitet, konzentriert zu bleiben. Nun reiche es aber, meint er nach etwa zwanzig Minuten; seine Mitarbeiterin setzt die Lesung fort. Dass es ihm gut tue, vor Publikum zu lesen, sagt mir seine Frau vorher.

Jahrzehntelang fühlte sich Walter Kempowski von der deutschen Literaturkritik durch die Nichtbeachtung seiner Bücher bestraft. Noch heute zürnt er in Interviews, die Kritik habe bewusst einen Bogen um seine Bücher gemacht. Sie sei von jeher politisch links und habe sein Werk von vornherein auf Grund seiner liberal-konservativen Haltung abgelehnt.

Schon seit Längerem hat sich dies geändert: Seine Bücher werden besprochen, die Berliner Akademie der Künste eröffnete jüngst die Ausstellung „Kempowskis Lebensläufe“, Bundespräsident Köhler hob ihn sogar in den Stand der Volksschriftsteller. Die Frage nach dem Wert seiner Arbeiten indes bleibt: Ist das langjährige Ignorieren seines Werkes tatsächlich auf politische Vorbehalte des Literaturbetriebs zurückzuführen, oder war es, ganz simpel, die ungenügende Qualität seiner Bücher?

Kempowskis Romane sind gekennzeichnet durch einen fragmentarischen, unvollendet anmutenden Stil. Nicht selten bedient sich der Romanschriftsteller des Collage-Stils, der auch seiner Chronik des zweiten Weltkriegs Echolot zugrunde liegt. Diese – zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftige, aber alles andere als unpassende – Form spiegelt Kempowskis Bestreben wider, das Vergangene in all seinen Facetten möglichst genau zu beschreiben. Im Laufe der Lektüre erzeugt ebenjene Erzählweise eine Stimmung, in die der Leser sich nur allzu gern hineinziehen lässt. Seine überaus unterhaltsamen Alexander-Sowtschick-Romane Hundstage und Letzte Grüße bilden hinsichtlich des Stils eine Ausnahme. In ihnen wird auf klassische Weise erzählt. Der Leser erhält Einblick in die Zweifel, Gedanken und Gefühle des Protagonisten und nimmt somit Anteil an seinem Schicksal. In diesen Romanen treten geschichtliche Aspekte hinter dem Menschen zurück. Kurz: Hier steht das Individuum im Mittelpunkt.

Nach Ende der Lesung habe ich die Möglichkeit, mit Kempowski in kleinem Kreis zu sprechen. Er macht einen müden Eindruck. Die von mir im Vorfeld erarbeiteten Fragen erscheinen mir mit einem Male zu aufdringlich. Ich spreche ihn auf seine umfangreiche Sammlung der Werke Thomas Manns und Thomas Bernhards an, die in seiner Bibliothek zu besichtigen sind. Kempowski ist sofort hellwach. Er sagt, dass Bernhard ein bemerkenswertes Werk hinterlassen habe, als Architekt jedoch eine Niete gewesen sei. Im weiteren Verlauf des Gesprächs reden wir darüber, dass in der ausufernden Sekundärliteratur selbst der Nachbar Bernhards, ein Schweinezüchter, ein Buch mit Erinnerungen verfasst hat. Wir lachen. Nach etwa zehn Minuten verabschiede ich mich. Der Gastgeber ist erschöpft.

Für Wolfgang Koeppen war der Nachruhm eine Farce, die Auflösung des Fleisches die einzige Realität. Wie er, Walter Kempowski, darüber denke, wollte ich ihn eigentlich fragen. In Kempowskis 1969 erschienenem Haftbericht Im Block, der seine Haftzeit im Bautzener Zuchthaus reflektiert, findet sich möglicherweise die Antwort: Wer schreibt, der bleibt, heißt es dort.

Informationen zum Autor: Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Schiffsmaklers und Reeders in Rostock geboren. Als Fünfzehnjähriger wurde er im Februar 1945 als Luftwaffenkurier eingezogen. 1948 wurde er wegen angeblicher Spionage von einem sowjetischen Militärgericht zu 25 Jahren Haft verurteilt. Acht Jahre lang saß er im früheren Zuchthaus Bautzen. Seit 1960 arbeitete er als Dorfschullehrer in Nartum, Niedersachsen. „Im Block. Ein Haftbericht.“, sein erstes Buch, erschien 1969. Es war der erste Band der 1984 abgeschlossenen „Deutschen Chronik“. 2002 erschien der letzte Titel des kollektiven Tagebuchs „Echolot“. Im Mai 2007 eröffnete die Berliner Akademie der Künste die Ausstellung „Kempowskis Lebensläufe“. Kempowski verstarb am 05. Oktober 2007 in Rothenburg.

Was ist im Sauerland los? Wieder Störfall in der Ruhr

Minister mit Kuh / Foto: MUNLV

Irgendwie muss ich des öfteren über die Wasserversorgung in NRW schreiben. Die Verhältnisse gerade im Einzugsgebiet der Ruhr, aus der wir hier im Revier mit Wasser versorgt werden, erscheinen mir teilweise katastrophal. Dabei geht es um Einleitungen in den Fluss. Der Ruhrverband wird nicht zu einer Ertüchtigung seiner Klärwerke gezwungen, obwohl dort PFT und andere Gifte durch die Anlagen in den Fluss gepumpt werden. Und auf die Felder kann offenbar jeder Dreck kommen. Selbst bei guter Aufbereitung kann nicht ausgeschlossen werden, dass hier und da eine Chemikalie in meinen Kaffeebecher oder in meine Suppe kommt.

Es wird einfach nicht ruhig um das Wasser in NRW. Innerhalb von nur wenigen Wochen kam es erneut zu einem Störfall im Einzugsgebiet an der Ruhr. Der Fluss ist das wichtigste Trinkwasser-Reservoir in NRW. Auch über den neuen Fall hat das Umweltministerium zunächst nicht die Öffentlichkeit informiert. Lediglich versteckt auf der Internetseite des Landesumweltamtes (Lanuv) wurde der Zwischenfall erwähnt.

Dabei sind die Hintergründe der beiden Fälle durchaus berichtenswert. Die Spuren der Verschmutzung führen jeweils zu Unternehmen der Lobbe-Gruppe aus Iserlohn. In beiden Störungen liegt die Ursache im schadhaften Umgang mit Abfällen. Die Lobbe-Gruppe ist eines der größten Müllunternehmen in NRW. Die Firma handelt und entsorgt grenzüberschreitend Müll aus allen Branchen.

Auch im aktuellen Fall geht es um Abfall. Und zwar sind laut Lanuv 10 Kubikmeter Flüssigmüll aus verschiedenen Biogasanlagen unter anderem aus den Niederlanden aus einem Lagertank in einen Ruhrzufluss abgegangen. Der Bach schäumte über und verfärbte sich. Die Ursache des Störfalls konnte nach Auskunft des Umweltamtes bis jetzt nicht geklärt werden. Auch über die Schadstoffe, die in den Fluss gelangt sind, gibt es noch keine Aufklärung. Bislang weiß das Amt lediglich, dass es sich vor allem um „Gärreste von Klauentier-Gülle“ aus einem holländischen Betrieb handelt. In dem Dreck wurden zudem erhöhte Werte des Tierarzneimittels Sulfadiazin in einer Konzentration von 0,27 Mikrogramm je Liter gemessen. Tests auf weitere Schadstoffe, wie PFT, laufen noch. Wie giftig die holländischen Abfälle im Wasser sind, kann deshalb noch niemand sagen.

Die Firma Lobbe hat sich bis jetzt nicht dazu geäußert, wie es zu dem Zwischenfall kommen konnte. Der Chef der Firma, Gustav Dieter Edelhoff, hat versprochen mich anzurufen, tat es aber bis jetzt nicht. (Update: Lobbe-Chef Gustav Dieter Edelhoff hat sich am Montag gemeldet. Er will mir die Sache bei einem persönlichen Gespräch direkt nach Ostern erklären. Ich schreibe dann mehr.)

Dem LANUV gegenüber hat er bereits versucht, den Störfall mit dem Flüssigmüll aus Holland zu erklären. Das NRW-Umweltministerium unter Minister Eckhard Uhlenberg (CDU) wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern und verwies auf das Landesumweltamt.

Zuvor sind Ende Februar aus Stapeltanks der Firma Lobbe mit Flüssigabfällen bis zu vier Tonnen Sulfolan in die Ruhr gelangt. Der Stoff ist direkt ins Trinkwasser der Wasserversorger durchgestoßen, selbst moderne Filter konnten die Chemikalie nicht zurückhalten. In Essen-Horst, in Hengstey und Mülheim wurden im Trinkwasser Werte von bis zu 21 Mikrogramm je Liter gemessen. Die Menschen haben den Stoff getrunken. Eine Bewertung der Chemikalie durch die Trinkwasserkomission des Bundes gibt es nicht. Die NRW-Umweltbehörden geben einen Grenzwert von 34 Mikrogramm pro Liter als unbedenklich an.

Gerade bei den Wasserversorgern im Ruhrgebiet sorgt die erneute Verschmutzung des Flusses für Ärger. Im aktuellen Fall hat die Firma Lobbe den Abfall aus Holland zu Versuchszwecken als Dünger auf Felder gekippt. Das pikante dabei: Die Felder lagen in einem Wasserschutzgebiet. Die Behörden teilten auf Anfrage mit, dass keine Genehmigung für die Düngeversuche mit holländischem Dreck notwendig war. Zur Erinnerung: Im PFT-Fall lies sich ein Teil der Verseuchung der Ruhr darauf zurückführen, dass holländischer Abfall als Biodünger getarnt verklappt wurde.

Die Frage die ich mir stelle heißt: Was zur Hölle wird da eigentlich alles auf die Felder im Sauerland als Dünger verklappt? Warum wird das Zeug aus Holland herangeschafft? Haben die da keine eigenen Felder?

Der Vorstandschef der Gelsenwasser AG, Manfred Scholle, forderte NRW-Uweltminister Uhlenberg auf, endlich ein Schadstoffkataster vorzulegen, damit die Wasserversorger nicht immer wieder von neuen Giften in der Ruhr überrascht werden. Zuvor hatte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr, Hansjörg Sander, das Kataster gefordert: „Wir müssen wissen, was ins Wasser gelangt, damit wir uns auf Probleme vorbereiten können.“ Uhlenberg verspricht dieses Kataster seit knapp einem Jahr. Passiert ist wenig. Trotzdem will er von der Kritik nichts wissen. Im Umweltausschuss des Landtages forderte er von der Wasserwirtschaft öffentlich eine Entschuldigung für die Forderung nach Aktionen.