AGR – der Ofen brennt

Gestern hat die Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) den Müllofen RZR II offiziell in Betrieb genommen. Und damit alles auf rot gesetzt. Denn wenn der Ofen mies läuft, droht die AGR zusammenzubrechen. So steht es in den Geschäftsberichten des Unternehmens.

Die Angst vor dem Ende ist sicher da: Die Müllpreise verfallen. Momentan liegen sie bei rund 70 Euro. Für das RZR II sind Preise von satt über 100 Euro kalkuliert, damit das Ding kostendeckend läuft. Ein ursprünglich geplanter Anliefer hat bereits Pleite gemacht und für einen Ausfall von 60.000 Jahrestonnen gesorgt. Einen Teil der Verluste hat die AGR nur eingefangen, da Müll, der bis dahin in den ersten Müllofen der AGR, das RZR I, gefahren wurde, ins RZR II umgeleitet wurde.

Wie eng es bei der AGR derzeit ist, kann man dem angekündigten Stellenabbau sehen. 50 Arbeitsplätze müssen weg. Die AGR gehört zu 100 Prozent dem Regionalverband Ruhr.

Nicht alles ist mies, sagt der Chef der AGR Dietrich Freudenberger mit Blick auf die neuen Geschäftszahlen seines Unternehmens für das vergangene Jahr. Zwar sei der Umsatz gesunken, von 98,6 Mio auf 92,6 Mio. Euro, doch habe wieder ein Gewinn knapp über 7,5 Mio. Euro machen können. Damit habe die Gesellschaft die Überschuldung der Vorjahre überwunden und nun wieder ein Eigenkapital in Höhe von rund 4,0 Mio. Euro.

Diese Zahlen hören sich gut an, bedeuten aber wenig, da sie nichts über die Lage im AGR-Konzern aussagen. Und nur dort ist es spannend. Denn dort sieht man wie eng die Hose schon sitzt, wenn wie angekündigt die Entsorgungsmengen von 4 Mio auf 1 Mio Tonnen gefallen sind. Im Konzern müssen die gesammelten Tochterunternehmen mit abgerechnet werden und es ist geübte Praxis in der AGR, das entscheidende Beträge zwischen den Töchten und der Mutter-GmbH hin und hergeschoben werden. Oder das Töchter in der Klemme stecken. Erst bei einem Ausgleich dieser Beträge in einer Konzernrechnung kann man sehen, wie die Lage wirklich ist. Im vergangenen Jahr lag die bilanzielle Überschuldung im AGR-Konzern bei 67 Mio Euro.

Die AGR weiß das sicher, genauso wie der Chef des Regionalverbandes Heinz-Dieter Klink. Trotzdem versuchen alle Verantwortlichen den öffentlichen Blick rein auf den Abschluss der Kern-GmbH zu lenken.

Finanzkrise als Anlaß für Optimismus

Zettel-Motivation auf Russisch: "Pfeiff auf die Krise"

Die Finanzkrise hat Russland stark getroffen. Der russische Rubel verlor ein Drittel seines Wertes gegenüber dem US-Dollar. Viele ambitionierte Bauprojekte wurden auf Eis gelegt. Die Arbeitslosigkeit steigt. Doch die Bevölkerung der russischen Kulturhauptstadt Sankt Petersburg ist nicht verzweifelt. Viele bemerken positive Folgen der Rezession und wollen die Krisenzeit als eine Chance nutzen: um eigene Firma zu gründen, ein neues Auto günstig zu kaufen, eine Ausbildung zu beginnen oder ein Baby zu bekommen.

"Die Finanzkrise ist wie ein Regen. Sie ist unangenehm, wird aber bald vorbei sein“, sagt Michail Rybasow und lächelt. Der Wirtschaftsredakteur der Online-Zeitung mergers.ru gibt zu, dass er sich über die Wirtschaftskrise freut. „Das Leben ist interessanter und der Nachrichtenticker ist reicher an wirklich wichtigen Themen geworden. Ich merke, dass viele meiner Freunde jetzt schneller und kreativer denken. Die Krise hat die Routine abgelöst“, sagt der 29-Jährige. Dass wegen der Finanzkrise die geplante Lohnerhöhung verschoben wurde und die Redaktion in das kleinere Büro umziehen musste, nehme er dafür gern in Kauf.

Wer derzeit über den Newskij Prospekt, die Hauptstraße der russische Kulturhauptstadt Sankt Petersburg, geht, sieht eine weitere positive Folge der Finanzkrise: Jedes dritte Geschäft hat die Preise reduziert, jedes zweite Café bietet Rabatte an. „50 Prozent Rabatt auf alle Torten“, „Zwei Portionen Sushi für den Preis von einer“ – steht auf den Schildchen in vielen Schaufenstern. Auf einer Informationstafel hängt neben den bunten Werbeplakaten ein kleiner gelber Zettel: „Pfeif auf die Finanzkrise! Ein föderales Unternehmen bietet Kredite ohne Zinsen für Wohnung, Job und Ausbildung.“ „Ein föderales Unternehmen? Und eine Handynummer als Kontakt angegeben?“, wundert sich Kirill Rybasow, der Bruder vom Wirtschaftsredakteur Michail Rybasow, als er den Zettel sieht.

Die Firma, die der 25-Jährige vor vier Monaten gründete, soll nach seiner Meinung eine transnationale werden. Den passenden Namen hat sie schon: Multifinance. „Von einem eigenen Unternehmen habe ich schon immer geträumt. Als mir die Zusage für eine Stelle in einer internationalen Bank wegen Sparmaßnahmen dann zurückgezogen wurde, habe ich verstanden, dass ich keinen Job zu suchen brauche und dass es keine bessere Zeit geben wird, um eine eigene Firma zu gründen.“ Arbeitskräfte sind günstig und enorm motiviert, Konkurrenten gehen Pleite, Mietpreise sinken – das sind die Gründe, warum Rybasow mitten in der Krise eine eigene Firma gründet. 18.000 Dollar hat der studierte Betriebswirt in das Beratungsunternehmen bereits investiert. Einige Dividenden sind schon spürbar. „Zur Zeit verkaufen sich Autoversicherungen wie frische Brötchen. Die Autoinhaber wollen so schnell wie möglich ihre Wagen versichern, da Preiserhöhungen drohen“, erklärt Kirill Rybasow.

Dem jungen Geschäftsmann ist es anscheinend gelungen, sich der Krise anzupassen, so wie es die Leiterin des Petersburger Psychologiezentrums Olga Kuprijanez rät: „Wir sind daran gewöhnt, stereotypisch zu denken und zu handeln. Doch die Krise ist kein normaler, sondern ein Ausnahmezustand. Die Stereotypen passen nicht. Man muss flexibel sein. In dieser Zeit kann eine Weiter- oder Zusatzausbildung helfen.“ Die Empfehlung wurde anscheinend von der Stadtregierung gehört. Denn die hat 21 Milliarden Rubel (etwa 5,8 Millionen Euro) aus dem Stadthaushalt bereitgestellt, um die Studenten weiter auszubilden. Es sollen laut Stadtverwaltung mehr gebührenfreie Studienplätze für Masterstudenten und Promovierende eingerichtet werden. Zugleich wird überlegt, ob nicht die zwölfte Klasse an den Schulen eingeführt werden soll. Derzeit lernen die Petersburger Kinder elf Jahre in der Schule.

Außerdem startete in St. Petersburg ein Umschulungsprogramm für Entlassene, für das in diesem Jahr 5,5 Millionen Rubel (etwa 153.000 Euro) bereitgestellt wurden. Dank dieses Programms können die nach dem 1. Oktober 2008 entlassen Petersburger eine neue Qualifikation für die am meisten gebrauchten Berufe erwerben. Das sind Kraftfahrer, Hilfsarbeiter, Koch, Buchalter. Die Berufe, in denen die meisten Menschen entlassen werden, sind Werbe- und PR-Experten sowie Büroangestellte.

Der Unternehmer Wasilij Baturo (48), Chef einer kleinen Logistik-Firma, will von Krise nichts wissen. Er hat sich gerade ein neues Auto gekauft, einen schicken Outlander. „Ich habe lange nachgedacht, wohin ich meine Rubel, die immer weniger wert werden, investieren kann. Die Immobilien werden billiger, mit den Devisen ist es unklar… Als ich mir die Autopreise angeschaut habe, war ich sehr überrascht, da sie enorm gesunken sind. Ich habe mir also sehr günstig eine fast neue tolle Karre gekauft“, freut er sich über seinen Kauf.

Eine etwas andere Investition hat Tatjana Ermolaeewa gemacht. Als sie im August 2008 erfuhr, dass sie schwanger ist, war sie zuerst nicht gerade glücklich, da sie damals nicht ein Kind, sondern eine Karriere plante. Nun denkt die 24-Jährige anders: „Ich sehe, dass viele meiner ehemaligen Mitarbeiterinnen entlassen wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass so ein Schicksal auch mich erwischt hätte, wenn ich in der Firma geblieben wäre. Nun verstehe ich, dass jetzt, wenn man keine Arbeit findet oder für wenig Geld arbeiten muss, die beste Zeit ist, um ein Baby zu bekommen.“ Ermolaeewa streicht ihren Bauch und schaut aus dem Fenster. Es regnet in St. Petersburg. Aber der Regen wird bald vorbei sein, hoffen die Bewohner.

 

Fotos von den Anti-Nazi-Demos in Duisburg am 28. März 2010

Impressionen von Frederik Görges – Der Sonntag in Marxloh

Neonazis in Marxloh

NPD-Nazis in Marxloh
NPD-Nazis in Marxloh

Hundestaffeln westlich der Moschee Warbruckstr

Hundestaffeln westlich der Moschee Warbruckstraße
Hundestaffeln westlich der Moschee Warbruckstraße

NPD mit Lautsprecher: Kamerad Becker ist der zweite von links

NPD mit Lautsprecher: Kamerad Becker ist der zweite von links
NPD mit Lautsprecher: Kamerad Becker ist der zweite von links

Aufmarsch der Nazis an der Warbrucker- / Ecke Goebenstraße.

Die Neonazis müssen sich vor dem Aufmarsch von der Polizei an der Warbrucker- / Ecke Goebenstraße durchsuchen lassen.

Beim Marxloher Bündnis (Fotos: Jens Kobler)

Die Linke live in Essen: Landesparteitag

Es wird viel gewählt werden an diesem Samstag, hauptsächlich die Landesliste für die Bundestagswahl 2009. Nach einem Freitag mit einigen Anträgen und den üblichen Formalia stand Samstag morgen schon recht früh wieder Oskar Lafontaine (Fotos: Die Linke) auf dem Programm – er will noch zur Demo "Wir zahlen nicht für eure Krise!" nach Frankfurt. Dann ging es mit einigen Foto- und Zitats-freundlichen Reden und Posen um Opel. Man wolle Opel General Motors wegnehmen und den Arbeitern überantworten. Und damit live in’s Geschehen und zum Alltag der Delegierten – die Demo und "Oskar" gibt es ja im Fernsehen heute abend.

11:30 Uhr: Man ist dann doch erst bei Tagesordnungspunkt 2 c) statt 8 und sucht Personal für das Wahlprocedere. Das Präsidium schlägt vor, bis Listenplatz 10 zu wählen, egal wie lange es dauert. Keine Änderungsanträge. Tagesordnung verabschiedet. Das ging fast einstimmig. Dann aber doch noch ein wenig Bemühungen, das Ganze noch weiter zu straffen, auch ohne "Gefälligkeitsfragen" und "Abschussfragen". Daher sollen Fragen an die KandidatInnen für die Listenplätze vorher schriftlich eingereicht werden. Man möge auch nur kurz antworten, Redezeit solle KandidatInnen nur beim erstmaligen Kandidieren gewährt werden, etc.

12:00 Uhr: Draußen vor der Tür berichtet die Raucherfraktion von einem äußerst disziplinierten Freitag. Eine Delegierte konstatiert: "Das beweist doch: Die Linke ist lernfähig." An den Stehtischen vor der Halle im Inneren steht u.a. Frau Wagenknecht im kleineren Kreise, an Infoständen gibt es diverses Material: "Make NATO History!". "Fight Precarity!". Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. wirbt mit Slogans wie "Privilegien der Kirchen in Deutschland abschaffen!" und "Gegen den Einzug der Kirchensteuer durch den Staat". Mehr Demokratie e.V. sammelt für "Volksentscheid ins Grundgesetz". Arbeitsberichte der Abgeordneten, Aufrufe der Jugendverbände, Zeitungen einzelner Kreisverbände. Wieder im Saal wird ein Papier mit Auszügen aus der Rede Lafontaines verteilt. Erster Satz: "Es gilt, keine Minute zu verlieren, um den Sozialismus in diesem Lande zu verwirklichen". Die Kollegin zur rechten in den Pressereihen kommentiert: "Dabei war das ja wohl die sozialdemokratischste Rede, die er in den letzten Jahren gehalten hat." 

12:30: Der Listenplatz eins für die Gewerkschaftssekretärin Ulla Lötzer geht ohne Gegenkandidatur durch. Ihre Schlagworte: "Rekommunalisierung", "Banken in die öffentliche Hand", "den Brandstiftern wie Merkel (und Schröder) nicht das Löschen überlassen", sondern den für die Versammlung den Titel stellenden  "Schutzschirm für die Menschen" bauen. Keine Fragen an die Kandidatin. Wie aus den vorher via Internet veröffentlichten Antworten auf Fragen aus der Partei zu erfahren ist, spendet Frau Lötzer aus ihrer Diätenerhöhung an das Stadtteilzentrum Buchforst in ihrem Wahlkreis und muss sich dazu äußern, warum die Gewerkschaften die heutige Demonstration nicht unterstützen. Sie verweist im Grunde auf ihre parlamentarische Arbeit und erwähnt, dass die Entstehung von Die Linke überhaupt erst einmal zur "Bewegungsfähigkeit" der Gewerkschaften in Deutschland beigetragen habe. Es wird ausgezählt, Material verteilt, hier und da etwas verlesen, gelesen, diskutiert. Brötchen gegessen.
Auf der Leinwand hinter dem Podium werden auch mal Kuchendiagramme gezeigt, welche Partei wie viele Spenden von wem bekommt. Irgendwie erhält Die Linke keine Spenden, laut dieser Statistik. Oh, dann doch: 222.799 Euro von "Mitgliedern, Freundinnen und Freunden". Die CDU ist Spitzenreiterin der Spendencharts mit gut dem zehnfachen Betrag. Dann liest Landessprecher Wolfgang Zimmermann, eher sehr nüchtern, sachlich und kurz ein Grußwort des DGB-Vorsitzenden von NRW vor. Es folgen ein paar stumme Werbespots mit malenden Mädchen und ähnlichem. Ulla Lötzer wird gewählt, mit 138 von 198 Stimmen. 39 mal "Nein", 21 Enthaltungen. Glückwunsch und Applaus, weiter geht es: Hüseyin Aydin (Ex-SPDler) gegen Ulla Jelpke ("Komm mit in die Friedenslok!", "Nazis weg von den Straßen!") um Platz 2. Detlef Hertz wird vorgeschlagen, will aber nicht bzw. darf aber nicht in den Ring. Dann: Reden, Rhetorik, Kampf um Stimmen. Aydins Rede gerät recht laut und anstrengend. Tipp: Der wird es nicht.

14:00 Uhr: Ende der Mittagspause, in der die Kameras und JournalistInnen ihre Vorlieben für das Thema "Wagenknecht" nicht gerade verhehlt haben. Die kommt dann aber erst für Listenplatz 5. Genau hiernach steht dann auch eine Pressekonferenz an. Klare Dramaturgie. Und der Listenplatz 2 der Landesliste Die Linke NRW für die Bundestagswahl 2009 geht an…: Ulla Jelpke. Mit 119 gegen 71 Stimmen. Ein Video aus Berlin wird via You Tube eingespielt.
Es folgt das Duell um Listenplatz 3: Inge Höger (bezeichnet sich als Abrüstungsexpertin; Abschlussatz: "Wir zahlen nicht für eure Krise und wir zahlen nicht für eure Kriege!") gegen Ingrid Remmers (eher mit sozial- und familienpolitischer Note). Nach den Reden die Stimmabgabe und dann direkt vier Vorschläge für Platz 4 und die entsprechenden Vorstellungen. Das wirkt jetzt zunächst recht demokratisch, gar nicht wie Strömungs- oder Flügelabsprachen, und das Auditorium lauscht den Kandidaten. Genau, es wird ja quotiert, das ist jetzt die ganz große Männer-Rutsche. Der realistische Tipp: Paul Schäfer, der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, wird es machen. Inge Höger hat es für Platz 3 schon geschafft, aber recht knapp.

15:15 Uhr: Britta Pietsch (Betriebsratsvorsitzende und Krankenschwester, Schwerpunkt Gesundheitspolitik) gegen Sahra Wagenknecht (Kommunistische Plattform, Parteivorstand). Spannend ist das alles noch nicht, der "people mix" von Die Linke NRW sieht allerdings ganz ordentlich aus, mit gewerkschaftlich Orientierten auf den Spitzenplätzen und dann noch etwas Extra-Prominenz danach. Zwei türkisch-stämmige Ex-LandeslistenvertreterInnen sind dafür aber definitiv nicht mehr auf den aussichtsreichsten Plätzen zu finden. Hüseyin Aydin kandidiert nach der Niederlage gegen Ulla Jelpke neben einigen vielen anderen für Platz 6. Zu seinen Gunsten zieht ein Kandidat denn auch direkt zurück. Und die drei, die für Platz 4 nicht gewählt wurden, kandidieren ebenfalls nicht für Platz 6. Einzige Kandidatin für Frauenquotenplatz 7 ist fast erwarteter Weise Sevim Dagdelen. Der realistische Tipp: Das muss Aydin also eigentlich machen. Und Dagdelen auch.
Aber parallel dazu findet auch die Pressekonferenz der SpitzenkandidatInnen statt. Mit Paul Schäfer (59,2 Prozent) für Platz 4 und Sahra Wagenknecht für Platz 5 natürlich, die 143 von 202 Stimmen holt. Man singt "Vorwärts, und nicht vergessen!", Blitzlichter, etc.

17:00 Uhr, Nachtrag: Es war eine sehr entspannte Pressekonferenz. Man trete gegen alle anderen Parteien an, nicht nur gegen die SPD. Die Frage nach möglichen Koalitionen sei nicht so entscheidend wie die gesellschaftliche Veränderung durch das Agieren der Partei, zum Beispiel in die Gewerkschaften hinein. Im Saal: Hüseyin Aydin musste noch in die Stichwahl gegen Andrej Hunko. Es wird noch gezählt. Sevim Dagdelen erhält weit über 70 Prozent für ihren Platz 7.

19:00 Uhr, letzter Nachtrag: Andrej Hunko hat sich tatsächlich auf den fast aussichtsreichen sechsten Listenplatz geschoben. Den achten erhält der Jungkandidat Niema Movassat von der linksjugend. Das sieht nun insgesamt recht plausibel aus, man fragt sich aber schon, was Hüseyin Aydin alles falsch gemacht hat. Die folgenden Plätze des Samstags und Sonntags werden nämlich nicht von großer Bedeutung sein.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Community: Barcamp2 gestartet…Pottblog

Bochum: Cross Border Leasing soll beendet werden…Der Westen

Weltall: Signale von der Venus…Ruhr Nachrichten

Diabolisch: Teufel ausgetrieben…Der Westen

Ausstellung: Living Stones…Der Westen

Schalke: Kahn gibt Korb…Spiegel

Promis: Trubel um den Steiger…Ruhr Nachrichten

Online: Journalisten, Leser, Blogger…2.0

 

Bundestagspräsident kandidiert für Ruhrparlament

Die CDU hat heute ihre Liste für das Ruhrparlament aufgestellt. An der Spitze steht erneute Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Ihm folgen Hermann Hirschfeld aus Bottrop und Landtagspräsidentin Regina van Dinther. Der noch recht frisch gewählte Chef der CDU-Ruhr, Oliver Wittke betonte, dass die CDU anders als andere Parteien nicht die dritte Wahl ins Ruhrparlament schicken würde sondern Spitzenkräfte und betonte die gestiegene Bedeutung des Ruhrparlaments nach der Kommunalwahl: "Seit 1975 wird das Ruhrgebiet erstmals wieder im Planungsbereich über sich selbst bestimmen. Das ist ein Erfolg der Landesregierung und der CDU Ruhr."

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Ruhrparlament, Roland Mitschke, zog eine Bilanz der letzten Jahre: "Die RVR Spitze ist so schwach und gilt bei den Kommunen als so inkompetent, dass die Städte immer häufiger ohne den Verband kooperieren. Das Ruhrgebiet droht in Teilräume zu zerfallen."

Sollten die Mehrheiten im Ruhrparlament ausreichen, die Union sieht eine politische Nähe im Revier zur FDP und zu den Grünen, will man auch für die Verbandsleitung Spitzenkräfte aufstellen – Namen wurden allerdings nicht genannt. Schade. Schade auch, dass das Ziel eines eigenen Ruhrbezirks anscheinend nicht mehr ganz oben auf der Tagesordnung der Union steht. Zu groß scheinen die Widerstände aus der Provinz und Teilen der FDP als dass Wittke umd Lammert noch daran glauben, dieses Projekt in absehbarer Zeit umsetzen zu können. Wittke: "Jetzt muß dass Ruhrgebiet erst einmal zeigen, dass es mit den neuen Kompetenzen umzugehen weiß. Erst dann können wir neue Forderungen stellen." Das klang vorein paar Jahren noch anders.

Thyssen-Chef gesteht Fehler ein – Kündigungen nicht ausgeschlossen

Logo: tonwertkorrekturen

Der Stahlkonzern ThyssenKrupp ist auch wegen Fehler von Vorstandschef Ekkehard Schulz in die Krise gerutscht. Auch er habe welche gemacht, sagte der 67-Jährige. So nannte er die Großprojekte in Brasilien und den USA, bei beiden liefen die Kosten aus den Ruder. „Da hätte ich früher eingreifen müssen.“

Der Aufsichtsrat von ThyssenKrupp stimmte heute dem von Schulz vorgeschlagenen Konzernumbau zu. Statt fünf Sparten soll es künftig nur noch zwei geben; die mächtige Stahlsparte verliert dabei an Bedeutung. In den vergangenen Monaten war Stahlchef Karl-Ulrich Köhler intern immer stärker unter Druck gekommen. Grund waren die Investitionen von sieben Milliarden Euro in Amerika; ursprünglich war nur ein Bruchteil davon veranschlagt worden.

Leidtragende werden nun die Beschäftigten sein, die sich auf schärfere Einschnitte einstellen müssen, als sie wegen der Stahlkrise hätten befürchten müssen. Es zeichnet sich ab, dass mehrere Tausend Arbeitsplätze wegfallen werden. Mit als erstes muss Köhler gehen, der Ende März aus dem Konzern ausscheidet. Kündigungen werden nicht ausgeschlossen.

Wie Schulz sagte, sind bereits 30.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Ein Hochofen in Duisburg wurde bereits stillgelegt. Die Schließung von Standorten in Nordrhein-Westfalen schloss Schulz aus.

Wenn der Störfeldanalytiker versagt

Der Rechungsprüfungsausschuss des Kreises Recklinghausen will, dass Landrat Jochen Welt (SPD) nach zahlreichen Unregelmäßigkeiten rund um Heilpraktikerprüfungen und Elektrosmogabwehrgeräte seine Ämter ruhen lässt – Welt sieht dafür keinen Grund.

Die Gesundheit seiner Mitarbeiter ist dem Kreis Recklinghausen viel wert: Auf Kosten des Kreises ließ sich Michael K., der meist im nordhessischen Kassel weilende Sicherheitsbeauftrage des Kreises, zum Störfeldanalytiker und Bioresonanztherapeuten ausbilden. Um auch auf alle möglicherweise auf ihn zukommenden Fragestellungen kompetent vorbereitet zu sein, besuchte K. auch noch Seminare bei der Isis Lebensberatung und Bioenergetik. Und um das Gelernte auch anwenden zu können, schaffte K. gleich auch noch Isis-Kugeln, Wünschelruten, Lichtkörper-Transformatoren und kegelförmige Elektrosmog-Störgeräte an. Und weil K. sich auch noch gleich selbst einen Heimarbeitsplatz im Schatten des Herkulesdenkmals zugestand, kostete sein Wirken in den vergangenen Jahren zusätzlich zu seinem Gehalt weitere 35.000 Euro – sportlich gerechnet. Dazu kommen noch einmal 500 Stunden seiner wertvollen Arbeitszeit, die zwar bezahlt, aber nicht nachweisbar sind. An der Zeiterfassung nahm K. nicht teil.

Obwohl K. als Sicherheitsbeauftrager des Kreises über einen eigenen Etat verfügte – mit dem er, die Welt ist eben voller gefährlicher Energieströme – nicht auskam, mussten seine Ausgaben immer genehmigt werden: Die Rechungen für Seminarkosten und Isiskugeln wurden von Wolfgang Gottschalk, dem Leiter des Fachdienstes für "Landratsangelegenheiten und Controlling" abgezeichnet, die Rechnungen der Reisekosten von Wolfgang Welt persönlich.

Schade nur, dass 90 Prozent der Schulungen und Fortbildungen von K., so das Urteil des Rechnungsprüfungsauschusses, keinerlei Bezug zu seinem Dienst hatten. Doch der Ausschuss beschäftigte sich nicht nur mit K. sondern auch mit dem Landrat– immerhin ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum seit Monaten nicht nur wegen Untreue gegen K. sondern auch gegen Welt: Der Landrat hat sich weitergebildet – mit Management Seminaren für Führungskräfte, ebenso wie durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema Heilpraktiker: Auf Kosten des Kreises schaffte der Landrat sich Literatur an, die ausreicht, um sich auf eine Prüfung zum Heilpraktiker vorzubereiten. Nach einem Protokoll der Ausschusssitzung, das mir vorliegt, Übungen, Checklisten und Prüfungstipps sowie ein Exemplar eines Heilpraktikerlehrgangs  Psychotherapie Fernlehrgang. Die Kosten – 573 Euro, zuzüglich der Besuch von Fortbildungen, deren dienstlichen Bezug die Personalabteilung des Kreises, der Fachdienst 11, nicht nachvollziehen konnte.

Beim klammen Kreis Recklinghausen saß die Brieftasche offensichtlich locker – wenn es um die Wünsche von Landrat Jochen Welt und die des Sicherheitsbeauftragen Michael K. ging. Kontrolle? Nö, warum denn?

Gründe genug für CDU und Grüne, Landrat Jochen Welt aufzufordern, bis zur Klärung der Vorwürfe sein Amt ruhen zu lassen – zumal im Ausschuss Vorwürfe gegen Welt erhoben wurden, mit Prüfungsaufträgen das Rechnungsprüfungsamt lahmzulegen. Beiden Parteien setzten einen entsprechenden Antrag auf der gestrigen Sitzung durch – die SPD nahm an der Abstimmung nicht teil.

Naturgemäß sieht Jochen Welt die Dinge etwas anders: „Als ich von einer Reise wiederkam, stand ein kegelförmiges Gerät in meinem Büro. Als ich fragte, was das sei, wurde mir erklärt, es würde gegen Elektrosmog schützen. Ich habe das Gerät entfernen lassen, weil ich das für Humbug hielt. Ein Baubiologe hat dann jedoch eine Strahlenbelastung festgestellt, die mittlerweile abgestellt wurde.“
Welt sieht sich in erster Linie enttäuscht: „Ich trete Mitarbeitern mit Vertrauen entgegen, auch unserem Sicherheitsbeauftragten. Ich habe erst sehr spät erfahren, dass er seine Aufgaben sehr extensiv definiert hat und habe das dann auch unterbunden.“ Warum er denn die Reisekosten von K. noch im Nachhinein genehmigt hätte, als schon offensichtlich war, dass Kullmer argen Unfug trieb: „Da waren ja die Kosten schon angefallen,“ erklärt Welt. Hinterher, so der Landrat, sei man manchmal klüger.
Dass Kullmer sich selbst einen Heimatarbeitsplatz zugewiesen hatte, sei von ihm ebenso wenig geduldet worden wie die vielen Fortbildungen: „Ich habe ihm klar gemacht, dass ein Sicherheitsbeauftrager vor Ort zu sein hat, und dass er seine Fortbildungen wie jeder andere zu beantragen hat. Ein Sicherheitsbeauftragter hat aber vom Gesetz her Freiheiten – und die wurden von dem Betreffenden und denjenigen, die ihn zu kontrollieren hatten, sehr weit ausgelegt.“ Er könne sich schlicht nicht um jede einzelne Rechnung kümmern. „Ich vertraue meinen Mitarbeitern. Dass was schief läuft, habe ich erst erfahren, als alles zu spät war.“

Um seine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern auch in Zukunft leisten zu können, habe er sich auch auf Managementseminaren fortgebildet: „Auch eine Führungskraft kann und sollte immer bereit sein, etwas zu lernen. Die Kritik an meinen Fortbildungsseminaren kann ich nicht nachvollziehen.“ Auch weitere Vorwürfe des Ausschusses gegen ihn seien unbegründet: Restaurantbesuche in Berlin für 500 Euro? „Hat es nie gegeben.“ Vom Kreis bezahlte Reisen nach Stockholm? „Eine offizielle Reise zu unserem Partnerkreis Sörmland.“ Dem ist der Kreis Recklinghausen seit 1987 freundschaftlich verbunden.
Auch für die intensive Beschäftigung der Kunst der Heilpraktiker führt Welt gute Gründe an. „Gesundheitswirtschaft ist ein wichtiges Thema für den Kreis. Ich wollte auch bei diesen Fragen kompetent sein.“ Zudem hätte er während seiner Beschäftigung mit dem Thema Heilpraktikerprüfung viel über Medizin gelernt: „Wenn sie sich mit den Problemen ihrer Mitarbeiter so beschäftigen, wie ich es von einem Chef erwarte, ist ein solches Wissen wichtig.“ Als Heilpraktiker habe er nie arbeiten wollen und die Prüfung ja auch nicht abgelegt. Der Verzicht war allerdings nicht ganz freiwillig: Der Vestische Gesundheitsdienst riet Welt davon ab – nachdem er am 24. Juni vergangenen Jahres die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie beantragt hatte.
Gut, so das Fazit, ein paar Kontrollen hätten besser laufen können, er sein enttäuscht worden, aber sich selbst habe er nichts vorzuwerfen.

Nach seiner Zeit als Landrat will Welt in der Politik- und Projektberatung tätig sein. Eine Firma wurde schon gegründet. Ein eher handfestes und bodenständiges Gewerbe, bei dem ein paar gute Kontakte nicht schaden – ein handfester Skandal allerdings schon.

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(Update) Es gibt nur ein…

. . . Rutti Völler (klick)

Der FC Schalke sucht bekanntlich immer noch händeringend einen neuen Trainer-Manager, oder beides. Nach DFB-Mann Oliver Bierhoff (Absage), VW-Mann Felix Magath (Absage), China-Mann Olli Kahn (laut kicker, klick: auch Absage!)  haben sie sich jetzt an Nationalheld, Ex-Bundestrainer und Leverkusens Manager Rudi Völler herangemacht. Für den professionellen Fleischbeschauer Clemens Tönnies passe "Rudi Völler zu 100 Prozent". Stimmt, Herr Tönnies! Vor allem optisch. Mit etwas Retouche (s.o.) könnte man auch die Autogrammkarten vom gerade gekickten Trainer Fred Rutten einfach weiter verwenden. Das spart dem klammen Club viel Geld.

PS: Leider dementiert Bayer Leverkusen die Geschichte. Rudi, sagt Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, habe ihm gesagt, an der Sache sei nichts dran. Schade. Clemens, die Suche geht weiter!  

Montage: Ruhrbarone

Update: Welt geht nicht unter

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Kreises Recklinghausen hat Landrat Jochen Welt (SPD) aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen.

Selbst die eigenen Leute standen am Ende nicht mehr hinter ihm: Als CDU und Grüne im Rechnungsprüfungsausschuss des Kreises Recklinghausen den Antrag durchbrachten, dass Welt seine Ämter ruhen lassen solle, beteiligten sie sich nicht an der Abstimmung.

Vorausgegangen waren Wochen, in denen offensichtlich wurde, dass der Sicherheitsbeauftragte des Kreises, Michael K., unter den Augen von Welt tausende Euros für Esoterik-Spielzeug ausgegeben hatte –  und Welt das nicht weiter schlimm fand: Er selbst hat auf Kreiskosten Esoterikkurse besucht, und auf seinem Schreibtisch sollen Isis-Kugeln gestanden haben – zum Schutz gegen elektrische Schwingungen und was sonst so alles unangenehm sein kann.

Welche rechtlichen Konsequenzen der Beschluss des Rechnungsprüfungssauschusses haben wird, ist noch unklar – Welt will bei den Landratswahlen im Sommer ohnehin nicht mehr antreten.

In einem Gespräch mit den Ruhrbaronen erklärte Jochen Welt jedoch, dass er nicht vor habe, sein Amt als Landrat ruhen zu lassen. Er habe sich nichts vorzuwerfen, sei Beamter und könne daher seine Arbeit nicht einfach so liegenlassen.

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