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Strafermittlungen gegen Essener SPD-Bundestagsabgeordnete

Die Staatanwaltschaft Essen hat nach meinen Informationen ein Strafermittlungsverfahren gegen die Essener Bundestagsabgeordnete Petra Hinz (SPD) wegen des Verdachts auf Steuerstraftaten eingeleitet. Der Essener Abgeordneten wird den Angaben zufolge vorgeworfen, seit 2003 keine ordentlichen Steuererklärungen beim zuständigen Finanzamt abgegeben zu haben. Bis jetzt ist noch nicht viel klar. Nur soviel kann offensichtlich ausgeschlossen werden, dass Hinz von parteiinternen Gegnern angeschmiert worden ist. Die Ermittlungen gehen wohl auf eine Anzeige des Finanzamtes zurück.

Die Immunität der Bundestagsabgeordneten Hinz wurde bereits aufgehoben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen bestätigte, dass Ermittlungen aufgenommen worden seien. Zu den Details wollte er mit Verweis auf das Steuergeheimnis keine Auskunft geben. Die Abgeordnete Hinz war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Sobald ich von ihr eine Stellungnahme habe, werde ich diese hier einbauen.

Bei der SPD-Bundestagsfraktion trifft die Causa Hinz auf Unverständnis. Die Abgeordnete ist bereits die zweite SPD-Politikerin in dieser Woche, deren Immunität wegen Strafermittlungen aufgehoben worden ist. Während der Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss aus Baden-Württemberg nach Vorwürfen der Verbreitung von Kinderpornographie bereits zurückgetreten ist, hält Hinz zunächst weiter an ihren Ämtern fest. Die wegen möglicher Steuerstraftaten verfolgte Hinz ist für die SPD Mitglied im Haushaltskontroll- und im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundes. In der SPD gilt es als kaum vermittelbar, dass ein Haushaltsaufseher seinen eigenen Haushalt nicht im Griff hat. Offiziell will die SPD-Bundestagsfraktion keine Stellung beziehen. Intern heißt es: „Wir erwarten bis Mittwoch eine ordentliche Erklärung der Vorgänge, sonst ist Hinz nicht zu halten.“ Offiziell ist die Chefin der NRW-SPD, Hannleore Kraft, über den Vorgang informiert worden. Diese übertrug die Klärung dem Essener Unterbezirk. Vor Ort soll geregelt werden, was mit Hinz weiter passiert.

Die 46-Jährige SPD-Politikerin aus Essen zog nach einer langen Karriere als Kommunalpolitikerin 2005 in den Bundestag ein. Zuvor war sie im Rat der Stadt Essen Vorsitzende des Rechnungsprüfungs-, Haupt- und Finanzausschusses.

Paradoxie der Alltagsmoral – Heute: Protest gegen Essener Straßenstrich

Der Essener Straßenstrich eröffnet heute auf neuem Terrain. Anwohner sind entsetzt über die Nähe der Sexbranche. Doch wie gerechtfertigt ist die Kritik tatsächlich?

Prostituierte Foto: Wikipedia

Es ist soweit. Am Ex-Kirmesplatz werden nun Prostituierte arbeiten. Sehr modern und besonders sicher wurden für sie die grünen Verrichtungsboxen gefertigt. Es gibt sogar einen Notknopf, mit dem Alarm geschlagen werden kann. Die Boxen haben die Größe einer Einfahrt, damit die Wohnwagen der Damen oder die Autos der Kunden Platz finden. Klar ist: so etwas geht nicht ohne Protest über die Bühne. Und so beklagen Anwohner und Pädagogen die Präsenz des Milieus. Schließlich liegen in der Nähe Schulen. Eltern fürchten, um den Einfluss auf ihre Kinder. Grund genug zu fragen: was genau bewegt hier eigentlich zur Kritik? Ist es tatsächlich die Angst vor schlechtem Einfluss oder verstecken sich andere Gründe hinter dem Aufgebot?

Sicherlich ist es nicht wünschenswert, dass Kinder über einen Straßenstrich laufen. Dort gehören sie schlichtweg nicht hin. Fraglich ist jedoch, ob dies passiert, nur weil sie im Umfeld zugegen sind. Denkbar ist, dass Kinder mit der Existenz des Gewerbes konfrontiert werden. Insofern die Eltern mit ihren Schützlingen vernünftige Gespräche über solche Themen führen, muss das Wissen aber noch lange keine Bedrohung sein. Nun gut, Sex gegen Geld ist nicht die Idee, die als erste in Kinderköpfen über Sexualität erklingen sollte. Doch sie ist ja auch nicht die einzige.
Vielmehr sollte wohl darauf geachtet werden, dass Kindern das richtige Gedankengut mitgegeben wird. Ob sie nun davon wissen, dass manche Menschen mit Sex ihr Geld verdienen oder nicht, kann kaum schaden, solange das richtige Fundament da ist. Vielleicht fehlt dieses aber an vielen Stellen. Und so sind Eltern beunruhigt, weil sie mit ihren Kindern nicht über Prostitution sprechen können oder wollen. Die Nähe der Branche entzieht ihnen aber gewissermaßen die Entscheidungsgewalt darüber, was angesprochen wird und was nicht. Eltern sind Kontrolle gewohnt, Verlust unerwünscht. Schädlicher als das besprechen von heiklen Fragen, scheint aber vielmehr das Schweigen zu sein. Unsere Welt lässt sich nicht ändern, indem Teile aus dem Gespräch verbannt werden.

Und da ist noch das Problem der fehlenden Revolte. Denn andererseits ruft das Volk eben nicht zum Protest, wenn er dringend gebraucht wird. Das altbekannte Problem der sozialen Nähe. Der Mensch beklagt und hilft gerne in seiner unmittelbaren Umgebung. Das interessiert. Dinge außerhalb des Sichtfeldes bekommen weniger Aufmerksamkeit. Und so bleibt zu sagen, dass es verwundert, wenn Eltern sich gegen die Essener Szene wehren, obwohl Anderes viel lauter nach Kritik schreit. Es darf nicht hingenommen werden, dass Kinder zu viel Fern sehen und kaum Diskurs mit den Eltern haben. Es ist fatal, wenn die Kleinen übergewichtig sind und nicht einmal die Namen von Pflanzen in ihrem Umfeld kennen. Es ist beunruhigend, wenn Kinder zwischen Hautfarben unterscheiden. Und letztlich ist es schlichtweg absurd, wenn Eltern gegen den Straßenstrich aufwarten, hingegen keinen Finger rühren, wenn Kinder die Schuhe gefertigt haben, die sie an den Füßen tragen. Wenn Kinder ihr Leben als Soldaten verbringen und es niemanden interessiert. Wenn Kinder zur Prostitution gezwungen werden und alle wegschauen.

Zurüttgers in die Zukunft (II): Rütte verliebt?

Wie gesagt. Heute Königswinter, große Gespräche über Nordrhein-Westfalen 2025. Mit Maffay, Thomsen, Großmann, und und und. Mittenmang ein kämpferischer Ministerpräsident. Jürgen Rüttgers hat einen echt bösen Brief an GM-Carl Peter Forster in Sachen Opel geschrieben, die Europaführung handle "irritierend", hat der CDU-Vize ins Diktaphon gebrüllt. Und dann warf Dr. Rüttgers gerade einen Hammer-Spruch in die Presse-Runde. Die Schließung von Fabriken dürfe keinesfalls herbei geredet werden. "Jetzt müssen wir ins Gelingen verliebt sein und nicht ins Scheitern."

Und jetzt die Ruhrbarone-Preisfrage: Welche großen Vorredner hat Jürgen Rüttgers zitiert?

a) Johannes Rau (SPD)
b) Peer Steinbrück (SPD)
c) Wolfgang Clement (S äh FPD)
d) Ernst Bloch (SDS)

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Die Geschichte vom Gutmenschen und wie das Gute verloren ging

Es geht in dieser Geschichte um einen Biokostproduzenten, Aktien und eine Firma mit Ruf. Rapunzel. Unser Gastbaron Erwin Franke berichtet:

Foto: Jubelrapunzels pro Chefmillionär contra Aktionäre / www.boersenalltag.de

Seit vielen Jahren kaufe ich Naturkost im Ökoladen, schön groß und hell sind sie geworden. Aber, die Lebensmittel sind die gleichen geblieben, mit Biosiegel. Seit vielen Jahren kaufe ich Rapunzel Naturkost Produkte. Und als es die Gelegenheit gab, auch mein Geld ökologisch korrekt und sinnvoll zu investieren, da habe ich auch gleich noch Aktien der tollen Ökomarke Rapunzel gekauft. Rapunzel und im besonderen sein Vorstand Joseph Wilhelm steht für die echte authentische Ökobewegung, fairer Umgang mit einander und ethisch-moralische Werthaltigkeit. Da zahle ich auch gerne noch was mehr, damit die Kaffeebauern in Ecuador gerechte Preise bekommen.

Aber, dass mit der Gerechtigkeit, dem fairen Umgang und dem Gewissen, daß habe ich auf der Hauptversammlung der Rapunzel Naturkost AG in Legau am Montag dann auch mal kennen gelernt: Das Rapunzel eine Aktiengesellschaft geworden ist, hat damit zu tun, daß das Management sich beim Spekulieren vor Jahren an der Warenterminbörse verzockt hatte. Über Jahren hinweg war sowohl dem Management als auch dem Wirtschaftsprüfer nicht aufgefallen das Millionen in der Kasse fehlten. Eine die Ökobewegung umfassende Hilfsaktion hatte Anfang der 90er Jahre den Naturkostpionier gerade noch gerettet. Dies zum Preis von Miteigentümern in Form von Aktionären. Diese über die Jahre hinweg willig alles von Joseph Wilhelm abnickten, Hauptversammlungen waren ein fester Bestandteil der alternativen Szene um sich auszutauschen und zur Stärkung des „wir-sind-die-richtigen-Gefühl“ da.

Die nun einberufene außerordentliche Hauptversammlung offenbarte aber ein ganz anderes Bild eines Vorstandes und seines Unternehmens, dem wohl die Werte verloren gegangen sind. Der frühere Helfer als bedingungsloser Eigenkapitalgeber war nun unerwünscht. So wurden wir schon vor dem Eingang von organisierten Protestlern mit Schildern wie „Spekulanten raus aus der AG“ begrüßt. Joseph Wilhelm saß entrückt auf dem Podium und lies sich von seinen 180.000 Euro teuren Berater des Rechtsanwaltsbüros Taylor&Wessing soufflieren, was er sagen durfte und was nicht. Ja, die ganze Kantine war von Wirtschaftsprüfern der BDO und KPMG besetzt, die insgesamt über 800.000,00 Euro verschlungen. Sie hatten das Ziel, die unliebsamen Helfer von einst loszuwerden. Denn die Rapunzel Naturkost AG war mittlerweile eine sehr profitable Gesellschaft geworden und da will der Joseph nicht mehr teilen.

Bei einem Umsatz von über 100 Mio. Euro Umsatz fallen um die  4 Mio. Euro netto Gewinn an. Das Gehalt von Joseph W. in Höhe von 45.000 Euro (monatlich) plus Dividende addiert sich auf ein Jahresgehalt von 760.000 Euro reichte ihm nicht mehr. Er will nun alles. So richtig schwer mußte Herr Wilhelm dafür nicht mehr arbeiten, letztes Jahre ging er medienwirksam in seiner Beschäftigungszeit dem liebsten Hobby nach, er ging für 51 Tage Wandern, während der Arbeit versteht sich. Nun saß er ganz entrückt auf der Bühne und verhaspelte sich dabei, ob er nun die Jubelperser vor der Tür organisiert hatte oder doch nur davon gewußt hatte, das seine Mitarbeiter solch einen Protest für Ihren Millionären organisierten. Aber es wurde noch besser: Ein unfaßbares Theater wurde geboten, da konnte der Aufsichtsratsvorsitzende plötzlich nicht mehr sehen, „mir ist da vor ein paar Wochen was passiert“, dann tauchte der Opa der Prokuristin im Saal auf und führte die Versammlung einige Minuten, um diese dann an Herrn Leo Kirch RA Franz Endele (Klagt sonst auf HV gegen die Vorstände) zu übergeben.

Herr Endele, war rein zufällig die 180 km aus München gekommen um auf der Hauptversammlung sein Stimmrecht in Höhe von 1 Stimme wahrzunehmen. Schön war zu erfahren, daß Ihm der Preis von € 7.000 für die Führung der Hauptversammlung „auf dem Parkplatz zugerufen wurde“. Die anwesenden Ökoaktionären hatten aber eher den Eindruck, hier wurde ein Plattmacher gebucht um die unliebsamen Idealisten auszuschalten. Aber nicht nur auf der Bühne saßen die raffgierigen Kapitalisten. Unter den Aktionären waren die neben den vielen Idealisten auch vier Berufskläger und ein Richter gemischt, die gegen die Gesellschaft polterten. Und so saßen nun auf der Bühne neben Joseph Wilhelms die neu erworbenen Freunde neben Berufsklägern und im Saal die Idealisten zwischen weiteren Berufsklägern. Oh je Rapunzel, was ist aus deinen Idealen geworden, verkauft und verraten!

Köln: Die Frage nach der Verantwortung

Der Kollege Dirk Graalmann nimmt heute in der Süddeutschen den Kölner Junior-Verleger Konstantin Neven DuMont als Kronzeugen für die Frage nach der politischen Verantwortung für die Kölner Katastrophe, deren Ausmass immer noch nicht zu überblicken ist. Mit der Suche nach den zwei Vermissten konnte bis heute morgen immer noch nicht begonnen werden. Mehrere weitere Häuser sind einsturzgefährdet. Die am Platz befindlichen Journalisten durften gestern in ein 27 Meter tiefes Loch gucken.

Die Verantwortung: ja, es ist wahr. Es war der gleiche Oberbürgermeister Schramma (CDU), der in diesen Tagen von einem Bedenklichkeitsanfall den U-Bahnbau betreffend übermannt wurde, der den U-Bahnbau einst stolz eröffnet hat, zusammen mit seinem heutigen rot-grünen Gegenkandidaten und damaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters (SPD). Und es hätten ihrer beiden Behörden sein müssen, die die geologischen Besonderheiten des Kölner Untergrunds wahrscheinlich besser etwas gründlicher geprüft hätten, als sie es getan haben. Der Kollege Dieter Bartetzko hat dazu in der FAZ einiges zusammengefasst, was kein Geheimwissen war, und nach dessen Lektüre man sich eher fragt, wie jemand auf die Idee kommen kann, da eine U-Bahn bauen zu wollen.

Doch kommen wir noch mal zur sehr grundsätzlich aufgeworfenen Verantwortungsfrage des Kölner Zeitungsverlegers zurück. Im Windschatten dieses Kölner Dramas dräut am Horizont ein anderes: die KölnBonner Sparkasse veranstaltet nächste Woche ihre Bilanzpressekonferenz. Einige hoffen, dass sie nun weniger Beachtung findet. Es ist die öffentliche Sparkasse, die bei spektakulären Kölner Immobilienprojekten Risiken übernommen hat, bei denen sich der private OppenheimEsch-Fond mit voluminösen Mietgarantien ausstatten liess. Und wer hat ein beachtliches Scherflein seines bescheidenen Vermögens in diesem Fond angelegt? U.a. eine Kölner Verlegerfamilie. So viel Verantwortungsbewußtsein!

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Rettet den Blätterwald (4) – Heute: Jungle World

"Rettet den Blätterwald" ist eine lose, aber inhaltlich recht stringente Serie, in der der Autor die Sinnhaftigkeit von Printmedien hinterfragt. So geschehen bisher mit Rolling Stone, SFT und StadtRevue. Dabei hieß es zu Beginn, der Autor würde im Anschluss an den Artikel die Publikation nie mehr kaufen, bis ihn einige Kommentatoren darauf aufmerksam machten, dass ohne eine gewisse Grundsympathie diese Artikel doch gar nicht zustande kommen würden. Hm. Jedenfalls ist nach der fünften Woche Jungle World Kauf am Donnerstag in Folge jetzt mal ebendiese an der Reihe.

Ein Wochenblatt, das inhaltliche Beschäftigung verlangt. Ein Artikel über dieses in einem Medium, das durchaus politisch verschieden ausgerichtete Leserinnen und Leser hat. Und damit ist man schon bei der Entstehungsgeschichte dieses Blattes, das in Abgrenzung zur Junge Welt entstand und heutzutage mehr denn je Position gegen allzu simple eurozentrische oder national orientierte anti-kapitalistische Positionen in Deutschland bezieht. Manche empfinden das als so auf eine deutsche Sonderstellung hin gedacht, dass es als "anti-deutsch" einsortiert wird. Und dieser Begriff flog bei den Ruhrbaronen allzu oft durch die Zeilen in letzter Zeit. Also in’s Blatt.

Editorial, große Karikatur, Inhalt und Briefe links, "Thema" direkt rechts auf Seite 3: Globalisierung und Protektionismus. In "Schuld sind immer die anderen" wird Deutschlands Politik als ein Teil Europas kritisiert, und zwar in Bezug auf z.B. die Senkung von Lohnnebenkosten als Sicherung eines Kostenvorteils für einheimische Unternehmen. Kein Land in Europa mute seinen Bürgern soviel zu wie dieses hier, um in punkto Export und innerhalb Europas vorne zu liegen. Dabei würde bereitwillig in Kauf genommen, gesamt-europäische Konjunkturprogramme zu gefährden, und auch Rettungspakete für Osteuropa.

Rainer Trampert analysiert denn auf den Folgeseiten auch gleich die Renationalisierung der Kapitalströme als globalen Trend und greift gegen Ende recht unbefangen Sahra Wagenknecht ("Es gibt genug Anreiz, wenn einer fünfmal soviel hat wie der andere.") von links an: "Lasst Opel pleite gehen und schüttet die Milliarden an die Kollegen aus. (…) Entweder kämpft man für die Beseitigung des Kapitalismus, um ihn durch ein solidarisches und demokratisches Plansystem zu ersetzen, oder man bleibt Spielball seiner Krisen…" Direkt darunter verkündet Attac denn auch gleich noch einmal, dass man sich nicht über Krisen freut, weil die Teil des sich selbst regulierenden Systems sind. Stimmig alles, aber etwas wenig konkret und recherchiert dies alles. Positionen, na okay.

Erstaunlich passend danach aber auch wieder Artikel über die Genügsamkeit der Deutschen, die einfach immer noch nicht ohne Befehl der Chefetage für ihre Rechte auf die Straße gehen wollen und ein Problem der Linken, dass die Bourgeoisie weniger etatistisch und liberaler als viele der Linken ist. Nach soviel schon fast kampf-protestantischer Selbsthinterfragung ein Auflockerer mit der Vorstellung von Partei-Jungstars im Superwahljahr. Na gut. Der Steinbach-Artikel zitiert zumindest Gesine Schwan ("Ich glaube nicht, dass Frau Steinbach ins Amt kommt.") den neuesten Entwicklungen hinterher – aber wieso sollte man das einem Wochenblatt übler nehmen als einer Tageszeitung? Stimmt, die liest man ja direkt nach dem Aufstehen und hat seit 17 Uhr am Vortag keine Medien mehr benutzt, haha.

Es folgen kleinere Artikel mit beispielhaftem lokalen Inhalt zu Antisemiten, Bürokraten und Arbeitsrecht, dann eine Reportage über Hindu-Nationalisten, die in Indien den Valentinstag und die Emanzipation bekämpfen. Womit man so langsam im Ausland ist, bei den Erwartungen an Obama, Neuem aus Guantánamo, der französischen Linken, spanischer (Nicht-)Migrationspolitik und dem Arbeitsmarkt in Mexico. Rechtzeitig danach wieder bunte Kurznachrichten, bevor die Allianz Junge Freiheit + Vatikan auf historische Kontinuitäten überprüft wird. Und damit ist man bei der Antifa (Dresden, Leipzig, Potsdam – mal nicht Duisburg) und dementsprechenden "Veranstaltungstipps". Auf der Rückseite denn mal wieder eine Abo-Bitte, dafür gibt es aber ja auch noch die Beilage "dschungel". Bisheriger Eindruck: Manches ließe sich auch kürzer sagen, Trampert nervt, Flow und Zusammenhänge passen diesmal sehr gut.

Also der Kulturteil: Warum das Deutsche Historische Museum die Sprache Deutsch nicht einfach nur vom Deutschen aus gedacht präsentieren sollte. Eine Geschichte über Enthüllungsjournalisten, die die Arbeit einer französische Enthüllungsjournalistenzeitung, sagen wir, an die Öffentlichkeit bringen. Eine alternative Biografie über Hildegard Knef, dann eine über die französische Regisseurin Claire Denis. Hier ist man kulturell der taz einfach so weit voraus, dass der Gedanke fast hinfällig ist. Und Werbung von Suhrkamp! Auf zwei der acht farbigen Seiten insgesamt, vorher gab es nur Kleinanzeigen (Preis der Zeitung: Euro 3,20). Dann wieder diverses: Kino, Musik, TV und Buch – immer etwas beliebig bis wie gewollt nebensächlich, dann ein Bericht über eine Dissertation zum Sportbegriff in der Nazizeit und einer über den Unterschied zwischen Extremismus-Begriffen, der Antifaschisten gegen die Denkweise von Extremismusforschung zu impfen sucht. Dies recht lang – wo sonst auch einmal eine Art "persönliche Erzählung" steht – dann vier Comicstrips und Schluss. Im Grunde das beste Wochenblatt des Landes, als Ersatz für die fehlende Sonntagszeitung. Schlimm genug. Ein Skandal, das Printwesen hierzulande!

Ruhr2010: Grüne fordern Projektfonds für die freie Szene

Ruhr2010 spült der freien Szene viel Geld in die Kassen – nur wie viel weiß niemand so genau und es könnte gerne auch noch mehr sein.

Das ist das Ergebnis eines Perspektiv-Workshops der Grünen im RVR mit Vertretern der  freien Kulturszene. Zwischen 20 und 40 Prozent des Etats, so Sabine von der Beck, Fraktionssprecherin der Grünen im RVR und Mitglied im Aufsichtsrat der RUHR.2010 GmbH, stünden für Projekte der freien Szene zur Verfügung. Alles eine Frage der Lesart.

Doch es könnte mehr sein – Begehrlichkeiten bei der freien Szene wecken da die zehn Millionen Euro, die das Land den Städten kürzlich zugesichert hat. Das Geld war eigentlich, so Oliver Keymis, der kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, für die freie Szene bestimmt, werde aber von den Städten bislang vor allem für die Finanzierung traditioneller Kulturprojekte verwendet. Die Grünen wollen nun eine Fonds, der sich aus Teilen der Eintrittgeldern der "Hochkulturveranstaltungen" speist, auflegen und dessen Einnahmen der Szene zukommen lassen.

In ihrer Pressemitteilung, die dieser Meldung zu Grunde liegt, haben die Grünen nicht mehr von freier Szene sondern von "nicht-institutionell gebundenen Kulturschaffenden" gesprochen. Ein schönes, neues Wort, auf das die Welt in den vergangenen Jahren verzweifelt gewartet hat.