Weißrussland: Geopolitisches Spiel als Mittel gegen die Finanzkrise

Ein Autoladen in einem belarussischen Dorf

Weißrussland, der östliche Nachbar der EU, ist von der Wirtschaftskrise mit am schwersten betroffen. Der Export in die Nachbarländer – nach Russland und Polen – sank auf die Hälfte. Die Lager sind mit unverkaufter Ware überfüllt. Der belarussische Rubel wurde im Januar auf einmal um 20 Prozent abgewertet. Der Durchschnittslohn der Weißrussen sank ebenso um 20 Prozent. Während das Volk sich den Gürtel enger schnallt, knickst Präsident Alexander Lukaschenko in verschiedene Richtungen – mal in den Westen, mal in den Osten. Dabei verspricht er liberale Reformen oder Anerkennung von Ossetien und Abchasien und hofft auf finanzielle Hilfe. Nicht ohne Erfolg.

Die Weltwirtschaftkrise hat auch die entlegensten Ecken Weißrusslands erreicht. Am Rande des Dorfes Galusy im Osten von Weißrussland versammeln sich die betagten Bewohner der Siedlung. Es ist Dienstag, 16 Uhr. Wie immer um diese Zeit soll ein Mercedes-Minibus vorbeikommen. Er bringt in das aussterbende Dorf ein Stück vom Luxus: frische Milch und Brot, gegrilltes Hähnchen, Schokolade und Bonbons, deren Etikette mit nicht-kyrillischen Buchstaben beschrieben sind. Der Bus kommt wie immer pünktlich. Doch abgesehen davon ist nichts mehr, wie es war.

Eine 60-Jährige fragt nach Obst. „Früchte und Limonade haben wir nicht mehr im Angebot“, sagt der Privatunternehmer Ruslan Alexeenko (25), Fahrer und Verkäufer in einer Person. Unter den Kunden sind nicht, wie gewöhnlich, nur Omas, sondern auch ein paar jüngere Frauen. Das sind die Frauen, die wegen Zwangsurlaubs aus Minsk in ihr Heimatdorf zurückgekehrt sind. Doch trotz ihres Besuches verkauft Alexeenko kaum mehr als sonst. Als er Galusy verlässt, zählt er zwei Paletten Brot und eine Kiste Milch, die nicht verkauft wurden. „Das war kein guter Tag“, resümiert der Unternehmer. „Alles wegen der Finanzkrise. Ich muss Preise nach oben treiben, weil die Einkaufspreise für mich auch steigen. Die Dorfbewohner können sich immer weniger leisten“.

Nach offiziellen Angaben stiegen die Lebensmittelpreise in Weißrussland im Januar 2009 im Vergleich zu Dezember 2008 um 3,3 Prozent. Sie wurden in belarussischen Rubeln verglichen. In Anbetracht der Abwertung der heimischen Währung ist der Preissprung deutlich höher. Der Durchschnittslohn der Weißrussen sank im Januar im Vergleich zu Dezember in US-Dollar Äquivalent um 20 Prozent – von 450 USD auf 330 USD.

Zuerst wollte der belarussische Präsident Lukaschenko nicht zugeben, dass es in Weißrussland wirtschaftliche Probleme gibt. „Es gibt keine Krise im Lande, und es wird um keine Krise gehen“, sagte er Ende Oktober 2008. Doch bald ließ sich die Rezession nicht mehr vertuschen. Am zweiten Januar 2009 wurde der belarussische Rubel im Vergleich zum US-Dollar und zum Euro auf einmal um fast 20 Prozent abgewertet. Es herrschte Panik in Weißrussland. Die einen stürmten die Banken, die anderen die Geschäfte. Es wurde alles gekauft – Kühlschränke, Mikrowellenherde, Staubsauger – auch das, was seit Monaten in den Ladenregalen verstaubte. Denn die Menschen wussten: Bald werden alle Importwaren sehr viel teurer sein.

„Lukaschenko sagte, dass der weißrussische Rubel sicher ist. Das ist unverschämt!“, empörte sich eine Studentin mit der roten Mütze im belarussischen Regionalzug. „Hör dem Präsidenten besser zu“, sagte ihr die andere Studentin. „Er hat auch gesagt: Wir werden schlecht leben, aber nicht lange.“

Präsident Lukaschenko gab sich weiter optimistisch. „Wir exportieren alles – Motoren, Schuhe, Kleidung. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise zeigen sich wegen der Exportorientierung auch bei uns. Trotzdem müssen wir 2009 mindestens 2.000 bis 3.000 Motoren mehr herstellen als 2008. Es gibt einen Anlass zum Optimismus“, munterte Lukaschenko die Mitarbeiter des Minsker Motorenwerks während seines Besuches bei dem Unternehmen auf. Seine Rede wurde im Fernsehen ausgestrahlt. Dass die Lager der weißrussischen Fabriken voll mit unverkauften Produkten sind, wurde dabei nicht gezeigt.

Das Gesamtvolumen der nichtrealisierten Erzeugnisse der Leichtindustrie beträgt zur Zeit 200 Prozent des monatlichen Produktionsumfangs. Die Regale der belarussischen Geschäfte sind mit inländischen Handtüchern, Geschirr und Waschmitteln überfüllt. Die Schildchen appellieren zu den Kunden: „Kauft das Weißrussische!“ Eine Packung der weißrussischen Flüssigseife kostet zum Beispiel ein Euro, ein Analogprodukt einer westeuropäischen Marke ist 2,5 Mal teurer. Man muss wohl kein großer Patriot sein, um sich fürs Weißrussische zu entscheiden. Die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt.

Die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert sich dramatisch. „Die Rentabilität der Produktion ist im Vergleich zu Anfang 2008 um zwei mal gesunken. Fast ein Drittel aller Unternehmen machen Verluste, wie in den katastrophalen 90er Jahren“, schreibt der Professor einer Privathochschule in Minsk Boris Schiliba in der regierungskritischen Zeitung „Narodnaja Wolja“. In der zweiten (es gibt nur zwei) kritischen Zeitung „Nascha Niwa“ schreibt der Wissenschaftler Alexander Tschubrik, dass die Finanzkrise in Europa nur Lettland, die Ukraine, Ungarn und Island noch stärker als Weißrussland treffe. „Nur diese Staaten haben wie unser Land eine dringende Hilfe des IWF benötigt.“ Anfang des Jahres hat der IWF einen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar für Weißrussland gebilligt. Zwei weitere Milliarden USD leiht sich Weißrussland vom Nachbarn Russland aus.

Belarus liegt zwischen der EU und Russland. Lukaschenko weißt die geopolitische Lage seines Landes zu nutzen, um aus der finanziellen Sackgasse rauszukommen. Er spielt gerne Figaro. Letzte Woche besuchte er den russischen Präsidenten Medvedev. Da machte Lukaschenko seinem Kollegen ein weiteres Mal eine Treue- und Liebeserklärung und bekam als Geschenk eine Gaspreissenkung versprochen. Genau eine Woche später, am 17. April, empfängt Alexander Lukaschenko zu Hause den tschechischen Außenminister Karl Schwarzenberg. Von ihm bekommt „der letzte Diktator Europas“ eine Einladung der EU nach Prag zur Gründung der „Östlichen Partnerschaft“.

ThyssenKrupp – droht jetzt „Ruhr in Flammen“?

Foto: Flickr.com / Jochem Veenstra

Die Gewerkschaften stehen bei ThyssenKrupp vor einer riesigen Herausforderung. Wie die Welt am Sonntag heute schreibt, ist die Montanmitbestimmung bedroht, etliche Aufsichtsratsposten akut gefährdet und es dräuen Massenentlassungen. Die Frage ist ob sich die Gewerkschaften wehren oder der eigenen Entmachtung zustimmen. Ich denke, sie werden zustimmen. Denn der Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, wird sagen, dass es auch schlimmer kommen könne. Die ganz große Pleite nämlich. 

Ich finde es bemerkenswert, wie starr und zeistrebig Cromme ist und die jetzige Krise nutzt, um seinen alten Plan zu verwirklichen. Die feindliche Übernahme von Thyssen. Wie die WAMS heute enthüllte, erwägen die ThyssenKrupp-Vorstände um Cromme einen erheblich weiteren reichenden Konzernumbau als bisher bekannt. Schon Morgen will der Vorstand demnach die Grundzüge der neuen Konzernstruktur festzurren. Am Ende würde dann nur noch die ThyssenKrupp AG als Aktiengesellschaft existieren. Vorstandschef Ekkehard Schulz hatte schon Ende März einen Umbau des Konglomerates angekündigt, durch den jährlich rund 500 Millionen Euro gespart werden sollen.

Das war die direkte Reaktion auf den drastischen Einbruch der Konjunktur, der die Stahlhersteller besonders trifft. Ein Freund von mir, hat bei ThyssenKrupp in der Auftragsannahme gejobbt. Da haben die wochenlang keinen einzigen Auftrag reinbekommen. Nichts – Na – Da.

Schulz kündigte bislang an, die alten fünf Sparten auf nur noch zwei rechtlich eigenständige Sparten zu reduzieren. Gleichzeitig mussten zwei Vorstände gehen.

Das neue Konzept, zu dem nach Angaben der Welt bereits Präsentationsfolien im kleinen Kreis im Konzern kursieren sollen, würde einen massiven Kompetenzzuwachs für den Zentralvorstand bedeuten. Demnach sollen viele GmbHs die alten AGs entmachten.

Die Spartenchefs würden damit an Einfluss verlieren.  Genauso wie die Arbeitnehmervertreter. Denn vor allem die Aufsichtsräte fielen weg. Die Mitbestimmung würde drastisch eingeschränkt.

Es wäre ein schwerer Affront gegen die IG Metall, nachdem sich Vorstand und Arbeitnehmervertreter nach turbulenten Verhandlungen erst Ende März auf einen Kompromiss einigten.

Nach Recherchen der Welt entspricht der neue Plan dem alten Führungsmodell des Krupp-Konzerns, obwohl man sich bei der Fusion der beiden Stahlriesen vor knapp zehn Jahren grundsätzlich auf die Struktur der damals erfolgreicheren Thyssen AG geeinigt hatte.

Dieses Modell haben Vorstand, Betriebsrat und Gewerkschaftsvertreter noch einmal in ihrem Ende März dieses Jahres verfassten Grundsatzpapier bekräftigt.

Das was nun passiert wäre gut zehn Jahre nach der Fusion ein Rückwärtsgewandter Übernahme von Thyssen durch Krupp. So etwas ist in der deutschen Wirtschaftsgeschichte nahezu ohne Beispiel.

Denn anders als bei Thyssen mit seinen rechtlich eigenständigen Töchtern war Krupp vor der Fusion ein zentral geführtes Familienunternehmen, bei dem der heutige Krupp-Stiftungsvorsitzende Berthold Beitz die Strippen zog.

Der inzwischen 95-jährige Beitz war 20 Jahre lang Vorsitzender des Krupp-Aufsichtsrats, später dessen Ehrenvorsitzender; eine Position, die er heute noch bei ThyssenKrupp innehat, wenn er von der Villa Hügel aus als Alter vom Berg seinen Einfuss auf den Stahlriesen ausspielt. Es heißt, Beitz könne über den Baldeneysee wandern, soviele Gegner von ihm würden drin liegen.

Jetzt scheint es, als würden die Alten Konflikte im Konzern wieder aufleben, wenn Cromme und Beitz ThyssenKrupp nach Krupp’schem Vorbild umbauen wollen.

Das ist aber wohl nicht alles.

Offenbar sollen auch weit mehr Stellen wegfallen als bisher bekannt, berichtet die WAMS. Allein in den Stahlsparten würden 2000 Jobs gestrichen, heißt es, weitere 2000 in den anderen Geschäftsbereichen. Bislang war immer von 3000 Stellen insgesamt die Rede. In den 4000 Arbeitsplätzen ist dem Vernehmen nach der Personalabbau im Zuge der 500-Milllionen-Euro-Einsparungen durch den Umbau der Konzernstruktur noch gar nicht enthalten.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Grafik via Prospero: Flickr/MrTopf

Zensur: Websperre verpufft…Zoom

WAZ: Monopol schlecht für das Klima in Gelsenkirchen…Hometown Glory

NRW: Morgen kommt der Superplan…Welt

Risen: Das Leben nach Gothic…Der Westen

XX09: Dortmunder Kurzfilmfestival…Ruhr Digital

Lulu: Leichtverdauliches Luder…Der Westen

Erneuerung: Buzz, wir brauchen Buzz…2.0

Geselligkeit: Zehntes Duisburger Bloggertreffen…Prospero

Die Angst des weissen Mannes vor der schwarzen Frau

Meine ersten fünf Lebensjahre brachte ich an der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Gladbeck zu. Die damals sehr kinderreiche Siedlung, heute sieht sie wie eine akkurate Rentnerreihenhaussiedlung aus, wurde damals "Mau-Mau-Siedlung" genannt und noch heute hat ein Kartenspiel diesen Namen. Wenn meine Eltern mich veranlassen wollten, mein Kinderzimmer aufzuräumen, behaupteten sie häufig: "Hier siehts ja aus wie bei den Hottentotten."

 

Das war zwischen 1957 und 1962. Meine Eltern wählten CDU, die Großeltern waren keine Nazis, sondern beim Zentrum oder wählten SPD. Das war damals normaler Ruhrpottsprech, niemand dachte sich was dabei.

Heute geht es etwas anders zu, aber der projektive Rassismus feiert offensichtlich dennoch weiter fröhliche Urständ. Was uns der damalige Sprech als Kleinkind einbimste war ja, dass es auch Andere gab, Wilde, Unerzogene. Im heraufziehenden TV sahen wir, dass die nicht nur beängstigend dunkel aussahen, sondern auch schneller rennen und besser boxen konnten. Sie legten es, wie ein gewisser Cassius Clay mit seinem Großmaul, regelrecht darauf an uns Angst zu machen. Heute bedauern wir den gleichen Mann als erkrankten Ali und weinen zusammen, wenn er das olympische Feuer anzündet. Trotzdem glauben wir, dass die Schwarzen irgendwie mehr Rhythmus im Blut haben, und – ganz entscheidend: wilder rumvögeln, sonst gäbe es in Afrika ja nicht so viele Aids-Opfer.

Genau dieses Bild wird in dem Fall der Frau, die unter dem Vorwurf, mehrere Männer bewusst mit Aids infiziert zu haben, verhaftet wurde, unausgesprochen aber penetrant bedient. Die meisten Zeitungen beschäftigen sich ausführlich und extrem selbstbezogen mit der Frage, inwieweit der Fall die Pressefreiheit und das Persönlichkeitsrecht berührt. Heribert Prantl hat heute in der Süddeutschen zu dieser Abwägung, wie so oft, fast alles Nötige geschrieben.

Nirgends jedoch wird die rassistische und Gender-Komponente des Falles erörtert. Man lässt die Bilder und den Staatsanwalt sprechen, der Rest spielt sich in den Köpfen ab. Wer ist schwer im Kommen in unserer Gesellschaft? Es sind die Frauen. Und es sind besonders die bi- oder trikulturell gebildeten Migrantinnen. Dass sie bei den Castingwettbewerben der privaten TV-Sender so überdurchschnittlich reüssieren konnten, hat bereits etwas mit ihrer hohen Adaptionsfähigkeit neuer Spielregeln zu tun. Sie machen uns vor, wie frau heute Karriere macht, berühmt wird, dabei gut aussieht und im Bett immer öfter oben liegt.

Nun haben deutsche Juristen mal zurückgeschlagen. Diesem wilden Treiben durfte nicht mehr tatenlos zugesehen werden. Über ein Jahrhundert ist es gelungen, in der deutschen Rechtswissenschaft durch alle historischen Umbrüche Kontinuität zu sichern, vor allem auf den Lehrstühlen, aber auch in den Behörden. Da wächst selbstverständlich die Verantwortung, eigene Beiträge gegen wachsende gesellschaftliche Unordnung zu leisten. Vieles, was bereits den Verfassungsrichter Udo die Fabio in seinen Werken "Die Kultur der Freiheit" (2005) und "Gewissen, Glaube, Religion" (2008) beunruhigt hat, ist symbolisch mit der Verhaftung dieser schönen schwarzen Sängerin zielsicher getroffen worden.

Nachbemerkung: "Schwarz" wird hier nicht als identisch mit afrikanischer Herkunft angenommen, sondern als Sammelbegriff für rassistische Diskriminierung aufgrund äußerer Erscheinung. Es gibt, was nicht viele wissen, z.B. mehrere hunderttausend Schwarze Deutsche, die nicht nur zur Nazizeit, sondern auch zu Zeiten des "Mau-Mau"- und "Hottentotten"-Sprech extrem übler Diskriminierung ausgesetzt waren. Heute agieren sie mit erheblich größerem Selbstbewußtsein, z.B. in der Initiative Schwarze Deutsche. Durch die Einwanderungswellen der letzten Jahrzehnte hat sich zum Glück zumindest in den Städten das öffentliche Erscheinungsbild spürbar internationalisiert. Aber nicht jedem Weissen Deutschen gefällt das.

Noch ein Quellenhinweis vom Sonntag: zum Thema "HIV & Öffentlichkeit" Nils Minkmar in der FAS, eine seltene Stimme der Vernunft.

Werbung

Der Folterpräsident

Ich habe den Ex-Präsidenten der USA, George Bush, für einen Pfosten gehalten. Für einen tumbem Mensch. Aber wie pervers dieser Mann als Präsident eine Foltermaschine bediente, wird erst jetzt klar. Präsident Obama hat vier Memos veröffentlicht, in denen klinisch sauber dargelegt wird, mit welchen Methoden die CIA foltern darf, und warum das ganze keine Folter im Sinne der UN-Konvention ist. Die Memos wurden im US-Justizministerium angefertigt.

Ich weiß, dass viele Staaten noch brutaler foltern, aber wenige foltern mit solchem pseudo-legalistischem Zynismus. Die meisten wissen wenigstens, dass sie Bastarde sind und versuchen sich nicht noch juristische Persilscheine auszustellen.

Ein Auszug aus den von Präsident Obama veröffentlichten Memos.

Gott sei dank ist Bush weg.

Das ist die Stärke der USA, die ich bewundere. Die wählen so einen Kerl ab. Die rechnen mit ihm ab und machen einen Neuanfang. 

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Zensur: Zeit von der Leyen zu beobachten…Gelsenkirchen Blog

GM: Sechs Investoren für Opel…Tagesspiegel

Opel: Mein Werk, Dein Werk…Jungle World

Nachdenkseiten: Vorwärts zum Salon Sozialismus…Zoom

Duisburg: Aidskranker will in Würde leben…Der Westen

Pop: Rätsel um Depeche Mode…Ruhr Nachrichten

China: Wem gehört Tibet…NZZ

Klassik: MiR-Stiftung plant Jugend-Musiktheater…Ruhr Nachrichten

Thirtysomething (taz, 30)

Die taz wird gerade 30, ich bin einige Jahre mit ihr gegangen. Die Anfänge der taz ruhr erlebte ich mehr aus der Ferne. Aus der Nähe dann den Aufbau einer Redaktion für die tägliche Ausgabe in NRW, den Start im Dezember 2003, den Umzug nach Düsseldorf. Die Schließung. 2007.

foto: schokoladenseiten

Ich kann mich erinnern an den 25. taz-Geburtstag. Im Tempodrom. Die überkokette Sängerin von Wirsindhelden, den phantastischen Lärm der Fehlfarben. HipHop. Bier. Jörg Thadeusz war der Conferencier der Gala, Ehrengäste waren Gesine Schwan, die Dauerkandidatin fürs Amt der Bundespräsidentin und ihr Mann von transparency international. Schnarchig bis auf Thadeusz, der seither viele taz-Feiern moderierte.

Thadeusz versuchte sich an einer Erklärung fürs junge Hip-Hop-Helden-Publikum, was denn die taz ist: "So etwas wie eine Straßenzeitung im Abo". Ich glaube, damals hatte Thadeusz seinen Hauptwohnsitz noch in Dortmund. Ist nach Berlin gezogen, von Ruhrgebiet merkt man bei ihm nichts mehr. Dreht für RBB, NDR. Da hat er was gemein mit der taz.
 
Was wir damals wollten? Die taz im Ruhrgebiet, dann in NRW zur Gegenstimme zu machen, das Blatt von muffiger Berliner Luft zu befreien, aufmischen, erden. Mal andere Geschichten zu lesen als  Anti-Bombodrom-Stimmung in Brandenburg, Nazis von Schwerin, die grüne Hoffnungsträgerin aus Sachsen. Klappte nur eine Weile.

Wirtschaftlich konnte es nicht gut gehen: Zehn Prozent mehr Wachstum als in den anderen Bundesländern sollte die tägliche taz in NRW hinzulegen. Sonst wurden aus Kosten Miese. Aber zehn Prozent Wachstum in der Zeitungskrise, wie sollte das ausgerechnet in der Zeitungsprovinz NRW gelingen? Dabei – achtung, wichtig ! – hat die taz nrw die Bundes-taz nichts gekostet. Die konnten das alles aus einem Medienfonds zahlen, der extra für die Regionalisierung aufgelegt wurde. No risk. No fun.

Heute ist die taz weit weg, versteh vieles nicht, finde Witze lahm, Titel daneben, Politik öde. War früher aber nicht anders. Natürlich fehlt im Bundesland was, seit es die taz nrw nicht mehr gibt. Mir auch. Das Blatt war landespolitisch recht gut dabei, ließ sich sehen. Schwamm drüber.

Was eine Lehre ist: Wie einfach ein Stück Zeitung verschwindet. Von jetzt auf gleich. So wichtig es einem war, so verzichtbar.

Werbung

Rheinland will Ruhrbezirk

Die Kammern im Rheinland loben die Kooperation im Ruhrgebiet und wollen einen eigenen Bezirk für das Rheinland.

Udo Siepmamm Foto: IHK-Düsseldorf

Während die CDU von ihrer Forderung nach einem eigenen Ruhrbezirk abrückt , hat das Ruhrgebiet einen  Verbündeten in der Auseinandersetzung um einen eigenen Bezirk gewonnen: Die  Industrie und Handelskammern des Rheinlandes. Schon 2003 haben  die  IHKs Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln und Mittlerer Niederrhein ihre Rheinland-Initiative gestartet. Seit dem vergangenen Jahr wurde  die IHK-Initiative Rheinland ins Leben gerufen. Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der IHK-Düsseldorf: "Dahinter steht unsere Überzeugung, dass nunmehr Politik und Verwaltung, aber auch die breite Öffentlichkeit erkennen müssen, dass das Rheinland in Deutschland der einzige Ballungsraum ist, der noch nicht in den Strukturen einer Metropolregion arbeitet. Wir verkaufen somit unsere gemeinsamen Stärken unter Wert.

Von einer Zusammenarbeit innerhalb einer Metropole Rhein-Ruhr hält Siepmann nichts. Kooperationen müssten gelebt werden und könnten nicht auf dem Papier definiert werden. Der IHK-Hauptgeschäftsführer sieht die Kooperatiosmodelle die in den vergangenen Jahren  im Ruhrgebiet entstanden sind als sehr positiv. Die im Herbst folgende Übertragung der  Regionalplanung auf den RVR ist für ihn ein weitere logischer Schritt dieser Entwicklung. Mittelfristig wollen er und seine Kollegen drei Regierungsbezirke in NRW: Einen für das Ruhrgebiet, einen für das Rheinland und einen für Westfalen: "Wenn eine solche Kooperation gut und nachhaltig funktioniert, dann stellt sich vermutlich irgendwann in der Zukunft fast automatisch die Frage, warum sich die administrativen Strukturen diesem Kooperationsraum nicht anpassen sollten."

Nun müssen nur die Parteien im Ruhrgebiet einen solchen Bezirk offensiv fordern. Während die CDU zurückgerudert ist und die SPD ohnehin die alten Strukturen mit flotten Sprüchen verzieren will sind es im Moment vor allem die Grünen und die FDP im Ruhrgebiet, die die Forderung nach enem Ruhrbezirk aufrecht erhalten – und damit in ihren Landesparteien auf Widerstände stoßen.        

Zensurulla mit zweifelhaften Mitteln gegen miese Macher

Illu: Martin Haase

Gestern haben wir bei den Ruhrbaronen drüber diskutiert, ob wir uns heute der Internetmahnwache gegen Familienministerin Ursula von der Leyen anschließen. Eigentlich wollten wir das tun. Dann gab es technische Probleme. Nun, wir haben es nicht getan.

Trotzdem möchte ich was zu der Zensur sagen. Ich finde es erschreckend, wenn das BKA – ohne gerichtliche Anordnung – täglich Proscriptions-Listen mit IP-Adressen an die Provider schickt, die diese zu sperren haben. Das ist Zensur. Nichts anderes. Die Provider Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, O2 und Kabel Deutschland beteiligen sich damit an den ersten Netzsperren in Deutschland. Bislang war das eine Spezialität aus China. Die Verträge wurden heute unterschrieben.

Natürlich ist es gut und wichtig etwas gegen Kinderpornographie zu tun. Da kann und wird jeder zustimmen. Aber es geht um die Details. Also: Welche Mittel ergreife ich, um diese eklige Form der Ausbeutung zu bekämpfen? Muss ich einer Geheimen Staatspolizei vertrauen, die nach eigenem Gutdünken Publikationen sperrt? Familienministerin Ursula von der Leyen will das tun. Deswegen hat sie sich den Ehrentitel "Zensurulla" bei Netzpolitik.org verdient. Ich meine zu Recht.

Die Freiheit wird nicht in der Mitte verteidigt. Nicht da, wo der allgemeine politische Konsens herrscht. Die Freiheit wird an ihren Rändern gesichert. Deswegen hat Hustler-Chef Larry Flynt Recht bekommen, als er sich bei der Verteidigung seiner Porno-Satiren in den USA auf die Freiheit des Wortes berief.

Natürlich ist ein Kinderporno nicht das gleiche wie eine Hustler-Satire. Aber auch hier gilt es die Freiheit am Rand zu verteidigen. Gegen diese ganzen Kinderschänderbanden muss die Polizei und der Staat vorgehen. Die Ermittler müssen die Verbrecher identifizieren und strafen. Warum aber dazu einfach IP-Adressen per Dekret versiegeln. Die Gangster tauschen sich dann per Telefon aus.

Stattdessen sehe ich eine Gefahr des Dammbruchs. Wer garantiert uns, dass nicht als nächstes eine Terrorseite gesperrt wird? Auch da herrscht sicher große Einigkeit drüber, dass diese Seiten Schund sind.

Wer garantiert uns aber, dass aus der angeblichen Terrorseite schleichend eine Seite Andersdenkender wird? Was weiß ich, zum Beispiel die Seite Linken-Kinder-Wanne-Eickel.de oder so? Wer garantiert uns, dass die Staatsbeamten im BKA selber festlegen wollen, was legal ist und was nicht?

Wann landet dann der erste Blog auf der Staatsfeind-Liste, weil er sich gegen die Fahndungsmethoden des BKA wendet, oder enthüllt, dass ein BKA-Spitzenbeamter sich am Anti-Terrortopf bereichert?

Die Grenzen der Freiheit werden derzeit überall eingeschränkt. Sei es durch den Gerichtsbeschluss gegen die angebliche kriminelle Aids-Ansteckung durch die No Angels-Sängerin, sei es durch die Urteile in Hamburg, die versuchen kritische Veröffentlichungen in Wirtschaftssachen zu unterbinden.

Wir müssen uns bewusst werden, dass gerade im Schund die Grenzen der Freiheit definiert werden. Wenn wir nicht mehr sagen dürfen, dass eine prominente Frau womöglich absichtlich einen Menschen zutiefst verletzt hat – was dürfen wir dann sagen?

Die Zensur beginnt immer aus dem politischen Konsens der Mitte heraus gegen die Ränder und ist dann schwer einzugrenzen. Denn wer ein Blatt zensiert, will früher oder später das ganze Buch kontrollieren.

Nur wenn wir aber alles frei sagen und denken dürfen, sind wir eine freie Gesellschaft. Und dann können wir uns an den Rändern abgrenzen.

Und im Fall der Kinderschänder eben mit dem Strafgesetzbuch gegen die Dreckskerle vorgehen.

Es bringt nichts, in Deutschland eine Zensurbehörde einzuführen, die uns die Augen verschließt. Denn auch wenn wir den Schund nicht mehr sehen, es gibt ihn weiter.

Es wäre also klüger, die IP-Adressen zu nutzen, um die Verbrecher an der Quelle anzugreifen. Wenn dann eine Seite ausfällt, weiß man wenigstens, dass eine Drecksbande erlegt wurde. Beim Zensur-Abschalten muss ich aber befürchten, dass die Ermittler Scheintätigkeiten vortäuschen, weil sie den Menschen die Augen verkleben wollen. Dahinter wird der Schmutzhandel weitergehen.