Der Aalhäcksler: Die Geschichte eines Greenpeace-Kraftwerkes

Montage: Weserkraftwerk in Betrieb. Links die Turbinen

Ich schreibe hier über gutes und über schlechtes. Über eine Abwägung und eine Entscheidung. Möge jeder selbst beurteilen, was für ihn das wichtigste ist.

Die Luft ist in diesen Tagen an der Bremer Weser diesig. Man kann kaum die Baustelle bei Flusskilometer 362 sehen. Neben ein paar Spundwänden steht ein Bagger. Die Arbeit ruht offensichtlich. Erst im Frühling soll es weitergehen, wenn das Wetter wieder freundlich wird, heißt es.

Die Baustelle ist etwas besonders. Hier errichten Planer von Greenpeace unter dem Schutz des Staates Bremen gemeinsam mit Partnern aus der Ökobranche und den kommunalen Stadtwerken das größte Wasserkraftwerk im Land. Die Anlage ist mehr als nur ein Energielieferant. Wie ein Leuchtturm soll von hier aus ein Signal ausgehen: das rot-grüne Projekt lebt noch. Denn im Land Bremen regiert die letzte Koalition von SPD und Grünen in der Bundesrepublik.

Besonders der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) freut sich über das Bauwerk: „Für uns hat das Weserkraftwerk eine herausragende Bedeutung.“ Eines Tages soll jeder zehnte Bremer Haushalt saubere Energie aus dem Fluss beziehen. Ein Sprecher der ausführenden Greenpeace-Tochter Planet Energy lobt zudem, dass die Stadtwerke Bremen den Ökostrom in einem besonderen Ökotarif vermarkten wollen. „Das ist ein Vorbild für andere Projekte.“

Doch auf den zweiten Blick hat der Leuchturm ein rissiges Fundament. Die Weser ist ein Strom. Ihre Quellen und Zuflüsse führen Wasser vom Harz, von Bayern und Hessen aus, quer durch die Republik bis in die Nordsee. Das Weserkraftwerk soll an einem Wehr aus dem Jahr 1993 erbaut werden. Damit die Turbinen laufen können, müssen hier die Stauklappen geschlossen bleiben. Was auf den ersten Blick unbedenklich erscheint, erweist sich als ökologisches Problem. Mit dem geschlossenen Wehr wird der Zugang zum Meer versperrt. Kein Fisch kann hier frei passieren.

Dabei sind gerade bedrohte Arten wie Lachs, Aal oder Meerforelle auf den freien Zugang zum offenen Wasser angewiesen. Kommen sie nicht durch, können sie sich nicht fortpflanzen. Der Lebenskreislauf wird unterbrochen, das Ökosystem Weser verarmt.

Die Planer der Greenpeace-Firma Planet Energy haben das Problem erkannt. Gemeinsam mit der Firma Tandem wollen sie ein neues Schutzsystem im Weserkraftwerk installieren. Fische, die vom Meer in den Fluss aufsteigen, sollen über eine so genannte Fischtreppe das Wehr passieren. Arten, die in die See abwandern, sollen über moderne Rechen, Röhren und Abflussrinnen einen Weg an den Turbinen im Kraftwerk vorbei finden. Ein Sprecher von Planet Energy sagt: „Ich glaube, dass dieses Kraftwerk einen beispielhaften Fischschutz für ganz Europa hat.“ Soweit die Theorie.

Doch manche Forscher glauben nicht daran, dass die Pläne von Greenpeace aufgehen. Besonders der Aal ist in ihren Augen gefährdet. Beate Adam vom Institut für angewandte Ökologie gilt als eine der wenigen Experten weltweit, die sich mit dem Verhalten der Spezies auskennt. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem rätselhaften Fisch.

Alle Aale der Welt stammen aus der atlantischen Tiefsee in der Nähe der Bahamas-Inseln. Hier liegt bei 30 Grad nördlicher Breite und 60 bis 75 Grad westlicher Länge die Sargossasee. Das Gebiet am Rande des Golfstroms ist größer als Mitteleuropa. Das Wasser ist ruhig, fast bewegungslos. Es liegt da wie das Auge eines riesigen Wirbels. Hier paaren sich die Aale irgendwo in mehreren hundert Metern Tiefe. Niemanden ist es bisher gelungen aufzuklären, wie das geschieht, wie die Fischeier sich entwickeln, wie die Larven schlüpfen. Forscherin Adam sagt: „Wir wissen nur, dass die schon etwas größeren Aale, die so genannten Glasaale im Alter von etwa drei Jahren mit dem Golfstrom an die europäischen Küsten kommen.“ Hier wandern die Jungtiere Flüsse und Bäche hinauf, um sich im Süßwasser weiterzuentwickeln. Nach etwa zwölf Jahren spüren sie plötzlich und unerklärbar einen Trieb, erklärt Adam. Als so genannte Blankaale lassen sie sich flussabwärts ins Meer treiben, um in der Tiefe zurück in die Sargossasee zu schwimmen.

An einem Rechen verendete abwandernde Aale aus nur einer Nacht. Foto: Adam

Jahrtausende funktionierte dieser Kreislauf ungestört. Aale galten als Brottiere der Fischer. Aber das ist vorbei. Seit ein paar Jahren schwinden die Bestände dramatisch. Die europäischen Küsten erreicht nur noch ein Prozent der Glasaale, die hier vor dreißig Jahren ankamen. Aufgrund des Schwunds steigt der Preis für Jungtiere. Vor zehn Jahren kostete jedes Kilo Glasaale fünfzig Mark. Heute liegt der Preis bei 800 Euro – wenn man welche bekommt.

Im Herbst 2007 erkannte die Europäische Union das Problem. Der Aal ist vom Aussterben bedroht. In einer eigenen EU-Richtlinie wurden alle Tiere unter Schutz gestellt. Besonders der Lebensraum der Fische soll gesichert werden, damit die Aale ungestört in die europäischen Flüsse auf- und absteigen können.

Nach Ansicht von Adam wird das Kraftwerk in Bremen dafür sorgen, dass kaum noch ein Aal aus dem Harz, Hessen oder Bayern zurück ins Meer findet. Der Kreislauf des Lebens wird in den Turbinen unterbrochen. Im wörtlichen Sinne. Adam: „Die Rückgrate der Fische werden zerbrochen, Körperteile zerfetzt oder lebensbedrohlich beschädigt. Das Bremer Kraftwerk verstopft den Flaschenhals zwischen Wesersystem und Meer.“

Die Planer der Anlage sehen das nicht so. Sie verweisen auf neuartige Rechen, die vor den Turbinen sitzen. Mit einer Spannweite von „nur“ 25 Millimetern werde verhindert, dass die Aale in die Kraftanlage schwimmen könnten, sagt der Projektleiter Dietrich Heck. Die Fische würden in einen Ablaufrinne und in ein Bypasssystem umgeleitet. „Unser Anspruch und der von Greenpeace ist es, ein Konzept aufzustellen, das Maßstäbe im Fischschutz setzt.“

Forscherin Adam sagt, männliche Aale seien viel kleiner als weibliche Aale. Laborversuche hätten gezeigt, dass nur eine Spannweite von 15 Millimetern die männlichen Fische davon abhält, sich durch die Rechen zu zwängen. „Die Fische versuchen verzweifelt weiterzukommen.“

Planer Heck hält das nicht für einen Beweis. In Adams Laborversuch hätten die Fische keine Chance gehabt, durch einen Abfluss zu verschwinden, wie er im Wasserkraftwerk geplant ist. Zudem sei das in Bremen eingesetzte Verfahren einzigartig in der Welt.
Forscherin Adam sagt, die Bremer Ideen seien einzigartig, weil sie keiner wegen ihrer Unsinnigkeit umsetzen würde. „Abwandernde Aale lassen sich treiben, schon bei geringer Strömung haben sie nicht mehr die Kraft sich neue Wege zu suchen.“

Fischereiverbände entlang der Weser haben gegen das Projekt geklagt. In den Planungsbeschlüssen finden sich seltsame Passagen. So wurden Forschungsberichte nachweislich falsch zitiert. Nur ein Beispiel: So heißt es, Versuche von Adam hätten gezeigt, dass Aale Rechen mit einer Spannweite von 20 Millimetern nicht durchschwimmen würden. Die Forscherin bezeichnet das als Quatsch. Sie habe im Gegenteil in ihrer Forschungsarbeit geschrieben: „Ein deutlich größerer Teil der Aale jedoch zwängte sich Schwanz oder auch Kopf voran zwischen den Rechenstäben hindurch.“

Ein Aal zwängt sich durch einen Rechen mit einer Spannweite von 20 Millimetern Foto: Adam

Erst Anfang der Woche konnte der Niedersächsische Sportfischerverband einen Teilerfolg gegen das Kraftwerk erringen. Seine Klage wurde vom Oberverwaltungsgericht Bremen angenommen. Das Ziel des Verbandes ist es, die Europäische Aalschutz-Richtlinie durchzusetzen. Und damit neue Investitionen in den Fischschutz möglich zu machen.

Doch das würde neue Millionen kosten, die niemand bezahlen will. Schon jetzt ist das 40 Mio Investment an der Grenze des Möglichen. Die Bauarbeiten des vor acht Jahren initiierten Projektes haben sich mehrfach verzögert. Die Planer streiten sich mit dem Bauunternehmer um Zahlungen. Greenpeace kommt seit Monaten nicht damit voran, Anteile an dem Kraftwerk im Wert von 20 Mio Euro über einen Ökovertrieb an interessierte Bürger zu verkaufen. Neue Probleme will keiner in Bremen. Mehr Schutz für die Fische? „Das kostet Geld“, sagt Planer Heck: „Es gilt einen Kompromiss zu finden zwischen dem was wirtschaftlich machbar ist und dem Schutz der Fische dient.“

Wenn man mit den Fischern in Bremen spricht, spürt man Resignation. Zu dicht ist das Gewebe von rot-grün und den Öko-Investoren im kleinsten Bundesland. Der Präsident des Niedersächsischen Sportfischerverbandes, Peter Rössing, setzt kaum noch Hoffnung in die Unabhängigkeit der Justiz. „Das Kraftwerk ist politisch gewollt.“ Die Richter seien im Stadtstadt abhängig vom Senat. „Wir müssen bis zum Bundesverwaltungsgericht kommen, damit wir den politischen Druck loswerden“,

Heike German vom Bremer Fischereiverband ist ähnlich verhalten. Es sei zwar richtig, die alternativen Energien zu fördern, aber es müsse auch für den Erhalt der heimischen Tierwelt gesorgt werden. „Das hält sich hier nicht die Waage. Greenpeace sagt: Rettet die Wale, aber sie schützen nicht unsere Fische.“

Zumwinkel Gezwitscher

Es ist jetzt nicht der ganz große Prozess, der da seit heute in Bochum gegen Klaus Zumwinkel aufgerollt wird. Dafür blieb die Schadenssumme plötzlich zu gering. Auch fehlt eine der Hauptpersonen, die nach vielen Wirren im Justizapparat nun ihren Dienst in Essen als Amtsrichterin versehen muss. Margrit Lichtinghagen sitzt dort übrigens auf der Planstelle einer erkrankten Ex-RTL-Jugendrichterin.

Am Essener Gericht munkelt man bereits, dass auch Lichtinghagen keinen einzigen Tag als Amtsrichterin arbeiten wird. Das NRW-Justizministerium soll gerade an einer auf die prominente Staatsanwältin zugeschnittenen Aufgabe arbeiten – etwa in Lehre und Ausbildung von Fahndungspersonal.

Doch auch ohne allzu hohe Strafen – Zumwinkel erklärte heute unter anderem, dass er Steuern hinterzogen ("größter Fehler meines Lebens!"), seine Steuerschuld aber beglichen habe und deshalb mit den Steuerbehörden im Reinen sei – ist es ein Prozess gegen einen bundesdeutschen Spitzenmanager. Und wer das Geschehen fast live mitverfolgen will, kann sich von Bernd Kiesewetter zutexten lassen klick. Der Bochumer WAZ-Gerichtsreporter twittert *fast* aus dem Gerichtssaal. Und das liest sich ziemlich putzig.

Abb.: flickr.com

Stinkende Probleme bei der AGR-Entsorgungs-Tochter DAR

In Herten beschweren sich derzeit duzende Bürger über ihren müffelnden Nachbarn, die AGR-Entsorgungstocher DAR. Zur Erinnerung: die AGR steckt in diversen finanziellen Zwickmühlen und gehört ansonsten dem Regionalverband Ruhr, RVR.

Die betroffenen Nachbarn in Herten stören sich am Gestank, der an der Hohewardstaße über Mauern und Zäune der DAR zieht. Nach Angaben der Hertener Grünen werden auf dem Gelände offensichtlich große Mengen von Abfall gelagert. Unzählige Möwen würden den Müll nach fressbarem durchpicken. Dazu sollen Ratten über die Dreckhaufen flitzen. So eine Art Neapel Außenstelle Herten-Nord. 

Nun gut. Die Grünen berichten, sie hätten bei einer Ortsbesichtigung gesehen, wie der Plastikmüll ungesichert auf dem Gelände vor sich hin gammelt. Die Hallen seien so überlagert, dass der Dreck aus den Zwischenräumen quillt.

Und weil Anwohner-Beschwerden bei der Stadt nicht gebracht hätten, habe man die Bezirksregierung in Münster eingeschaltet. In der kommenden Woche soll es erste Gespräche zwischen Grünen, Anwohnern und Bezirksregierung geben. Wir werden über die Ergebnisse berichten.

Hier nun einige Impressionen vom Gelände der AGR-Müllfirma-Tochter DAR: 

Warum ich nicht protestieren werde

In Bochum soll eine sozialtherapeutische Anstalt für Sexual- und Gewaltstraftäter gebaut werden. Ich wohne in der Nachbarschaft und werde nicht gegen den Bau protestieren.

Natürlich habe ich mich nicht gefreut, als bekannt wurde, dass das Land nur gut 500 Meter von meiner Wohnung entfernt eine sozialtherapeutische Anstalt für Sexual- und Gewaltstraftäter bauen will. Könnte ich es mir aussuchen, die Anstalt käme an einen anderen Ort. Aber da das alle künftigen Anlieger so sehen werden, muss das Land sich nun einmal für einen Standort entscheiden und, ganz objektiv betrachtet, ist der in meiner Nähe nicht der Schlechteste: Er liegt direkt neben der Krümmede, einem der größten Gefängnisse des Ruhrgebiets und der Polizeikaserne, in der die Bochumer Einsatzhundertschaft untergebracht ist.

Mir ist es wichtig, dass solche Täter streng überwacht werden und die Polizei nicht weit ist, wenn doch mal was passiert. An diesem Standort geht beides. Dass sich viele gegen die Ansiedlung wehren und auch die Stadt auf die Barrikaden geht, ist leider normal: Es herrscht das St. Florians Prinzip:  Man wünscht sich die Bedrohung an einem anderen Ort, denn man kann sich ihr nicht entziehen: Solange man der Ansicht ist, dass es Straftäter gibt, die behandelt werden müssen, was ich bin, braucht man einen Ort, an dem das geschieht. 

Ich fand es immer arm, wenn sich Anwohner in anderen Städten gegen solche oder vergleichbare Einrichtungen in ihrer Nachbarschaft gewehrt haben – und jetzt, wo ich einer der Anwohner bin, habe ich nicht vor, meine Haltung zu ändern: Der Standort auf dem Gelände der Krümmede geht  aus den beschrieben Gründen in Ordnung. Die Castroper Straße ist nicht, wie es die Verwaltung  darstellt, der attraktive Eingang zur Stadt, sondern vom ersten bis zum letzten Haus eine der hässlichsten Straßen Bochums, und dass Beamtenwohnungen für den Neubau abgerissen werden, ist zu vertreten: Das Land wird, es ist ja unser Geld, den Umzug der Betroffenen großzügig regeln, und der Bochumer Wohnungsmarkt ist so entspannt, dass alle bald eine Wohnung finden werden. Außerdem kann das Land ein solches Projekt nur auf eigenem Grund und Boden umsetzen –  an jedem anderen Ort  wären die Widerstände noch größer.

Was ich mir jetzt wünsche, ist keine populistische Diskussion über Sexualstraftäter. Als Anwohner will ich über die Sicherheitsmaßnahmen informiert werden, und von mir aus kann der Zaun gerne ein wenig höher ausfallen und die Zahl der Wachen größer werden. Ansonsten heißt in einer Gesellschaft zu leben nicht nur, die Annehmlichkeiten willig anzunehmen, sondern auch die negativen Konsequenzen mitzutragen. Ich würde mir wünschen, wenn das bald einige Bochumer Politiker ebenso formulieren würden. 

Übrigens: Rübe ab Kommentare werden wir, wie immer, nicht freigeben.  

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Ein Mann betritt den Ring

Foto: presseportal

Manchmal, wenn die Nacht am tiefsten ist. Wenn alles nur noch grau und schwarz erscheint, kommt plötzlich ein Lichtstrahl aus einer unerwarteten Richtung. In diesem Fall ist der Lichtstrahl rund Einmetersiebzig hoch, 67 Jahre alt und hat einen Hang zum Übergewicht. Die Rede ist von Wilhelm Bonse-Geuking und der Debatte um das einheitliche Ruhrgebiet.

Gestern abend stellte sich der Chef der RAG-Stiftung bei seinem Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf als Mann mit Ambitionen für das Ruhrgebiet vor. Er hielt eine erste politische Grundsatzrede, in der er von allen Verantwortlichen im Pott unverblümt mehr Kooperation einfordert. Damit nicht genug. Der Ex-Manager der Veba und BP, der gelernte Bergmann und Wirtschaftslenker bringt Ideen mit.

Und das ist ein heller Hoffnungsschimmer. Denn nach dem Ausscheiden der WAZ aus der Ruhrgebiets-Debatte drohte die Suche nach einer Idee für die Ruhrstadt zu versanden. Es schien, als wäre die Frage nach der richtigen Lösung für den Pott nur noch etwas für alte Männer mit dem Hang zum Idealismus. Eine staubige Sache für staubige Menschen.

Geschenkt, auch RAG-Chef Bonse-Geuking ist ein alter Mann. Aber zumindest in seiner Position ist er jung. Die Stiftung hat erst seit wenigen Monaten Geld, um ihren Auftrag zu erfüllen, das Revier auf den Ausstieg aus dem Kohlebergbau vorzubereiten.

In seiner Analyse geht der Mann aus der Wirtschaft weit. Er sagt, die Region leide daran, dass zu viele Leute etwas zu sagen hätten und doch nur ihre eigenen Interessen verfolgen würden. Das Gesamte gerate ihnen zu oft aus den Augen. Er sagt, seit über 50 Jahren sei die Frage unbeantwortet: „Wo liegt die Zukunft der Ruhr?“ Und das will er ändern.

Er plädiert dafür, einen gemeinsamen Sinn zu finden. Ein Ziel zu definieren, dass es zu erreichen gelte. Erst wenn man das geschafft habe, sei es möglich eine Prioritäten-Liste aufzustellen, was zu welchem Zeitpunkt zu geschehen habe.

Bonse-Geuking beschreibt das Grundproblem in der Schwäche eines gesunden Mittelstandes, aus dem die Kreativität für den Wandel kommen könnte. Diese innovative Schicht sei „unterentwickelt, viel mehr als anderenorts in NRW.“ Die Menschen hätten sich stattdessen viel zu lange auf die Stärken der Großindustrie verlassen. Er gibt ein Beispiel, das ich gerne in ganzer Länge zitiere:

Bei einer Adventsfeier des Bergwerks Prosper Haniel sang ein eindrucksvoll frischer, fröhlicher Chor junger Bergleute unter anderem das schöne Lied: „Glückauf ihr Bergleute jung und alt.“

Darin gibt es eine Strophe, in der heißt es: „nun lobt die werte Obrigkeit, die für uns sorgt und fürderhin zu sorgen ist bereit.“

Die Erwartung, die da oben werden schon für uns sorgen, ist nach meinem Eindruck tief in der Mentalität des Ruhrgebietes verankert.

Und dann sagt Bonse-Geuking:

Wie erreichen wir den Mentalitätswandel?

Bonse-Geuking will die Menschen erreichen, will sie mitnehmen auf die Reise in die Zukunft. Er will ein gemeinsames Ziel finden und dieses verfolgen. Dazu sucht er nicht die eine zentrale Steuerung, aber einen ordnenden Gedanken, der für alle eine Gewinner-Position schafft.

Viele kennen diese Worte und denken an die Summe der Einzelteile, die nie im Ruhrgebiet ein Ganzes gab. Viele werden an die Versuche der Projekt Ruhr GmbH unter Hanns-Ludwig Brauser erinnert, der alle Oberbürgermeister und Landräte zusammenholte, um einen Plan für das Ruhrgebiet zu entwerfen. Bei diesem Scheitern kam eine Sammlung von individuellen Wünschen heraus, die wenig Gemeinsames brachte. Dafür Millionengräber wie den Ruhrpiloten oder das Projekt Digitales Ruhrgebiet.

Bonse-Geuking denkt als Realist weiter. Er sagt, man müsse zur Not die Gemeinden zu ihrem Glück zwingen. Das gehe relativ einfach. Wenn man nämlich Zuwendungen von gemeinsamen Ideen abhängig mache. Etwa beim Konjunkturpaket II, das in wenigen Wochen und Monaten  über 2 Mrd Euro nach Nordrhein-Westfalen spülen soll.

Bonse-Geuking sagt, er wünsche sich, dass es eine „zentrale Priorisierung“ für das Geld gebe. Es müsse nach dem Grundsatz verfahren werden: „wo erreichen wir den größten Nutzen für das Ruhrgebiet als Ganzes?“

Dies ist in meinen Augen ein großer Wurf.

Momentan suchen alle Städte nämich für sich alleine nach Möglichkeiten, das versprochene Geld zu investieren. Niemand hat bisher davon gesprochen, die Millionen für gemeinsame Ziele auszugeben. Auch der Chef des Regionalverbandes Ruhr, Heinz-Dieter Klink nicht, von dem man soetwas hätte erwarten können, wenn er das Format dazu hätte.

Bonse-Geuking aber sagt: „Wir brauchen ein Ziel und eine Strategie für das Ganze.“ Die Oberbürgermeister und Landräte im Revier werden diese Sätze beunruhigen, genauso wie den verschlafenen Direktor des Regionalverbandes.

Hier ist einer der Ideen hat, der führen will und es auch kann. Dass Bonse-Geuking zudem als RAG-Stiftungs-Chef Macht hat und über Einfluss bis in die NRW-Landesregierung hinein verfügt, macht aus der Unruhe vielleicht Sorge.

Was ist, wenn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) die Idee aufnimmt?

Vieles ist denkbar.

Selbst für die Stiftung gibt sich Bonse-Geuking ein politisches Programm. Er will mit seinen Mitteln über die RAG Immobilientochter und die RAG Flächenverwaltung Pilotprojekte initiieren, die zeigen, was man erreichen kann. Wie man Viertel aufwecken kann aus dem Tiefschlaf. Wie man Bildung zu jungen Leuten bringt nd Aufbruchstimungen erzeugt. An diesen Erfolgen wollen dann alle teilhaben, ist sich der politische Manager sicher.

Ich drücke Bonse-Geuking die Daumen, dass er seine Träume nicht aufgibt, sondern die Kraft findet, sie durchzusetzen. Mich freut es ungemein, dass sich hier ein neuer politischer Kopf in den Ring gestellt hat. Die Punkte werden ab jetzt neu vergeben.

Ruhrgebiet Aktuell am Donnerstag

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet

Überraschung: Sozialdemokrat lobt CDU…Pottblog

Ruhr2010: 2-3 Straßen Projekt…Frankfurter Rundschau

Gesundheit: Ruhr Uni gegen Heuschnupfen…Daily Mail

Verfolgung: Nazis jagen Antifaschisten…Der Westen

Spass: Gelsenkirchen wird Zockermetropole…Gelsenkirchen Blog

Umfrage: weitgehend unsinnige Unternehmerbefragung in Dortmund…Claudia blogt

Ruhrfestspiele:
Das neue Programm…Der Westen

Masern: Stadt schießt drei Schule in Gelsenkirchen…Gelsenclan

Arbeitskampf: Sollen Lehrer streiken?…Zoom

Live: Baender Bender…Unruhr

Und sonst:

Geschichte: Das vielleicht erste Emoticon der Geschichte…nerdcore

Stefan Aust: Ex-Spiegel-Chef bei Elke Heidenreich als Bücherwurm…littv

Werner Butter gestorben

"Das Ruhrgebiet – Ein starkes Stück Deutschland" war die bislandg erfolgreichste Kampagne für das Ruhrgebiet. Nun ist Werber Butter, der Vater der Kampagne gestorben.

"Der Pott kocht" oder "Ruhr hoch N": Keine Werbekampagne für das Ruhrgebiet war bislang so beliebt (und so erfolgreich) wie die Kampagne "Das Ruhrgebiet – Ein starkes Stück Deutschland." Bis heute wirken die Motive modern. Doch die Kampagne sah nicht nur gut aus, sie brachte durch ihre Responseelemente – man konnte zu jedem Motiv Material anfordern – tausende dazu, sich über das Ruhrgebiet zu informieren. Der Mann der sich die Kampagne ausgedacht hat war der Werber Werner Butter und der ist nun auf Mallorca gestorben.

Für Butter war die KVR-Kampagne Zeit seines Lebens seine beste Arbeit. Und sie war ein Vorbild für zahlreiche andere Regionallampagnen.

Don Alphonso: Blogout bei DerWesten

DerWesten streicht sein Blog-Angebot zusammen, meldet Don Alphonso.

"DerWesten, das Onlineportal der WAZ-Gruppe, hat wissen lassen, dass selbst die alten Hungerlöhne im niedrigen dreistelligen Bereich für frei angestellte Blogautoren zu viel sind", schreibt Don Alphonso auf Blogbar.de. Ausnahme: Das Videoblog Lost in Deutschland (LiD) von Mario Sixtus. Laut Don Alphonso hat Sixtus einen guten Kontakt zu DerWesten-Chefin Katharina Borchert.

Auf Anfrage erklärt Katharina Borchert, dass nicht alle sondern nur die erfolglosen Blogs gekündigt wurde: "Ich halte es  für einen völlig normalen Prozess, ein Experiment (in diesem Fall also ein konkretes Blog) wieder einzustellen, wenn es nachweislich nicht ‚funktioniert‘, d.h. auf kaum Resonanz bei unseren Nutzern stösst. Und wir haben das ja nicht mal eben vier Wochen ausprobiert, sondern z.B. 14 Monate bzw. 10 Monate lang. Das würden wir übrigens auch bei LostinDeutschland so machen. Jedes Projekt steht in regelmäßigen Abständen auf dem Prüfstand – ganz normale Praxis in allen mir bekannten Häusern, die längst nicht nur für Blogs gilt."

Borchert sieht keinen Zusammenhang zwischen der Verpflichtung von Sixtus und ihrer Bekannschaft untereinander: "(…) Mario Sixtus kenne ich in der Tat inzwischen ganz gut und schätze ihn sehr. Aber die "Szene" ist nicht besonders groß und ich kenne die meisten Menschen, die interessante Projekte der unterschiedlichsten Art machen. Muß ich jetzt deshalb Inhalte im Ausland einkaufen, am besten in Südamerika, wo ich noch nie war und daher absolut unverdächtig bin? Die Entscheidung für LiD habe ich nicht allein getroffen, sondern gemeinsam in der damals vierköpfigen Geschäftsleitung. Den Ausschlag gab dabei vielmehr mein damaliger Co-Geschäftsführer, der restlos begeistert war und LiD auch in seiner neuen Tätigkeit gerne als Anschauungsobjekt präsentiert."

Für den Don liegt das Scheitern der Westen-Blogs auch darin begründet, dass die Qualität der Blogs schlecht war, was er wiederum auf die miese Bezahlung der Blogger zurückführt: "(…) ich denke insgesamt, dass die WAZ mit einem Winzbudget nach grossen Versprechungen die Winzleistungen bekommen hat, die sie verdient", so Don Alphonso in einer Antwort auf Borcherts Kommentar bei Blogbar.

Hört man sich ein wenig in den WAZ-Kreisen um, gibt es noch einen weiteren Grund für das Blogout beim Westen: In einer Zeit, in der nahezu ein Drittel der WAZ-Redakteure vom Stellenabbau bedroht sind, sei es der Belegschaft nicht zu vermitteln, Geld für Blogger auszugeben.

 

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Experiment: Wieviel ist uns Musik wert?

Was sind wir bereit für Musik zu zahlen? Bochumer Forscher suchen mit einem Experiment nach Antworten.

Eine Branche kämpft ums Überleben. Das Wasser steht ihr bis zum Hals und es ist nicht klar, welche klangvollen Namen bald vielleicht verschwinden werden.

Nein, die Rede ist nicht von den Banken, sondern von der Musikindustrie – wenn man dieser darbenden Branche überhaupt noch den Titel "Industrie" zugestehen möchte – immerhin reden wir ja auch nicht von der Holzschuhindustrie. 

Immer weniger CDs werden gekauft, und das Wachstum der Onlineshops kann den Rückgang der Verkäufe nicht kompensieren. Die Gründe sind vielfältig: Der demographische Wandel, die Entmystifizierung der CD durch den Brenner, miese Bands und sicher auch alles, was nach Napster kam.

Nachdem die Branche mittlerweile aufgehört hat, jeden Kunden als potentiellen Verbrecher zu sehen und nicht mehr darauf besteht, jedes Stück  mit einem  Kopierschutz zu versehen, wird nun mit neuen Vertriebswegen experimentiert. Vor allem einzelne Bands setzen darauf, ihre Stücke zum Download anzubieten und die Bezahlung den Kunden zu überlassen. Die britische Band Radiohead hat ihr Album In Rainbows auf diesem Weg angeboten – und 62 Prozent griffen zu, ohne zu zahlen. Aber immerhin: 38 Prozent haben bezahlt, und um die geht es bei einem Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Marketing an der Ruhr-Universität Bochum. Bei dem Projekt wird über eine Internetseite ein Album der Band Tellaro zum Download angeboten. Die Nutzer entscheiden selbst, wie viel sie für das  Album bezahlen möchten und werden zu einer Paypal-Site weiter geleitet. Ganz umsonst bekommt man das Album jedoch nicht: Mindestens 40 Cent PayPal-Gebühren kostet der Spaß, und nach dem Kauf kommt noch der Fragebogen: Mit dem wollen die Forscher nach dem Download die Motivation der Nutzer in Erfahrung bringen.

WAZ feiert Zuschauerzahlen bei NRW.TV

Die WAZ-Gruppe freut sich. Der Sender NRW.TV, an dem der Konzern eine Beteiligung hält, hat seine Zuschauerzahl innerhalb eines Jahres verdoppelt. Jeden Tag würden nun 530.000 Menschen den Spartenkanal einschalten, heißt es in einer Erklärung. Ich finde, das ist nicht viel: kann man das überhaupt in Marktanteilen in der relevanten Zielgruppe ausdrücken? Egal, dem WAZ-Konzern scheint es zu reichen. Es heißt, das werbefinanzierte NRW.TV habe zudem im vergangenen Jahre einen Gewinn gemacht. Wie hoch der ist, wurde nicht mitgeteilt. Wenn ich die Angaben später bekomme, baue ich sie noch ein.

Der Chefredakteur der „Neuen Ruhr / Neuen Rhein Zeitung“, Rüdiger Oppers, ist als Ex-WDR-Sprecher einer der NRW.TV-Geschäftsführer und zudem verantwortlich für das gesamte Fernsehgeschäft der WAZ-Gruppe. Er sagt: „NRW.TV ist für uns ein wichtiger strategischer Baustein in der crossmedialen Vernetzung von Zeitung, Radio und Internet. Wir werden diesen Erfolg weiter ausbauen und in 2009 im Bereich Information und Unterhaltung weitere programmliche Ideen und Akzente setzen.“ Ich bin gespannt. Wie ich gehört habe, wird für Beginn des Jahres dazu ein großer Aufschlag vorbereitet. Doch dazu später mehr…..