Interview-Termin in Essen mit Christof Kather von JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE. Treffen in den Wirrungen des Hauptbahnhofumbaus, dann einmal durch die City zu einem dieser dysfunktionalen Plätze, man sitzt schließlich mit Getränken auf Treppenstufen. Das Ende vorweg: Beim Ausstieg aus der Straßenbahn auf dem Rückweg sieht der Autor eine Tasche mit dem Namenszug der Band und schenkt der ein Buch lesenden Besitzerin direkt die noch nicht veröffentlichte CD der Band. Eine runde Sache.
Ruhrbarone ?: Bei mir im Kopf seid Ihr eigentlich schon lange, spätestens seit Eurer Veröffentlichung mit den Coverversionen drauf. Jetzt eine Split-CD mit Eisenvater, demnächst ein Album mit 54 so genannten Kurzgedichten namens „Luxusvernichtung“ auf Eurem eigenen Label, Unundeux. Und eine Tour und vorher mehrere Termine am Stück in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Ganz schön viel los auf einmal, dabei hatte ich immer den Eindruck, Ihr seid wirklich noch eine der etwas bekannteren Bands, die tatsächlich nur macht worauf sie Lust hat.
Christof Kather !: Wir veröffentlichen ja schon recht viel. Zwar erst drei Alben, aber dafür noch einige EPs, Splits mit anderen Bands und diese Cover-Platte zum Beispiel. Das könnte im Nachhinein nach Konzept riechen, aber eigentlich schießen wir los wenn wir etwas haben. Und da Texte bei uns schon eine wichtige Rolle spielen, bin ich auch dafür dass das dann auch zeitnah herauskommt. Deshalb gibt es da schon eine Art Veröffentlichungszwang, und das ist sicher mit ein Grund, warum wir jetzt das Label machen.
?: Fast wie das alte Single-Prinzip…
!: Nur dass wir keine Single-Band sind.
(Lachen)
?: Dafür sind die Stücke ja auch meist etwas kurz.
!: Unser längstes Stück ist schon drei, vier Minuten lang, aber bei den Kurzgedichten sind es auch mal fünf, sechs Sekunden. Die ältesten davon sind schon fünf Jahre alt, das hört man der Produktion auch teilweise an, mal im Wohnzimmer, mal im Proberaum aufgenommen. Aber es geht halt auch um die Texte. (Anm.: Liegen auch diesmal wieder bei.)
?: Live ist ja auch ganz groß derzeit, heißt es. Ihr spielt aber nicht soo viel, das stimmt schon, oder?
!: 2007/2008 haben wir jeweils so um die 20 Shows gespielt. Das ist schon wenig. Ich glaube auch nicht dass viele Konzerte unbedingt wichtig sind um bekannter zu werden. Dafür gibt es viel zu viele Bands, und im Internet ist das ähnlich. Bei uns liegt der etwas höhere Bekanntheitsgrad wohl tatsächlich zum einen am Namen und, wenn man dem Feedback glaubt, wirklich auch an den Texten, die anscheinend etwas Besonderes haben.
?: Und wo kommt diese spezielle Mischung her, Text und Klang?
!: Angefangen haben wir 1998 zu zweit, als ich Klaus, der nach wie vor Gitarrist ist, über das Studium kennen gelernt habe. Vorher hatten wir schon unsere eigenen Bands, so den üblichen 18-jährigen-Traum mit Plattenvertrag und so. Aber dann wollten wir nur noch hauptsächlich aufnehmen, haben das dann ins Netz gestellt, und so ist das eher natürlich und kontinuierlich gewachsen. Die ersten fünf Jahre waren wir meist zu zweit, dann gab es erst den ersten Auftritt, ein paar Personalwechsel. Und inzwischen sind wir halt sechs Leute, davon zwei Sänger.
?: Ihr habt ja auch Jobs, die nicht direkt mit dem Musikbusiness zu tun haben.
!: Plattenladen, arbeitslos, Teilzeit-Krankenpfleger, Schreiner, Straßenbauarbeiter, Bremsenfabrik.
?: Also ergeben sich die Dinge eher über Kontakte. Kunst, aber nicht künstlich.
!: Das kann man sagen.
?: Das habe ich mich auch vor dem Interview gefragt: Macht man das jetzt, Euch so dem Mainstream vorwerfen?
!: Na, vor dem Internet, da gab es ja noch Mainstream. Wer heute Mainstream macht, der packt es richtig an, und da werden dann wirklich alle Register gezogen. Wir waren da nie dahinter her. Zum zehnjährigen Bandjubiläum haben wir T-Shirts gedruckt mit dem Spruch „Ehrlich verdienter Erfolg seit 1998“.
?: Ich habe das öfter mal mitbekommen, wenn Musiker dann ihre eigenen Label gründen. Dann kommt ja auch viel Geschäftsarbeit auf einen zu, gegebenenfalls Verantwortung für andere Bands, Verhandlungen, etc.
!: Der Hauptantrieb ist schon die Autonomie, ohne größere Promophase einfach mal etwas raus hauen zu können. Eisenvater sind mit auf dem Label, das fand ich damals schon gut, dass die eben nicht einfach Hamburger Schule sind und deshalb nicht so einzuordnen waren. Man musste sich schon dafür interessieren, denn es wurde einem nicht überall aufs Brot geschmiert. Man muss sich ja auch bei uns schon wegen der Sounds mehr mit uns beschäftigen. Ich sehe uns da schon in einer Linie mit Bands, die man eher wegen den Texten und der Attitüde gut findet und nicht weil es direkt ins Ohr geht oder so etwas. Und es würde auch keinen Sinn machen, da jetzt fünf, sechs andere Bands reinzuholen, denn es soll ja eben überschaubar bleiben. Diese Sache, dass der Künstler vom Applaus alleine lebt und das Label dann guckt wann jetzt der richtige Zeitpunkt ist, ein Album da und da zu platzieren, … All das gilt heutzutage nicht mehr.
?: Wobei Ihr – Stichwort Internet wieder – schon vor allem im deutschsprachigen Raum funktioniert.
!: Letztes Jahr waren wir einmal eingeladen zum Maryland Death Fest in den USA. Aber das sind dann auch nur so 1500 Leute, die amerikanischen Bands machen ja auch eher hier ihre Kohle. Man kennt uns schon weltweit, aber hauptsächlich geht es schon um Deutschland, Österreich, Schweiz. Wir spielen auch im Grunde nur auf Einladungen hin und haben keine Agentur dafür. Im Juni geht es bei der Tour mit Macabre auch mal nach Paris, nach Holland und so, aber wir wollen den Apparat schon eher klein halten, damit es auch weiter Spaß macht. Es nutzt ja nichts, von Musik leben zu können und dann zwei Monate auf Tour sein zu müssen. Das nervt mich schon nach vier Tagen, das Aufbauen und warten müssen. Wir würden auch längst nicht soviel produziert bekommen, wenn wir so etwas tun würden.
?: Klischee „ehrliche Musik aus dem Ruhrgebiet“. Kreator wird gerade herum gereicht. Es gibt viel guten Garage, Metal und Punk in der Gegend, der es aber nicht zwingend ins Fernsehen oder die Trendpostillen macht. Wie nimmst Du das wahr?
!: Für mich als gebürtigen Lüneburger gibt es schon diesen Zusammenhang „Arbeitermetropole – Metal“. Das hat schon immer etwas Underdog-mäßiges, auch wenn Metal jetzt scheinbar salonfähig wird und sich auch die Indie-Zeitschriften plötzlich interessieren. Wir spielen lokal meist innerhalb unseres Klüngels, wenn also Stadtfest, dann auch auf der Bühne vom turock. Aber bei Konzerten in Hamburg und Berlin finde ich es fast besser, wenn da ein etwas gemischteres Publikum kommt. Das passt dann auch eher dazu wie wir Musiker privat leben. Das entspricht nämlich gar nicht dem Metal-Klischee. Wie es bei unseren Stücken ja auch nicht immer nur um Krieg, Umweltzerstörung und Satanismus geht. In München zum Beispiel musste sich die Metal-Szene anscheinend auch absondern und klingt deshalb immer noch wie vor fünfzehn Jahren. Man bemerkt also schon den Unterschied zwischen einzelnen Städten.
?: Ich sage immer, in Essen gibt es von allem immer nur eins.
!: Ja, und alles halt eher nur in seiner Ecke.
?: Bedient Ihr Euch denn bei Euren Stücken bewusst bei anderen Bands?
!: Man kann schon sagen „der Part ist Slayer, und der ist Cradle of Filth“ oder so etwas. Wir zitieren aber nicht konkret in dem Sinne dass man da ein Zitat verstanden wissen will. Bei uns entstehen zuerst die Texte, oft mit dem Schlagzeug zusammen, und dann kommen die Riffs, bis schließlich die gute alte Cutup-Technik kommt. Wir haben tatsächlich noch nie ein ganzes Stück zusammen im Proberaum erarbeitet.