3 FÜR 7 – Veranstaltungstipps – Ein Kostüm-Special

Reisen, Revolutionen und Märchenwelten. Nur gut dass sie als Idee da sind. Aber ist das nicht letztlich alles ganz fürchterbar und gar nicht mit der harten Alltagsrealität kompatibel? Erstaunlich oft folgt im klassischen dramatischen Strickmuster der Illusion die Desillusionierung, und nicht nur die der Hauptpersonen der Stücke: Danton in Frankreich (und Bochum), Odysseus in Griechenland (und zu Gast bei Ruhr 2010) und als moderne Variante Elfriede Jelineks Märchenprinzessinnen in einer Box (in Essen).

Eine Nobelpreisträgerin ist Frau Jelinek im Grunde, und sie hat sich schwer getan damit. Ähnlich geht es auch ihren Versionen von Schneewittchen, Dornröschen und Rosamunde im Leben zwischen Märchenwald und Mediengeflimmer – denn irgendwie sind sie ja alle so von vornherein tragisch kodierte Ikarusgestalten. Aber Witz haben sie, immerhin. Die Wiederaufnahme der Inszenierung von Sandy Tomsits in der Box neben dem Grillo ist noch genau dreimal im Programm.

"Dantons Tod" von Sibylle Broll-Pape nach Georg Büchner hat hingegen erst einmal Premiere im Prinz Regent Theater. Und das Buch ist ja wirklich politisch verschiedenst "interpretierbar", was jede Inszenierung schon einmal von vornherein spannend macht. Der Autor dieser Zeilen zitiert mal den fast hoffnungsvollen Satz von Lacroix an die johlende Meute vor dem Schafott: "Ihr tötet uns an dem Tage, wo ihr den Verstand verloren habt; ihr werdet sie an dem töten, wo ihr ihn wiederbekommt." – "Aber wer will den schon wieder haben?", fragt Rosamunde. Und Odysseus ergänzt: "Und wer ihn wieder geben?"

Denn der alte Grieche wird auch zu einer der Großveranstaltungen im Jahre 2010 bemüht. "Odyssee Europa" (Montage: Thomas Goerge) heißt das Mammutprojekt, beginnt diese Woche mit einem ersten Vorboten, dann werden trojanische Pferde vor den beteiligten Schauspielhäusern aufgestellt, dann kommen prominente Denker hinzu, und schließlich ein Theaterzyklus ab Februar 2010. Aber gemach: Diesen Freitag wird erst einmal von Beteiligten und Gästen die gesamte Odyssee gelesen. Öffentlich natürlich, an allen späteren Spielstätten. Komplexe und zugleich simple Massenkultur, wow! Was würde Danton dazu sagen? Und da sollte bitte einfach dem Link gefolgt werden, gerne ohne größere Umwege. Denn hier noch einmal alles …

… im Überblick:
"Der Tod und das Mädchen: Prinzessinnendramen I-III" in der Box in Essen noch am Mittwoch, den 25. Februar, sowie am 4. März und 3. April um 20 Uhr.
"Sag mir Muse. Lange Nacht der Odyssee – Ein Prolog zur Odysse Europa" am Freitag, den 27. Februar, an den beteiligten Theatern in Bochum, Dortmund, Essen, Mülheim, Moers und Oberhausen ab 18 Uhr.
Premiere von "Dantons Tod" im Prinz Regent Theater Bochum am Samstag, den 28. Februar, um 19.30 Uhr.

Orden für Drabig

Die Geierabendtruppe verleiht einmal im Jahr den Pannekopp-Orden. Ein Grund zur Freude ist das  nicht.

Denn den Pannekopp des Jahres gibt es eigentlich nur für herausragende Fehlleistungen. 2003 erhielt ihn die Projekt Ruhr GmbH für ihre Lebenswerk, 2004 die Kaufleute des BvB für die beinahe gelungene wirtschaftliche Vernichtung von Borussia Dortmunds, 2005 Opel wegen der Beinahe-Werkschließung, 2006 der Schrifsteller Joachim Lottmann, 2007 Veronica Ferres (wohl weil sie Veronica Ferres ähnlich ist) und 2008 Werner Müller. Für was ist eigentlich egal, da gibt es genug Gründe.

Abgeholt hat den Preis noch nie jemand, was auch daran liegt, dass er nicht allzu hübsch ist: Der Orden, bestehend aus 25 Kilogramm rostigem Stahl. In diesem Jahr wird das anders sein, denn der Dortmunder SPD-Chef Franz Josef Drabig hat angekündigt, heute Abend den Pannekopp-Orden anzunehmen. Eine lässige Geste. Verliehen bekommen hat er ihn wegen seiner Personalpolitik. Die schöne Begründung: "Nicht progressives Politik-Personal, das wäre die falsche Kategorie. Ein Meisterstück, wie FJD den Dortmunder Oberbürgermeister Langemeyer entsorgt hat.

Dereinst wollte Franz-Josef Drabig selbst OB werden, das klappte nicht. Dann war er lange weg. Plötzlich wieder da. Ab 2007 ging’s Schlag auf Schlag. Erst wurde Langemeyer angeknockt, aber irgendwie hat die Säge geklemmt. Als die Stunde der…Gestaltung im Herbst 2008 gekommen war, erkor Drabig Kulturdezernent Stüdemann zum OB-Kandidaten, obwohl er immer auf Stadtdirektor Sierau gesetzt hatte, sagt man. Der aber wollte erst nicht, trat dann doch an, es gab drei Kandidaten, dann verzichtete Langemeyer und die K-Frage wurde zu Gunsten von Sierau  entschieden. Also des Mannes, der eigentlich Drabigs war, aber jetzt nicht sein konnte. Das ist großes Personal-Schach. Wenn Franz-Josef Drabig Papst wäre, er würde unter dem Leitspruch agieren: „Egal, wer unter mir Gott ist.“

Deshalb der Gewinner des Pannekopp-Ordens 2009:
Franz-Josef Drabig, Dortmunder SPD-Vorsitzender, für progressive Personal-Politik."

 

Dr. House vs. Arthur Schopenhauer: Wer von beiden ist der größere Aphoristiker?

Foto Dr.House: grape vine Foto Schopenhauer: Sobibor

Auf den ersten Blick scheint es nicht viel zu geben, was der ausgesprochen unsympathische, aber nichtsdestoweniger ungemein populäre Protagonist der Fernsehsendung Dr. House und der Philosoph Arthur Schopenhauer gemeinsam haben. Und doch: Es ist der Pessimismus und die Abscheu vor Menschen, die diese beiden Figuren verbindet. Inwieweit Dr. House tatsächlich an Schopenhauers Weltsicht anknüpft, verdeutlicht diese vergleichende Übersicht.

Dr. House über einen Patienten, der vorgibt, Wunderheiler und ein Sprachrohr Gottes zu sein: „Ist das nicht interessant, religiöse Innbrunst und Wahnsinn sind sich so ähnlich, dass man sie kaum unterscheiden kann.“

Schopenhauer: „Im ganzen Verlaufe des beschriebenen Hergangs kannst du immer beobachten, daß Glauben und Wissen sich verhalten wie die zwei Schalen einer Waage: in dem Maaße, als die eine steigt, sinkt die andere.“

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Dr. House zu einem Patienten, der an Gott glaubt: „Der Glaube ist Schwachsinn.“ In einer anderen Folge heißt es zum selben Thema: „Glauben ist ein anderes Wort für Ignoranz, oder? Ich habe nie verstanden, wieso Leute stolz darauf sind an etwas zu glauben, wofür es keinen eindeutigen Beweis gibt.“

Schopenhauer: „Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter nicht lange überleben.“

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Ein Patient von Dr. House entschließt sich dazu, auf eine lebensnotwendige Behandlung zu verzichten und sagt: „Ich war lange genug Gefangener in diesem nutzlosen Körper. Es wäre schön endlich daraus auszuziehen.“ Daraufhin Dr. House, sichtlich entgeistert: „Auszuziehen? Und wohin? Glauben sie, ihnen wachsen Flügel, sie fliegen mit den anderen Engeln rum und trinken Mana? Wie blöd ist das denn, es gibt kein danach, nur das Jetzt.“

Schopenhauer: „Vor uns bleibt allerdings nur das Nichts.“

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Dr. House beim Anblick eines Patienten, der gerade verstorben ist: „Tut mir leid das zu sagen: Das ist das Ende.“

Schopenhauer: „Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt.“

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Dr. House’ Patient will Suizid begehen, da er die Schmerzen nicht mehr aushält. Dr. House: „Schmerzen sind besser als nichts.“ Daraufhin sagt Dr. Wilson: „Du kennst das Nichts nicht, du hast es selbst nie gesehen.“ Dr. House erwidert: „Ich muss nicht nach Detroit fahren, um zu wissen, dass es dort übel riecht.“

Schopenhauer: "Das Leben gleicht einem Kinderhemd: Es ist kurz und beschissen."

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Dr. Wilson über Dr. House: „Man sollte dir ein Monument setzen für deine Ich-Bezogenheit!“

Schopenhauer: „Ein Denkmal wird die Nachwelt mir errichten.“

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Dr. House zu seiner Patientin, die am CIPA-Syndrom leidet, im Gegensatz zu ihm also keine Schmerzen fühlen kann: „Du kannst keinen Schmerz spüren. Du kennst nur Freude und Genuss. Los, sag mir wie super das ist!“ Daraufhin sie: „Es ist ätzend.“ Dr. House: „Aber besser als immer Schmerzen!“  Etwas später sagt sein Mitarbeiter zu ihm: „Sie sind grantig!“ Daraufhin brüllt Dr. House: „Ich habe Schmerzen!“

Schopenhauer: „Neun zehntel unseres Glückes beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses, hingegen ohne sie kein äußeres, welcher Art es auch immer sei, genießbar.“

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Info: Dr. House läuft immer dienstags auf RTL um 21:15 Uhr. Nächste Woche Dienstag läuft die neue, fünfte Staffel an.

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Der Fall Friedrich: Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakten

Foto: Umweltministerium / Uhlenberg steht links

Im Strafverfahren gegen einen ehemaligen Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium mehren sich die Hinweise auf eine politische Intrige, die von der Spitze des Umweltministeriums losgetreten wurde, um einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden. Das Ministerium hatte dies bislang immer verneint. Gleichzeitig liegen Belege vor, nach denen über das LKA Material zum PFT-Skandal aus dem privaten Bereich des Ex-Mitarbeiters Harald Friedrich an das Ministerium weitergereicht wurde.

Die Suche nach den Ursprüngen des Strafverfahrens führen tief hinein in einen Aktenberg, der mittlerweile weit über 8000 Seiten umfasst. Hier findet sich zum Beispiel eine Aussage der Hauptbelastungszeugin Dorothea Delpino vor dem LKA. Wie jetzt bekannt wurde sagte sie den Ermittlern, sie habe sich bereits am 31. Mai und 1. Juni 2006 mit dem Umweltstaatssekretär Alexander Schink (CDU) zusammengesetzt, um ein „Kündigungsverfahren“ gegen ihren damaligen Abteilungsleiter Harald Friedrich zu besprechen. Zu ihrer Motivation für das Treffen mit Schink führte Delpino aus: „Ich wollte mit meiner Initiative und meiner Aussage sicherstellen, dass das Kündigungsverfahren gegen den Herrn Dr. Friedrich erfolgreich abgeschlossen werden konnte und er aus dem MUNLV entlassen würde.“ Das gelang ihr. Am 18 Juni 2006 wurde Friedrich in der Tiefgarage des Umweltministeriums vom Pförtner die fristlose Kündigung und ein Hausverbot ausgehändigt.

Beim Blick in die Akten lässt sich rekonstruieren, was sich so zwischen dem Delpino-Treffen mit Staatssekretär Schink Ende Mai und der Entlassung des Abteilungsleiters knapp drei Wochen später tat. Delpino schrieb immer häufiger persönliche Vermerke direkt an den höchsten Mitarbeiter von Minister Eckhard Uhlenberg (CDU). In den formlosen Papieren, die mir zum Teil vorliegen, beschwerte sich Delpino zum Beispiel über Mitarbeiter oder Vorgesetzte und erklärte nebenbei, dass sie überlege, in die CDU einzutreten. Oder dass sie ihren Rechtsanwalt das Mandat entzogen habe, der versucht hat, ihre versagte Beförderung im Ministerium durchzusetzen.

Auf jeden Fall trug Delpino in ihren hausinternen Spionageprotokollen angeblich verwerfliches über Friedrich zusammen. Ihre Berichte an Schink sind Dokumente einer Intrige.

Dem Staatssekretär kamen diese Berichte offenbar recht. Industrievertreter hatten ihn bedrängt, Friedrich das Vertrauen zu entziehen. Dann wurde auch noch der PFT-Skandal öffentlich. Millionen Menschen an der Ruhr mussten mit Chemikalien durchsetztes Wasser trinken. Friedrich setzte sich hier für ein hartes Vorgehen des Ministeriums ein.

Kurz nach dem Rauswurf von Friedrich berichteten mehrere Blätter über die fristlose Kündigung – unter anderem habe ich geschrieben. Doch erst nachdem ich am 9. Juli 2006 in der Welt am Sonntag über den PFT-Skandal an der Ruhr und einen möglichen Zusammenhang mit der Personalie Friedrich berichtete, kam offensichtlich die Zeit zum Handeln.

Drei Tage nach meinem Bericht in der Welt am Sonntag über den PFT-Skandal ging ein Fax aus dem Büro der deutschen Presseagentur dpa bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein. Inhalt des Schreibens: drei Zeitungsberichte über die Entlassung Friedrichs wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe, einer war interessanterweise von mir. Handschriftlich vermerkte ein Staatsanwalt auf den Papieren, dass bislang kein Verdacht zu erkennen sei, nach dem Ermittlungen aufgenommen werden müssten. Es bleibe abzuwarten, ob das Ministerium Anzeige erstatte.

Schon einen Tag später wurde dem Wunsch des Staatsanwaltes entsprochen. Das Ministerium erstatte Anzeige wegen Korruption und überreichte Ermittlungsbeamten umfangreiche Papiere, die den Verdacht erhärten sollten. Zwei weitere Anzeigen wegen diverser Delikte folgten. Staatssekretär Schink bestritt bislang die Anzeige wegen Korruption und bestätigte später nur, er habe Gerüchte aus seinem Haus an die Ermittler weitergereicht.

Unterdessen ist von den Vorwürfen wenig geblieben. Nach Auskunft des Leitenden Oberstaatsanwalt Helmut Schoß von der federführenden Behörde in Wuppertal wurden in der Causa Friedrich reihenweise Verfahren eingestellt. Nur noch gegen fünf der ursprünglich 13 Verdächtigen werde ermittelt. Zudem heißt es, alle ursprünglichen Vorwürfe wegen Korruption seien fallengelassen worden, es gehe nun nur noch um einige wenige Randaspekte.

Gleichzeitig wird es nun für die Staatsanwaltschaft Wuppertal selbst ungemütlich. Wie aus Unterlagen hervorgeht, die mir vorliegen, hat die Behörde Dokumente aus den Ermittlungen gegen Friedrich an das Umweltministerium weitergereicht. Hierbei ging es unter anderem um Material zum PFT-Skandal aus dem persönlichen Umfeld des Beschuldigten. Weiter erhielt das Ministerium Einblick in private Computerfestplatten von Friedrich, auf denen intime Daten gespeichert waren.

Zudem hat der ermittelnde Staatsanwalt Ralf Meyer die Ermittlungsakten nahezu vollständig an den Rechtsanwalt der Belastungszeugin Delpino ausgehändigt. Jener Zeugin, die für Staatssekretär Schink die Spitzelberichte angefertigt hat.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war die Aktenweitergabe gerechtfertigt. Schließlich sei Delpino dem Vorwurf einer möglichen Falschaussage ausgesetzt.

In den Akten findet sich nich ein weiteres brisantes Detail. So hat die Staatsanwaltschaft offenbar mit den Akten auch die PIN und TAN-Listen von Friedrichs Konten an mehrere Rechtsanwälte und damit auch mittelbar an deren Mandaten weitergeleitet. Zudem wurden Geschäftsinterna von zumindest einem betroffenen Institut über die Akten weitergereicht. Dabei ging es um Privatentnahmen, Kontostände und so weiter. Das bedeutet: Im Prinzip hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal wirklich vertrauliche Unterlagen wie beliebige Verfahrenspapiere behandelt.

Für die Betroffenen ist das schmerzhaft. Denn die beschuldigten Unternehmen sind im Markt Konkurrenten und keine Freunde.

Unklar ist, ob auch Delpinos Anwalt die PIN- und TAN-Listen und die Geschäftsinterna bekommen hat. Bislang war nur von einer CD mit allen Aktenseiten die Rede, die an den Rechtsanwalt der Belastungszeugin ausgehändigt wurde.

Facebook, Google schluckt Twitter, erst denken, dann gründen, WAZ

Blicke ins Netz

Die AGB Diskussion zu Facebook hatten wir. Nun ein paar Erklärungen wie man bestehende Einstellungen in Facebook verwendet, um seine Privatsphäre zu schützen. Sam Steiner übersetzt diese Infos hier ins Deutsche. In Ergänzung dazu noch ein unaufgeregter Blogbeitrag vonLeander Wattig zum Thema Datenkontrolle bei Facebook.

Es wachsen Spekulationen darüber, dass Google Twitter übernehmen wird. Eine Analyse des Googlewatchblogs und auch Cem Basman macht sich so seine Gedanken übers Thema.

Eine Warnung, die Martin Weigert an alle potentiellen Gründer ausspricht: "Hört auf, Zeit und Kapital zu verschwenden"  Er liefert einen sehr lesenswerten Text übers Gründen von Web-StartUps bzw. wann man es besser sein lassen sollte. Lieber nachdenken, das Wettbewerbsumfeld analysieren bevor das Xte StartUp zum gleichen Thema fürs Web gegründet wird, was dann eh keine Chance hat sich durchzusetzen. File Under: Aus der Seele gesprochen.

Herr Reitz von der WAZ erklärt die Zeitung zum Kultobjekt. Nachzulesen in der Süddeutschen.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Arbeitslose: Eigeninitiative statt Arbeitsamt…Die Zeit

Opel: Suche nach einem Rettungskonzept…Der Westen

Mißfelder: Immer mehr Ärger für den Kleinkohl…Ruhr Nachrichten

Bottrop: Weiter Ärger im Grimm…Bottblog

Online: Pornos aus Gelsenkirchen…Gelsenkirchen Blog

Ruhr2010: Pleitgen in Washington…Die Welt

Essen: SPD mag Kultur…Der Westen

RWE-Städte denken über Absprung nach. Verhältnis offenbar zerrüttet

Logo: RWE

In der kommenden Woche sind die Aufsichtsratssitzungen in denen über die Zukunft des RWE abgestimmt wird. Konzernchef Jürgen Großmann will eine starke Zentrale durchsetzen, die RWE Deutschland AG ist im Gespräch. Selbst vor einem gigantischen Personalhammer im Aufsichtsrat wird getuschelt. Alles scheint möglich. Doch etwas wirkloch spannendes tut sich woanders. Im Streit um die zukünftige Ausrichtung des RWE-Konzerns überlegen mehrere Städte im Ruhrgebiet, ihre Verträge mit dem RWE oder mit RWE-Töchtern zu beenden und eigene Stadtwerke zu gründen. Das haben mir gleich mehrere Kommunalwirtschafter erzählt.

Für Deutschlands zweitgrößten Energiekonzern kann das zu herben Einschnitten führen. Das Ruhrgebiet ist der Kernmarkt des RWE. Gerade hier sind die Verflechtungen zwischen Konzern und Gemeinden besonders groß. Derzeit halten mehrere Städte noch über eine gemeinsame Schachtelbeteiligung einen Anteil von knapp 16 Prozent am Versorger. Dazu kommen kleinere Beteiligungen von Gemeinden im Streubesitz. Ein RWE-Sprecher wollte die Entwicklungen nicht kommentieren.

Besonders die Städte Gelsenkirchen und Dortmund, sowie deren verbündete Gemeinden in den Kreisen Recklinghausen und Unna sind Vorreiter auf dem Weg zur Abspaltung vom RWE. Intern wird bereits über die Gründung eines neuen Stadtwerkeverbundes nach dem Vorbild der Vereinigten Elektrizitätswerke VEW beraten, die vor rund acht Jahren im RWE aufgegangen sind.

Als Grund für die Pläne nennt der Dortmunder CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Hengstenberg die fehlende Vertretung der Interessen der Kommunen im RWE. Hengstenberg selbst war bis vor wenigen Wochen Aufsichtsratsmitglied der RWE Dienstleistungstochter RWE Systems AG. Nach deren Umwandlung in eine GmbH gegen den Widerstand von Städten und Gewerkschaften verlor Hengstenberg zusammen mit weiteren kommunalen Vertretern seinen Posten. Er sagt: „Das Verhältnis der Kommunen zum RWE muss neu sortiert werden.“ Durch die stärkere Zentralisierung des Versorgers werde es immer schwieriger für die Städte, frühzeitig ihre Interessen bei Standortentscheidungen oder Auftragsvergaben einzubringen. Mit seiner Einschätzung steht CDU-Mann Hengstenberg nicht alleine da.

In einem vertraulichen Strategiepapier, das den Ruhrbaronen vorliegt, regt der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) die Trennung der Stadt vom RWE an. In dem Schreiben schlägt Baranwoski vor, die Rücknahme der Konzessionsverträge im Jahr 2014 prüfen zu lassen. Mit diesen Verträgen hat RWE bislang Zugriff auf die Stromnetze zum Endkunden. Zudem soll untersucht werden, ob die Stadt eigene Stadtwerke gründen kann. Dazu könne dann auch eine gemeinsame Tochterfirma des RWE mit den Städten Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck gesprengt werden. Ähnliche Überlegungen gibt es in Essen, der Heimatstadt des RWE. Hier läuft ein entsprechender Konzessionsvertrag ebenfalls bis 2014 aus.

Doch vor allem die Rolle von Dortmund ist im kommunalen Geflecht entscheidend. Die Stadt kontrolliert einen Großteil der Aktien der genannten Schachtelgesellschaft, die knapp 16 Prozent am RWE-Mutterkonzern hält.

Damit nicht genug. Dortmund hält auch 53 Prozent an der Dortmunder Energiegesellschaft DEW. RWE ist an der Firma mit 47 Prozent beteiligt. Und genau hier setzt der Keil der Kommunen an. Nach einem Beschluss des Kartellamts muss RWE im Jahr 2014 seine Beteiligung an der DEW erneut prüfen lassen. Allgemein wird damit gerechnet, dass die Aufsichtsbehörden dann die Beteiligung des RWE an der DEW untersagen. In diesem Fall plant bereits heute eine breite politische Mehrheit in Dortmund, die Anteile zurückzukaufen und die DEW in einen größeren Kommunalverbund rund um den Gas- und Wasserversorger Gelsenwasser einzubringen.

Das brisante an der Idee: Laut internem Strategiepapier will auch Gelsenkirchens Oberbürgermeister Baranowski die Beteiligung seiner Stadt an dem Verbund prüfen lassen. Bereits jetzt ist Baranowski im Aufsichtsrat der Gelsenwasser. Erst im Sommer scheiterte am Widerstand der RWE ein Versuch mehrerer Städte, rund um Gelsenwasser einen neuen Gas- und Stromversorger aufzubauen.

Ein RWE-Sprecher wollte die Überlegungen nicht kommentieren. Er sagte lediglich, es sei natürlich, dass sich die Städte nach Alternativen umsehen würden, allerdings stehe man mit allen Kommunen in guten Kontakt.

Ein kommunaler Vordenker des neuen Revierversorgers erklärte mir, die Schritte hin zum Ersatz-Riesen: Zunächst könnten die Städte die Gasnetze kaufen, die RWE gerade auf dem Markt geworfen hat, um einen Streit mit der Europäischen Kommission zu beenden. „Das Geld können wir gemeinsam aufbringen.“. Später könnten dann diese Netze zusammen mit den Stromnetzen nach Kündigung der Konzessionsverträge in dem neuen Verbund aufgehen. Die kritische Masse für den Aufbau einer städtischen Energiebeschaffung sei bei einer Bevölkerung von rund 3 Mio Menschen erreicht. „Dann haben wir genug potentielle Abnehmer für einen eigenständig Gas- und Strombezug“, sagte mit den kommunalen Plänen befasste Spitzenbeamte.

Bereits im Sommer will der kommunale Versorger Gelsenwasser mit einem eigenen Internetvertrieb für Gas und Strom bundesweit an den Start gehen. Das ist der erste Schritt in die Richtung neues VEW

Wie immer freue ich mich über weiterführende Infos unter david.schraven@ruhrbarone.de