Mitschke: „Ruhr-Parlament direkt wählen, Tagungsort zweitranging“

Die CDU-Fraktion im RVR bezieht Stellung zur Forderung des Essener CDU-OB-Kandidaten Franz-Josef Britz, Essen zur Hauptstadr des Ruhrgebiets zu machen. 

CDU-Fraktonschef Roland Mitschke (Foto), begrüßt die durch Britz angestossene Diskussion über die Rolle der Städte im Ruhrgebiet, hält aber die "Hauptstadtfrage" für überbewertet: "In Berlin spielt es auch keine Rolle, in welchem Teil der Stadt welche Institution angesiedelt sind. Das Ruhrgebiet ist polyzentrisch gewachsen und verfügt über viele attraktive Zentren. Darin liegen Stärken  und Potentiale, die durch Intensivierung der Zusammenarbeit wirksamer gemacht werden könnten. Hier sind insbesondere die großen Städte gefordert, stärker als bisher Gemeinsamkeit zu demonstrieren und dabei nicht die kleineren Städte zu dominieren."

Wichtiger als die Frage wo ein künftiges Ruhrparlament tagt sei, dass es direkt von den Bürgern gewählt werden könne. Den Bedarf ab einem direkt gewählten Parlament macht Mitschke auch an der wachsenden Bedeutung des RVR fest: "In acht Monaten übernimmt der RVR wieder die Regionalplanung. Nach fast 35 Jahren kann dann wieder aus einer Hand für die gesamte Region geplant werden.  Kultur, Wirtschaftsförderung und Planung sind jetzt schon teilweise regional aufgestellt. Weitere Arbeitsfelder wie der öffentliche Personennahverkehr bieten sich für die Region an."In der Konsequenz heißt dies auch für die Städte, Entscheidungskompetenzen, Macht und nicht zuletzt Geld regionalen Instanzen zu übertragen." Und die sollen dann stärker als bislang demokratisch legitimiert sein.

Doch eher Frank-Walter „Cheney“?

Am 26. Januar hatte ich hier auf Ruhrbarone der SPD die Frage gestellt, ob der SPD Kanzlerkandidat  Frank-Walter Steinmeier den Satz von Barack Obama "Wir foltern nicht" ebenfalls beherzigt und wie er dazu steht, dass deutsche Beamte in Folterkellern von Diktaturen Menschen verhören. Ist er ein Frank-Walter Obama?

Gestern bekam ich Antwort, aber nicht von der SPD sondern – spannend genug – von einem Sprecher des Auswärtigen Amtes. Ich zitiere die gesamte Antwortmail:

"Sehr geehrter Herr Bensmann,

haben Sie vielen Dank für Ihre erneute Anfrage, diesmal an die SPD-Pressestelle. Das Auswärtige Amt hat sich in der Vergangenheit mehrfach bemüht, Ihnen diese  Fragen ausführlich zu beantworten. Wir haben auch oft telefoniert. Ich erlaube mir an dieser Stelle, Ihre Praxis zu hinterfragen, jede Entwicklung  in Zentralasien mit der Zentralasienstrategie der EU in Verbindung zu bringen, die in der Tat  unter deutscher Ratspräsidentschaft von den EU-Mitgliedern ins Leben gerufen worden ist und die  erstmals politische Leitlinien der EU im Bezug zu den Staaten Zentralasiens definiert  hat.

Mit freundlichen Grüßen,
im Auftrag "

 

Mehr teilte der Sprecher des Auswärtigen Amtes nicht mit. Spannend finde ich, dass das Auswärtige Amt auf der Belanglosigkeit der unter deutscher Ratspräsidentschaft entwickelten Zentralasienstrategie zu bestehen scheint, die mit den  Entwicklungen in Zentralasien nach dieser Aussage anscheinend nichts zu tun habe.

Aber leider wurden meine Fragen auch vom Auswärtigen Amt nicht beantwortet, nämlich wie es der SPD Spitzenkandidat und der Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit der Folter hält. Die Frage habe ich dem Auswärtigen Amt daraufhin nochmals gestellt:

Ich zitiere aus Stern online

Zur Zusammenarbeit Deutschlands mit Staaten, in denen auch gefoltert wird, sagte ein Sicherheitsbeamter zum stern: "Gerade in Verfahren des internationalen Terrorismus kommt man da nicht umhin. Wenn Sie überall die deutschen Maßstäbe anlegen, können Sie die internationale Zusammenarbeit gleich ganz einstellen.

Ist Frank Walter Steinmeier ebenfalls dieser im Stern zitierten Auffassung oder wird er zukünftig Besuche deutscher Beamte in Foltergefängnissen andere Staaten verhindern? Ist der SPD Kanzlerkandidat und Außenminister also im Wahlkampf der SPD eher ein Frank-Walter "Obama" oder ein Frank-Walter "Cheney"?

Schauen wir mal, was passiert….

Böll geht weg aus dem Pott

Screenshot: Böll-NRW

Wie ich erfahren gerade habe, gibt die Heinrich-Böll- Stiftung NRW ihren Zentrale in Dortmund auf und wechselt in die Landeshauptstadt nach Düsseldorf. Die Entscheidung sei nach einer langen Diskussion gefallen, sagt der Chef der Böll-NRW-Stiftung Hermann Strahl. Das bedeutet vor allem, die Entscheidung steht fest. Die Kartons sollen zum 1. Januar 2010 irgendwo am Rhein ausgepackt werden.

Der Grund sei schlicht, dass in Düsseldorf die politischen Aktivitäten zusammenlaufen würden. Dort könne man sich schneller und leichter mit Kooperationspartnern und anderen Verbänden treffen und absprechen, sagt Strahl. Zudem versichert er, dass weiterhin Lehrgänge und Seminare im Ruhrgebiet veranstaltet würden. Man geht also nicht so ganz. Momentan sitzt die Böll-Stiftung im Dortmunder Union Gewerbehof, direkt im Problemviertel an der Rheinischen Straße. Da wo der Naziladen Donnerschlag war. Und veranstaltet die Stiftung veranstaltet auch Seminare in Hagen und Köln.

Strahl sagte, es sei drüber nachgedacht worden, die politische Bildungstätte in den U-Turm umzuziehen – wenn der irgendwann mal fertig ist. Doch schließlich habe sich die Stiftung entschieden nach Düsseldorf zu ziehen. Man werde aber trotzdem im U-Turm Veranstaltungen organisieren.

Ich finde es schade, dass Böll weggeht. Natürlich ist zu verstehen, dass eine Stiftung nah an der politischen Zentrale sitzen will. Klar, sprechen die kurzen Wege dafür. Und selbstverständlich ist der Standort im Dortmunder Problemviertel alles andere als schön. Es gibt viele gute Gründe für den Umzug.

Aber das war auch mal eine Aussage, das man da politisch aktiv werden wollte, wo die Schwierigkeiten am größten sind. Zudem ziehen Standort-Entscheidungen immer weitere Entscheidungen nach sich. Im Laufe der Zeit werden die Bande zum Pott dünner. Irgendwann werden auch kaum noch Seminare hier stattfinden. Die Bildung geht flöten.

Schade. Denn mit ihrem Bekenntnis zum Revier hatte sich die Böll-NRW Stiftung bislang abgesetzt von den anderen etablierten politischen Stiftungen, die nur dahin gegangen sind, wo die heile Welt lag. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) sitzt in Sankt Augustin bei Bonn und in Berlin – unterhält aber eine kleine Außenstelle in Dortmund. Die SPD-nahe Ebert-Stiftung hockt in Bonn und Berlin und hat ein Bildungszentrum in Bad Münstereifel. Die Friedrich-Naumann-Stiftung unterhält eine NRW-Dependance in Gummersbach. Allein die NRW-Abteilung der Linkspartei-Stiftung Rosa-Luxemburg hockt noch im Pott. Nämlich in Duisburg.

Wie gesagt, ein Verlust für das Revier, der Wegzug der Böll-Stiftung NRW. Auch wenn es der Stiftung nutzt.

Ruhrgebiet Aktuell am Freitag

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr…

Oliver Wittke Foto: Görges

Flott: Der rasende Olli…Der Westen

Blog: Lukas bei Freitag…Coffee & TV

Marl: Heinrich allein gegen alle…Der Westen

Barcamp: Bald mit Anmeldelisten…Pottblog

Valtentinstag: Geschenkideen…Gelsenkirchen Blog

Terror: 18 Jahre für den Revier-Osama…Der Spiegel

Fußball: Amateure wollen streiken…Tagesspiegel

Bochum: Auf der Kippe…Zeit

Humor: Lach den Taliban…Der Spiegel

Blog: Ärger mit Trollen…Medienmoral NRW

Heavy Metal: Popkulturelle Diskurse…Frontbumpersticker

Ruhr2010: Schalke und die Kulturhauptstadt…RevierSport

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Pro Gelsenkirchen: Zum Glück ist es Hauer

Kevin Gareth Hauer ist Vorsitzender der Partei Pro Gelsenkirchen, stellvertretender Vorsitzender von Pro NRW und Mitglied im Rat Gelsenkirchen – einer im Sinne der Partei Pro NRW taktisch wohl wichtigen Stadt: In Gelsenkirchen will Pro NRW, so schätzt es die schon traditionell von Extremisten geplagte Stadt, ihren Durchbruch im Ruhrgebiet schaffen.

Foto: Stadt Gelsenkirchen

Dafür hat Pro Gelsenkirchen sich ein Programm gegeben, das an Dümmlichkeit kaum zu überbieten ist: Nach wie vor gehört Gelsenkirchen  – wie alle Städte des Ruhrgebiets – zu den sichersten Großstädten der Republik. Das stört Pro Gelsenkirchen allerdings nicht, im Programm über eine prekäre Sicherheitslage zu lamentieren: „ Insbesondere in den Problem-Stadtteilen Bismarck und Ückendorf, Hassel und Rotthausen aber auch in anderen Stadtteilen ist die Lage prekär. Dort haben sich regelrecht rechtsfreie Räume etabliert, in denen die Kriminalität sich unbehelligt ausbreitet.“ Für Konrad Kordts, Pressesprecher der Polizei Gelsenkirchen, reiner Unfug: Alle Ruhrgebietsstädte gehören zu den sichersten Städten in ganz Deutschland – und Gelsenkirchen ist die sicherste Großstadt des Ruhrgebiets. „Wir sind“, erklärt Kordts, „sogar noch etwas besser als die anderen.“ Auch rechtsfreie Räume – in Deutschland mal abgesehen von den „national-befreiten Zonen“ in der Ostzone ohnehin eine Seltenheit, gäbe es nicht.

Dass auch das wirtschaftspolitische Programm von Pro Gelsenkirchen kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Unfug ist, verwundert nicht: Die Bevorzugung Gelsenkirchener Unternehmen bei Ausschreibungen ist rechtlich nicht möglich und verkennt, dass auch Gelsenkirchener Unternehmen gerne einmal Aufträge außerhalb der Stadtgrenzen annehmen.  Und bei einer Stadt mit so großen Finanzproblemen wie Gelsenkirchen ist auch eine Senkung der Gewerbesteuer nicht möglich – der Regierungspräsident würde sie schlicht nicht genehmigen. Ganz peinlich wird es aber, wenn Hauers Partei erklärt: Wir wollen keine Kommunalpolitiker, die als ihre erste Aufgabe den eigenen Machterhalt bzw. die Lösung der eigenen sozialen Fragen sehen“ und er höchstselbst in Postings  über Pro-Gelsenkirchen-kritische Blogger herzieht: „Anstatt sich um einen sozialversicherungspflichtigen Beruf zu kümmern, sitzen diese Subjekte anscheinend stundenlang vor dem Rechner und erstellen “blog”, um Unwahrheiten zu verbreiten.“ Große Worte für jemanden, der seit nunmehr bald 20 Semestern an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben ist und als Beruf der Stadt gegenüber noch immer wahrheitsgemäß „Student“ angeben muss, sich im Wahlkampf aber als Leutnant der Reserve darstellt – eine weder abend- noch  kühlschrankfüllende Beschäftigung.

Aber Fleiß ist ohnehin Hauers Sache nicht. Im Rat hat er im vergangenen Jahr zwei von acht Sitzungen gefehlt, eine kleine Rede gehalten und eine Anfrage gestellt. Wieso kam mir bei der Beschäftigung mit Hauer immer das Wort Minderleister in den Sinn? Für so wenig Arbeit sind die gut 6000 Euro, die Hauer alleine im vergangenen Jahr aus seiner politischen Tätigkeit von der Stadt erhalten hat, eine Menge Geld. Geld, das er auch in Zukunft sicher gerne haben möchte, und so verwundert sein Engagement im Wahlkampf nicht. Wie der große Bruder in Köln kämpft auch Hauer gegen den Bau einer Moschee – in Gelsenkirchen soll sie im Stadtteil Horst gebaut werden. Dumm für Hauer, dass die größte Sorge der Anwohner weniger die Islamisierung des Abendlandes ist als der drohende Parkplatzmangel, der auftreten könnte, wenn die kleine Moschee (300 Plätze) gebaut wird. Die Stadt, die den Bau der Moschee noch einmal theoretisch  verhindern könnte, weil sie baurechtlich nicht an der vorgesehenen Stelle errichtet werden kann, hat auf die Sorgen der Anwohner reagiert und dafür gesorgt, dass der Moscheebetreiber mehr Parkplätze als ursprünglich vorgesehen errichten muss.

Doch der Streit um den Moscheebau in Horst war auch der Grund für eine juristische Auseinandersetzung, die morgen vor dem Landgericht in Essen weiter gehen wird, die interessante Verbindungen Hauers offen legte. Hauer hatte sich über den SPD-Ratsherrn Axel Barton aufgeregt: „Herr Barton soll sich lieber um seine Politik kümmern und nicht andere Menschen diskreditieren und Gestapo bzw. Stasi Methoden fröhnen.“ Das wollte Barton nicht auf sich sitzen lassen und zeigte Hauer an – der holte sich, natürlich, Rechtsbeistand. Hauer ließ sich in der Auseinandersetzung mit Barton vom Dortmunder Anwalt André Picker vertreten. Picker war nicht nur im NRW-Vorstand der  Republikaner und ist heute wie Hauer Vorstandsmitglied von Pro NRW, sondern er tat sich auch als Anwalt zahlreicher Rechtsradikaler hervor. Er vertrat Stjepan Jus von der Naziband „Weisse Wölfe“ in einem Prozess vor dem Landgericht München wegen versuchten Mordes. Auf der Nazi-Site Widerstand.info finden sich dann auch Danksagungen aus der Szene an Picker. Pro NRW sucht verzweifelt einen Erfolg im Ruhrgebiet.

In Gelsenkirchen sieht sie gute Chancen, sind doch seit Anfang der 90er Jahren Rechtsextreme  immer wieder in den Rat gekommen – auch wenn sich die rechten Fraktionen immer schnell wieder spalteten. Grünen-Urgestein Bernd Matzkowski, lange auch Mitglied im Rat, hat ihre Bemühungen beobachtet: „Sie kamen immer mit viel Trotz, Wut und wirren Parolen in den Rat und haben es nie geschafft, die Alltagsarbeit zu bewältigen. Meistens haben sie wirr abgestimmt, ohne dass man eine Linie auch nur erahnen konnte und wie Hauer, kaum etwas gesagt. Ich glaube sie hatten Angst, sich zu blamieren.“ Aber langfristig will Pro NRW ja auch in den Landtag, und das geht ohne Erfolge im Revier nicht. Und das erste Ziel heißt Gelsenkirchen. Wie gut, dass die größte Leuchte der Partei im Pott Kevin Gareth Hauer heißt: Die Chancen stehen gut, dass er es versemmeln wird.

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Alternativ-Banker Jorberg: „Banken müssen pleite gehen können…“

Heute präsentierte die GLS-Bank aus Bochum ihre Zahlen und wie immer in den vergangenen Jahren konnten die Alternativ-Banker Rekordzahlen melden.

Thomas Jorberg. Foto: GLS Zum ersten Mal konnte die GLS-Bank auf der heutigen Bilanzpressekonferenz eine Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde Euro präsentieren. Eine Konsequenz aus einem Wachstum von 27 Prozent im vergangenen Jahr. Gut, damit ist die GLS-Bank immer noch eine sehr kleine Bank, aber eine sehr erfolgreiche. Dabei wird auf Gewinne keinen großen Wert gelegt – der Bank geht es vor allem um Transparenz (Alle Geschäftsaktivitäten werden veröffentlicht) und um eine möglichst sinnvolle Anlage des Geldes – nach ihren eigenen Maßstäben. Interessant waren die Äußerungen des GLS-Vorstandes zur Finanzkrise, die dieser Bank offensichtlich nicht hat anhaben können, weil sie sich an Zockergeschäften schon aus Prinzip nicht beteiligt. So sagte GLS-Vorstandsvorsitzender Thomas Jorberg dass er eine Bad-Bank nicht grundsätzlich ablehnen würde, wenn dadurch die Kosten nicht sozialisiert  und vor allem Transparenz geschaffen würde. Grundsätzlich sah Jorberg in den Rettungsschirmen einen bedenklichen Eingriff in den Markt, der die belohnen würde, die versagt hätten. Banken müssten wie alle Unternehmen pleite gehen können – das Problem sei, dass dies im Augenblick nicht machbar wäre. Die Pleite eine weiteren Großbank könne einen Dominoeffekt haben. Sein Vorstandskollege Andreas Neukirch plädierte daher bei Banken die gleichen Maßstäbe wie bei anderen Industrieunternehmen anzuwenden, wenn es um die Größe geht: Genauso wenig wie der Staat Monopole zulasse dürfe er "systemische Banken" zulassen, die nie pleite gehen dürfen. Klar, durch Killerangebot, sie wissen ja, ihnen passiert nichts, verzerren sie den Wettbewerb. Groß, sagte Neukirch, müssten die Banken sein, aber nicht gigantomanisch. Bei angeschlagene Banken will Neukirch zar den Zusammenbruch verhindert – nach seinen Vorstellungen sollen sie aber nicht aufgepäppelt werden, sondern wie die IG Farben auslaufen. 

Jorberg forderte zudem eine Rückkehr der Banken zu ihrer ursprünglichen Aufgabe: "Es gibt nur eine Legitimation für die Existenz der Finanzwirtschaft: Sie muss ein Dienstleister für die Realwirtschaft sein. Alles was keine Funktion für die Realwirtschaft hat muss verboten werden."

Größte Alu-Hütte dicht

Jetzt also die Aluminiumfabrik in Neuss: Norsk Hydro schließt Deutschlands größten Produktionsstandort für das Metall. Die meisten der 650 Beschäftigten müssen sich nun auf Kurzarbeit einstellen.

Überraschend kommt die Entscheidung nicht, das Werk schreibt tiefrote Zahlen. Hydro begründet dies mit den niedrigen Preisen für Aluminium und den hohen Stromkosten. Und hier liegt das Problem: Trotz intensiver Verhandlungen hat Hydro keinen langfristigen Stromvertrag erhalten. Das Unternehmen macht dafür die RWE AG verantwortlich, dabei sind die Essener nicht der einzige Versorger in Deutschland. Industriestrom wird von etlichen Firmen angeboten.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Norweger einen Sündenbock suchen. Dafür spricht, dass die Gesellschaft sich an einem Aluminium-Werk in Katar beteiligt. Die Fabrik hat eine Kapazität von 585.000 Tonnen pro Jahr, die Hälfte davon entfällt auf Hydro. Die Hütte in Neuss, von den Arbeitern Rheinwerk genannt, hat eine Kapazität von 230.000 Tonnen.

Ein wenig Hoffnung können die Mitarbeiter haben, es dauert zwei Monate bis die Anlage runtergefahren ist. Dann kommen vielleicht 12 bis 18 Monate Kurzarbeit dazu. Bis dahin könnte sich die Lage auf dem Weltmarkt entspannt haben. Da die Personalkosten nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, könnte Hydro an einem Großteil der Beschäftigen festhalten.

Vielleicht ist aber auch schon alles entschieden. Nach einem Bericht des Handelsblatts wird in Norwegen eine endgültige Schließung diskutiert. Wohl auch bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am 17. Februar. Tags drauf wissen wir wohl mehr, da legt Hydro in Oslo seine Bilanz vor.

Lotto-Jackpot läßt Norman Faber jammern

Foto: Flickr.com / becsterishbecster

Da gab es denn mal einen dicken Jackpot im Lotto und die Deutschen konnten nicht spielen, weil sie nix davon wußten.

Der mit 35 Millionen Euro drittgrößte Jackpot der deutschen Lottogeschichte brachte nicht die erhofften Einnahmen. Wie die Lottogesellschaften verlautbaren, haben die Länder 100 Millionen weniger eingenommen als bei den zwölf Ziehungen des Mega-Jackpots Ende 2007. Ursache dafür:  Vor allem das Werbeverbot im Internet. So hat Tipp24 zum Jahreswechsel sämtliche Aktivitäten im Bereich Onlinewerbung in Deutschland eingestellt und  sein Lottobusiness nach London verlagert.

"So merkwürdig es angesichts des Lotto-Hypes der vergangenen Tage klingen mag, diese Zahlen übertreffen die düstersten Prognosen", so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. "Das liegt nicht an den Auswirkungen einer Finanzkrise wie der Deutsche Lotto- und Totoblock behauptet und man beim Blick auf die Spielfreude in den europäischen Nachbarländern unschwer erkennen kann. Vielmehr sorgen hierzulande die Werbebeschränkungen und das Internetverbot dafür, dass das deutsche Lotto viel schneller als befürchtet aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet und deshalb die Einnahmen drastisch sinken."

Trotzdem haben zwei Glück gehabt und teilen sich den Pot. Aber was das unsinnige Werbeverbot angeht, muß ich Herrn Faber rechtgeben. 

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IHK: Ruhrgebiet auf Talfahrt

Foto: Flickr.com / Antonia Schulz

Nach einer Erhebung der Industrie und Handelskammern im Ruhrgebiet hat die globale Krise die Unternehmen im Ruhrgebiet voll erfasst. In ihrem heute veröffentlichten Konjunkturbericht rechnen die Kammer für 2009 mit einer rasanten Talfahrt. Thomas Hüttemann, Präsident IHK Niederrhein sagte, „auch in unserer Region ist das Klima rauer, der konjunkturelle Gegenwind stärker geworden. Das Tempo der Abwärtsentwicklung nimmt durch die internationale Finanzkrise deutlich zu.“

Die verschärfte Lage spiegelt sich auch im IHK-Konjunktur-Index wider. Er ist von 108 auf 78 Punkte abgesackt – der bisher stärkste Rückgang binnen eines halben Jahres. Nur noch jedes vierte Unternehmen sieht seine Situation als "gut". 50 Prozent sind mit der Lage zwar noch zufrieden aber 23 Prozent geben die Lage als schlecht an. Die Talfahrt verdeutlich ein Vergleich mit der entsprechenden Umfage vom letzten Herbst. Damals sagten noch 39 Prozent der Firmen, die Lage sei gut und nur 14 Prozent sahen schlechte Aussichten. Vom Abschwung betroffen sind insbesondere weite Teile der Industrie. Aber auch Handel und Dienstleistungsunternehmen müssen deutliche Einbußen hinnehmen. Der so genannte IHK-Ruhrlagebericht beruht auf einer Befragung von rund 900 Unternehmen mit nahezu 180.000 Beschäftigten.

Nahezu jedes zweite Unternehmen geht nach Auskunft der IHKs davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage im laufenden Jahr weiter verschlechtert. Dies sind beinahe doppelt so viele wie noch vor wenigen Monaten. Nur noch 9 Prozent glauben an bessere Zeiten in diesem Jahr. Einen vergleichbar hohen Negativsaldo gab es zuletzt 1993, teilte die IHK mit. Besonders skeptisch äußern sich die Industrieunternehmen und der Handel. Die industriellen Auftragseingänge brechen ein; der Umsatz im Handel geht zurück. Auch im Dienstleistungsgewerbe haben die kritischen Stimmen zugenommen.

Nach Angaben der IHKs stehen in allen Wirtschaftsbereichen die Erträge unter Druck. Auf jedes Unternehmen mit Zuwächsen kommen derzeit zwei Betriebe mit Rückgängen. Besonders betroffen ist die Industrie. Hier hat sich der Anteil der Unternehmen mit verbesserter Ertragslage innerhalb eines halben Jahres nahezu halbiert. Vor diesem Hintergrund fahren die Unternehmen ihre Inlandsinvestitionen zurück. Auf jedes Unternehmen mit steigenden Ausgaben kommen fast drei Betriebe, die sparen wollen. Im Vorjahr war dieses Verhältnis noch nahezu umgekehrt.

Bsonders tragisch: Jedes achte Unternehmen (13 Prozent) will überhaupt nicht investieren.

Unter den Investitionsmotiven spielen Kapazitätserweiterungen eine deutlich geringere Rolle als im Vorjahr. Kaum eingeschränkt werden dagegen Ausgaben für Produktinnovationen. Damit verfolgen die Unternehmen eine aktive Strategie gegen die rückläufige Nachfrage.

Für die Menschen im Ruhrgebiet spielt aber noch etwas eine große Rolle. Laut IHK geht die Beschäftigung auf breiter Front zurück. Nur noch 8 Prozent der Firmen rechnen für 2009 noch mit steigenden, rund 30 Prozent dagegen mit rückläufigen Belegschaftszahlen.

Nahezu alle Branchen kündigen Kurzarbeit und Entlassungen an. An der Spitze die Industrie, gefolgt vom Handel. Im Dienstleistungsbereich sind die Kreditinstitute sowie das Gastgewerbe und Verkehrsunternehmen überdurchschnittlich betroffen.

IHK-Präsident Hüttemann sagt: „Die Politik hat Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Ich hoffe, dass die Infrastrukturinvestitionen greifen."

Ich hoff das auch. 🙂

Zwischen Hörsaal und Tartanbahn: Leichtathletik-Europameister Jan Fitschen und der Spagat zwischen Studium und Leistungssport

Foto: Flickr.com / a.delsa

Frisch geduscht betritt Jan Fitschen die Cafeteria der Ruhr-Universität Bochum. Vor wenigen Minuten hat er im Unibad das ihm verhasste Aquajogging hinter sich gebracht. Da ihm seit vier Monaten eine hartnäckige Fußverletzung zu schaffen macht, ist er momentan auf das Training im Wasser angewiesen, um sich trotzdem fit zu halten. „Jetzt brauch’ ich erst mal einen kleinen Snack. Das Training hat ganz schön geschlaucht“, sagt der drahtige Langstreckenläufer und bestellt Bionade und Baguette. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erlebe ich Jan als gut gelaunten, durchaus symphatischen Gesprächspartner.

Im Sommer 2006 wurde Jan über 10.000 Meter Europameister. In einem langen Endspurt lief er der versammelten Konkurrenz davon. Als ich ihn frage, mit welchem Gefühl er an diesen Moment zurückdenkt, schüttelt er ungläubig den Kopf. „Ich kann das noch heute nicht richtig fassen. Ich denke immer noch: Gleich weckt mich einer und sagt: April, April. Aber bis heute hat mich keiner geweckt.“

Dass Jan diesen Erfolg verbuchen konnte, war eine große Überraschung. Denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, die alle Profisportler sind, ist er Student und muss sich seine Zeit genau einteilen. Wie schwierig es ist, Studium und Leistungssport miteinander zu vereinbaren, weiß er nun noch besser als die Jahre zuvor. Im vergangenen März begann er mit seiner Diplomarbeit. Da sein Schwerpunkt die experimentelle Physik war, stand er täglich bis zu elf Stunden im Labor und arbeitete an seinem Experiment. Noch vor dem Mittagessen in der Mensa wartete auf ihn der tägliche Ausdauerlauf Richtung Botanischer Garten und Kemnader See. „Ich habe“, sagt Jan schmunzelnd, „regelmäßig im Labor auf meiner Isomatte geschlafen.“ Nachdem er im Herbstsein Physik-Studium mit dem Diplom erfolgreich abgeschlossen hat, studiert er nun im Aufbaustudiengang Management and Economics und hat, bedingt durch die Verletzung, genug Zeit fürs Studium.

Auf die Frage, ob er unseren Lesern Tipps geben kann, wie es einem auch als studentischem Bewegungsmuffel gelingt, sich zum Sport zu motivieren, verrät er: „Auch mir fällt es ab und zu schwer, mich aufzuraffen und Sport zu machen. Gerade jetzt im Winter. Was mir dann hilft, ist die Vorstellung, dass es mir danach viel besser geht. Nach dem Sport ist man einfach frischer als zuvor und auch produktiver. Wenn ich für die Uni was schreiben muss und nicht mehr weiter komme, jogge ich meine Runde durch den Wald. Danach geht es dann meistens voran. Und wenn gar nichts mehr geht, höre ich – zum Ärger meiner Freundin – die Musik von Scooter. Das hilft immer.“ Nachdem er in Göteborg ganz oben auf dem Treppchen stand, reihte sich, zurück in Deutschland, ein Medientermin an den anderen. Er war zu Gast im Aktuellen Sportstudio, nahm für Stefan Raabs „TV-Total“ an einem Show-Rennen gegen Kasper Elton teil und traf für eine Zeitung in der Eifel Thomas D. von den Fantastischen Vier zu einem gemeinsamen Lauf. In dieser Zeit hat er das Studium zeitweise auf Eis gelegt und sich hauptsächlich auf Werbetermine und das Laufen beschränkt. Da die Leichtathletik in der öffentlichen Aufmerksamkeit hinter König Fußball zurückbleibt, nahm er das durch den Sieg bei der Europameisterschaft entstandene mediale Interesse an seiner Person gerne an. „Der Europameistertitel hat sich in jedem Fall auch finanziell gelohnt. Vorher stand’ ich am Ende des Monats plusminus null da. Seit zwei Jahren kann ich sogar ein wenig zur Seite legen.“

Jan packt seine Sachen für das Lernen in der Universitätsbibliothek zusammen. Im Anschluss daran, am Abend, steht bereits die nächste Einheit Aquajogging an, diesmal Tempoläufe. „Das macht nicht gerade viel Spaß. Du strampelst wie verrückt, kommst aber keinen Zentimeter weiter“, sagt er. Zur Motivation indes bleibt immer noch der Gedanke an den Zieleinlauf in Göteborg. Oder die Musik von Scooter.