Nahverkehr: Die geplante Katastrophe

Mit fünf Millionen Einwohnern nennt sich das Ruhrgebiet gerne eine Metropole. Betrachtet man den Öffentlichen Personennahverkehr, bleibt von dieser vollmundigen Behauptung kaum etwas übrig.

Der Nahverkehr im Ruhrgebiet ist eine Katastrophe. Er ist teuer, schlecht und seine Strukturen sind kompliziert. Über lange Zeit haben gleich drei Verkehrsverbünde den schienengebundenen Nahverkehr, also vor allem das S- und Regionalbahn-Netz des Reviers, geplant und zumindest in ihrem Sprengel für gemeinsame Tarife gesorgt. Neben dem VRR waren das noch der Verkehrsgemeinschaft Ruhr Lippe und die Verkehrsgemeinschaft Niederrhein GmbH (VGN)

Mittlerweile wachsen zumindest VRR und VGN zusammen – eigene Tarife gelten am Niederrhein und im Kreis Wesel jedoch weiterhin. Der Kreis Unna und Hamm sind weiter außen vor. Bei der Reduzierung der Verkehrsverbünde von neun auf drei in NRW, inititiert durch das neue ÖPNV-Gesetz, standen allerdings von vornherein nicht die Interessen der Fahrgäste im Zentrum: So konnten die Städte und Kreise selbst entscheiden, welchem Zeckverband sie sich anschließen, und auch das Recht der Städte und Kreise, weiterhin den Nahverkehr nach dem Kirchturmprinzip zu betreiben, wurde nicht angerührt: „Auf diese Weise sollen tradierte, regionale Besonderheiten in den größer werdenden Kooperationsräumen gewahrt bleiben.“, so das Verkehrsministerium. Allerdings behält sich das Land vor, ein Netz von Schienenverkehrsverbindungen zu definieren, die im landesweiten Interesse stehen. Ein Beispiel dafür wäre der Rhein-Ruhr-Express, für den die Planungen laufen, dessen Realisierung jedoch noch nicht absehbar ist. Die Zweckverbände im Land entsprechen jedoch nicht der vom Land lauthals verkündeten Struktur: Weder wird der Ballungsraum Rhein-Ruhr noch werden die Ballungsräume Ruhrgebiet und Rheinland als eine verkehrsplanerische Region wahrgenommen – für sie alle sind weiterhin mehrere Verkehrverbünde zuständig.

Die Folgen dieser Politik sind in NRW an fast allen Orten zu spüren: in einzelnen Großstädten funktioniert der Nahverkehr gut, aber schon die Verbindung der Nahverkehrsnetze der einzelnen Großstädte ist dürftig bis überhaupt nicht vorhanden. Die Verbindung der ländlichen Räume mit den Ballungsgebieten ist schlecht – was keine Besonderheit NRWs ist, sondern ein bundesweites Problem. Tragisch für das Ruhrgebiet ist allerdings, dass der Nahverkehr innerhalb seiner Grenzen zum Teil auf das Niveau friesischer Landgemeinden sinkt: Schon Städte wie Herten, Haltern, Marl oder Gladbeck leiden nicht nur unter einer geringen Dichte des Netzes in der Stadt, sondern auch unter der zum Teil erbärmlichen Anbindung an andere Städte.

Für Lothar Ebbers, Pressesprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, ist einer der Gründe die strikte Aufgabentrennung zwischen dem VRR, der zumindest für einen großen Teil des Ruhrgebiets und des Rheinlands das Grundgerüst aus Bahnverbindungen plant und den Städten, in denen Kommunalpolitiker entscheiden, welche Strechen eingerichtet werden und welche nicht: „Es fehlt der Blick auf die Region. Kommunalpolitiker haben nur selten ein Interesse daran, dass die Bürger ihrer Städte optimal an die Nachbarstädte angeschlossen sind – sie befürchten Kaufkraftabwanderungen.“

Und so kann sich der S-Bahn Nutzer, der in Gladbeck West aussteigt, ziemlich sicher sein, dass dort kein Bus auf ihn wartet und auch die Übergänge zwischen den Stadtbahnsystemen von Duisburg und Mülheim funktionieren nicht – weil die Takte nicht aufeinander abgestimmt sind.  Beispiele wie diese gibt es im Ruhrgebiet zu hunderten. Politischer Widerwille und wohl auch Inkompetenz bei den Fahrplanverantwortlichen der zahlreichen Nahverkehrsgesellschaften im Ruhrgebiet (Thema des nächstes Artikels) gehen hier ein Allianz ein, für die der Bürger zahlt.

Pro Bahn forderte daher während der Beratungen des neuen ÖPNV-Gestzes die Kompetenzen des VRR zu erweitern – und konnte sich damit beim Land nicht durchsetzen, das weiter das hohe Lied der Eigenständigkeit der Kommunen sang: „Die Städte können ruhig über die Buslinien innerhalb ihrer Grenzen entscheiden, aber immer wenn es um Verbindungen mit regionaler Bedeutung geht, um die Verbindungen zwischen Bus- und Bahnnetz muss der VRR das Sagen haben. Es darf an den Grenzen keine Brüche geben.“
Allerdings, da ist sich Ebbers sicher, müsste sich dazu auch die Zusammensetzung des VRR-Parlamentes, die Verbandsversammlung ändern: „Dort dürften  nicht Kommunalpolitiker sitzen, sondern Menschen mit einem Blick für regionale Fragen.“
Aber an ein solches Gesetz denken weder Landespolitiker noch die Verkehrsplaner der Städte.

Doch nicht nur die Strukturen sind ein Problem – der Nahverkehr in NRW ist auch chronisch unterfinanziert: Als im Zuge der Bahnreform 1993 der Bund und die Länder gemeinsam festlegten, welches Land wie viele Mittel pro Bürger vom Bund für den Regionalverkehr bekommen sollte, wurde eine bis heute anhaltende Benachteiligung NRWs festgeschrieben: Seitdem erhält NRW pro Bürger 30% weniger Bundesmittel als Hessen.

Die Landesregierungen hat das nicht wirklich gestört: Als Anfang des Jahrhunderts der Schlüssel neu verhandelt wurde, erinnert sich Ebbers, hatte NRW kein Interesse an einer Änderung des Schlüssels: „Das Land unter Clement spekulierte auf Bundesmittel für den Metrorapid.“
Auch unter Schwarz-Gelb änderte sich nichts zum Guten: „Wittke hatte kein Interesse am Personennahverkehr und wollte vor allem Geld für den Straßenbau vom Bund. Und gespart hat das Land auch beim Nahverkehr: Als der Bund die Höhe der Regionalmittel senkte, haben viele Länder das aus eigenen Mitteln ausgeglichen: NRW nicht.
 

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RWI-Prognose: Wirtschaft schrumpft um 4,3 %- Erholung erst 2010

Das RWI rechnet mit einem  Schrumpfen der Wirtschaft im laufenden Jahr um wahrscheinlich 4,3 Prozent.

RWI Konjunkturexperte Roland Döhrn Foto: RWI

Keine große Überraschung: Auch das RWI-Essen prognostiziert für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um -4,3 Prozent. Diese Zahl ist der wahrscheinliche Mittelwert und hat eien Schwankunsgbreite von einem Prozent nach oben oder unten. Eine Aufschung noch in diesem Jahr sehen die Wirtschaftsforscher aus Essen nicht: Erst im kommenden Jahr könnte die Wirtschaft wieder leicht um 0,5 Prozent wachsen: "Die Erfahrung zeigt, dass Wirtschaftkrisen, die ihren Ursprung im Bankensektor haben, besonders zäh sind und lange dauern. Wenn sich die Lage am Finanzmarkt beruhigt, stehen allerdings die Zeichen dafür nicht schlecht, dass sich die Konjunktur im Verlauf von 2010 allmählich beleben wird. Nicht zuletzt dürften die umfangreichen Konjunkturprogramme zahlreicher Länder die Weltwirtschaft stimulieren, und bei den Investitionen könnte es zu einem Umschwung kommen, wenn Unternehmen die noch bis Ende 2010 günstigen Abschreibungsbedingungen nutzen wollen. Alles in allem erwarten wir, dass das BIP 2010 um 0,5% höher sein wird als 2009."

Das RWI erwartet einen Wegfall von1,2 Millionen Arbeitsplätzen in diesem Jahr und eine Steigerung der Arbeitslosenzahlen um 1,1 Millionen auf deutlich über vier Millionen. 

Von Angst und Geld

Foto: Flickr.com / eatdrinkman

Der Kapitalist im Markt wird eigentlich nur durch seine Angst gebändigt. Die Angst zu verlieren, die Angst zu krepieren, die Angst im Knast oder in der Gosse zu landen.

Die Angst ist deshalb ein wichtiges Instrument, um aus dem Kapitalismus eine wirkungsvolle soziale Marktwirtschaft zu machen.

Womit wir bei den Banken sind.

Um das System zu retten, muss der Staat Banken retten, muss er Kapitalisten retten.

Es wird sogar drüber diskutiert mit Steuergeld Firmen wie Opel und Schaeffler zu päppeln.

Das kann alles richtig sein.

Die Vereinigten Staaten sind derzeit noch stärker als wir von der Weltwirtschaftskrise betroffen. Ich befürchte das wird nicht mehr lange so bleiben. Als Exportnation kommt jedes Überseeproblem mit kurzer zeitlicher Verzögerung zu uns.

In den Staaten wird über die Gründung eines Fonds gesprochen, in dem alle miesen Wertpapiere bis zu einer Grenze von 500 Mrd oder 1000 Mrd Dollar gesammelt werden sollen. Auch diese Frage wird auf uns zukommen. Wohin mit den Giftpapieren der Landes- und sonstigen Banken?

Zum Vergleich: 1 Hot Dog kostet in New York, Wall Street, auf die Hand einen Dollar. 1000 Mrd Hot Dogs entspricht der Masse von ungefähr 5 Mrd Schweinen. Das ist jede Menge Mist. In Deutschland leben ungefähr 26 Mio Schweine.

Das Geld soll genutzt werden, um die Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Und so das System erhalten.

Gut.

Nur bleibt die Frage nach der Angst offen. Dürfen dann die Banker und Kapitalisten damit rechen, dass Sie keine Angst mehr haben müssen? Dass sie weiter und von vorne Mist machen dürfen, ohne die Angst zu verlieren, die Angst zu krepieren, die Angst im Knast oder in der Gosse zu landen.

Denn am Ende nimmt der Staat alle Last von Ihnen? Wie der Pfarrer in der Beichte?

Ich finde, die Angst muss ins System. Denn nur dann wird jeder Kapitalist sein Regulativ selbst sein.

Wenn also der Staat einspringt, muss der Staat die Angst erhalten. Wer Geld gibt, muss bestrafen.

Die Amerikanern haben eine Sondersteuer auf Manager-Boni beschlossen. Und sie wollen von den Investoren privates Geld, um den Totalkollaps zu vermeiden.

Ich finde das reicht nicht. Wer eine System-Bank durch miese Spekulationen an den Rand des Ruins gebracht hat, muss um seinen Ruf fürchten, um sein Haus, um seine Freiheit. Denn so ein Manager hat sich am System Gesellschaft vergangenen. Da reichen ein paar Mark Ablass nicht aus.

Nur vor der Kulisse des Totalverlustes wird der Druck auf die Manager so groß, dass sich auch kein Banker mehr nicht verführen lässt, unter dem Schutz des Staates einfach weiter Mist zu bauen.

Nur dann erfüllt die Angst ihre Rolle im weiterexistierenden Kapitalismus.

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VRR-Bahn-Kumpelei: Kein Wettbewerb bis 2023

Weder Bahn noch VRR sind große Freunde des Wettbewerbs. Lieber verhandelt man untereinander, auch wenn man angesichts des Verhaltens der Bahn schnell das Gefühl bekommen kann, dass hier nicht gleichberechtigte Partner an einem Tisch sitzen: Der VRR schuldet der Bahn nach einem verlorenen Gerichtsstreit 112 Millionen Euro – und braucht, wenn er sich nicht mit der Bahn einigt, 35 Millionen von den Städten. Ich habe Engelbert Recke vom Verband Mofair , in dem sich die unabhängigen Verkehrsunternehmen organisiert haben, gebeten, die augenblickliche Situation zu kommentieren. In den nächsten Wochen werden wir uns verstärkt dem Thema Nahverkehr im Ruhrgebiet widmen. Nehmt diesen Text von Engelbert Recke als Auftakt einer Serie:

Der Verkehrsvertrag des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) ist seinerzeit ohne Wettbewerb direkt mit der Bahn abgeschlossen worden. Die privaten Mitbewerber und Mitglieder unseres Verbandes mofair e.V. hatten keine Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Das ist nicht nur unfair, sondern widerspricht auch dem Vergaberecht. Die Höhe der Zahlungen des VRR steht auch nicht in Einklang mit dem EG-Beihilfenrecht. Ein Beihilfeverfahren gegen den gleichgelagerten Verkehrsvertrag Berlin-Brandenburg ist inzwischen von der EU-Kommission eingeleitet worden. Der jetzige Vertrag wäre 2012 ausgelaufen und dann hätte eine Ausschreibung angestanden.

Mit dem Eckpunktepapier soll der laufende Vertrag mit gewissen Anpassungen bis 2023 fortgeführt werden. Damit werden die Mitbewerber erneut benachteiligt und vom Markt ausgeschlossen. Die beihilfewidrigen Zahlungen werden fortgesetzt. Außerdem ist das Land Nordrhein-Westfalen bereit, jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag an die Bahn zu zahlen, damit der Vertrag fortgesetzt werden kann. Das Land ist kein Vertragspartner und kann sich deswegen dort nicht einmischen, schon gar nicht um für die Zukunft den Wettbewerb weiter zu verhindern. Die Zahlungen des Landes verstoßen auf jeden Fall gegen das Beihilferecht des EG-Vertrages. Das Beihilferecht soll gerade sicherstellen, dass das Land kein Unternehmen ungerechtfertigt bevorzugt. Deswegen hat mofair bei der Kommission Beihilfebeschwerde erhoben.

Die Bahn verfügt nicht nur über gute Beziehungen sondern auch über eine Reihe von grundsätzlichen Vorteilen. DB Netz bestimmt die Spielregeln auf der Schiene. Die Bedingungen, zu denen sie Mitbewerber der Bahn auf die Schiene oder in die Werkstätten lässt, sind gesetzlich nicht sauber geregelt. Das ermöglicht viele Formen subtiler Diskriminierung im Laufe eines Verkehrsvertrages. Weiterhin werden den Wettbewerbern notwendige Informationen zur eigenen Trassenplanung vorenthalten. Auch die Kostenrechnung für die Trassen kann von den Mitbewerbern nicht überprüft werden. Die Konkurrenten müssen zahlen, was die Bahn verlangt und dürfen nicht einmal die Zahlung für Schlechtleistungen verweigern.

Auch im Ruhrgebiet ist der Nahverkehr auf der Schiene Nahverkehr wie überall. Auch wenn es sich um ein großes Ballungszentrum handelt, lassen sich die Verkehrsleistungen – sinnvoll abgegrenzt – ausschreiben und können problemlos von verschiedenen Verkehrsunternehmen erbracht werden. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund macht das zum Beispiel, der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg jetzt auch. Das muss man also nur wollen. Wenn der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr über Mängel klagt, kann ich einige zumindest aus eigener Anschauung nur bestätigen. Auch die Tatsache, dass die Bahn nunmehr Verbesserungen anbietet, zeigt, was die Stunde geschlagen hat.

In fairen Ausschreibungen können die Mitgliedsunternehmen von mofair jederzeit mithalten, sowohl qualitativ als auch preislich. Wie schrieb die Bildzeitung nach der Kündigung der Verträge durch den VRR, „Bekommen wir jetzt auch die Superzüge.“ Wie wettbewerbsfähig unsere Mitglieder sind, zeigt das Beispiel S-Bahn Bremen, die nicht an die Bahn gegangen ist. Bei der S-Bahn Stuttgart haben sich unsere Mitglieder zurückgezogen, weil sie keinen ausreichenden Zugang zu Werkstätten erhielten und neue in dem Ballungsraum nicht zu beschaffen waren. Auch der S-Bahn-Vertrag Berlin-Brandenburg wurde ohne Ausschreibung verlängert. Da wo die Bahn mit Ausschreibungen konfrontiert ist, bietet sie plötzlich wesentlich günstiger als bisher. In einigen Fällen in Nordrhein-Westfalen und Bayern begnügt sich die Bahn im Wettbewerb nur noch mit einem Zehntel der öffentlichen Zuschüsse, die sie vorher ohne Ausschreibung erhalten hat. Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg polemisiert sie gegen die Aufteilung in Lose und die Tatsache, dass in Übereinstimmung mit dem Vergaberecht nicht einer alles gewinnen kann.

Jetzt wirft die Bahn unseren Mitgliedern vor, dass sie Wettbewerbsvorteile durch niedrigere Löhne hätten. Alle unsre Mitglieder haben gültige Tarifverträge mit den Gewerkschaften. Die Ausschreibungen zeigen deshalb auch regelmäßig ein vergleichbares Lohnniveau zwischen den Anbietern. Welche Konzernkosten der DB Regio das Leben schwer machen, wird die Bahn sicherlich am besten selbst beantworten können.

Wie es um den Wettbewerb wirklich steht, macht eine Zahl deutlich. Auch mehr als 10 Jahre nach der Bahnreform beträgt der Marktanteil der privaten Eisenbahnunternehmen im Nahverkehr nur rd. 8 Prozent. Noch profitiert die Bahn von den großen Verkehrsverträgen, die sie nicht im Wettbewerb gewonnen sondern direkt erhalten. An ihren Reaktionen sieht man, wovor die Bahn Manschetten hat.

Kaiserliche Musik im Ringlokschuppen

Am gestrigen Abend lud der Ringlokschuppen in Mülheim zum Konzert. Name der Band: Bonaparte. Oh nein! Schon wieder eine hippe Indie-Rock-Band, die in Berlin wohnt und schon deshalb total angesagt ist. Zu früh geärgert, wie sich schnell herausstellte.

Der Raum ist in rotes Licht getaucht. Kleine Nebelschwaden ziehen über die Bühne. Auf einer Balustrade werden gespannt die Kameras gezückt. Dann schreit jemand ins Mikro: „Mülheim, wo seid ihr!“. Nun gibts kein Halten mehr. Die Musiker hauen in die Tasten und dreschen aufs Schlagzeug ein. Der kleine Mann am Mikrophon trägt eine überdimensionale Fellmütze. Hat was von Hund und Hase zugleich. Neben ihm rockt sein Bassist fast unten-ohne, den Körper gehüllt in ein Frack, das an Alice im Wunderland erinnert. Der riesige Hut reicht ihm bis zum Hals. Die Menge freut sicht. Vorne wird ordentlich getanzt und gesprungen. Andere stehen noch am Rand und wispern mit ihren Freunden. Plötzlich fegt eine junge Lady in rosa Strapsen und schwarzen Lackstiefeln über das Podest. Sie schwingt ihre Hüfte fröhlich zu den Beats und lockt das Publikum kokett mit ihren Blicken. Ein Jubeln geht durch den Raum. Neben der sexy Tänzerin erscheint noch eine Gestalt. Ein schwarzer Ganzkörperanzug stolziert wie eine Marionette über die Bühne. Der Gesichtsausdruck ist puppenhaft.

 Was ist das hier eigentlich für ein Spektakel? Das ist Bonaparte. Bekannt seit Kurzem, gegründet 2006. Geboren wurde die Idee zum freien Musizieren in Barcelona. Inzwischen bewegt sich die Band vorzugsweise durch die Straßen der deutschen Hauptstadt und mischt die Musikszene kräftig auf. Der dauerpräsente Elektro bekommt endlich was hinter die Ohren. Ja, es gibt noch andere Musik, die abgeht. Das Ensemble kreuzt nämlich Elektro mit Punk und Rock mit experimentellen Klängen. Dazu kommt eine fette Portion Verrücktheit. Künstler aller Art lassen hier ihrem Gespür freien Lauf. Bonaparte hat keine feste Besetzung. Menschen kommen und gehen. Es ist ein Schmelztiegel kreativer Energie. Musik, Tanz, Theater, Erotikperformance, Improvisation. Letzteres schwappt direkt ins Publikum, wenn eine Krankenschwester spontan den Bassisten über die Bühne jagt oder der Sänger kurz mal im Gedränge des Publikums verschwindet. Die Kostüme wechseln laufend. Hier springt jemand als Schaf über die Bühne, dort schwingt ein Hase das Tanzbein. Und der Ganzkörperanzug? Der ist einem spärlichen Tanga gewichen. Die Menge blickt auf den nackten Hintern eines großen Mannes mit wildem Haar. Und ist entzückt.                                                          

Nichts scheint festzustehen. Freiheit als Maxime. Diese spiegelt sich auch in den Texten wieder. Gründer, Sänger und ständiges Mitglied, Tobias Jundt, ruft in seinen Liedern zum Protest. Voller Hingabe schmettert er seine Songs durch den Raum. Singt bis zur Erschöpfung. Trotz Hingabe, darf an der Qualität der Live-Musik ruhig noch gefeilt werden. Die Botschaft der Texte macht das Manko aber wieder wett. Es geht um Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit. Grundpfeiler der Menschheit. Es bleibt nicht bei leeren Worten. Die Sounds der Performance-Truppe schaffen den Sprung in die Herzen der Hörer. Sie brechen die Grenzen des Gewöhnlichen auf der Bühne. Sie wollen das Schweigen über das gewohnt Falsche in der Welt brechen. Und das kauft man Ihnen ab.