UPDATE 1: HURRA – FDP verspricht: Jagdsteuer wird abgeschafft

Foto: Holger Ellerbrock im Landtag

Die regierende FPD in Nordrhein-Westfalen hat eine bahnbrechende Steuererleichterung geschafft. Der Aufschwung kommt. Wirtschaftskrise überstanden. Nix mit Klientelpolitik – ein Sieg für alle. Und trotz dieser Errungenschaft mosert jetzt der Landkreistag NRW. Die FPD würde die Jagdbesitzende Klasse zu Ungunsten der Restgesellschaft schonen. Aber lest selbst die gestrige Pressemitteilung der FPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, die mich gerade erreichte und die Stellungnahme des Landkreistages:

 

Die FDP-Landtagsfraktion hat in ihrer heutigen Sitzung die Absicht zur Abschaffung der Jagdsteuer bekräftigt. "Die Jagdsteuer wird noch in diesem Jahr abgeschafft", erklärt der umweltpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Holger Ellerbrock. "Wir werden schon in den nächsten Wochen eine gemeinsame Initiative mit der CDU auf den Weg bringen."

Der FDP-Umweltexperte betont, dass die Leistungen der Jägerschaft für die Allgemeinheit die landesweit nur noch geringen Einnahmen aus der Steuer bei Weitem überstiegen. Die FDP-Fraktion will allerdings sicherstellen, dass sich die Landkreise mit einem mehrjährigen Abschmelzungsmodell auf das Ende der Steuer einstellen können. "Zudem sollen die Leistungen der Jäger zur Entlastung der Kreise fest verabredet werden", erklärt Ellerbrock.

Der Landkreistag NRW moppert gegen den Vorstoß der auf-gar-keinen-Fall-Klientel-Partei FDP. Auf die Spitze getrieben sagt der Landkreistag: Damit Jäger billiger Rehe abknallen können, müssen nachher Kindergärten geschlossen werden. Das ist natürlich überzogen – aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Lest selbst:

 

Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen hat auf aktuelle Medienberichte reagiert, wonach die Landesregierung noch im Laufe dieser Legislaturperiode zwar die Jagdsteuer abschaffen, die daraus resultierenden Millionenverluste der Kreise aber offenbar nicht ausgleichen will. „Sicherlich ist die Jagdsteuer eine so genannte Bagatellsteuer, weil sie landesweit gerade einmal vergleichsweise bescheidene neun Millionen Euro in die Kassen der Kommunen spült. Dennoch sind insbesondere Flä-chenkreise mit großen Waldgebieten auf die derzeit bis zu 800.000 Euro im Jahr angewiesen“, bekräftigte Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen (LKT NRW), heute in Düsseldorf. „Es kann nicht sein, dass das Land die Frage der Kompensation faktisch offen lässt. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten können es sich die Kreise buchstäblich nicht leisten, auf das Geld zu verzichten.“

Guru Landrat Jochen Welt aus Recklinghausen?

Jochen Welt (SPD) kandidiert im Kreis Recklinghausen nicht mehr zum Landrat – legt aber auf den letzten Metern noch einen amtlichen Skandal hin.

Denn im Moment ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum gegen Landrat Jochen Welt. Der soll, so schreibt die Recklinghäuser Zeitung, die Kosten einer Heilpraktikerausbildung über den Kreis abgerechnet haben. Vor einem Jahr sagte mir Welt, dass er noch einmal etwas Neues machen wolle und deshalb nicht mehr als Landrat antreten werde. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ein strammer Sozialdemokrat auf seine alten Tage noch zum Esoteriker mutiert und sich diesen Unfug dann auch noch illegal finanzieren lässt. Wenn es stimmt, fände ich es schade, denn ich mochte Welt. Zu der Affäre passt eine mit einem Mahatma Gandhi Zitat versehene Pressemitteilung, in der die SPD etwas schwurbelig erklärt "In der Presse wird über ein laufendes Verfahren berichtet. In einem solchen Verfahren gibt es keine Vorverurteilungen, aber auch keine Freifahrtscheine. Jeder trägt für sein Handeln selbst die Verantwortung." Naja, das sind Binsenweisheiten..

Sollten sich die Vorwürfe gegen Welt bestätigen, stehen die Chancen für den CDU-Kandidaten um das Landratsamt, Josef-Hovenjürgen (MdL) gut, bei der kommenden Kommunalwahl Welts Nachfolger zu werden.

Ruhrpilot

 Nachrichten aus dem Ruhrgebiet

 Gaza-Demos: "anti-Germans are otherwise known as friends of Israel and the US"…Jerusalem   Post

 Verkehr: Hier steht es am längsten…Stern

 Web 2.0: Mordprozess in Essen…Spiegel

 Autos: Dortmund setzt auf Strom…Der Westen

 Esoterik: Betrug für Unsinn…Der Westen

 U-Turm: Auerbachs-Keller…Ruhr Nachrichten

 DJV: Gewerkschaft warnt vor Monopolen…Medienmoral NRW

 Arbeit: Angst in der Oper…Ruhr Nachrichten

dpa – Bye, Bye Hamburg

Die Nachrichtenagentur dpa zieht es nach Berlin. Der Hauptsitz Hamburg soll zwar nicht aufgegeben werden, aber Teile der Redaktion sollen in die Hauptstadt umgesiedelt werden.

Schon seit längerem macht in der rund 800 Leute umfassenden Belegschaft das Gerücht eines bevorstehenden Umzugs die Runde. Heute ließ Chefredakteur Wilm Herlyn die Katze endlich aus dem Sack. Chefredaktion und Geschäftsführung seien für den Umzug nach Berlin, sagte er heute vor versammelter Mannschaft in Hamburg. Der Dienstleister IDS wurde mit der Prüfung entsprechender Überlegungen beauftragt. Ein Komplettumzug ist dem Vernehmen nach nicht geplant.

Ziel der Verlagerung von Stellen nach Berlin dürfte auch sein, das Gewicht von Deutschlands größter Nachrichtenagentur in Politik und Wirtschaft zu stärken. Hauptgrund dürften aber erhoffte Einsparungen sein, zu deren Höhe Herlyn bei der Versammlung keine Angaben machte.

Das Medienunternehmen hat in den Krisen der vergangenen Jahre kräftig Federn lassen müssen. Zeitungs-Kunden mussten Rabatte eingeräumt werden, nach der Rheinischen Post bestellte zuletzt die WAZ-Gruppe den Dienst ab. Der Einnahmeausfall beträgt alleine bei der WAZ drei Millionen Euro.

In Berlin ist dpa mit einem Landesbüro für die Hauptstadt und Brandenburg sowie einer Parlamentsredaktion vertreten. Zudem hat die Rundfunktochter Rufa ihren Sitz in der Stadt.

Update: Herlyn hat die Planungen inzwischen in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bestätigt.

 

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Entschleunigung in Amerika. Ein gutes Buch

Foto: Robert Jacobi im Monument Valley

Ich habe vor ein paar Tagen ein Buch gelesen. Amerika der Länge nach von Robert Jacobi. Das Buch ist gut, verdammt gut.

Ich kenne Robert ein paar Jahre lang. Wir waren zusammen in Amerika. In New York, in diesem September 2001, als die Jets in das World Trade Center krachten. Robert hat für die Süddeutsche geschrieben, ich für die taz.

Seine Serie über die Terror-Anschläge damals hat Robert mit einer Geschichte angefangen, die besonders war. Und zwar war Robert gerade in Chicago als die Türme fielen. Er musste dann schnell nach Manhattan – seine Redaktion hat ihn losgeschickt. Aber nichts ging. Alle Flüge in den Staaten waren gecancelt, vielleicht erinnert sich noch einer dran. Robert nahm sich einen Wagen und fuhr los. Durch die Prärie, die Appalachen immer weiter noch Osten zur Küste.

Robert schrieb über die Fahrt eine ausgezeichnete Story. Seine Reportage spiegelte die hastige Veränderung der Welt durch zwei Verbrechen in der Reise eines Autofahrers. Cool. Und außergewöhnlich in einer Zeit in der die meisten Blätter nur den anstehenden Krieg herbeikreischten.

Robert hat mit dieser Autogeschichte ein Thema gefunden. Reisen und denken.

Dieses Thema hat Robert in seinem Buch Amerika der Länge nach wieder aufgegriffen. Und verfeinert.

Das Buch ist eine Entschleunigung. Mich hat es rausgerissen aus der täglichen Hast. Es hat mir Ruhe gegeben in der Betrachtung einfacher Sachen und der Konzentration auf Details. Was ist wirklich wichtig?

Robert gibt keine Antworten. Er beschreibt einfach, wie er seine Karriere für ein Jahr unterbricht und abhaut, die Panamericana von Alaska runter nach Feuerland. Wie er sich ein Auto kauft, wie er sich mit einer Reisebegeleitung streitet oder sich irgendwie spontan verliebt in Mexiko oder so.

Die Geschichte kommt an zwei Bücher ran, die ich früher mal gelesen habe. Einmal an Walden von Henry David Thoreau. Das ist der Typ, der sich in Concord, in Massachusetts, eine Hütte in den Wald geknallt hat, um dort ein gutes Jahr lang über die Notwendigkeit der Ökonomie der Nägel zu philosophieren – unter anderem. Es ging um die Befreiung durch Beschränkung und so.

Thoreau ist ein Klassiker. Sowas wie Diogenes in der Tonne. Irres Buch. Später hat sich der Walden-Autor über Steuerzahlungen aufgeregt – er sollte für sein Jahr in der Waldhütte ein paar Dollar zahlen. Thoreau sah das nicht ein und ging in den Knast. Dort schrieb er seinen zweiten Klassiker: Von der Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat.

Das Buch sollten alle Bakunin-Terror-Anarchisten lesen. Es schließt den friedlichen Widerstand gegen Unterdrückung auf. Nichts ist’s mit Bomben für die Freiheit.

Wie dem auch sei, jedenfalls nimmt Robert in seinem Buch den Leser mit auf eine Reise in eine moderne Form von Walden. Auf Trekking-Touren und in eine Auto-Wohnung. Auch hier beschränkt er sich auf das wesentliche.

Dann aber finde ich, Amerika der Länge nach gleicht auch irgendwie dem Buch Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten von Robert M. Pirsig aus dem Jahr 1974. Damals ging es um eine Bike-Tour quer durch die Staaten und die Frage nach den ewigen Werten. Wie Thoreau konzentrierte sich Pirsig auf die Details im Leben, um darin das große Ganze zu verstehen. Hier eine Waldhütte, da ein Moped.

Diese Wertschätzung des Kleinen kann den Blick auf das Wesentliche öffnen.

Nicht der Job ist das entscheidende, nicht die Karriere, nicht der Streit, nicht die Hektik, nicht der Staat. Es geht um Familie, um Seele und so Sachen.

Man muss die Muße finden, sich dieser Dinge bewusst zu werden. Dazu muss man sich entschleunigen. Dazu muss man bremsen. Man muss Zeit finden nachzudenken.

Und dabei helfen diese Bücher, genauso wie Roberts Buch über die Reise Amerika der Länge nach runter.

Dabei ist Roberts Buch gleichzeitig unmodern und modern.

Unmodern, weil es um eine Reise geht.

Reisereportagen werden tausendfach geschrieben – überall. Oder mit Dia-Vorträgen in VHS-Kursen erzählt- was noch schlimmer ist. Eigentlich darf man nichts Neues erwarten. Allein die Fahrt über die Straße der Amerikas von Alaska bis Feuerland wurde gefühlt zweiduzendfach beschrieben und verfilmt.

Doch Robert druckt nicht alte Stanzen ab. Er schafft was neues und modernes.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass er gut schreiben kann.

Aber da ist noch etwas anderes wichtig. Robert wird persönlich, wird vertraut, schreckt nicht vor peinlichen Szenen zurück, bringt sich ein, auch wenn es weh tut. Er stellt das Leben dar.

Damit betreibt er so eine Art modernen Gonzo-Krams. Er zieht sich nicht raus aus dem Geschehen, sondern stellt das Erleben in den Mittelpunkt.

Das gefällt mir ausgesprochen gut.

 

Warum? Ich denke, Robert gibt damit ein spannendes Vorbild ab im modernen Journalismus. Gonzo wird wieder modern – man nennt es heute wohl den neuen Blog-Stil. Ich weiß nicht. Ich entdecke jeden Tag Gonzo-Reportagen im Netz. Es ist als könne man die Wieder-Erstehung einer fast vergessenen journalistischen Form erleben.

So wie Gonzo aus dem New Journalism hervorgegangen ist, so entsteht heute aus der Gonzo-Nummer eine neue Web-Form.

Je mehr die Nachricht selbst an Wert verliert, umso wichtiger wird es, den Menschen in der Geschichte zu erleben. Die persönliche Ebene zu spüren, und dabei wahrhaftig zu bleiben. 

Das ist gut. Aus dieser neuen alten Form des Schreibens erwächst wieder gute Literatur.

Roberts Buch erscheint bald in zweiter Auflage.

Hier ein Link zum Autor und so. Wo man das Buch bestellen kann.

Brauser: Kein Grund für Liebesparadenkummer

Erst sagte Bochum ab – dann warnte die Duisburger Polizei vor der Loveparade 2010.

Bevor noch weitere Berufs-Bedenkenträger das Wort ergreifen, versucht Hanns-Ludwig Brauser von der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung die Wogen zu glätten: "In Abstimmung mit Essen, Dortmund, Bochum, Duisburg und Gelsenkirchen informieren wir über den aktuellen Sachstand der Beratungen zur Loveparade 2010 / 2011: Die Spekulationen der letzten Tage über mögliche Austragungsorte entbehren jeder Grundlage. Für 2010 ist als Austragungsort Duisburg vorgesehen, für 2011 Gelsenkirchen. Dies entspricht der Verabredung der Region mit dem Veranstalter der Loveparade in 2007. Im März 2009 beginnen die Gespräche mit den genannten Kommunen und dem Veranstalter zur Vorbereitung der Loveparade 2010." Gelsenkirchen und Duisburg wollen wohl, wie man hört, die Loveparade durchziehen und sich nicht, wie Bochum, mit einer Absage bundesweit blamieren.

3 für 7 – 3 Kulturtipps für die nächsten 7 Tage

Es nutzt nichts darum herum zu reden: Das Wetter ist mies, und im Veranstaltungsbereich muss schon in gewisse Nischen geschaut werden, um Mitte Februar Erbauliches zu finden – das gute Theaterprogramm wurde ja bereits in der letzten Woche hier dargestellt. Und nun der positive Aspekt: Bei den kleineren und/oder persönlicheren Veranstaltungen fühlt man sich zwar nie so medial wichtig wie bei spektakulären Großevents, dafür ist es aber oft leichter, einen persönlichen Bezug zu den Künstlern und Werken herzustellen. Drei Frauen: Clare Strand, Fantani Touré, Pia Bohr.

Interessante Fotoausstellungen für ein breiteres Publikum – das ist sicherlich eine Kunst für sich. Und wurden in dieser Reihe bereits jene von z.B. Jim Rakete und David Lynch vorgestellt, so ist es diesmal das Konzept das im Mittelpunkt steht. Denn Clare Strand fotografiert die gehängten Werke im Museum Folkwang gar nicht mal alle selbst, sie benutzt auch gefundene Fotos. Im Zusammenspiel entstehen so thematisch dichte Reihen, einmal Bezug nehmend auf "Household Words" von Charles Dickens, ein anderes Mal wird die Perspektive eines Eugene Ionesco eingenommen, um sich dem Thema "New Towns" derart zu widmen, dass eine für die Betrachter nachvollziehbare Kriminalgeschichte entsteht – immer begleitet von kurzen Texten und paranormale Phänomene nie ausgeschlossen. Ein weiterer guter Ansatz im neuen Folkwang-Kanon. Da wird doch der Fuchs… (siehe Foto von Clare Strand).

Und auch das Theater an der Ruhr wagt etwas mit der Reihe "Klanglandschaft Mali" und hat die hierzulande gar nicht mal so bekannte, aber wunderbare Sängerin Fantani Touré eingeladen. Natürlich eine besondere Empfehlung für Anhänger des sogenannten Afrobeat, inklusive feiner Percussion, smarter Rhythmik und Harmoniegesängen. Die Tochter eines malinesischen Stammeskönigs setzt sich daheim für Frauenrechte ein und besucht anlässlich dieses Konzerte zum ersten Mal überhaupt Deutschland.

Beschäftigungen von Menschen, die ansonsten anderweitig im Rampenlicht stehen? Nur ein kurzer Weg zu Pia Bohr, selbst Sangeskünstlerin sowohl solo als auch wieder mit Philip Boa. Sie erarbeitet beständig Holzskulpturen, die meist Frauenkörper, aber auch Fabelwesen zeigen. Ihr Material ist ein spezielles Olivenholz, manchmal aber auch Birne, Ulme, Goldregen oder Mantelholz. Formen und Maserungen ergeben einander, alles bleibt rund und fließend. Schöne, anmutige Arbeiten, denen man den pfleglichen Umgang mit den Hölzern anmerkt. Und das auch noch auf der Essener Margarethenhöhe!

Im Überblick:
"Clare Strand – Fotografien und Video" bereits seit dem 7. Februar im Essener Museum Folkwang.
Fantani Touré samt Quartett am Freitag, den 13. Februar, ab 20 Uhr im Mülheimer Theater an der Ruhr.
Die Vernissage zu "Kraft und Anmut" von Pia Bohr am Sonntag, den 15. Februar, um 16.30 Uhr in Mintrops Stadt Hotel Margarethenhöhe.

Schräge Bilder aus Dortmund

Ich bin Comic-Fan und froh, wenn sich was im Netz mit Comics tut. Aus diesem Grund muss ich hier den Netz-Comic Union der Helden lobend erwähnen. Die Machhart der Bilder ist ein zwar ziemlich konventionell und erinnert oft an einen Foto-Love-Roman in der Bravo. Dafür zieht die Geschichte irgendwie rein. Das Ding hat was. Ich hab’s mir angeschaut und freue mich auf neue Folgen.

Also Comic-Fans, klicken und selber schauen. Im Ruhrgebiet tut sich was.

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Öko-Gas-Krise. Biobranche bedroht

Foto: Nawaro-Anlage Penkun

Seltsame Dinge geschehen, wenn es um den Klimaschutz geht. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wurde geändert. Und eigentlich sollte es Bergauf gehen mit den Öko-Energien, dachte sich zumindest Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Doch ausgerechnet in der Branche, die besonders ab gehen sollte, steht vor einer Krise. Gut 250 Biogas-Anlagen blicken in den Ruin. Über 50 sind extrem bedroht. Und Sigmar Gabriel verschränkt die Hände und will nicht helfen. Stattdessen spielt sein Ministerium auf Zeit.

Allen voran die größten deutsche Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern steht vor dem Aus. Wie mir der Vorstandschef der Betreiber-Gesellschaft Nawaro BioEnergie, Felix Hess, sagte, könne er seine Anlage im Ort Penkun nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Der Grund dafür: ausschließlich die Verschärfung des EEG aus dem vergangenen Jahr. Dort wird in 40 Meilern aus Gülle und Bioabfall Gas zur direkten Verstromung gewonnen. Die Leistung der Anlage liegt bei rund 20 Megawatt. Der Grund für die Krise ist ein neuer Anlagenbegriff für Biogasmeiler im EEG. Während früher jeder einzelne Meiler als technische Einheit im Sinne des EEG gezählt wurde, werden heute alle Anlage als Einheit betrachtet, wenn sie räumlich zusammen liegen. Das neue EEG ist am 1. Januar in Kraft getreten. Nach Auskunft der Branchenverbandes Biogasunion sind über 250 Anlagen in Deutschland von der Gesetzänderung in ihrer Existenz bedroht.

Nawaro-Chef Hesse sagt, die neuen Regeln wären für den Betrieb in Penkun verheerend. Entsprechend der alten Regel hätten dort die 40 Biogas-Meiler als selbstständige Anlagen betrieben werden können. Lediglich die Infrastuktur, wie Zufahrten oder Trafostationen, seien gemeinsam genutzt worden. Die erzeugte Energie reicht aus, eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen. Durch die neue Anlagen-Definition im EEG würden jetzt allerdings alle Penkun-Meiler als eine Anlage betrachtet, weil sie auf einer Fläche von knapp zwei Hektar zusammen liegen würden. Laut Hess würde die Einspeisevergütung aus diesem Grund von rund 22 Cent je Kilowattstunde Strom auf nur noch 11,15 Cent fallen. Ein Gutachten im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg kommt zu dem Schluss, dass der Umsatz der Anlage in Penkun seit Januar um fast 50 Prozent eingebrochen sei. Über das Jahr könne deshalb nur noch mit einem Erlös von rund 19 Mio Euro gerechnet werden. Hess sagt, dies reiche nicht aus, die Anlage wirtschaftlich zu betreiben. Alleine der Preis für die Rohmaterialien, wie Gülle, liege höher als die Erlöse. „Das überlebe ich nicht.“ Der Nawaro-Chef sagt weiter: Im Vertrauen auf die alte Anlagen-Definition im EEG habe er zusammen mit 5000 Privatanlegern knapp 80 Mio Euro in Penkun investiert.

Nach Angaben der Biogasunion wäre die gesamte Branche in eine Krise gerutscht. „Durch die Gesetzesänderung ist das Vertrauen der Firmen erschüttert“, sagt Biogas-Chefin Manuela Beyer. Alle Betriebe hätten nun Angst, dass ihre Erträge zusammenschnurren. „Dann brechen auch die Finanzierungen bei den Banken weg. Das Aus droht.“

Direkt nach Verkündigung des neuen EEG im Bundesgesetzblatt vom November vergangenen Jahres hat Nawaro-Chef Hess beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Eilentscheidung eingereicht, mit dem der Bestandsschutz für Altanlagen hergestellt werden soll. Hess beklagt gegenüber dem Gericht den Bruch des Vertrauens und eine nachträgliche Veränderung der Bedingungen, unter der er seine Investitionen in Penkun getätigt hat. Es ist noch offen, wann das Verfassungsgericht den Antrag behandelt.

Unterdessen hat der Bundesrat auf Drängen der Länder, in denen Biogasbetreibern aktiv sind, einen Gesetzentwurf zur Änderung des EEG vorgelegt. Die Länderkammer will den Bestandschutz für Altanlagen wieder herstellen. Allerdings lehnt die Bundesregierung bislang ab, den Gesetzentwurf der Länder in das Parlamentarische Verfahren im Bundestag einzuführen. Die Weigerung begründet die Bundesregierung in einer Stellungnahme von Anfang Februar damit, dass zunächst die Entscheidung des Verfassungsgerichtes über den Nawaro-Antrag abgewartet werden müsse.

Nach Auskunft von Nawaro-Chef Hess kann die Verzögerungstaktik zum Aus für seine Firma führen. Sollte die Verschärfung des EEG nicht zurückgenommen werden, müsse er spätestens Ende Februar die Zahlungsfähigkeit für die Anlage in Penkun erklären. Lediglich eine Biogasanlage seiner Firma in Güstrow könne dann noch weiterexistieren. Dort werde Gas nicht verstromt, sondern direkt in das allgemeine Gasnetz eingespeist. Dies ermögliche höhere Förderungen nach dem EEG.

Bislang hat das Bundesumweltministerium die Änderung der Anlagendefinition im EEG damit begründet, dass lediglich der Begriff genauer erklärt worden sei – dass es also keine wirklich neuen Regelungen gebe. Zudem sei den Betreibern von Biogasanlagen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidungen immer klar gewesen, dass es Änderungen im EEG geben könne. Auf meine Nachfrage teilte das Ministerium nun mit: „Das Bundesumweltministerium äußert sich nicht zu einem laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Sieht nicht so toll aus.

Ruhrpilot

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