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Gibt es eigentlich ein Geschäftsmodell für Journalisten in der Zukunft? Überall werden Leute entlassen, gute Schreiber und auch weniger gute. Zeitungen werden eingestellt und verkauft. Es geht quer durch die Bank. Ein Kollege von mir bekommt schon Panik-Attacken. Dann ruft er an und fragt, ob es wirklich schlimm wird. Ganz ehrlich – kleine Ahnung. Könnte aber sein.
Sie zum Beispiel, lesen den Artikel hier und zahlen dafür keinen Euro-Cent. Dabei habe ich Arbeit in den Bericht gesteckt.
Genauso können Sie zum Beispiel die Inhalte der großen Zeitungen, des Spiegel, und der Bild abstauben, ohne dafür zu zahlen. Und ohne schlechtes Gewissen. Es ist so einfach im Internet zu klicken und konsumieren. Alles für lau.
Es scheint tatsächlich aus der Mode gekommen zu sein, fürs Lesen zu bezahlen. Ende der neunziger wurde das doch noch gemacht, oder? Ein anderen Kollege von mir, Jürgen, sagt immer, wenn er mich sieht. „David, warum machst Du diese Ruhrbarone-Sache? Es gibt doch überhaupt kein Geschäftsmodell, mit dem man im Internet Geld verdienen kann.“ OK, vielleicht ist das auch so – bis auf spiegel.de, bild.de und noch ein paar Seiten macht wahrscheinlich keine Seite eine gute Mark. Außer den Tittenseiten.
Pessimisten wie mein Kumpel Hans glauben, die Konsequenz der Online-Nummer ist schlicht: die Nachricht sei nichts mehr wert, weil sie im Netz für taube Nüsse zu haben sei. Das trainiere die Menschen darauf, alles lesbare für umsonst zu fordern. Oder anders gesagt: der Berufstand Schreiber sei am „Arsch“. Wir sollten uns alle Jobs in PR-Agenturen suchen und eine ruhige Kugel schieben.
Ich glaube nicht daran. Warum? Vielleicht bin ich einfach zu optimistisch. Aber dann denke ich auch daran, dass die Menschen immer gute Geschichte lesen wollen – egal was passiert. Und es wird immer Leute geben, die gute Geschichten zu erzählen haben.
Es kommt nur darauf an, die guten Geschichten clever zu verkaufen. Und da bin ich bei dem Geschäftsmodell das Jürgen fehlt.
Vorneweg, hier bei den Ruhrbaronen haben wir kein richtiges Geschäftsmodell. Wenn wir bald anfangen, Werbung zu verkaufen, machen wir das primitivste Ding der Welt. Wir übersetzen wie alle anderen, die Printsache ins Netz, indem wir Platz auf unseren Seiten verkaufen.
Wenn ich über die Zukunft nachdenke, kommen mir aber andere Ideen.
Zunächst frage ich mich, was zur Hölle wurde überhaupt die ganze Zeit verkauft?
Bedrucktes Papier oder Geschichten?
Klassischerweise heißt die Antwort: Geschichten. Aber was ist, wenn ich annehme, es wurde Papier verkauft und die Stories waren nur die Werbung auf dem Papier, damit irgendeiner das Papier nimmt.
Denn sind wir ehrlich: Papier ist langweilig, und außer zum Fisch einwickeln und Feuer anzünden für wenig nütze. Ok, vielleicht noch als Dämmstoff. Aber sonst?
Nur mit den Geschichten drauf, wird aus dem billigen Papier eine mehrwertige Handelsware. Die Verleger haben Druckmaschinen. Die müssen möglichst gewinnbringend ausgelastet werden. Sie wollen also Papier mit Geschichten bedrucken. Mit welchen ist erstmal zweitrangig. Die einen machen Muschimagazine, die anderen Politbrecher. Jeder versucht in seinem Beritt einen möglichst spannenden Aufgalopp hinzulegen, damit möglichst viele Leute möglichst viel Papier kaufen. Jetzt will keiner mehr das Papier haben, weil die Leute lieber im Netz lesen. Schlecht für die Verleger. Druckmaschinen werden überflüssig.
Das muss aber nicht schlecht für die Schreiber sein. Denn die Nachfrage nach guten Geschichten ist nicht zusammengebrochen. Sie werden nur nicht mehr auf Papier gelesen.
Jetzt nähern wir uns der Lösung. Warum verkaufen die Verleger nicht einfach was anderes außer Papier und nutzen die Nachfrage nach den Geschichten als Werbung für ihre neuen Projekte. Dabei denke ich nicht ans Internet. Ich denke an was ganz Anderes.
Wahrscheinlich drücke ich mich wieder zu kompliziert aus. Also ein neuer Anlauf. Wenn ich komplexe Sachen im Internet lese, ist das unbequem. Ich sitze am Schreibtisch. Ich habe meinen Laptop vor mir. Ich werde gestört durch Telefonate, Email, Skype, Twitter, Links und sonstigem Schrott, der meine Konzentrationsspanne auf das Niveau eines Vorschülers reduziert.
Verständiges Lesen geht anders. Entspannter. Ich habe ein Buch in der Hand, eine Zeitung, ein Magazin. Ich sitze auf dem Sofa, in der Badewanne, im Bett.
So und jetzt haben wir dieses Bild. Ich mit Zeitung auf dem Sofa. Weil ich gute Geschichten lesen will.
Was ist in Zukunft falsch an dem Bild? Wenn kein Papier mehr verkauft wird, kann ich nicht mit einer Zeitung in der Hand auf dem Sofa sitzen.
Oder doch?
Ja, ich kann. Oder besser gesagt, ich könnte.
Warum?
Weil die Verleger doch einfach anfangen könnten, was anders als Papier zu verkaufen.
Ich sehe vor mir eine Art Elektrolesebrett, Mit Touchdisplay. Das ist ein wenig größer als eine DIN A4 Seite. Vielleicht ist das schwarz oder rot oder lila oder Pink getupft. Je nach Lesertyp individuell wie ein Handy. Dieses Brett ist leicht. Es wiegt nur soviel wie mein altes Motorola-Klapp-Handy. Und man kann das Elektrobrett aufklappen. Wie eine Zeitung. Die Steuereinheiten sind am Rand des Bretts versteckt. Das Elektrobrett kann ins Internet, über Wlan überall in alle Handynetze, und ich kann mir jeden gewünschten Lesestoff runterladen.
Auf dem Brett selbst kann ich nur lesen, Musik hören und Videos schauen. Ich will da keine Emails tippen. Ich kann mit dem Teil auch nicht telefonieren. Ich will nicht unterbrochen werden durch Krims oder Krams. Ich will lesen und schauen.
Und wo ist das Geschäft für die Verleger?
Ganz einfach: Die Verleger verkaufen das Brett. Oder noch besser, sie vermieten es. Als Elektrobrett-Abo. So wie früher die Telekom die Endgeräte vermietet hat, als sie noch Post hieß.
Die Idee: Du musst einen Zweijahresmietvertrag für das Elektro-Lesebrett abschließen. Dafür bekommst Du das Lesegerät für 1 Euro und Deine Zeitung auf das Brett geschickt. Man könnte dazu Erweiterungen anbieten. Also der Verleger bietet die Grundzeitung im Basis-Abo an. Dazu kann man sich Zusatzzeitungen mieten. Oder Magazine. Oder Video-Filme.
Vielleicht kann man sogar mit dem Verlust-Kauf-TV Premiere zusammen einen Sportkanal anbieten, damit ich überall, wo ich will, den Sportteil lesen und dann direkt mal sehen kann, wie Kuranyi ein Tor gezimmert hat.
Am besten wäre es, einige der großen Verleger würden sich zusammentun und ihre Inhalte auf ein Elektrolesebrett gemeinsam anbieten. Damit der Reiz größer wird, so ein Brett zu mieten. Ich könnte beispielsweise die WAZ aufs Brett abonnieren und den Stern und die Neue Zürcher und die elf Freunde. Oder die Welt und Premiere.
Wenn die Verleger sich zusammentun würden, könnten sie ja eine gemeinsame Elektrobrettfirma mit der Telekom aufmachen. Die hat die Datennetze, um die Infos zu verbreiten, die Verleger die Inhalte. Gemeinsam teilt man sich die Aboeinnahmen.
Voila, ein Geschäftsmodell?
Wir Reporter jedenfalls, wir könnten weiter die Inhalte liefern, die die Elektrobretter attraktiv machen. Genauso wie wir vorher das Zeitungspapier attraktiv gemacht haben. Denn unsere Geschichten will man in 1000 Jahren noch lesen, solange es Menschen auf der Welt gibt. Da sind wir ein wenig wie die Stromindustrie und Bäcker.
Tatsächlich geht die Bewegung in die von mir beschriebene Richtung. In den Staaten läuft der Amazon Kindle hervorragend. Und auch in Deutschland läuft der Kindle an. OK, das Ding ist nur für Bücher und die Verleger versuchen, ihre Bücher auf das Gerät zu verkaufen – und nicht der Kindle selbst ist ihr Geschäft.
Aber es geht in die Richtung.
In den Staaten wurden gut 500.000 Kindles für 359 Dollar verkauft, seit Oprah Winfrey die Kiste zum Kult machte, berichtet das Time Magazine. Seit einem Monat ist das Nachfolge Modell auf dem Markt. Schicker und leichter.
Was hat den Kindle von all den anderen E-Lesern unterschieden, die erfolglos im Gully der Geschichte weggespült wurden? Das Netz. Der Kindle kann ins Netz und Bücher auf Verlangen runterladen.
Ich glaube nicht, dass sich das von mir beschrieben System über Nacht durchsetzt, aber ich denke, es kann sich mit den Jahren durchsetzen.
So wie die Flachbildschirme. Wer hat noch im Büro einen dieser alten Riesentrums auf dem Schreibtisch?
Oh, nur Du, Du arme Sau?
Wenn etwas verdammt gut ist, setzt es sich durch.
Nehmen wir den iPod und die iPhones. Der Zähler steht bei iTunes auf rund 6 Milliarden verkaufter Songs. Apple macht beim iPhone weiter. Spiele und Krams gibt es im App-Store – gegen Geld und die Leute greifen zu. Es funzt also. Wenn man das richtige Gerät hat, kaufen die Leute Zeugs. Auch im Netz.
Es heißt übrigens, Apple habe vor kurzem haufenweise große Touchscreens gekauft. Vielleicht wollen die ja jetzt den iReader produzieren.
In den Staaten fummelt die Firma Plastic Logic derzeit an solchen neuen Endgeräten rum, die in Magazingröße daherkommen und einen leicht biegsamen Bildschirm haben. Das Teil wird zum Teil in Dresden gebaut. Fortschritt also. Die ersten Zeitungsentwürfe auf dem Reader sehen gut aus. Leider ist das Display bislang nur schwarz-weiß. Also untauglich für eine Killer-Hardware. Aber mal sehen. Es kann ja werden.
Die Firma Pixel Qi beispielsweise produziert Farbscreens für Laptops, die extrem wenig Strom verbrauchen. Man kann sich die Idee hier so vorstellen. Der LCD-Bildschirm des Mobil-Rechner wird abgeschraubt, ein kleiner Prozessor rein, eine MiniW-Lan-Netzwerkkarte und fertig ist das neue E-Book. Ist das für Verleger interessant? Sicher. Das Teil soll später unter 80 Euro kosten und schon ab Mitte des Jahres zumindest als erste Welle verfügbar sein.
Bleibt noch eine Frage: Welche Software nutze ich auf den mobilen Teilen. Irgendein Standard muss her, oder? Auch hier liegt die Antwort so nah wie ein PDF-Dokument. Adobe gibt Adobe AIR raus. Das Programm läuft auf Linux, Macs und Windows. Es ist funktionell wie PDF. Und Du kannst damit Magazine und Zeitungen für die mobile Revolution gestalten. Den AIR-Reader gibt es umsonst. Er wurde bislang über 100 Millionen mal von den Adobe-Servern herunter geladen.
Die neuen Zeitungen und Magazine müssen nicht aussehen wie früher. Alles kann anders werden. Aber es wird eine Zukunft geben. Zumindest für uns Schreiber. Es wird weitergehen. Wie ist noch unklar. Aber wir werden gebraucht.
Verleger sollten drüber nachdenken.
Ach und um zum Schluss ein Mißverständnis zu vermeiden. Ich glaube auch, dass Zeitungen weiter bestehen werden. Als gedrucktes Wort. Sie sind wichtig.
Aber auch sie werden sich wandeln.
Die Topzeitungen werden viel Geld kosten, da sie immer weniger durch Anzeigen mitfinanziert werden. Die Zeitungen haben ihre Leser, und die müssen zahlen. Vielleicht werden deswegen die Auflagen zurückgehen. Aber es wird die Zeitungen geben.
Daneben wird es kostenlose Blätter geben. Die allein von der Massenwerbung leben. Hier wird aber der geschrieben Inhalt nichts mehr in Zukunft kosten. Es wird aus dem Netz abgedruckt. Oder als Nebenverwertung bei größeren Produktionen abfallen.
Das verändert die Struktur in den Verlagen. Die Newsdesks als Werkstätten mit verschiedenen Verwertungsgängen haben sich schon jetzt durchgesetzt. Sie werden in Zukunft ihren Focus ganz auf die mobilen Online-Inhalte setzen.
Vielleicht wäre es deswegen klug, nur noch Online-Newsdesks zu machen und die Print-Inhalte, egal ob für Top- oder Schrott-Zeitungen, als Nebenprodukte abzuwickeln?