Landschaftsverbände sollen sparen

Im Namen der Oberbürgermeister und Landräte des Ruhrgebiets hat Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz einen Brief an die Landschaftsverbände  geschrieben. Die Städte wollen eine Erhöhung der Umlage für die Zwangsverbände verhindern.

Noch kassiert der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) von seinen Mitgliedkörperschaften eine Umlage von 14,6 %. Mit diesem Geld finanziert er nicht nur Krankenhäuser und Pflegeheime, sondern auch Verlage  und Nahverkehrsunternehmen im Münster- und Sauerland.
Damit soll bald Schluss sein: Der Verband, der natürlich weit weg vom Ruhrgebiet im wohlhabenden Münster residiert, will künftig so viel Kohle wie seine in Düsseldorf ansässigen Kollegen aus dem Landschaftsverband Rheinland (LVR): 15,8 Prozent.

Nachdem schon im vergangenen Jahr der Kreis Recklinghausen und seine Städte gegen die Gier der Münsteraner protestiert haben, wenden sich nun alle Städte des Reviers gegen den LWL. Bochums OB Scholz, stellvertretend für alle Kommunen des Ruhrgebiets in einem Schreiben an  LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch und LVR-Direktor Harry K. Voigtsberger, das mir vorliegt: „Die im Entwurf der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2009 vorgesehene Erhöhung des Hebesatzes beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe um 1,2 Prozentpunkte auf 15,8 Prozent wird von den Städten und Kreisen der Metropole Ruhr für völlig inakzeptabel gehalten. Die Erhöhung bedeutet zusätzliche Aufwendungen von mehreren Millionen für jede Gebietskörperschaft“

Zwar sähen die Städte ein, so das Schreiben, dass die Lasten der Landschaftsverbände gestiegen seien, doch das würde den Städten nicht anders ergehen: „ Die vorliegenden Eckdaten des Haushalts 2009 des LWL lassen erkennen, dass mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Landschaftsumlage ein Gesamtüberschuss von 35,3 Mio. Euro verbunden wäre. Im Haushalt ist eine Sondertilgung von 38 Mio. Euro sowie die Übernahmen von Altdefiziten von 30 Mio. vorgesehen. Deshalb fordern wir die Spitzen der Verbände auf, alle Möglichkeiten einer internen Kompensation auszuschöpfen.“ Nicht nur der LWL soll auf eine Erhöhung verzichten, auch die Rheinländer sollen sparen – nach dem Willen der Ruhrgebietsbürgermeister sollen die ihre Umlage auf 14,6 % senken.

„Starkes Sozialsystem hemmt Integration“

Für Dr. Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien (ZfT) bietet die Einwandererstudie des Berlin-Instituts wenig neue Erkenntnisse. Das ZfT warnt vor einem Ranking der Migrantengruppen.

„Es gibt viele Gründe, warum sich Migranten aus der Türkei mehr Probleme bei der Integration haben als andere Gruppen, aber es ist unfair so zu tun, als ob es an der mangelnden Integrationswilligkeit liegt“, so Dr. Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. Natürlich spielen laut Halm die relativ große Fremdheit der Kultur und auch die Religion eine wichtige Rolle. 93 % aller in Deutschland lebenden Türken oder türkischstämmiger Migranten heiraten innerhalb ihrer Community – Integration über familiäre Beziehungen fällt, im Gegensatz zu anderen Migrantengruppen, so fast vollkommen weg. Türken und Deutsche bleiben sich fremd – gemeinsame Familienfeiern sind seltene Ausnahmen.

„Aber das ist nicht alles“, erinnert Halm, „als es in den 80er Jahren Rückkehrprämien für Migranten aus der Türkei gab wurden zeitgleich die Mittel für die Integration der Aussiedler erhöht. Die Erfolge können heute betrachtet werden.“

Allerdings räumt Halm ein, dass die Rückkehrhilfen allen Ausländern zur Verfügung standen, ein wichtiges Problem jedoch die wirtschaftliche Schwäche der Türkei sei. Halm verweist darauf, dass die Grünung des Staates Polen  nach dem Ende des ersten Weltkriegs dazu geführt hat, das nahezu die Hälfte aller polnischen Einwanderer das Ruhrgebiet wieder verlassen hätten. Halm: „Geblieben seien die diejenigen, die sich bewusst für Deutschland als Lebensmittelpunkt entschieden haben. Das war auch bei den Griechen oder Spaniern so, die in der Studie gut abgeschnitten haben: Diejenigen, die nicht in Deutschland leben wollten, fanden eine wirtschaftliche Perspektive in ihren Herkunftsländern und sind längst zurückgekehrt. Die Türkei bietet eine solche Perspektive bis heute auch für diejenigen nicht, die sich in Deutschland sehr schwer tun.“

Die Politik müsse nun Maßnahmen treffen, um das Problem zu verringern, fordert Halm. Ein Ranking der Migrantengruppen sei unsinnig, zumal sich ja auch zeige, dass der Intergrationserfolg von der wirtschaftlichen Stärke der Region zu tun hat, in der die Migranten leben: In München seien die Probleme geringer als in Duisburg oder Bochum „Ein Erfolgsschlüssel liegt in der Bildung. Vor allem die Sprachkompetenz muss verbessert werden, wenn türkischstämmige Migranten künftig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben sollen.“ Aber Halm weist auch auf den stark ausgebauten Sozialstaat als Integrationshemmnis hin: „Die Erfahrungen in den Niederlanden oder in Schweden zeigen, dass politisch proklamierter Multikulturalismus und ein starkes Sozialsystem die Integration schwieriger machen. In Ländern wie England, die nur ein schwach geknüpftes soziales Netz haben, ist die Notwendigkeit zur Integration größer.“

Wie das so läuft, mit dem Konjunkturgeld im Pott

Foto: flickr.com / Phreak 2.0

Das Konjunkturpaket für die Städte im Ruhrgebiet kommt. Doch wie nach der versprochenen Kohle schnappen? Wie in Essen bereiten sich die Gemeinden zwischen Duisburg und Dortmund darauf vor, eine Antragsflut auszulösen. Nur an ein gemeinsames Vorgehen des Reviers scheint keiner zu denken.

Das Büro 13.39 im Essener Rathaus ist schmucklos. Bis auf diesen mächtigen Baum, der mitten im Zimmer wächst. Es ist ein Ficus. Er streckt seine Äste weit von sich, wie die Arme eines erwachsenen Mannes. Die obersten Blätter biegen sich erst an der Decke herab. Hartwig Steinbrink fühlt sich hier wohl. Der Leiter des Umweltamtes kann die Ruhe des Baumes gerade gut gebrauchen, denn Steinbrink leitet in Essen die Operation „Konjunkturpaket II.“

Es steht viel auf dem Spiel. Die Bundesregierung hat insgesamt 37 Mrd Euro bereitgestellt. Davon sollen 14 Mrd Euro in das umfassenste Konjunkturprogramm der öffentlichen Hand seit Bestehen der Bundesrepublik gesteckt werden. Die große Koalition hat die entsprechenden Rahmenbeschlüsse in der vergangenen Woche gefasst. Jetzt geht es um die Details. Bis März soll der Bundestag über das Vorhaben abstimmen. Erst vor zwei Tagen traf sich Bundeskanzlerin Merkel mit ausgewählten Oberbürgermeistern, etwa aus Duisburg, um das Projekt Rettung zu besprechen.

In Essen brummt es in allen Abteilungen. Die Tochterfirmen der Kommune, die Eigenbetriebe, die Ordnungshüter, die Immobilienverwaltung, das Schulamt und alle anderen fahnden nach Vorhaben, auf die die Beschreibungen des Konjunkturpaketes passen. Es geht darum, einen möglichst großen Schlag aus dem Subventionstopf abzubekommen. Steinbrink ist als Leiter des Umweltamtes so eine Art Chef der Förderfirscher. Er muss den Informationsfluss kontrollieren. Er füttert die Abteilungen mit neuen Details aus Berlin, sobald wieder etwas durchsickert. Und sammelt dann die Ergebnisse. Einmal in der Woche muss er dem Essener Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger rapportieren. Steinbrink: „Wir müssen möglichst schnell wissen, wie genau die Förderprogramme aussehen, und gleichzeitig verwaltungsintern die Entscheidungen vorbereiten, damit wir punktgenau in den Startlöchern stehen, wenn die Anträge gestellt werden können.“

Nach den bisher bekannten Plänen will der Bund selbst vier Mrd Euro investieren. Zehn Mrd sollen an die Länder ausgeschüttet werden. Diese wiederum sind verpflichtet, rund 2,5 Mrd Euro als Eigenanteil dazuzugeben und das Geld weitestgehend an die Kommunen weiterzureichen. Nach den Wünschen von Bundeskanzlerin Angela Merkel soll mindestens die Hälfte der Milliarden noch in diesem Jahr unter die Leute gebracht werden.

Wie genau das geschieht, darum kümmern sich Leute wie Hartwig Steinbrink aus Essen. Der Verwaltungsfachmann durchforstet die Details der Programme und stellt Faustrechnungen an. Der Königssteiner Schlüssel wird üblicherweise herangezogen, wenn Bundesgeld unter die Länder aufgeteilt wird. Nach diesem Schlüssel kann das Land Nordrhein-Westfalen mir ungefähr 21 Prozent der Gesamtsumme rechnen. Etwa 700 Mio Euro will die Landesregierung zur Sanierung der Universitäten abziehen. Bleiben für die Stadt Essen zwischen 50 und 60 Mio Euro – wenn das Restgeld nach dem Einwohner-Schlüssel an die Kommunen weitergereicht wird. Vielleicht ist es auch mehr, vielleicht weniger. Steinbrink will sich da nicht festlegen. „Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall ist es viel Geld.“

Doch dann beginnen schon die Probleme. Immer deutlicher wird sichtbar, dass die Bundesregierung ein restriktives Fördermanagement durchsetzen will. Statt den Kommunen freie Hand bei den Investitionen zu geben, werden Anträge, Berichte und Nachweise verlangt. 65 Prozent der Fördersummen sollen in die Bildung gesteckt werden. Vorrangig soll das Geld zur „energetischen Sanierung“ von Schulen und Kindergärten eingesetzt werden. Steinbrink reagiert auf die Vorgabe. Er lässt untersuchen, in welchen Kindergarten noch Regelanlagen für Heizungen eingebaut werden können, welche Schule neue Fenster braucht und wo ein Dach Dämmstoff vertragen kann. „Wir müssen auf etliches achten, damit das Geld nicht verschleudert wird“, sagt Steinbrink. Zunächst gelte es, zu klären, welche Maßnahmen Sinn machen und dann muss auch noch untersucht werden, ob es die Schule oder den Kindergarten in zehn Jahren überhaupt noch gibt. „Etliche Fachbereiche sind in die Auswahl der Projekte eingeschaltet.“

Zu tun gibt es genug. Da ist zum Beispiel die Karlschule in Essen-Altenessen. Das Gebäude stammt ursprünglich aus dem Jahr 1884. Danach wurde angebaut und umgebaut, bis im Weltkrieg Brandbomben das Gebäude zerfetzten. Aus den Trümmern wiedererstanden, wurde die Schule 1952 erneut eröffnet. Heute ist die Karlschule eine Grundschule mit zehn Klassen. Und der Baugrund verbesserungsfähig. Das gleiche Muster gibt es an duzenden anderen Schulen in Essen und im übrigen Ruhrgebiet. Etliche Gebäude stammen aus den Aufbruchjahren der Montanregion. Der Rest sind Nachkriegsbauten oder Zweckgebäude aus den Kinderreichen Siebzigern. Nur noch selten wird heute eine Schule im Westen neu gebaut. Eher werden die Häuser dicht zu machen, wegen Kindermangel.

Steinbrink schielt aber auch noch auf einen zweiten Förderblock. Und zwar sollen 35 Prozent der Gesamtsumme nach dem Wunsch der großen Koalition in Berlin in die Erneuerung der Infrastruktur fließen. Die Bundesregierung denkt daran, Krankenhäuser zu fördern, Straßen zu bauen und die Informationstechnologie zu unterstützen. Dinge, die sowieso gemacht werden müssen. Steinbrink denkt darüber nach, wie er besonders interessante Projekte definieren kann. Man könnte kaputte Straßen mit einem Flüsterasphalt neu zupflastern. Oder neue Daten-Leitungen legen.
Steinbrink will alle Ideen sammeln und in den nächsten Wochen eine Prioritätenliste aufstellen, was unter welchen Bedingungen realisiert werden soll.

Doch bis es soweit ist, müssen nach Ansicht von Steinbrink noch etliche Probleme gelöst werden. Die Förderprogramme des Bundes sollen als Zusatzinvestitionen wie ein Zuckerhut auf die Spitze der kommunalen Haushalte geschüttet werden. Sie sollen keine Sowieso-Ausgaben ersetzen. Gerade bei Städten, die mit einem Nothaushalt arbeiten müssen, wirft das Schwierigkeiten auf. Für die alten Projekte war bislang einfach kein Geld da. Steinbrink: „Die stehen zwar im Haushalt, waren bis jetzt aber nur Papiertiger.“ Mit den Millionen aus dem Konjunkturpaket ließe sich das ändern. Doch gelten diese Vorhaben dann als förderfähige neue oder als unwürdige alte Projekte? 

Auch bei der Umsetzung der Programme gibt es noch Unwägbarkeiten. Durch die strikten Richtlinien der Programme kommt nur wenige duzend Gewerke in Frage, die unmittelbar von den Zusatzinvestitionen profitieren können. Zudem können und sollen in den meisten Fällen Aufträge nur im engsten Umfeld der Kommune vergeben werden. Europaweite Ausschreibungen sollen ganz vermieden werden. Die entsprechenden Regeln wurden im Konjunkturpaket aufgeweicht.

Nur ein Beispiel: Wenn in einer Region wie dem Ruhrgebiet zeitgleich alle Städte ihre Schulen wärmedämmen wollen, freuen sich die wenigen Spezialisten, die das können. Sie schrauben ihre Preise hoch. Intern rechnet die Bundesregierung damit, dass ein kurzfristiges Wachstum je Branche in Höhe von 20 Prozent preisneutral verträglich ist. Sollte es zu mehr kommen, wird es schwierig. Damit stellt sich die Frage nach einer regionalen Koordinierung der Förderprogramme. Und nach einer möglichen Flexibilisierung. Beides ist ungeklärt.

Gleichzeitig tauchen immer mehr Forderungen an die Landesregierung auf, das Geld aus dem Konjunkturprogramm nur an Städte rauszurücken, die sich auf en gemeinsames Vorgehen einigen. So etwas fordert beispielsweise der Chef der RAG-Stiftung, Wilhelm Bonse-Geuking. Und Klaus Tenfelde von der "Intitiative Stadt Ruhr" wird sogar noch konkreter. Er will, dass Konjunkturgeld in den Öffentlichen Personennahverkehr fließt. Weil das allen Städten im Revier nutzt.

Steinbrink trägt einen Kinnbart und ein Cordjaket. Viele Details kann er noch nicht nennen. Welche Schule mit einem Segen rechnen kann und welche nicht. Aber wenn er unter seinem Raumhohen Ficus sitzt, denkt er manchmal drüber nach, ob Essen nach einem solchen Investitionsprogramm sein Gesicht verändern wird? Heute glaubt er eher nicht daran. Großprojekte wie ein neues Museum wird es nicht geben. Und nur die könnten tatsächlich den Eindruck einer Stadt verändern. Dafür dürften viele Menschen profitieren, die tatsächlich vor Ort die Gebäude nutzen. Die Schüler und Lehrer und Arbeiter. „Die merken das.“

In einer Studie kommen die Forscher des Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) aus Essen zu dem Ergebnis, dass Konjunkturpaket der Regierung könne ein Erfolg werden. In diesem Jahr könnten demnach 125.000 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert werden.

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So war’s: Das 13. JOE Jazz Festival Essen

Immer zu Beginn eines Jahres steht für die Jazzszene Essens direkt der Höhepunkt im Heimatstadtprogramm an: Das dreitägige Festival der Jazz Offensive Essen. Und auch 2009 ließ sich wieder einiges beobachten. Eindrücke zu Business, Basis und Programm.

Zunächst einmal ist der Austragungsort, das Katakomben-Theater im Girardet-Center, ein durchaus realistischer: Wer pünktlich da ist kommt noch rein und erhält sogar so eben noch einen Sitzplatz. Das macht alle Jahre wieder die Kalkulation leicht, und die theater- bis kinohafte Atmosphäre wird durch die am Rand der Tribüne stehenden Gäste zum Glück noch ein wenig aufgelockert. Dies gesagt ist man allerdings schon bei der vorsichtigen Kritik: Wenn in der Stadt der Jazzclub fehlt und das Festival somit die einzige ernst zu nehmende Repräsentation im Live-Geschehen übernehmen muss, dann wirkt hier alles ein klein wenig brav und akademisch, Rauchverbot hin oder her. Man hustet ungern, sozusagen. Und damit zum Programm, denn die Musiker (keine Frau diesmal) müssen damit ja umgehen.


Es wäre einfach zu sagen, dass der Samstag am ehesten auf Show gebürstet ist und der Freitag und der Sonntag eher gepflegte Qualität bieten. Denn natürlich ist es richtig, lokale Größen zu präsentieren, ob Hartmut Kracht nun sein Gitarren orientiertes Trio vorstellt oder Klare / Siegel / Camatta das ihre. Diese spielen jeweils zu Beginn, am Samstag übernimmt diesen Part mit Die Mikronesische Mafia von Moritz Ecker allerdings sogar eine große Band mit begleitender Filmtrick-Untermalung. Eine ordentliche Einstimmung jeweils, und bei Klare / Siegel / Camatta (unscharfes Foto) zusätzlich der Eindruck, dass Humor ebenfalls ein durchaus vor sich her getragenes Charaktermerkmal der Jazzer der Stadt ist. Dies toppt am Samstag allerdings Dieter Ilg solo mit Kontrabass ganz alleine. Wie er eigene mit Fremdkompositionen verbindet, mit seinem Instrument spricht oder bei "Animal Farm" erst zum Ende hin überhaupt die Saiten benutzt: Das hat Klasse und strahlt eine ungeheure Souveränität aus. Ganz klar der sichere Höhepunkt des Wochenendes.

Mit dem Pablo Held Trio am Freitag und Three Fall am Samstag müssen die "jungen Genies" definitiv noch erwähnt werden. Ersterer ein bewanderter Pianist, letztere ein Trio bestehend aus Schlagzeug/Percussion, Tenorsaxophon und Posaune, das den wohl urbansten Klang des Festivals beisteuert. Mal entsteht der Eindruck, die Bläser spielten ihre Instrumente quasi doppelt, dann wird es tanzbar, dann schauen die Lounge Lizards um die Ecke und als nächstes findet man sich akustisch auf einer einsamen Insel. Diese Gruppe geht frischestens nach vorne, klingt modern und hat offensichtlich großen Spaß, den Abend zu beschließen. Eine ganz klare Empfehlung!

Resümée? In seiner Ausgewogenheit ist das Festival vor allem eine gute Visitenkarte für das was möglich ist in Essen. Und wenn hierzu viele nach z.B. Köln abgewanderte Musiker wieder vorbei schauen, bleibt dies auch für alle Beteiligten immer wieder etwas Besonderes, schon recht nahe am Familientreffen mit Gaststars. Aber schaut man weiter, was als nächstes auf dem Jahreskalender der Jazzfreunde steht, dann wird klar, dass in Essen mehr live passieren muss. Denn die allmonatlichen Filmabende mit zusammen geschnittenem Konzertfilmmaterial von Lutz Felgner im Kinosaal des JZE Papestraße – am 11. Februar "More Sax" mit Charlie Mariano, Bob Mintzer und Anthony Braxton – sind zwar eine wundervolle und empfehlenswerte Sache. Doch dass eine solche Veranstaltung überhaupt so weit im Vordergrund des Jazzprogramms der Folkwang-Stadt steht – das darf im Grunde nicht sein. Da fehlt die Spielwiese, da fehlt der Club. Und somit auch eine Institution die es dem Festival leichter machen würde, noch mehr Publikum anzuziehen und verdient weiter zu wachsen.

Der unendliche Tod

Foto: David Schraven

An einer Eisenbahnbrücke in Bottrop stirbt Jürgen-Marcel durch die Hand eines Triebtäters. Dies ist die Geschichte, des Schmerzes, der bleibt.

Apfelkuchen. Zwei Stück Apfelkuchen mit Sahne stehen auf dem Tisch. Daneben Kaffee, Milch, ein Becher mit Zucker. Rechtsanwalt Jürgen Stoffers erzählt von seinem Sohn. Wie sie beide in einem Café gesessen haben, damals an einem Sonntag Ende der achtziger Jahre. Und wie groß der Jürgen-Marcel da schon war. Neun Jahre alt. So selbstständig. Kurz darauf schweigt Rechtsanwalt Stoffers. Ein Kinderschänder hat seinen Sohn ermordet. Mit einem Messer. Das war vor 20 Jahren. Stoffers sieht die Wunden immer noch. Da, wo die Klinge eindrang. Er schlägt seine Faust an die Schläfe, zweimal, und zwischen die Augen, einmal. Stoffers Augen sind trüb. In den Ermittlungsakten sind 19 Stiche dokumentiert. Sie gingen ins Gesicht, in den Hals, in den Brustkorb, in den Unterleib. Durch das Fenster sieht man auf eine stille Nebenstraße irgendwo im Ruhrpott. Es regnet, wie eigentlich immer um diese Jahreszeit.

Eine Eisenbahnbrücke in Bottrop. Auf der anderen Seite war mal die Kokerei Jacobi. Hier gab es eine Backsteinmauer, da waren Schienen und stinkende Öfen. Es gab einen Betonbunker und einen Bach. Der Morgen des 31. Januar 1989 war kalt. In den USA trat George Bush senior gerade sein Amt als Präsident an, in Bottrop begann der Straßenkarneval.An der Eisenbahnbrücke wurde der Sohn von Rechtsanwalt Stoffers gefunden. Tot, in vier grünen Müllsäcken, drei über dem Kopf, einer über den Beinen. Ein Polizist hatte den Jungen unter einem Haufen grauer Wackersteine entdeckt. Nach ein paar Tagen verschwand der Mord aus der Lokalpresse.

Autofahren sei heute das Gefährlichste für ihn, sagt Stoffers. Die langen Fahrten durch die Nacht, wenn die Gedanken fließen. Wie wäre es jetzt mit dem Jungen? Er könnte vielleicht Student sein. Was studiert er? Die Bilder des letzten Abschieds. Eine Umarmung, ein Versprechen: bis heute Abend. Ein Badeausflug. Ein Urlaub. Kinderlachen. Eis essen. Verstecken spielen. Ein Morgen im Bett. Vorlesen. Die erste Krankheit. Zusammen Fahrrad fahren. Toben. Dazwischen die Mörderfratze. Blutige Wunden. Die Gedanken vermischen sich zu einem Gefühl. Es drückt auf den Bauch, auf die Schläfen. Dann tauchen Bäume aus der Nacht auf, Lichter huschen über Brückenpfeiler. Einmal Lenken und das Ganze hätte ein Ende. Rechtsanwalt Stoffers blieb bisher auf der Straße.

Der Mord an seinem Sohn hätte verhindert werden können, sagt Stoffers. Der Täter heißt Lothar Otremba, damals 23, einschlägig vorbestraft. Otremba hat tiefe Aknenarben und einen schwarzen Schnauzbart. Sein damaliges Gewicht: 81 Kilo. Körperbau: muskulös. Seit seinem 14. Lebensjahr hat er mindestens 13 Kinder missbraucht, alle aus der Gegend. Den Sohn vom Schuldirektor hat er genommen. Den Jungen vom Metzger. Und ein paar Kinder aus einem Heim die Straße runter. Ein Serientäter. Zum Schluss war Otremba Gärtner auf dem städtischen Friedhof, eine ABM-Stelle. Er lebte in einer Bergarbeitersiedlung bei seinen Eltern, keine zehn Minuten vom Tatort entfernt.

Stoffers kann über seine Gefühle reden, jetzt, so viele Jahre nach dem Mord. »Die Zeit läuft nicht weiter«, sagt er. Die Wunden heilen nicht. Jedes Jahr hat den gleichen Ablauf. Es kommen Geburtstage, Namenstage, Weihnachten, Ostern, die Sommerferien, und mit den Wiederholungen kommen die Erinnerungen. Gerade Verschorftes reißt wieder auf. Die Gefühle leben weiter: Zweifel, Angst, Ohnmacht, Sorge und das Leiden. Nichts verschwindet. »An Jahrestagen fahren wir eigentlich immer weg, versuchen zu flüchten. Nur weg von diesen Orten, wo wir an ihn denken.« Das Ziel ist es, über den nächsten Tag zu kommen. Wenn wir heute nicht zerbrechen und morgen auch nicht, können wir in der Zwischenzeit leben?

Die Nachbarn sagen, Jürgen-Marcel sei ein fröhlicher Junge gewesen. Er sei gern auf seinem roten Rennrad durch die Gegend gefahren. Und er habe sich für Steine interessiert. In Bottrop findet man seltsame Abdrücke von Tieren und Pflanzen aus der Kreidezeit. Auch an Otremba erinnern sich die Nachbarn. Ein Rentner erzählt, dass er den Lothar oft gesehen habe, wenn er von der Arbeit kam. »Da ist er mit dem Fahrrad rumgefahren.Hinter den Blagen her.« Eine Frau hat mit dem Lothar gespielt, damals als Kind. »So richtig gehörte er nicht zu uns, aber die Mutter hat ihm Geld für Zigaretten gegeben. Deshalb haben wir ihn mitgenommen, auf den Spielplatz.« Was Schlimmes hat sich niemand gedacht. Ein Nachbar: »Der Lothar war immer still und hat vor sich hin gelächelt.« In der Siedlung nannten sie ihn deshalb »den lachenden Vagabund«.

Es gibt so viel zu sagen. Jürgen Stoffers schweigt. In seinen Augen stehen Tränen. »Wofür mache ich das? Wofür lebe ich?«, fragt Stoffers. Er ist Rechtsanwalt in Oberhausen. Er arbeitet viel. Um zu vergessen, sagt er. Seine Frau hat sich in ärztliche Behandlung begeben. Ein Loch ist in ihre Seele gerissen. Es will nicht heilen. Sie schweigt jetzt lieber. Das Ehepaar hilft ab und an Kindern aus einem Heim, ein paar Straßen weiter. Aber es ist nicht dasselbe. Es sind nicht seine Jungs. Stoffers denkt an sein Erbe. Das Heim könnte vielleicht mal alles bekommen. Oder eine Stiftung. Oder die Kirche. Irgendwer. Nur nicht der, für den es gedacht war.

Lothar Otremba wurde am 29. Juni 1965 geboren. Er wuchs in Bottrop auf. Im Wald hinter der Grundschule fing es an. Hier zwang Otremba kleine Jungs, Pfennige in die Hosentaschen zu stecken. Dann holte er die Pfennige raus und ließ dabei seine Hände über die Körper gleiten. Später blieb es nicht beim Befingern. Otremba machte eine Ausbildung als Tankwart. Und trank regelmäßig. Im Stadtpark holte er damals seinen Schwanz raus. Zwischen Dezember 1980 und März 1981 konnten ihm fünf Missbrauchsfälle nachgewiesen werden. Im Gerichtsverfahren kurze Zeit später stellte ein Gutachter fest: »Die soziale Prognose des Jugendlichen erscheint vorläufig als ungünstig. Sein Alkoholgenuss verstärkt die Gefahr, dass er bei einer Wiederholungstat die Kinder nicht nur durch Verführung zur Perversität erheblich schädigt, sondern eventuell zusätzlich durch gewalttätige Handlungen, die dem Zweck dienen, eine Entdeckung und erneute Bestrafung zu verhindern.« Otremba war da 16 Jahre alt.

Eine Karriere in geschlossenen Psychiatrien begann. Zwischendurch kurze Aufenthalte in Freiheit. Zeit für neue Verbrechen. 1985 missbraucht er innerhalb von drei Monaten sechs Kinder. Am Fernmeldeturm Katzenbruch zerrt er einen Jungen vom Fahrrad und flüstert ihm ins Ohr: »Willst du bluten?« Dann schlägt er ihm ins Gesicht. Und vergewaltigt ihn.

Am 4. Februar 1987 urteilt das Jugendschöffengericht II am Amtsgericht Duisburg: »Otremba ist eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit.« Das Gericht lässt den Serientäter auf unbestimmte Zeit in einer psychiatrischen Anstalt wegschließen. Trotzdem kann Otremba zwei Jahre später Jürgen-Marcel umbringen. Warum? Die Antwort findet man beim Rechtsanwalt Paul Scheidt aus Bottrop. Der Jurist bestellte im Auftrag von Otrembas Mutter im Oktober 1987 einen Gutachter, der eine »günstige Prognose« sah. Die früheren Taten, alles nur Irrungen der Pubertät. Und weiter: »Ich bin der Ansicht, dass es zu verantworten ist, Herrn Otremba zu entlassen.« Es gab Gegenstimmen. Der behandelnde Arzt in der Klinik Eickelborn riet dringend von einer Entlassung ab: »Es sind weitere einschlägige Taten zu erwarten.« Es spielte keine Rolle mehr. Am 27. Januar 1988 verfügte das Landgericht Duisburg die Entlassung des Serientäters.

Erst nach dem Mord erzählte Otremba einer forensischen Gutachterin von seinen Träumen. Von Jungs in engen Badehosen, von abgerissenen Hoden und solchen Dingen.

Inzwischen wohnt Rechtsanwalt Scheidt nicht mehr in Bottrop. Sein Nachfolger in der Kanzlei sagt, er sei nach La Palma ausgewandert. Ruhestand genießen. Otrembas Gutachter ist vor ein paar Jahren gestorben. Auch Rechtsanwalt Stoffers und seine Frau Lieselgunde haben mal daran gedacht, aus Bottrop wegzuziehen, wo alle so nah aufeinander sitzen. Die Nachbarn, die Bekannten, die Eltern des Mörders und des Opfers. »Aber man kann nicht vor seinen Erinnerungen wegziehen«, sagt Stoffers. Jetzt haben sie ihre Wohnung renoviert, einen Wintergarten angebaut. Jürgen-Marcels Zimmer haben die Stoffers so belassen, wie es damals war. Ein Stillleben der Sehnsucht.

Im Kleingartenverein Beckramsberg hört man einen Rasenmäher. Es ist kurz nach der Mittagszeit. Rechts führt eine Gasse zur »Kornkammer«,
links in den Pilzweg. Keine dreißig Schritte von hier hat Jürgen Stoffers in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1989 das rote Rennrad seines Sohnes gefunden. Es lag in der Böschung runter zu den Schienen der alten Industriebahn. Jürgen-Marcel sollte um 18 Uhr zu Hause sein. Nachbarn sagen, man habe sich immer auf den Jungen verlassen können. Um 19 Uhr meldete Lieselgunde Stoffers ihren Sohn als vermisst, wenig später begann die Suche. Am nächsten Tag wurde der Junge tot gefunden. Kurz darauf erklärte ein Polizist aus Bottrop, in der Nähe wohne ein junger Mann, der früher einschlägig aufgefallen sei. Am Abend besuchten Ermittler das Elternhaus Otrembas. Der Sohn war nicht da. Noch in der Nacht stellte sich der Serienvergewaltiger in Begleitung eines Rechtsanwalts.

Das Grab von Jürgen-Marcel liegt auf dem Bottroper Westfriedhof. Ein Bronzekind mit den Gesichtszügen des Jungen, Spielzeug und Stofftiere. Drei Schritte breit, sechs Schritte lang. Der Rasen vor dem Grab ist abgelaufen. Rechtsanwalt Stoffers und seine Frau kommen nur noch abends hierher oder frühmorgens. Wenn niemand da ist. Das »Bedauertwerden« laste auf einem, sagt der Vater. »Aber manchmal, wenn ich in Gedanken laufe, weil ich keine Ruhe finde, dann stehe ich plötzlich vor dem Grab.« Rechtsanwalt Stoffers sagt, es fehle jemand, der nicht fehlen darf. Die Alten müssen sterben, irgendwann, das ist richtig. Jetzt ist alles durcheinander. In der Todesanzeige für ihren Sohn schrieben die Stoffers: »Eine Bestie hat uns durch einen grausamen Mord unser Liebstes, unseren Sonnenschein genommen.« Das Leben ist dunkel. Die Hoffnung auf einen besseren Morgen ist weg. Kein Kinderlachen, kein Enkellachen. Jeder neue Tag ist nur ein Tag mehr in der Vergangenheit.

Die Otrembas sind einfache Leute. Der Vater war Bergmann auf einer Bottroper Zeche. Die Mutter Hausfrau. Beide kamen in den fünfziger Jahren aus Oberschlesien. Drei Kinder haben sie. Die beiden Mädchen wurden Verkäuferinnen in einer Trinkhalle. Und eben der Junge. Mutter Otremba habe den kleinen Lothar besonders geliebt, sagen die Nachbarn. Was heißt besonders? Da ist diese Sache mit dem Affen, die Otremba den Ermittlern erzählte. Als er 14 Jahre alt war, wollte Otremba einen Affen. Die Mutter hat ihn gekauft. Einen Kapuziner im Wert von 1500 Mark, fast so groß wie ein kleiner Junge. Das Tier kam in den Keller, in einen zwei Mal zwei Meter großen Käfig. Eigentlich wollte Otremba ja einen Schimpansen haben, aber das war zu teuer. Stundenlang saß Otremba vor den Gitterstäben und sah dem Affen zu, »wie er
onanierte«. Die Mutter hat das Tier verkauft, als Otremba in die Klinik kam.

An der Brücke zur Kokerei Jacobi steht heute ein Wegekreuz. Daneben ein Granitstein und eine Bronzetafel: »Jürgen-Marcel wurde im Alter von 9 Jahren am 30.1.89 nahe dieser Stelle ermordet. Wir gedenken seiner in Liebe.« Sonst erinnert hier wenig an damals. Die Kokerei ist verschwunden. Die Backsteinmauer ist weg. Selbst die Schienen gibt es nicht mehr. Die Zeit hat das Gesicht der Gegend verändert. Nur wer sucht, findet noch Spuren. Unter den Brückenpfeilern liegen die Wackersteine, unter denen der Junge verscharrt lag.

Aus den Ermittlungsakten lässt sich der Tathergang rekonstruieren: Am Abend des 29. Januar 1989 war Otremba zu Hause. Spätabends trank er eine Flasche »Frühstückskorn«, danach schlief er ein. Am 30. Januar stand Otremba um 5:30 Uhr auf. Er trank bis gegen 11 Uhr Asbach mit Cola. Um 13 Uhr verließ er das Haus. Auf dem Fahrrad fuhr er in den Stadtpark. Otremba erzählte den Ermittlern, er habe »nach Jungs gesucht, denen ich auf die Hose schauen kann«. Er folgt zwei Frauen mit ihren Söhnen, beide etwa zehn Jahre alt. Otremba hat ein Messer bei sich, Klingenlänge 14 Zentimeter. Und vier Müllsäcke. Otremba geht zum Friedhof, wo er seinen letzten Job hatte. Hier trifft er zufällig Jürgen-Marcel. Der Junge will Steine suchen. »Ich kann dir zeigen, wo man was Spannendes findet«, sagt Otremba. Jürgen-Marcel geht mit. Sie gehen die Schienen entlang, nähern sich der Eisenbahnbrücke. Otremba stürzt sich auf das Kind.

Nach der Tat bleibt er auf dem Jungen liegen. Otremba erzählt, das Kind habe zuvor gefleht: »Sie können mein ganzes Geld haben, aber bitte tun Sie mir nichts.« Dann habe Jürgen-Marcel geweint, sagt Otremba. Warum hat er das Kind ermordet? Der Junge habe gesagt, er leide an Aids. »Da bin ich wütend geworden«, sagt Otremba. 17 Jahre sind vergangen.

Rechtsanwalt Stoffers sitzt in einem Haus irgendwo im Ruhrgebiet und denkt darüber nach, was passieren würde, wenn er Otremba jetzt begegnen würde. Stoffers hat graue Haare, hängende Schultern und die mageren Hände eines Mannes, der mit Büchern arbeitet. »Ich würde ihn totschlagen«, sagt er spontan. »Danach wäre er wenigstens keine Gefahr mehr.« Es regnet weiter im Ruhrgebiet.

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MORDE IN PUTINS REICH

Letzten Dienstag feierte die Demokratie im Westen ein Fest. Barack Obama wurde als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Am Tag zuvor jedoch wurden im Osten in den Moskauer Straßen wieder einmal die Aufrechten erschossen. In dem von dem SPD Exkanzler Gerhard Schröder als lupenreinen Demokratie betitelten Russland schlugen erneut die Mörder von Freiheit und Recht zu.

Ein vermummter Killer erschoss am 19. Januar erst den 35jährigen Rechtsanwalt Stanislaw Markelow und danach die 25jährige Journalistin Anastasija Baburowa. Die Journalistin der „Nowaja Gaseta“ hatte sich mit dem Anwalt, der in Russland für die Opfer der Militär- und Polizeiwillkür stritt, vor dem Mordanschlag unterhalten und stürzte sich mutig auf den Täter, der sie daraufhin ebenfalls eiskalt tötete.

Markelow hat vor seiner Ermordung noch eine Pressekonferenz in Moskau gegeben. Der Anwalt wollte Rechtsmittel gegen die Freilassung des Oberst der russischen Armee Juri Budanow einlegen. Budanow war im Jahr 2003 in Russland zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er die Tschetschenin Elsa Kungajewa zu Tode vergewaltigt hatte. Der russische Anwalt Markelow hatte damals die Familie des zu Tode gefolterten Mädchen vertreten. In diesen Tagen im Januar begnadigt der russische Staat den Mädchenmörder, während dessen Ankläger in Moskau ermordet wurde. Das russische Außenministerium erklärte, Anastasija Baburowa, die Journalistin der „Novaja Gazeta“, sei ein "unschuldiges Opfer", das zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre. Was meinen die russischen Diplomaten damit, vielleicht, dass der ermordete Anwalt kein unschuldiges Opfer wäre, ihn die Kugeln zu recht getroffen hätten?

Auch Anna Politkowskaja hatte für die Novaja Gazeta gearbeitet. Die mutige und bekannteste russische Journalistin, die über die Grausamkeiten in der russischen Armee und die Verbrechen in Tschetschenien recherchiert und geschrieben hat, wurde in Moskau im Oktober 2006 erschossen. Kurz nach ihrer Ermordung schaffte es Schröders Busenfreund und der damalige russische Präsident Wladimir Putin die getötete Journalistin im deutschen Fernsehen noch zu beleidigen. Der KGB Mann sagte in den Tagesthemen, ihre Ermordung schade Russland mehr als ihre Artikel. Annas Artikel waren das Beste und Mutigste, was in Russland geschrieben und veröffentlicht wurde. Nur ein Mann wie Putin, der das freie Wort und die freie Presse hasst, wittert in diesen Artikeln Vaterlandsverrat.

Es ist schon spannend zu sehen, daß der Sozialdemokrat und deutsche Exkanzler Schröder nicht auf der Seite der Demokratie steht, sondern einen Freiheitsfeind zum Freunde hat, und noch jede Gelegenheit nutzt Putins Russland zu preisen. Noch beachtlicher ist es, dass die Sozialdemokratische Partei Deutschlands den Putinfreund nicht in die Wüste schickt, sondern dessen Aktentasche Frank Walter Steinmeier noch zum Kanzlerkandidat macht. Dabei waren Sozialdemokraten in der langen Geschichte der SPD doch oft selbst Opfer eines repressiven Regimes.

Steinmeier verurteilte die erneuten Morde in Moskau, "Ich bin bestürzt über die gestrige Ermordung von Stanislaw Markelow und Anastasija Baburowa. Die Bundesregierung verurteilt diese feige Tat auf das Schärfste." Doch das ist nicht genug.

Die SPD und ihr Kandidat müssen sich entscheiden, ob sie mit oder ohne Schröder Wahlkampf machen. Sie müssen deutlich machen, ob sie auf Seiten der Demokratie stehen oder ob sie lediglich als Trommelgruppe für einen KGB Mann im Kreml agieren?

Stadt Ruhr: Konjunkturpaket für Nahverkehr nutzen

Was soll das Ruhrgebiet mit dem Geld aus dem  Konjunkturpaket machen? Die Intitiative Stadt Ruhr hat eine Idee: Sie fordert den Ausbau des Nahverkehrs. 

Die mittlerweile von rund 1000 Bürgern getragene Initiative Stadt Ruhr fordert, einen Großteil der Mittel aus dem Konjunkturprogramm II in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Ruhrgebiet zu investieren. "Investitionen in den ÖPNV sind nachhaltig, schaffen Arbeit, sichern Mobilität und sind gut für den Umweltschutz," erklärten die Sprecher der Initiative, Professor Klaus Tenfelde und Uwe Knüpfer: "Vernünftiger können Bund und Land unser Steuergeld nicht ausgeben."

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) beziffert allein den dringenden Erneuerungsbedarf an den Stadtbahnen des Reviers – an Tunnelanlagen, Bahnhöfen und Fahrzeugen – auf rund 2,5 Milliarden Euro. Die Stadtbahnen im Revier – das "Rückgrat der Mobilität von Millionen Menschen", stehen nach Aussage des VRR-Geschäftsführers Dr. Klaus Vorgang "vor dem Kollaps".

Die verarmten Städte des Ruhrgebiets, so die Initiative, seien nicht in der Lage, aufgeschobene Reparaturen am Bahnnetz zu bezahlen. Längst überfällig sei zudem  im Ruhrgebiet  die Schaffung eines großräumigen, effizienten Nahverkehrssystems nach Berliner Vorbild. Die Initiative Stadt Ruhr fordert den Ausbau des Netzes, so dass  von jedem Ort im Ruhrgebiet spätestens in zehn Minuten Fußweg eine ÖPNV-Haltestelle erreicht wird,  auf allen wesentlichen Strecken eine Taktfolge von zehn Minuten oder schneller eingehalten wird und der ÖPNV-Transport quer durchs Ruhrgebiet nicht mehr kostet als der durch Berlin.

"Wenn die Investitionsmittel aus dem Konjunkturprogramm II, wie derzeit geplant, über die Städte verteilt werden, bleibt der  stadtgrenzenübergreifende ÖPNV auf der Strecke", befürchten die Sprecher der Initiatibe "Das wäre eine Ohrfeige für alle Pendler und ein Armutszeugnis für die Politik."