Pro Gelsenkirchen: Zum Glück ist es Hauer

Kevin Gareth Hauer ist Vorsitzender der Partei Pro Gelsenkirchen, stellvertretender Vorsitzender von Pro NRW und Mitglied im Rat Gelsenkirchen – einer im Sinne der Partei Pro NRW taktisch wohl wichtigen Stadt: In Gelsenkirchen will Pro NRW, so schätzt es die schon traditionell von Extremisten geplagte Stadt, ihren Durchbruch im Ruhrgebiet schaffen.

Foto: Stadt Gelsenkirchen

Dafür hat Pro Gelsenkirchen sich ein Programm gegeben, das an Dümmlichkeit kaum zu überbieten ist: Nach wie vor gehört Gelsenkirchen  – wie alle Städte des Ruhrgebiets – zu den sichersten Großstädten der Republik. Das stört Pro Gelsenkirchen allerdings nicht, im Programm über eine prekäre Sicherheitslage zu lamentieren: „ Insbesondere in den Problem-Stadtteilen Bismarck und Ückendorf, Hassel und Rotthausen aber auch in anderen Stadtteilen ist die Lage prekär. Dort haben sich regelrecht rechtsfreie Räume etabliert, in denen die Kriminalität sich unbehelligt ausbreitet.“ Für Konrad Kordts, Pressesprecher der Polizei Gelsenkirchen, reiner Unfug: Alle Ruhrgebietsstädte gehören zu den sichersten Städten in ganz Deutschland – und Gelsenkirchen ist die sicherste Großstadt des Ruhrgebiets. „Wir sind“, erklärt Kordts, „sogar noch etwas besser als die anderen.“ Auch rechtsfreie Räume – in Deutschland mal abgesehen von den „national-befreiten Zonen“ in der Ostzone ohnehin eine Seltenheit, gäbe es nicht.

Dass auch das wirtschaftspolitische Programm von Pro Gelsenkirchen kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Unfug ist, verwundert nicht: Die Bevorzugung Gelsenkirchener Unternehmen bei Ausschreibungen ist rechtlich nicht möglich und verkennt, dass auch Gelsenkirchener Unternehmen gerne einmal Aufträge außerhalb der Stadtgrenzen annehmen.  Und bei einer Stadt mit so großen Finanzproblemen wie Gelsenkirchen ist auch eine Senkung der Gewerbesteuer nicht möglich – der Regierungspräsident würde sie schlicht nicht genehmigen. Ganz peinlich wird es aber, wenn Hauers Partei erklärt: Wir wollen keine Kommunalpolitiker, die als ihre erste Aufgabe den eigenen Machterhalt bzw. die Lösung der eigenen sozialen Fragen sehen“ und er höchstselbst in Postings  über Pro-Gelsenkirchen-kritische Blogger herzieht: „Anstatt sich um einen sozialversicherungspflichtigen Beruf zu kümmern, sitzen diese Subjekte anscheinend stundenlang vor dem Rechner und erstellen “blog”, um Unwahrheiten zu verbreiten.“ Große Worte für jemanden, der seit nunmehr bald 20 Semestern an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben ist und als Beruf der Stadt gegenüber noch immer wahrheitsgemäß „Student“ angeben muss, sich im Wahlkampf aber als Leutnant der Reserve darstellt – eine weder abend- noch  kühlschrankfüllende Beschäftigung.

Aber Fleiß ist ohnehin Hauers Sache nicht. Im Rat hat er im vergangenen Jahr zwei von acht Sitzungen gefehlt, eine kleine Rede gehalten und eine Anfrage gestellt. Wieso kam mir bei der Beschäftigung mit Hauer immer das Wort Minderleister in den Sinn? Für so wenig Arbeit sind die gut 6000 Euro, die Hauer alleine im vergangenen Jahr aus seiner politischen Tätigkeit von der Stadt erhalten hat, eine Menge Geld. Geld, das er auch in Zukunft sicher gerne haben möchte, und so verwundert sein Engagement im Wahlkampf nicht. Wie der große Bruder in Köln kämpft auch Hauer gegen den Bau einer Moschee – in Gelsenkirchen soll sie im Stadtteil Horst gebaut werden. Dumm für Hauer, dass die größte Sorge der Anwohner weniger die Islamisierung des Abendlandes ist als der drohende Parkplatzmangel, der auftreten könnte, wenn die kleine Moschee (300 Plätze) gebaut wird. Die Stadt, die den Bau der Moschee noch einmal theoretisch  verhindern könnte, weil sie baurechtlich nicht an der vorgesehenen Stelle errichtet werden kann, hat auf die Sorgen der Anwohner reagiert und dafür gesorgt, dass der Moscheebetreiber mehr Parkplätze als ursprünglich vorgesehen errichten muss.

Doch der Streit um den Moscheebau in Horst war auch der Grund für eine juristische Auseinandersetzung, die morgen vor dem Landgericht in Essen weiter gehen wird, die interessante Verbindungen Hauers offen legte. Hauer hatte sich über den SPD-Ratsherrn Axel Barton aufgeregt: „Herr Barton soll sich lieber um seine Politik kümmern und nicht andere Menschen diskreditieren und Gestapo bzw. Stasi Methoden fröhnen.“ Das wollte Barton nicht auf sich sitzen lassen und zeigte Hauer an – der holte sich, natürlich, Rechtsbeistand. Hauer ließ sich in der Auseinandersetzung mit Barton vom Dortmunder Anwalt André Picker vertreten. Picker war nicht nur im NRW-Vorstand der  Republikaner und ist heute wie Hauer Vorstandsmitglied von Pro NRW, sondern er tat sich auch als Anwalt zahlreicher Rechtsradikaler hervor. Er vertrat Stjepan Jus von der Naziband „Weisse Wölfe“ in einem Prozess vor dem Landgericht München wegen versuchten Mordes. Auf der Nazi-Site Widerstand.info finden sich dann auch Danksagungen aus der Szene an Picker. Pro NRW sucht verzweifelt einen Erfolg im Ruhrgebiet.

In Gelsenkirchen sieht sie gute Chancen, sind doch seit Anfang der 90er Jahren Rechtsextreme  immer wieder in den Rat gekommen – auch wenn sich die rechten Fraktionen immer schnell wieder spalteten. Grünen-Urgestein Bernd Matzkowski, lange auch Mitglied im Rat, hat ihre Bemühungen beobachtet: „Sie kamen immer mit viel Trotz, Wut und wirren Parolen in den Rat und haben es nie geschafft, die Alltagsarbeit zu bewältigen. Meistens haben sie wirr abgestimmt, ohne dass man eine Linie auch nur erahnen konnte und wie Hauer, kaum etwas gesagt. Ich glaube sie hatten Angst, sich zu blamieren.“ Aber langfristig will Pro NRW ja auch in den Landtag, und das geht ohne Erfolge im Revier nicht. Und das erste Ziel heißt Gelsenkirchen. Wie gut, dass die größte Leuchte der Partei im Pott Kevin Gareth Hauer heißt: Die Chancen stehen gut, dass er es versemmeln wird.

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Alternativ-Banker Jorberg: „Banken müssen pleite gehen können…“

Heute präsentierte die GLS-Bank aus Bochum ihre Zahlen und wie immer in den vergangenen Jahren konnten die Alternativ-Banker Rekordzahlen melden.

Thomas Jorberg. Foto: GLS Zum ersten Mal konnte die GLS-Bank auf der heutigen Bilanzpressekonferenz eine Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde Euro präsentieren. Eine Konsequenz aus einem Wachstum von 27 Prozent im vergangenen Jahr. Gut, damit ist die GLS-Bank immer noch eine sehr kleine Bank, aber eine sehr erfolgreiche. Dabei wird auf Gewinne keinen großen Wert gelegt – der Bank geht es vor allem um Transparenz (Alle Geschäftsaktivitäten werden veröffentlicht) und um eine möglichst sinnvolle Anlage des Geldes – nach ihren eigenen Maßstäben. Interessant waren die Äußerungen des GLS-Vorstandes zur Finanzkrise, die dieser Bank offensichtlich nicht hat anhaben können, weil sie sich an Zockergeschäften schon aus Prinzip nicht beteiligt. So sagte GLS-Vorstandsvorsitzender Thomas Jorberg dass er eine Bad-Bank nicht grundsätzlich ablehnen würde, wenn dadurch die Kosten nicht sozialisiert  und vor allem Transparenz geschaffen würde. Grundsätzlich sah Jorberg in den Rettungsschirmen einen bedenklichen Eingriff in den Markt, der die belohnen würde, die versagt hätten. Banken müssten wie alle Unternehmen pleite gehen können – das Problem sei, dass dies im Augenblick nicht machbar wäre. Die Pleite eine weiteren Großbank könne einen Dominoeffekt haben. Sein Vorstandskollege Andreas Neukirch plädierte daher bei Banken die gleichen Maßstäbe wie bei anderen Industrieunternehmen anzuwenden, wenn es um die Größe geht: Genauso wenig wie der Staat Monopole zulasse dürfe er "systemische Banken" zulassen, die nie pleite gehen dürfen. Klar, durch Killerangebot, sie wissen ja, ihnen passiert nichts, verzerren sie den Wettbewerb. Groß, sagte Neukirch, müssten die Banken sein, aber nicht gigantomanisch. Bei angeschlagene Banken will Neukirch zar den Zusammenbruch verhindert – nach seinen Vorstellungen sollen sie aber nicht aufgepäppelt werden, sondern wie die IG Farben auslaufen. 

Jorberg forderte zudem eine Rückkehr der Banken zu ihrer ursprünglichen Aufgabe: "Es gibt nur eine Legitimation für die Existenz der Finanzwirtschaft: Sie muss ein Dienstleister für die Realwirtschaft sein. Alles was keine Funktion für die Realwirtschaft hat muss verboten werden."

Größte Alu-Hütte dicht

Jetzt also die Aluminiumfabrik in Neuss: Norsk Hydro schließt Deutschlands größten Produktionsstandort für das Metall. Die meisten der 650 Beschäftigten müssen sich nun auf Kurzarbeit einstellen.

Überraschend kommt die Entscheidung nicht, das Werk schreibt tiefrote Zahlen. Hydro begründet dies mit den niedrigen Preisen für Aluminium und den hohen Stromkosten. Und hier liegt das Problem: Trotz intensiver Verhandlungen hat Hydro keinen langfristigen Stromvertrag erhalten. Das Unternehmen macht dafür die RWE AG verantwortlich, dabei sind die Essener nicht der einzige Versorger in Deutschland. Industriestrom wird von etlichen Firmen angeboten.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Norweger einen Sündenbock suchen. Dafür spricht, dass die Gesellschaft sich an einem Aluminium-Werk in Katar beteiligt. Die Fabrik hat eine Kapazität von 585.000 Tonnen pro Jahr, die Hälfte davon entfällt auf Hydro. Die Hütte in Neuss, von den Arbeitern Rheinwerk genannt, hat eine Kapazität von 230.000 Tonnen.

Ein wenig Hoffnung können die Mitarbeiter haben, es dauert zwei Monate bis die Anlage runtergefahren ist. Dann kommen vielleicht 12 bis 18 Monate Kurzarbeit dazu. Bis dahin könnte sich die Lage auf dem Weltmarkt entspannt haben. Da die Personalkosten nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, könnte Hydro an einem Großteil der Beschäftigen festhalten.

Vielleicht ist aber auch schon alles entschieden. Nach einem Bericht des Handelsblatts wird in Norwegen eine endgültige Schließung diskutiert. Wohl auch bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am 17. Februar. Tags drauf wissen wir wohl mehr, da legt Hydro in Oslo seine Bilanz vor.

Lotto-Jackpot läßt Norman Faber jammern

Foto: Flickr.com / becsterishbecster

Da gab es denn mal einen dicken Jackpot im Lotto und die Deutschen konnten nicht spielen, weil sie nix davon wußten.

Der mit 35 Millionen Euro drittgrößte Jackpot der deutschen Lottogeschichte brachte nicht die erhofften Einnahmen. Wie die Lottogesellschaften verlautbaren, haben die Länder 100 Millionen weniger eingenommen als bei den zwölf Ziehungen des Mega-Jackpots Ende 2007. Ursache dafür:  Vor allem das Werbeverbot im Internet. So hat Tipp24 zum Jahreswechsel sämtliche Aktivitäten im Bereich Onlinewerbung in Deutschland eingestellt und  sein Lottobusiness nach London verlagert.

"So merkwürdig es angesichts des Lotto-Hypes der vergangenen Tage klingen mag, diese Zahlen übertreffen die düstersten Prognosen", so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. "Das liegt nicht an den Auswirkungen einer Finanzkrise wie der Deutsche Lotto- und Totoblock behauptet und man beim Blick auf die Spielfreude in den europäischen Nachbarländern unschwer erkennen kann. Vielmehr sorgen hierzulande die Werbebeschränkungen und das Internetverbot dafür, dass das deutsche Lotto viel schneller als befürchtet aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet und deshalb die Einnahmen drastisch sinken."

Trotzdem haben zwei Glück gehabt und teilen sich den Pot. Aber was das unsinnige Werbeverbot angeht, muß ich Herrn Faber rechtgeben. 

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IHK: Ruhrgebiet auf Talfahrt

Foto: Flickr.com / Antonia Schulz

Nach einer Erhebung der Industrie und Handelskammern im Ruhrgebiet hat die globale Krise die Unternehmen im Ruhrgebiet voll erfasst. In ihrem heute veröffentlichten Konjunkturbericht rechnen die Kammer für 2009 mit einer rasanten Talfahrt. Thomas Hüttemann, Präsident IHK Niederrhein sagte, „auch in unserer Region ist das Klima rauer, der konjunkturelle Gegenwind stärker geworden. Das Tempo der Abwärtsentwicklung nimmt durch die internationale Finanzkrise deutlich zu.“

Die verschärfte Lage spiegelt sich auch im IHK-Konjunktur-Index wider. Er ist von 108 auf 78 Punkte abgesackt – der bisher stärkste Rückgang binnen eines halben Jahres. Nur noch jedes vierte Unternehmen sieht seine Situation als "gut". 50 Prozent sind mit der Lage zwar noch zufrieden aber 23 Prozent geben die Lage als schlecht an. Die Talfahrt verdeutlich ein Vergleich mit der entsprechenden Umfage vom letzten Herbst. Damals sagten noch 39 Prozent der Firmen, die Lage sei gut und nur 14 Prozent sahen schlechte Aussichten. Vom Abschwung betroffen sind insbesondere weite Teile der Industrie. Aber auch Handel und Dienstleistungsunternehmen müssen deutliche Einbußen hinnehmen. Der so genannte IHK-Ruhrlagebericht beruht auf einer Befragung von rund 900 Unternehmen mit nahezu 180.000 Beschäftigten.

Nahezu jedes zweite Unternehmen geht nach Auskunft der IHKs davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage im laufenden Jahr weiter verschlechtert. Dies sind beinahe doppelt so viele wie noch vor wenigen Monaten. Nur noch 9 Prozent glauben an bessere Zeiten in diesem Jahr. Einen vergleichbar hohen Negativsaldo gab es zuletzt 1993, teilte die IHK mit. Besonders skeptisch äußern sich die Industrieunternehmen und der Handel. Die industriellen Auftragseingänge brechen ein; der Umsatz im Handel geht zurück. Auch im Dienstleistungsgewerbe haben die kritischen Stimmen zugenommen.

Nach Angaben der IHKs stehen in allen Wirtschaftsbereichen die Erträge unter Druck. Auf jedes Unternehmen mit Zuwächsen kommen derzeit zwei Betriebe mit Rückgängen. Besonders betroffen ist die Industrie. Hier hat sich der Anteil der Unternehmen mit verbesserter Ertragslage innerhalb eines halben Jahres nahezu halbiert. Vor diesem Hintergrund fahren die Unternehmen ihre Inlandsinvestitionen zurück. Auf jedes Unternehmen mit steigenden Ausgaben kommen fast drei Betriebe, die sparen wollen. Im Vorjahr war dieses Verhältnis noch nahezu umgekehrt.

Bsonders tragisch: Jedes achte Unternehmen (13 Prozent) will überhaupt nicht investieren.

Unter den Investitionsmotiven spielen Kapazitätserweiterungen eine deutlich geringere Rolle als im Vorjahr. Kaum eingeschränkt werden dagegen Ausgaben für Produktinnovationen. Damit verfolgen die Unternehmen eine aktive Strategie gegen die rückläufige Nachfrage.

Für die Menschen im Ruhrgebiet spielt aber noch etwas eine große Rolle. Laut IHK geht die Beschäftigung auf breiter Front zurück. Nur noch 8 Prozent der Firmen rechnen für 2009 noch mit steigenden, rund 30 Prozent dagegen mit rückläufigen Belegschaftszahlen.

Nahezu alle Branchen kündigen Kurzarbeit und Entlassungen an. An der Spitze die Industrie, gefolgt vom Handel. Im Dienstleistungsbereich sind die Kreditinstitute sowie das Gastgewerbe und Verkehrsunternehmen überdurchschnittlich betroffen.

IHK-Präsident Hüttemann sagt: „Die Politik hat Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Ich hoffe, dass die Infrastrukturinvestitionen greifen."

Ich hoff das auch. 🙂

Zwischen Hörsaal und Tartanbahn: Leichtathletik-Europameister Jan Fitschen und der Spagat zwischen Studium und Leistungssport

Foto: Flickr.com / a.delsa

Frisch geduscht betritt Jan Fitschen die Cafeteria der Ruhr-Universität Bochum. Vor wenigen Minuten hat er im Unibad das ihm verhasste Aquajogging hinter sich gebracht. Da ihm seit vier Monaten eine hartnäckige Fußverletzung zu schaffen macht, ist er momentan auf das Training im Wasser angewiesen, um sich trotzdem fit zu halten. „Jetzt brauch’ ich erst mal einen kleinen Snack. Das Training hat ganz schön geschlaucht“, sagt der drahtige Langstreckenläufer und bestellt Bionade und Baguette. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erlebe ich Jan als gut gelaunten, durchaus symphatischen Gesprächspartner.

Im Sommer 2006 wurde Jan über 10.000 Meter Europameister. In einem langen Endspurt lief er der versammelten Konkurrenz davon. Als ich ihn frage, mit welchem Gefühl er an diesen Moment zurückdenkt, schüttelt er ungläubig den Kopf. „Ich kann das noch heute nicht richtig fassen. Ich denke immer noch: Gleich weckt mich einer und sagt: April, April. Aber bis heute hat mich keiner geweckt.“

Dass Jan diesen Erfolg verbuchen konnte, war eine große Überraschung. Denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, die alle Profisportler sind, ist er Student und muss sich seine Zeit genau einteilen. Wie schwierig es ist, Studium und Leistungssport miteinander zu vereinbaren, weiß er nun noch besser als die Jahre zuvor. Im vergangenen März begann er mit seiner Diplomarbeit. Da sein Schwerpunkt die experimentelle Physik war, stand er täglich bis zu elf Stunden im Labor und arbeitete an seinem Experiment. Noch vor dem Mittagessen in der Mensa wartete auf ihn der tägliche Ausdauerlauf Richtung Botanischer Garten und Kemnader See. „Ich habe“, sagt Jan schmunzelnd, „regelmäßig im Labor auf meiner Isomatte geschlafen.“ Nachdem er im Herbstsein Physik-Studium mit dem Diplom erfolgreich abgeschlossen hat, studiert er nun im Aufbaustudiengang Management and Economics und hat, bedingt durch die Verletzung, genug Zeit fürs Studium.

Auf die Frage, ob er unseren Lesern Tipps geben kann, wie es einem auch als studentischem Bewegungsmuffel gelingt, sich zum Sport zu motivieren, verrät er: „Auch mir fällt es ab und zu schwer, mich aufzuraffen und Sport zu machen. Gerade jetzt im Winter. Was mir dann hilft, ist die Vorstellung, dass es mir danach viel besser geht. Nach dem Sport ist man einfach frischer als zuvor und auch produktiver. Wenn ich für die Uni was schreiben muss und nicht mehr weiter komme, jogge ich meine Runde durch den Wald. Danach geht es dann meistens voran. Und wenn gar nichts mehr geht, höre ich – zum Ärger meiner Freundin – die Musik von Scooter. Das hilft immer.“ Nachdem er in Göteborg ganz oben auf dem Treppchen stand, reihte sich, zurück in Deutschland, ein Medientermin an den anderen. Er war zu Gast im Aktuellen Sportstudio, nahm für Stefan Raabs „TV-Total“ an einem Show-Rennen gegen Kasper Elton teil und traf für eine Zeitung in der Eifel Thomas D. von den Fantastischen Vier zu einem gemeinsamen Lauf. In dieser Zeit hat er das Studium zeitweise auf Eis gelegt und sich hauptsächlich auf Werbetermine und das Laufen beschränkt. Da die Leichtathletik in der öffentlichen Aufmerksamkeit hinter König Fußball zurückbleibt, nahm er das durch den Sieg bei der Europameisterschaft entstandene mediale Interesse an seiner Person gerne an. „Der Europameistertitel hat sich in jedem Fall auch finanziell gelohnt. Vorher stand’ ich am Ende des Monats plusminus null da. Seit zwei Jahren kann ich sogar ein wenig zur Seite legen.“

Jan packt seine Sachen für das Lernen in der Universitätsbibliothek zusammen. Im Anschluss daran, am Abend, steht bereits die nächste Einheit Aquajogging an, diesmal Tempoläufe. „Das macht nicht gerade viel Spaß. Du strampelst wie verrückt, kommst aber keinen Zentimeter weiter“, sagt er. Zur Motivation indes bleibt immer noch der Gedanke an den Zieleinlauf in Göteborg. Oder die Musik von Scooter.

Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 3: Druckluft in Oberhausen (1)

Was bedeutet Soziokultur? Wie funktioniert in diesem Rahmen aktuelle Jugendarbeit? Wie sind die Städte des Ruhrgebiets diesbezüglich aufgestellt? Fragen im Rahmen dieser Reihe, die bereits das FZW in Dortmund und das KKC in Essen vorstellte. Nun: Oberhausen und das Drucklufthaus. Ein Gespräch mit Christoph Kaiser.

Druckluft: Hervorgegangen aus einer Jugendinitiative schon im Jahre 1979. Seitdem mit dem Segen der Stadt weitgehend autonom geblieben. Als Verein Druckluft e.V. Im Selbstporträt heißt es: „Damals war es ein mutiges Experiment. Heute darf das Drucklufthaus sich guten Gewissens professionell nennen. Professionell, wenn es darum geht, die ursprüngliche Idee am Leben zu halten.“ Für 2009 war und ist eine Renovierung und in Teilen auch Neukonzeptionierung geplant – leider bei mittlerweile völlig maroden Stadtkassen.

Ruhrbarone ?: Eine kurze Vorstellung deinerseits bitte, und der Strukturen in denen du arbeitest.

Christoph Kaiser !: Ich bin als langjähriger Festangestellter des Druckluft e.V. Mitglied der Hausleitung und war in der Vergangenheit für den Kultur- und Veranstaltungsbereich tätig. Das haben wir nun etwas neu aufgegliedert, so dass ich in Zukunft mehr für Verwaltungsaufgaben und die Repräsentation nach außen zuständig bin. Daniel Sprycha ist mein Nachfolger beim Kulturprogramm.

?: Was befand sich eigentlich einmal früher an dieser Stelle? Und was kam dann?

!: Das Haupthaus ist tatsächlich das letzte Überbleibsel der Zeche Concordia, Schachtanlage II, von Ende des 19. Jahrhunderts (Foto). Die meisten Industrieanlagen wurden dann demontiert, dieses Gebäude steht wohl nur noch, weil es bis nach dem 2. Weltkrieg als Wohnhaus genutzt wurde. Und dann war hier erstmal Babcock. 1979 begann dann die Geschichte des Druckluft.
Es gab kaum Jugendarbeit oder kommerzielle Angebote, höchstens die einzige Diskothek „Stratosphäre“. Eine politisch unorganisierte Initiative, eher aus dem links-alternativen Umfeld und bestehend aus 30, 40 Jugendlichen, hat dann recht bald diesen Verein gegründet. Es gab eine breite Basis und einen Jugenddezernenten, der das auch unterstützt hat. Bald wurde Druckluft als Träger der Jugendhilfe anerkannt. Im Gespräch waren zuerst sogar die Umkleidekabinen des Niederrheinstadions, aber man hat dann diesen Ort hier an der Straße „Am Förderturm“ gewählt und aus ziemlich maroden Zuständen wieder hergerichtet.

?: Wie hat sich denn diese Autonomie solange gehalten ohne zu verfilzen?

!: Das ist natürlich schwierig genug. Zur Geschichte noch einmal: Es gab natürlich verschiedenste Interessensgruppen, die den Anspruch „selbst verwaltetes Jugendzentrum“ erstmal mit Inhalt füllen mussten. Es gab da Bedürfnisse von der Selbstverwirklichung, also eher „Jugendkultur für uns selbst“, bis hin zu Bedarf im Stadtteil, klassischer Jugendarbeit und auch verschiedene Gruppen und Initiativen mit Raumbedarf. Nicht gab es eine Regelförderung zum Beispiel. Und Anfang der Achtziger brannte dann nach einer Feier plötzlich der Dachstuhl. Daraufhin hat die Stadt interveniert und eine gewisse Professionalisierung verlangt, woraufhin es dann aber auch eine Mindestförderung gab, da Druckluft als „Offene Tür“ anerkannt wurde und auch professionelle Pädagogen hier arbeiten konnten. Damit war ein Anfang gesetzt.
Und es wurden dann sukzessive Strukturen geschaffen, die immer zum Ziel hatten und haben, betreute Freiräume für Jugendliche zu schaffen. Das bedeutet, dass Einzelpersonen oder Gruppen Räume nutzen können, ob für Workshops, politische Veranstaltungen, Konzerte, Treffen, Lesungen, Partys oder was auch immer. Formal gibt es einen Trägerverein und einen Vorstand mit dem Haus verbundenen oder früher einmal hier tätigen Menschen, die dann auch Personalentscheidungen treffen. Die inhaltliche Entscheidungsfindung passiert vor allem mit den Gruppen und Initiativen im Haus. Wobei auch die Kernzielgruppe fest definiert ist, mit einem Alter von 16 bis 27 also etwas älter als die von klassischen Jugendzentren, und auch für das gesamte Stadtgebiet, also nicht nur Stadtteil bezogen. Ähnliches gibt es in Oberhausen auch sonst nicht, deshalb ist die Arbeit hier im Grunde unumstritten.

Teil 2 des Interviews hier.

 

Pro Gelsenkirchen: Anzeige gegen Hometown Glory

Die rechtsdrehende Liste "Pro Gelsenkirchen" hat Malte vom Blog Hometown Glory angezeigt.

Kevin Gareth Hauer Ausriss: Pro Gelsenkirchen

Pro Gelsenkirchen ist der lokale Ableger der rechtsdrehenden Partei Pro NRW und wie der Chef von Pro NRW, Markus Beisicht, war Kevin Gareth Hauer, der Vorsitzender von Pro Gelsenkirchen, einmal Mitglied der Republikaner. Mit Gelsenkirchen hat Hauer nicht viel zu tun: Die meisten aktuellen Meldungen auf der Homepage von Pro Gelsenkirchen berichten von Pro Köln. Aber da Hauer ja wieder in den Rat will wird wie beim Original gegen den Bau einer Moschee in Horst gehetzt. Ansonsten gibt man sich gut bürgerlich und rechtstaatlich.
Ich mag so Läden wie Pro Gelsenkirchen und Pro NRW aus zwei Gründen nicht: Zum einen sind sie rechts und ausländerfeindlich, zum anderen habe ich immer das Gefühl, dass da ein paar Versager versuchen, über Politik ihre Existenz zu sichern, weil es im wirklichen Leben damit nicht so richtig klappen will. Beides ist zum kotzen und erbärmlich.

Und zu dieser Erbärmlichkeit gehört, dass Parteien wie Pro NRW zwar gut im Austeilen sind, aber wenn es ums Einstecken geht, ziemliche Weicheier: So auch Pro Gelsenkirchen. Die haben nun Malte von Hometown Glory angezeigt. Hometown Glory gehört zu den Blogs, mit denen wir befreundet sind: Es hat nicht nur ein ganz hervorragendes und ausgefallenes Design und berichtet ausführlich über Kultur, sondern widmet sich auch immer wieder der Partei Pro Gelsenkirchen und ihrem charismatischen Vorsitzenden Kevin Gareth Hauer.
Das stört Pro Gelsenkirchen natürlich und nachdem die Partei immer wieder mit rechtlichen Schritten gedroht hat, haben sie nun ernst gemacht: Malte bekam Besuch vom Staatsschutz. Der Vorwurf: Er soll behauptet haben, dass Pro Gelsenkirchen ihn bedroht hat. Malte kann das durch Mails nachweisen, so dass die Anzeige hoffentlich im Sand verlaufen wird. Auf jeden Fall ist sie ein ziemlich mieser Versuch Malte einzuschüchtern. Aber die Anzeige ist ein guter Anlass sich näher mit Kevin Gareth Hauer und Pro Gelsenkirchen zu beschäftigen. Wie verhält sich Hauer eigentlich  wenn er angezeigt wird? Auf welchen Rechtsbeistand greift er zurück und über welche Kontakte verfügt sein Anwalt? Von was lebt der Mann eigentlich? Oder studiert der Ex-Leutnant noch immer Pädagogik an der Ruhr Uni?  Was macht er so im Rat und wie geht Pro Gelsenkirchen mit ihren ehemaligen Mitgliedern um? Warum spalten sich die diversen rechten Parteien im Gelsenkirchener Rat seit über zehn Jahren in nahezu atomarer Geschwindigkeit? Mal schauen, was man so rausbekommt.

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Ruhrgebiet Aktuell am Donnerstag

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr

VRR: Minderleister mit Rekordeinnahmen…Der Westen

Unicum: Baldschus allein im Haus…Meedia

Kommunalwahl: Termin auf der Kippe…Ruhr Nachrichten

Peinlich: OB Sauerlands neue Site…Prospero

Nachtleben: Grabungen auf dem Thier-Gelände…Ruhr Nachrichten

Medien: Lob über Zeitzeugen…Patje

Touren: Buer Buch…Buer en Blog

Live: Tom Liwa in Duisburg…Unruhr

Ruhr2010: Teures Versprechen…Der Westen

Ruhr2010: RVR will Popakademie…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Essens Kulturhauptstadt Budget…Der Westen

Jetzt auch Thyssen

Die Krise hat den Industriekonzern ThyssenKrupp im Griff: In der Stahlsparte sollen Arbeitsplätze gestrichen werden. Betroffen sind nach einem Bericht des WDR 1500 Menschen in Duisburg.

Thyssen bestätigte nur, dass ein Stellenabbau geplant sei, bezeichnete die Zahl aber als "aus der Luft gegriffen". Es gebe keine Entscheidung, so das Unternehmen. Diese soll in einem paar Monaten  gefällt werden. Und dann kann es hart für die Beschäftigen werden, aber nicht so hart, wie vom WDR dargestellt. Denn laut Konzernkreisen sollen rund 70 Millionen Euro beim Personal gespart werden, diese Zahl könnte mit einem Abbau von unter 1000 Arbeitsplätzen erreicht werden.

Hinzu kommt, dass betriebsbedingte Kündigung bis zum Jahr 2013 ausgeschlossen sind. Ein Stellenabbau müsste also über Abfindungsangebote oder eine Nicht-Besetzung von frei werdenden Arbeitsplätzen gestemmt werden. Hart sind die anstehenden Einschnitte allemal, trifft es mit Duisburg doch eine Stadt, die schon hart genug vom Strukturwandel gebeutelt wird.

ThyssenKrupp Steel ringt mit einem kräftigen Auftragseinbruch, der bei rund 50 Prozent liegt. Konzernweit sollen daher über eine Milliarden Euro gespart werden – ein Drittel davon entfällt auf die Stahlsparte mit ihren 20.000 Beschäftigten.

Wir hatten schon vor ein paar Tagen über die Stimmung in Duisburg berichtet. Nämlich hier: klack