Grüne shoppen Blogger ein – die drittte

Vor einger Zeit habe ich drüber berichtet, dass die Grünen zu ihrem Landesparteitag in Dortmund am kommenden Wochenende  wieder Blogger gegen Kost, Fahrt und Logis billig einkaufen wollen. Nun hat die Debatte, die beim ersten versuchten Bloggerkauf anfing, die ersten Auswirkungen. Zum neuen Auftritt hat sich einer der Blogger entschieden, auf die Zahlungen der Grünen zu verzichten. Achim Meißner sagt, da "ich gewisse ‚Argumentationsketten‘ der Blogosphäre mittlerweile kenne, zahle ich lieber selbst. Auch wenn ich mich sicherlich von bezahlter Anreise und Übernachtung nicht beeindrucken lassen würde."

Die anderen Teilnehmer haben sich entschieden, die geldwerten Vorteile anzunehmen. Dazu kann man zum Beispiel den Tagesschaum oder Bastian Tietz anklicken. Dort erklären die einngeshoppten Blogger, warum sie sich von den grünen PR-Strategen buttern lassen wollen.

Zunächst muss ich sagen, dass ich die Entscheidung von Achim Meißner sehr gut finde und großen Respekt vor ihr habe.

Er schrieb, dass er sich nicht mit der Frage nach der versuchten Bloggerkaufe befasst hatte, als er sich bei den Grünen um das so genannte Blogger-Stipendium bewarb.

Dass er sich jetzt nach Durchsicht der Argumente gegen die Fremdfinanzierung entschieden hat, finde ich sehr stark.

Es ist einfach, den geschmierten Weg zu gehen. Der gerade Weg ist unbequem – und kostet dann auch noch Geld. Dafür aber erhält man die echte Unabhängigkeit.

Ich will mal einen hinkenden Vergleich heranziehen. Die Oberbürgermeister und Gemeinderäte, die sich als Aufsichtsräte der Energieversorger-Töchter zu Lustreisen haben einladen lassen, fanden das auch nicht schlimm. Sie hatten Spaß in Italien und sonstwo. Es war einfach. Außerdem haben alle das gemacht.

Nur ganz wenige haben sich dem Gruppendruck verweigert.

Bitte diesen hinkenden Vergleich nicht falsch verstehen. Ich weiß, hier geht um etwas völlig anderes, möglicherweise sogar strafbares.

Ich will nur den einen Punkt betrachten, der durchaus vergleichbar ist. Und zwar haben sich sowohl die eingekauften Blogger als auch die geschmierten Aufsichtsräte im moralischen Recht gesehen, die Geschenke anzunehmen – es ging ja nicht um Bargeld.

Alle sagen, die Kommunalpolitiker vor Gericht und die Blogger, die die geldwerten Vorteile annehmen: Es dürfe doch wohl niemand glauben, dass man sich von so einer Kleinigkeit wie Übernachtung und Reise in seiner Unabhängigkeit bestechen lasse. Da kenne man einen aber schlecht, die Unabhängigkeit könne man auch nachweisen. Und sowieso sind die Vorwürfe lächerlich.

Achim Meißner hat dieses Argumentationskette durchbrochen. Dafür zolle ich ihm Respekt. Es ist nämlich durchaus gewöhnlich, sich hintereinander zu verstecken und zu versichern, dass alles OK ist – selbst wenn es nicht OK ist.

Spannend finde ich noch, dass die Grünen diesmal wohl direkt zumindest ein Parteimitglied als gesponsorte Blogger geholt haben. Korbis schreibt in seiner Bewerbung: Er versuche die Parteiführung davon zu überzeugen, dass er als Parteimitglied helfen könne, "die Grüne Partei in der Bloggerszene zu verwurzeln."

Das letzte fasse ich mal so zusammen. Die Grünen bezahlen ein Parteimitglied, damit dieses als unabhängiger Blogger Werbung für die Partei in der Blogosphäre macht.

Gegen diese Art von offener und gleichzeitig verdeckter PR kann sogar ich nichts mehr haben.

Wen einer offen erklärt, dass er Parteimitglied ist und Werbung machen will für seine Truppe, dann ist das OK. Es bleibt auch OK, wenn dieser Blogger als unabhängiger Berichterstatter auftreten will, um die Grünen in der Blogosphäre zu verankern.

Da Korbis offen kommuniziert, dass er Grüner ist, kann sich jeder einen Reim auf seine Blogeinträge machen. Und es ist natürlich OK, für PR Geld zu kassieren.

Nur ich würde mich fragen, was die Arbeit von Korbis substantiell von den Presseseiten der Grünen unterscheiden soll? Zumal ja seine Blogbeiträge auch auf den Seiten der Grünen erscheinen sollen.

Naja, ich muss ja nicht alles verstehen.

##### Update: In einem Kommentar zu einem Beitrag von "Wir sind im Garten", der das Bloggershopping verteidigt, schreibt Achim Meißner etwas, das ich sehr richtig und wichtig finde. Deswegen zitiere ich den Weltherrscher hier: "Ich löhne viele dinge selbst, weil ich mir so durchaus meine eigene unabhängigkeit aufrecht erhalte. damit meine ich nicht irgendeine von aussen motivierte abhängigkeit, sondern schlicht meine einstellung zu vielen dingen. zahlen andere für mich, fühle ich mich auch verpflichtet, schon aus höflichkeit. zahle ich selbst, kann ich immer zu jeder zeit hinter allem stehen, eben auch, wenn ich früher abzischen würde, weil man z.b. als blogger bei so einem parteitag irgendwo in die ecke gestellt wird."

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Achim Meißner natürlich nicht kein Zelot ist, der anderen seine Meinung aufdrücken will – zumindest war der Ton in seinen Beiträgen nicht so – nur damit das keiner in den falschen Hals kriegt. Ich finde nur seine Begründung in dem Kommentar sehr gut, warum er die Nummer selbst bezahlen will. Deswegen dokumentiere ich sie hier.

##### Update2: Gerade hat der zweite der fünf   vier Sponsorblogger bekannt gemacht, dass er Grüner ist. Beim schon zitierten Beitrag in "Wir sind im Garten" schreibt Bastian Dietz in den Kommentaren: "Erstens bin ich auch Grüner und werde wegen der Berichterstattung auch nicht austreten. Zweitens glaube ich, dass ich wegen des Zugtickets und der Ü-Kosten weder zu Hasstiraden noch zu Liebeshymnen ansetzen werde, sondern einfach ausgewogen Berichte." In seinem eigenemn Beitrag schreibt Bastian Dietz noch einen interessanten Punkt auf, warum er pro Blogger-Finanzierung ist: "Ich kämpfe seit Jahren dafür, in der Jugendarbeit die Aufwandsentschädigungen für Ehrenamtliche zu erhöhen, um damit zumindest die finanziellen Lasten des Engagements zu senken und Partizipationsmöglichkeiten für finanziell Schwächere zu erhöhen."

Zusammengefasst heißt das: Der Grüne Basisparteimann sieht in dem geldwerten Vorteil für die PR-Arbeit für seine Partei eine ehrenamtliche Aufwandentschädigung.

Ach so. Dagegen habe ich wirklich nichts. Nur was hat das mit der Förderung unabhängiger Blogger zu tun, denen die Berichterstattung vom Parteitag der Grünen ermöglicht werden soll.

Haben die Grünen nicht genug unabhängige Blogger gefunden, so dass sie jetzt die Reihen mit Parteisoldaten füllen müssen?

Im Moment zähle ich: einen wahrhaft unabhängigen, zwei kostenerstattete Blogger und zwei PR-Grüne.

 

 

Der Mythos Kohle: Wahlkampf mit Gefühlen

Foto: Hoffmann & Campe

Der Kohleausstieg ist eigentlich beschlossen und die RAG soll abgewickelt werden. Langsam und bedächtig, damit niemand über Gebühr leiden muss. Aber das ändert nichts daran, dass die SPD in NRW im kommenden Wahlkampf 2009 mit der Kohle punkten will und offenbar die alten Seilschaften noch genutzt werden können.

So zum Beispiel in der Zeitschrift Steinkohle, dem Mitarbeitermagazin der RAG. Dort macht der Steinkohle-Chefredakteur Jost Beckebaum nahezu unverblümt Wahlkampf für die SPD. Im Januar-Editorial mahnt er vor dem Hintergrund des Steinkohleausstiegs für die Bundestags-, Europa- und Kommunalwahlen: "Jede Stimme zählt." Es ist nicht diese plumpe Nummer, in der jemand schreibt. WÄHLT DIE SPD, damit 2012 der Kohleausstieg rückgängig gemacht wird. Aber das Editorial ist eben so verfasst, das jeder RAG-Mann weiß, was Beckebaum will.

Das besondere daran? Der Chef des RAG-Kuratoriums und damit oberste Aufseher über die RAG, heißt Wilhelm Bonse-Geuking. Er steht NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nah. Er soll eigentlich drüber wachen, dass die RAG parteipolitisch unabhängig ihrem Ende zugeführt wird.

Natürlich ist zu verstehen und normal, dass die RAG-Leute weiter für die Zukunft der deutschen Zechen kämpfen. Aber es ist bemerkenswert, wie offen dabei der irrationale SPD-Kohlekurs unterstützt wird. Und so verantwortungslos mit der Hoffnung von Menschen gespielt wird, in der Hoffnung auf ein paar Wählerstimmen. Als der Kohlepreis noch hoch war, war das ja auch irgendwie nachzuvollziehen.

Aber wie stehen eigentlich die Kohlepreise heute? Sind sie wieder gefallen? Ich denke doch, und zwar tief. Warum stellt Beckebaum diese Realität nicht dar und bringt die Bergleute auf den Boden der Realität zurück?

Die Wahlaufrufe und Kampagnen pro Kohle von der SPD bedeuten vor allem eines: Bei den kommenden Wahlen müssen sich die Bürger immer noch entscheiden, ob sie die Subventionen für den Bergbau bezahlen wollen. Es werden Kämpfe aus der Vergangenheit gefochten, die schon längst entschieden sind. Dabei zählt doch die Zukunft.

Wer Milliarden verbuddeln will, muss für die SPD stimmen. Wer das nicht will, muss eine andere Partei wählen – außer der Linkspartei, die will nämlich auch weiter Steinkohle subventionieren.

Ich denke, die SPD driftet mit ihrem Kohlekurs ins Abseits. So wie die Linke. Die Mehrheit von schwarz-gelb in NRW wird so nicht zu knacken sein.

Ruhrgebiet am Montag

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr…

Peinlich: Millionengrab Ruhrpilot…WDR

Hessen Wahl: Die SPD hat verloren…Pottblog

Duisburg: Eskalation blieb aus…RP-Online

Fußballmuseum: Dortmund trommelt um Ansiedlung…Ruhr Nachrichten

Loveparade:
Suche nach den Schuldigen…Der Westen

Nazidreck: Gericht erlaubt Pro-Köln-Bezeichnung, die auch für Pro-Gelsenkirchen und Pro-NRW gelten kann…Hometowen Glory

Ruhr2010: Sänger sind sauer…Der Westen

Cross Border Theater beim RVR

Ich habe vor einer Woche über das Theater beim Regionalverband Ruhr rund um das Cross-Border-Leasing geschrieben. Nun, das Durcheinander und die Panik gehen weiter. Es geht um alles. Nach meinen Informationen bemüht sich der Verband derzeit mit Hilfe der holländischen Beratungsfirma Rebelgroup darum, ein grenzüberschreitendes Geschäft für seine Abfalltochter AGR aus dem Jahr 2003 rückgängig zu machen, um Millionenschäden zu vermeiden.

Damals verkaufte der RVR-Vorgänger, der Kommunalverband Ruhr, für insgesamt rund 300 Mio Euro die Müllverbrennungsanlage RZR I an einen amerikanischen Investor und leaste diese direkt wieder zurück. Laufzeit der Verträge: bis 2028. Angeblich sollten bei diesem Geschäft keine Risiken auflaufen, hieß es damals. Alleiniges Ziel sei es gewesen, einen Steuervorteil in den USA zu erzielen und diesen Steuervorteil zwischen Investor, Verband und dessen Tochter AGR zu teilen.

Knapp fünf Jahre später zeigt sich heute, dass dies leider eine Fehleinschätzung war. Mir liegt ein internes Papier des Regionalverbandes vor, in dem erklärt wird, aufgrund der Krise am Finanzmarkt sei es notwendig, den Hauptgeschäftspartner auszutauschen. Betroffen davon ist die amerikanische Versicherungsgesellschaft und Kreditfinanzierer MBIA aus dem Ort Armonk im Bundesstaat New York. Das Risiko liegt nach meinen Informationen bei rund 75 Mio Euro.

Der RVR hatte bei der MBIA einen Großteil der Einnahmen aus dem Cross-Border-Geschäft hinterlegt. Dieses Geld sollte sich dort zu einem garantierten Zinssatz wie auf einem Sparbuch vermehren und nach Ablauf der Vertragslaufzeit an den Investor, eine Tochtergesellschaft der KeyBank aus Cleveland inOhio ausgeschüttet werden. Damit, so der Plan, hätte der RVR das Eigentum an der Müllverbrennungsanlage in Herten zurückbekommen.

Leider ist es anders gekommen. Wegen hochspekulativer Geschäfte ist die MBIA tief in die Krise geschlittert. Es ist unklar, ob das Unternehmen tatsächlich überlebt. Das hat direkte Aufwirkungen auf das RVR-Sparbuch bei dem amerikanischen Konzern. Die Zinsen sind nicht mehr so hoch. Damit droht aber das gesamte Geschäft rund um das Cross-Border-Leasing zu kollabieren. Der RVR trägt jetzt das Risiko. Auch wenn das intern bestritten wird. Tatsache ist jedoch, dass der RVR der Vertragspartner und Leasingnehmer ist. Er hat dann selbst Sub-Leasingverträge mit der AGR abgeschlossen. Wenn der Deal also platzt, haftet der Verband. Er könnte sich vielleicht an der AGR schadlos halten – müsste sie dann aber wohl in die Pleite treiben. Und das ist unrealistisch.

Wie aus den vorliegenden Unterlagen hervorgeht, muss der Verband aus dem Ruhrgebiet nun einen Ersatz für die MBIA bringen. Dies kann auf mehreren Wegen geschehen. Der Verband könnte wie die Stadt Bochum für rund 75 Mio Euro amerikanische Staatsanleihen kaufen und diese zu Gunsten der Key Bank hinterlegen. Er könnte auch einen anderen Dienstleister suchen, der mit einem tadellosen Ruf ausgestattet ist und die Zahlungsverpflichtungen übernimmt.

Doch diese Möglichkeiten scheiden nahezu aus. Der Verband hat bei einem Etat von rund 53 Mio Euro kaum finanzielle Spielräume, um Anleihen zu kaufen. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass sich ein Finanzinvestor meldet, der die Millionenverpflichtungen MBIA zu einem ähnlich günstigen Tarif übernimmt. Maximal fünf Anbieter sollten sich bis zum 5. Januar in einer Ausschreibung um den Deal bewerben. Nun heißt es intern, dass die Ausschreibung wohl ergebnislos auslaufen soll- ohne Entscheidung. Man stützt die Hoffung lieber auf den letzten Weg.
Der RVR bemüht sich, die MBIA dazu zu bewegen, dass hinterlegte Geld herauszurücken. Damit will der Verband dann die Key Bank ausbezahlen. Sollte dies gelingen, würde er selbst zum Träger des Cross-Border-Leasings. Das bedeutet. der Verband würde seine eigene Müllverbrennungsanlage an sich selbst vermieten.

Aber auch diese Option scheint nicht risikolos. So ist bis jetzt unklar, wie viel Geld der Regionalverband nachschießen müsste, sollte die MBIA die Einlagen rausrücken. Die Rede ist hier von einem Millionenbetrag, der noch nicht genau beziffert werden könne, da die Gespräche noch laufen. Zudem müssen auch andere Banken dem Deal zustimmen, die ebenfalls an dem Geschäft beteiligte. Zunächst steckt unter anderem die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hinter dem Cross-Border-Leasing. Die LBBW hat ein besonderes Interesse an der AGR. Sie hat noch einmal über 100 Mio Euro über Kredite in die Müllfirma gesteckt. Von hier aus ist kaum mit Schwierigkeiten zu rechnen – solange sie nicht auf eigene Kasse gehen.

Aber zumindest die norddeutsche Landesbank Nord LB hat sich bislang skeptisch geäußert. RVR-Chef Heinz-Dieter Klink sagte zwar, die Bank habe schon zugestimmt. Aus Kreisen der Bank ist allerdings zu hören, dass die Gespräche noch laufen – ergebnisoffen. Ein Krisengespräch vor zwei Wochen lies die Bank platzen.

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X – 2: Die Hoffnung naht…..

Ich finde, die flaue, depressive Nach-Hessen-Stimmung in der SPD wird am besten durch die beiden nettesten Videos aus Obamas Wahlkampf wieder aufgehellt. Münte, glaub mir, es ist nicht alles öd, öd, öd. Hoffnung, Change und so weiter gibt es noch. Kopf hoch, Brust raus, Yes…..    🙂

Änd the Winnä is net wirklisch Roland Koch

OK, es war ein netter Hype um TSG aber das war es dann auch schon. Der lustige Mann mit der Brille hat es nicht geschafft.

Die erste Hochrechnung: ARD  CDU 37  % SPD 23 % FDP 16 % GRÜNE 14 % LINKE 5 +%. Die CDU konnte von der historischen Niederlage der SPD nicht profitieren. Ein Vollklatsche. Für Roland Koch eine Niederlage, auf die er nur mit einem Rücktritt reagieren kann. Mal schauen wie lange er im Amt bleibt. Eine Perspektive hat er in Hessen nicht mehr.
Koch kann theoretisch Ministerpräsident bleiben – von den Zahlen her geht das. Aber Rückhalt ist etwas anderes.
Grüne und FDP können sich über Rekordergebnisse freuen – sie waren die Einzigen die sich in den vergangenen Monaten nicht bis auf die Knochen blamiert haben. Andrea Ypsilanti hat die Konsequenzen aus dem Ergebnis gezogen: Sie ist als Fraktions- und Parteivorsitzende abgetreten und hat TSG zu ihrem Nachfolger vorgeschlagen.

AFP: „Kritische Fragen an die Geschäftsführung der dpa fehlen“

Wir haben vor ein paar Tagen über einen Film des Medienmagazins Zapp berichtet. Nun schrieb uns die französische Nachrichtenagentur AFP. Sie vermisste in dem Bericht über den Konflikt zwischen WAZ und DPA auch kritische Anmerkungen über die Geschäftsführung von DPA. Wir dokumentieren hier für Euch den Brief.

Liebe Leserinnen und Leser der Ruhrbarone,

In dem ZAPP-Beitrag, der hier vorgestellt wird, werden leider mehrfach falsche Behauptungen über die Agence France-Presse (AFP) und ihre Aktivitäten auf dem deutschen Markt aufgestellt und falsche Schlussfolgerungen suggeriert. Dazu haben wir (AFP) sofort nach der Erstausstrahlung die folgende Stellungnahme abgegeben:

1. Es gibt keinen Einfluss des französischen Staates auf die Berichterstattung und redaktionelle Arbeit der AFP in Frankreich oder außerhalb Frankreichs. Medien mit eigenen Korrespondenten in Frankreich wissen, dass sich die französischen Regierungen jeglicher politischer Couleur regelmäßig über die objektive und kritische Berichterstattung der AFP beschweren und dass dies die professionelle Haltung der AFP-Redaktionen in keiner Weise beeindruckt. So hatte sich AFP vor einem guten halben Jahr erfolgreich gegen den Versuch einiger Abgeordneter der Regierungspartei UMP gewehrt, unter dem Vorwand des Pluralismus mehr über die Positionen der UMP zu berichten.

2. Die AFP-Präsidenten und die Chefredakteure werden nicht vom Staat ernannt. Der AFP-Präsident wird vom Verwaltungsrat gewählt, dem außer zwei Belegschaftsvertretern zehn Repräsentanten der AFP-Medienkunden und drei Vertreter von staatlichen Stellen, die AFP-Dienste abonniert haben, angehören. Die Chefredakteure werden, anders als in dem TV-Beitrag ohne jegliche Prüfung behauptet, auch nicht ausgewechselt, wenn ein neuer französischer Präsident das Amt antritt. Die Redaktion von ZAPP hat zugesichert, den Magazinbeitrag auf der NDR-Website und bei Sendungswiederholungen um diesen Passus zu kürzen. AFP wird gegen jede Wiederholung dieser Falschbehauptung juristisch vorgehen.

3. Der Anteil der mit staatlichen Stellen in Frankreich erzielten AFP-Umsätze am Gesamterlös steigt nicht, sondern sinkt kontinuierlich. Richtig ist, dass staatliche französische Stellen mehr Geld an AFP zahlen, als deutsche Staatsorgane an dpa zahlen, um schnell, zuverlässig und umfassend informiert zu sein. Der Bedarf des französischen Staates an geprüften Informationen aus jedem Winkel der Erde ist historisch bedingt sehr groß. Da die AFP ihre Umsätze mit privaten Medienkunden im Inland und vor allem im Ausland Jahr für Jahr erheblich steigert, ist der Anteil staatlicher Mittel in den letzten 30 Jahren von ehemals mehr als 70 Prozent auf inzwischen 40 Prozent gesunken. In 2008 wurden die Bezugspreise des Vertrages mit dem französischen Staat nicht erhöht, die anderen Erlöse stiegen zugleich um mehr als 6 Prozent. In den kommenden Jahren ist eine Anhebung der vom Staat gezahlten Abopreise um jeweils 1,8 Prozent vereinbart; die Gesamtumsätze werden nach den Projektionen jedoch deutlich stärker steigen was den staatlichen Anteil weiter verringert.

4. Die deutschen AFP-Dienste erhalten keine Subventionen, erzielen Überschüsse und werden zu Marktpreisen angeboten. Richtig ist, dass der Basisdienst der dpa auf Grund der Monopolstellung bei der Regionalberichterstattung und der damit verbundenen Kostenstruktur sehr viel teurer ist als die komplementären Angebote der anderen Agenturen. Andere dpa-Produkte wie Grafik- oder Multimediadienste sind im Paket mit dem dpa-Basisdienst jedoch häufig billiger als die Angebote der anderen Agenturen. Die von AFP auf dem deutschen Markt erzielten Preise sind mit denen der Mitbewerber vergleichbar. Dass der deutsche AFP-Textdienst im Preis-Leistungsvergleich unabhängiger Untersuchungen immer wieder sehr gut abschneidet, liegt an einer schlanken und leistungsstarken Redaktions- und Managementstruktur und an der vorausschauenden Diversifizierungsstrategie der AFP GmbH in Berlin. Die deutsche Tochterfirma wird von der AFP nicht bezuschusst, sondern überweist ganz im Gegenteil Überschüsse und beträchtliche Lizenzgebühren für die Nutzung der internationalen Nachrichten nach Paris.

5. Der ZAPP-Beitrag hätte auch die Strategie der dpa kritisch hinterfragen können, statt bei einer einzelnen anderen Agentur die Schuld für den Verlust eines großen Kunden der dpa zu suchen. In dem ZAPP-Beitrag fehlte jegliche kritische Frage an die Geschäftsführung der dpa, zum Beispiel nach den Kosten- und Preisstrukturen der Agentur. Der Beitrag verschweigt außerdem, dass dpa (wie jede andere Agentur auch) selbst hoch dotierte Verträge mit staatlichen Stellen in Deutschland hat. Noch dazu: Mit den fremdsprachigen dpa-Diensten, welche dpa an Kunden außerhalb Deutschlands verkauft, tritt auch die dpa jenseits ihres Heimatmarktes in den Wettbewerb mit großen und kleinen Nachrichtenagenturen. Das Verschweigen dieser Tatsachen verfälscht das Bild erheblich. Zu hinterfragen wäre womöglich auch das solidarische Genossenschaftsmodell. Die ebenfalls genossenschaftlich organisierte amerikanische Nachrichtenagentur AP ist derzeit in ihrem Heimatmarkt USA mit genau denselben Problemen konfrontiert wie die dpa – und hat dort keine ernsthaften Mitbewerber. Allein diese Tatsache widerlegt die These von ZAPP, dass die aktuellen Probleme der dpa ihre Ursache im Geschäftsgebaren der Mitbewerber haben. Und unter den Auswirkungen des freien Informationsflusses im Internetzeitalter leiden alle Agenturen gleichermaßen.

Pierre Louette, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Agence France-Presse (Paris)
Clemens Wortmann, Andreas Krieger, Geschäftsführer der AFP GmbH (Berlin)

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Ruhrgebiet Aktuell am Sonntag

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet

BarCamp Ruhr: Jetzt mit Bannern…Hirnrinde

Kreativität: Malen für Erwachsene…Denkfabrik

Gaza-Demo: Polizei drängt Gegendemonstranten ab…Der Westen

Online-Live: Katastrophe für das Konzertwesen?…Prospero

Projekt 52:
Wartezeit nutzen…Patje

Gelsenkirchen:
Knöllchen für Krankentransporte: Gelsenkirchen Blog

Loveparade: Stadtspitze unbeeindruckt…Der Westen

Loveparade II: Uns gefällt es in der Metropole Ruhr…Virtual Nights

Virales Marketing:
Uschi Blum macht Lokalredakteure schwach…Coffee & TV

Unter dem Banner des Scheichs

Zwei Demos, zwei Welten – Die antiisraelische Demonstration in Duisburg-Hochfeld sowie die pro-israelische Kundgebung auf dem Duisburger Dellplatz zeigen, wo der Unterschied zwischen den Anhängern und den Gegner Israels liegt: In der Fähigkeit zur Differenzierung.

Fotos: Frederik Görges

Scheich Yasin war kein angenehmer Zeitgenosse, und mit Frieden hatte er Zeit seines Lebens nicht viel im Sinn: Als Mitglied der radikalen Muslimbrüder  gründete Yasin den bewaffneten Arm der Hamas, brach mit Arafat, weil er mit Israel sprach und rief zum Mord an Soldaten und Zivilisten auf. Eine israelische Hellfire-Rakete beendete 2004 sein Leben.

In Duisburg feierte Scheich Yasin heute seine Wiederauferstehung. Trotz all der Reden, die den Frieden bemühten, die Sanftheit des Islams priesen und die Solidarität, die angeblich die Liebe der Völker ist, versammelten sich die gut 2000 Demonstranten am Markt in Hochfeld im kalten Winterregen hinter dem übergroßen Bildnis dieses finsteren, unversöhnlichen Kriegers.

Niemand störte sich daran: Weder die "Organisation for Human Dignity and Rights
Organisation für Würde und Rechte des Menschen e.V." kurz HDR, die zur Demo aufrief, noch die Mitglieder des Bündnisses Duisburg gegen Rechts und schon gar nicht die ganzen Sektierer unterschiedlicher K-Gruppen, die mit Reden und in Flugblättern sich an ihrer schlichten Sicht der Welt auf diesem tristen Platz in diesem tristen Viertel im tristen Duisburg berauschten: Israel ist der Kindermörder, mindestens so schlimm wie die Nazis, grausem und natürlich Mitglied einer ekelerregenden Bande von Verbrechern, zu den die EU, Deutschland und natürlich die USA gehören, die bekanntlich an jedem Verbrechen auf diesem Planten beteiligt sind. Und über allem lag immer wieder der Schrei Allah Uh Akbar. Er hallte von den Wänden der grauen Häuser wider, er gab ihnen die Kraft und die Stärke, die sie so gerne immer im Leben hätten.

Yasin, so wie er wollten viele der Demonstranten sein. Ein tapferer Kämpfer gegen Israel und den Imperialismus, der selbst angesichts des Todes nicht zurückwich. „Wir alle sind potentielle Scheich Yasins“ stand auf dem Plakat, und die gut 200 Hamas-Anhänger dominierten teilweise die Demonstration.  Kleine Kinder hielten blutige Puppen hoch und versuchten sofort traurig zu schauen wenn die Kameras liefen, Männer mit grünen Stirnbändern schrieen und weinten in die Kameras wie man es seit Jahrzehnten aus dem Fernsehen kennt, und im Regen wehten die Hamas-Fahnen gleich im Dutzend. Die Polizei ließ die Anhänger der in Deutschland verbotenen Terrorgruppe gewähren – „Deeskalation“, erklärte Duisburgs Polizeisprecher Roland van der Maat. Man werde eingreifen, wenn die Demonstration außer Kontrolle gerät.

Das geschah dann gut eine halbe Stunde später. Fünf junge Leute mit Basecaps und tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen stellten an der Ecke Wanheimer Straße/Liebfrauen-Straße die Friedensliebe und Toleranz der Demonstranten auf die Probe: Vor dem Schaufenster eines Juweliers mit magerem Angebot  hielten sie zwei Israel-Fahnen hoch. Sofort setzte sich die Masse in Bewegung, hob ein Pfeifkonzert an und gellten Schreie durch die Luft. Dann kamen die Knallkörper, die in vielen Taschen nur darauf warteten, als Zeichen des Friedens geworfen zu werden. Da konnten sie Yasin sein – mehrere hundert gegen fünf. Vergessen der Ruf, dass Israel ja feige sei, weil die Palästinenser ja so schwach wären. An der eigenen Stärke berauschte man sich willig, und die erste Reihe der Polizisten drohte unter dem Ansturm zu reißen.

Ein weiteres Platoon der in Duisburg stark präsenten Polizei warf sich zwischen die tobende Menge und die pro-israelischen Demonstranten, die sich bald darauf verschüchtert in der Liebfrauenstraße hinter der Israelfahne versteckten, sich von Reportern als Provokateure  und von jungen Muslimen als Juden, die in Hochfeld nichts zu suchen hätten und sowieso bald wie alle Juden gefickt werden bezeichnen lassen mussten. „Wir wollten ein Zeichen der Solidarität mit Israel setzen“, erklärte einer der Demonstranten "und zeigen, dass der Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch ist." Die Reporter lachten und die jungen Muslime bedrängten die Polizei: Ob denn so eine Fahne überhaupt erlaubt sei, warum die denn überhaupt demonstrieren dürften und dass man ihnen die Juden ruhig überlassen solle. Das tat die Polizei  nicht: Sie schützen die pro-israelischen Demonstranten und brachten sie mit einem Polizeiwagen in Sicherheit.

Der Redakteur irgendeines Kommunistenblättchens (Gleichheit? Rote Fahne News?) gesellte sich zu den pöbelnden Jugendlichen und begann gleich mit der Agitation. Das seien gar keine richtigen Antifaschisten, sondern erbärmliche Spalter, belehrte er die aufgebrachten Jungmänner. Die hörten nicht zu und riefen lieber „Scheißjuden“, als der weiße Polizeiwagen die Israelfahnen und ihre Besitzer in Sicherheit brachte. Kurz darauf brach die HDR die Demo ab. Sie hatte ihre eigenen Leute nicht mehr im Griff.
Die Welt war in Hochfeld so einfach, wie der Stadtteil arm ist: Am Westen, an Israel war alles böse und verdammenswert. An der Hamas keinerlei Kritik zu üben. Die Solidarität zwischen den Völkern, die ja kein wenn und kein aber kennen darf, zeigte einmal mehr ihre verheerende Wirkung auf die Gehirnzellen.

Und dann war da die Demonstration auf dem Dellplatz, in dem Viertel in dem Duisburg ein wenig Urbanität ausstrahlt, in dem es Kneipen und Kultureinrichtungen und schöne Altbauten gibt. Gut 150 Menschen waren zusammen gekommen um für Israel zu demonstrieren. Sie taten es leise, fast fröhlich mit vielen israelischen und ein paar US-Flaggen und selbst gebastelten Schildern. Drei Redner bekam ich mit, bevor wir nach Hochfeld weiter zogen, und eine Rede war differenzierter als die andere. Die Hamas solle aufhören, die Palästinenser als Geiseln zu nehmen, auch die Menschen in Nahost sollten sich von der religiösen Vorherrschaft befreien und selbst bestimmt leben, sie sollten Demokratie erfahren. Die Hamas solle aufhören sich als Vertreter aller Palästinenser aufzuspielen, die Palästinenser ließen sich nicht über einen Kamm scheren. Sie hätten ein Recht darauf frei zu leben. Kritisiert wurden die deutschen Politiker, die sich mit radikalen Muslimen an einen Tisch setzen und sie so noch stärker aufwerten. Vor den Rechten wurde gewarnt:

Der Islamismus, so Michael Hähn, der als dritter Redner sprach, sei eine Gefahr für die Demokratie, und man dürfe dieses Thema nicht den Rechten überlassen: „Von den Konservativen bis zu den Linken muss es unter den Demokraten endlich eine offene Debatte um den Islamismus geben. Das Thema darf man nicht Gruppen wie Pro-NRW überlassen, die nicht nur gegen den Islamismus sind, sondern gegen alle Muslime, und das kann nicht unsere Position sein.“
Zitiert wurde ein Satz der ehemaligen israelischen Ministerpräsidentenin Golda Meir: „Wir verzeihen den Palästinensern, dass sie unsere Kinder töten. Wir verzeihen ihnen nicht, dass sie uns zwingen, ihre Kinder zu töten.“

Die Unterschiede zwischen den Demonstrationen in Hochfeld und im Dellviertel lagen weniger an den unterschiedlichen Positionen der Protagonisten, sie lagen in der politischen Kultur: Hier Differenz, Aufklärung und Entspanntheit – auch ein anti-israelisches Plakat in einem Fenster regte niemanden auf. Dort Hass, Simplifizierung und Fanatismus – nicht nur aus den Reihen der Muslime, sondern auch bei den unterschiedlichsten K-Gruppen.
Die Palästinenser sollten sich bessere Freunde suchen. Warum sollten das eigentlich nicht die Israelis sein? Irgendwann.