
Mit dem Gesetz zur Schaffung der Netzsperren hat sich der Politik ein weites Feld für symbolische Politik eröffnet. Sie wird es nutzen.
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Die Welt ist kompliziert, die Probleme mannigfaltig und ihre Lösung oft schwierig. Politiker wissen das. Sie sehen jeden Tag, wie Gesetze durch den Einfluss von Lobbyisten verwässert werden. Dass vermeintlich gute Ideen in der Wirklichkeit kläglich scheitern und Vorschläge schon in der Fraktion zerredet werden, dürften alle Politiker mehr als einmal erlebt haben. Wenn wirkungsvolles Handeln immer schwerer, es aber vom Wähler dummerweise nach wie vor erwartet wird, müssen Politiker eine Lösung für dieses Problem finden. Die Lösung heißt symbolische Politik.
Die Netzsperren gegen Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten sind ein gutes Beispiel für Symbolpolitik. Würde der Bundestag das Problem der Kinderpornografie, das ja kein Online-Phänomen ist, ernst nehmen, hätte er eine Aufstockung der Mittel für die Bundespolizei durchgesetzt, mit den Ländern Gespräche aufgenommen um eine konzentrierte Aktion zu starten und über das Außenministerium Druck auf Staaten gemacht, die sich einer Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg entziehen. Dass viele Politiker so tun, als ob es bei Kinderpornographie vornehmlich um den Vetrieb von Fotos und Filmen über das Internet ginge, obwohl die Verbrechen schon vorher in der realen Welt geschehen sind, dort, offline, Kinder vergewaltig und gequält werden, zeigt, dass sie an einer wirklichen Lösung des Problems nur wenige Gedanken verschwendet haben. Müsste nicht das Ziel sein, Täter in den Knast zu stecken und ihnen das Handwerk zu legen? Das wurde zum Randthema. Es hätte viele Handlungsoptionen gegeben, und alle wären sie besser gewesen als das gestern verabschiedete Gesetz.
Der Bundestag hat sich allerdings dazu entschieden, Stoppschilder im Internet aufzustellen, die kaum einen Konsumenten von Kinderpornographie abschrecken werden.
Dabei wird es nicht bleiben, und die nun entstehende Infrastruktur wird benutzt werden, denn sie ist die ideale Grundlage um auch in Zukunft auf reale Probleme schnell mit Symbolpolitik reagieren zu können, ohne wirklich aktiv werden zu müssen.
Anstatt sich mit den Problemen von Jugendgewalt, den Lücken des Waffenrechtes und realen Tendenzen zu Vereinsamung, dem Druck in den Schulen und der mangelnden Struktur an psychologischer und sozialpädagogischer Betreuung zu beschäftigen, werden künftig „Killerspielseiten“ gesperrt. Bringt nichts, kostet nichts, aber man hat den Anschein des Handeln erweckt.
Anstatt gegen Nazis vorzugehen, sich mit den Gründen für Rechtsradikalismus zu beschäftigen, zusätzliche Polizisten und Sozialarbeiter zu beschäftigen, werden Nazi-Seiten gesperrt werden.
Und Musik-Sites, und islamistische Sites und und und…
Die Sperrung von Internetseiten wird, ja, wie das Beispiel des CDU-Abgeordneten Thomas Strobl, der „Killerspieleseiten“ sperren will, ist schon heute das ideale Spielfeld für Symbolpolitik. Man kann sagen etwas getan zu haben, es geht schnell, und es ist einfach. Und es kostet nicht viel. Aber es bewirkt auch nichts. So kann politisches Handeln vorgetäuscht werden. Die Netzsperren sind nicht nur ein Mittel zur Internetzensur. Die wird auch kommen. Sie sind aber auch ein guter Weg für Politiker, ihre Untätigkeit bei realen Problemen zu kaschieren.