Abgeledert und praechtig verdient

Screenshot: GPC Biotech

Das Münchner Biotech-Unternehmen GPC Biotech galt einst als Hoffnungsträger der deutschen Biotech-Szene. Doch Rückschläge in den letzten beiden Jahren brachten die Firma in Schieflage. Nun soll der Konzernchef eine Millionenabfindungen erhalten. Aktionäre laufen Sturm. Von unserem Gastbaron Cityboy

Wenn ein Star fällt, fällt er tief. Das hat Bernd Seizinger, der Chef des Münchner Biotech-Unternehmens GPC Biotech am eigenen Leib erfahren. 2001, da war der ausgewiesener Pharmamager mit seiner eigenen Firma ganz oben angelangt. Der Aktienkurs erreichte mit fast 70 Euro einen Rekordstand. Die Zukunft sah stets rosig aus. Der Absturz war umso härter. Nun droht dem angeschlagenen Münchner Unternehmen nicht nur eine turbulente Hauptversammlung. Aktionäre prüfen auch eine Klageflut gegen das Unternehmen und Seizinger. Allem voran die Millionenabfindung für den scheidenden Vorstandschef erregt die Gemüter.

Das Unternehmen selbst hält die Vorwürfe und Anschuldigungen für gegenstandslos. Die „aufgestellten Forderungen und Behauptungen entbehren einer rechtlichen Grundlage“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Zahlungen an Seizinger seien völlig legal und würden im Zusammenhang mit seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vorstand im Zuge der Fusion erfolgen. Alle Zahlungen würden nur im „Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft“ erfolgen.

GPC Biotech galt lange Zeit als eines der ganz wenigen Unternehmen der chronisch unterfinanzierten deutschen Biotech-Szene, das vielleicht den Durchbruch hätte schaffen können. Jahrelang wurden die Manager nicht müde, auf das große Potenzial zu verweisen, das in ihrem Hoffnungsträger Satraplatin stecken soll. Doch das Medikament Satraplatin floppte. Zuerst wurde ihm 2007 in den USA die Zulassung verweigert, im vorigen Jahr kündigte dann auch noch der Vermarktungspartner die Verträge für Europa. Der Aktienkurs brach um mehr als 20 Prozent ein. Seitdem pendelt sich der GPC-Anteilsschein zwischen 0,40 und 1,40 Euro ein.

Satraplatin, ein Mittel gegen Prostatakrebs, war eine Wette auf die Zukunft. Und es war vor allem eine Wette, die nicht aufging. Die Aussichten auf lukrative Einnahmen sind nun dahin und da es auch keinen wirklich aussichtsreichen Nachschub gibt, sieht die Zukunft der Firma mau aus. Seit dem letzten Sommer ringt das angeschlagene Unternehmen aus Martinsried daher ums Überleben. Nur noch eine Not-Fusion mit dem US-Konkurrenten Agennix kann wohl noch retten, was zu retten ist. Die Hauptversammlung nächsten Dienstag soll den Weg für die Fusion frei machen. Seizinger wird dann aus dem Unternehmen ausscheiden – möglicherweise mit 1,5 Mio. Euro als Abfindung. Für einige Aktionäre ist das ein klarer Verstoß gegen das Aktienrecht.

Mindestens einen Antrag auf Verweigerung der Entlastung für Seizinger und den gesamten Aufsichtsrat gibt es schon – und er kommt von Christian Strenger. Der Banker ist Mitglied in der Regierungskommission Corporate Governance und deshalb hat sein dreiseitiges Schreiben, das der WELT vorliegt, eine besondere Brisanz.

Er will ihnen die Entlastung verweigern, wenn Seizinger einen Teil seiner Abfindungen nicht wieder in das Unternehmen investiert.

Die Vorwürfe, die Strenger auflistet, sind lang und schwerwiegend. Seit elf Jahren habe Seizinger das Unternehmen geführt und für die Aktionäre eine „im Ergebnis völlig unbefriedigende Geschäftsentwicklung“ hinterlassen. Neue Hoffnungsträger gibt es nicht wirklich und das Finanzpolster schmilzt von Tag zu Tag. Nach Strengers Aussagen ist die Lage derart akut, dass „das Unternehmen ohne massive Kapitalzufuhr spätestens in der Mitte 2010 pleitegehen würde“. Trotzdem soll Seizinger eine üppige Abfindung kassieren – und zwar das Dreifache der Jahresvergütung aus 2008. Der Ethik-Kodex begrenzt eigentlich solche Zahlungen auf zwei Jahresgehälter. „Eine solche Zahlung würde die für das Weiterbestehen der GPC entscheidende Liquiditätsposition erheblich belasten“, mahnt der Aktionärsvertreter Strenger an und verweist auch noch auf ungeklärte Aktienverkäufe. Einen Monat, bevor die US-Zulassung im Juli 2007 verweigert wurde und der Kurs darauf massiv eingebrochen ist, soll Seizinger GPC-Aktien in Millionenhöhe verkauft haben. Auch das dürfte zu kritischen Nachfragen auf der Hauptversammlung führen.

 

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Sir Lord ist tot

Ralf Dahrendorf ist tot. Sir Lord, Deutsch-Engländer, Freigeist, Clever & Smart der deutschen Gesellschaftswissenschaft. Zuletzt Ratgeber der NRW-Landesregierung in einer Zukunftskommission. Die Nachricht von Dahrendorfs Tod fällt nun ausgerechnet auf den 80. Geburtstag von Jürgen Habermas. Auch er Jahrgang 1929, auch er rang und ringt noch mit Deutschland nach Auschwitz, Naziwahn, Militanz, Sonderweg, Rückständigkeit der Zivilgesellschaft. 1965 schrieb Habermas über Dahrendorf sehr klug im Spiegel. Ich finde die Zeilen von damals passen zu diesem Tag – so bitter-sweet!

Foto: nrw.de

Neues Album von Lee Perry mit Doublestandart

Lee Perry gehört wie Sun Ra und George Clinton zu den drei schwarzen Musikern, die in der Musikgeschichte eine über alle anderen herausragende Stellung einnehmen. Was Sun Ra für den Jazz war und George Clinton für den Funk und die Black Music hat Lee „Scratch“ Perry für den Reggae geleistet. Mit 73 jahren ist er nun Gastmusiker auf dem 11. Album von Doublestandart aus Wien.

Lee „Scratch“ Perry war in den 60er Jahren unter anderem Produzent eines Trios bestehend aus Bob Marley, Peter Tosh und Bunny Wailer, d e n Wailers. Bis Ende der 70er Jahre produzierte er in seinen Black Ark Studios legendäre Reggae Alben. „Heart of the Congos“ von den Congos von 1977 gilt bis heute als d i e Reggaeproduktion.
Wenn es etwas wie s e i n Kennzeichen gibt, dann ist dies sein frei improvisierter Gesang und seine exzentrische Erscheinung. Perry tritt bei Konzerten gerne in über und über mit CDs behängten Fantasiekostümen auf. Dass ihn dabei auch noch ein Marihuana Plänzchen im Pflanztopf begleitet, tut der Exzentrik keinen Abbruch. Der Dubderwisch gilt neben King Tubby, der die Technik des „Dubbings“ mit seinen Tapeschleifen bis zum Exzess getrieben hat, als zweiter Urvater des Dubs, der für die eher verrückt verspielte Seite des Ganzen steht.

Aktuell ist er auf dem Album „Return From Planet Dub“der Wiener Formation Doublestandart vertreten. Die ersten acht Songs der Doppel-CD entstanden gemeinsam mit Perry, den sie auch als Backingband bei seinen Konzerten begleiten. Wobei Doublestandart auch ihre eigene Geschichte als Dubband in der Tradition von Lee Perry und Adrian Sherwood haben. Am besten gefallen mir die drei Neubearbeitungen des alter Klassiker „Chase The Devil“. Ursprünglich in den 60ern von Perry für den Sänger Max Romeo aufgenommen und als Coverversion von Prodigy seinerzeit deren erster Hit, macht sich der Perry noch einmal an den Song. Und auf der zweiten CD befinden sich zwei sogar noch extremere Dub-Mixe von G-Corp sowie von Perry selber. Doublestandart machen sich jedoch unter dem Titel „Chrome Optimism“ auch an eine neue Fassung von Jean-Michel Jarres Oxygen Pt.4. Kein geringerer als ihr größter Fan aus den USA, der Regisseur David Lynch singt bzw. spricht dazu gemeinsam mit Perry den Text. Absoluter Höhepunkt der 25 Tracks ist jedoch der letzte. Doublestandart verfremden Lovemachine von Supermaxx, dermaßen, das es kaum mehr zu erkennen ist. Geniales Teil. Läuft bei mir als der Summertrack ohne Ende auf dem Ei.
Das ganze Album dabei klingt für mich wie eine gelungene Fortführung dessen, was Adrian Sherwood bspw. mit Bands wie Audio Active leistete.

Doublestandart und Lee „Scratch“ Perry live und in Farbe im Youtube Video und zum Anfassen am 19.07.09 beim Summerstage im Central Park in New York.

Mehr von Lee Perrybei Rhetormusic

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Was ist los bei E.on? Demos und Streit in Europas größtem Konzern

Foto: E.on

Bei E.on bieten sich seltsame Bilder vor der Konzernzentrale in Düsseldorf. Menschen ziehen auf, Busse kommen, Transparente. Ein Protest, wie ihn der größte Energieversorger Europas noch nie gesehen hat. Verdi demonstriert gegen ein 1,5 Mrd Euro Sparprogramm. Gegen einen möglicherweise drohenden Stellenabbau von 9000 Mann. Gegen Ausgliederung und zügellose Profitgier. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die früher bei E.on mächtige IGBCE verweigert sich dem Protest. Die Gewerkschaft will nicht demonstrieren und geht statt dessen offensiv gegen die Verdianer vor. Es heißt bei der IGBCE, die Proteste seien töricht, da noch nichts ausverhandelt sei.

Arbeiter gegen Arbeiter. Beschäftigte gegen Unternehmer. Wie konnte es soweit kommen. Manchmal kann man Umbrüche in einem Konzern nur erahnen. In diesem Frühjahr beispielsweise da war so ein Moment, als der E.on-Vize Johannes Teyssen den Fürsten von Monaco in der Düsseldorfer Konzernzentrale empfing – und nicht etwa E.on Chef Wulf Bernotat. Schnell raunten Beobachter von einem frühen Signal für einen anstehenden Wechsel in der Konzernspitze. So als nehme der Kronprinz die Geschäfte des Reiches in die Hand. E.on-intern wird das vehement bestritten. Bernotat sei nur in Japan gewesen, um Anleger für die E.on-Aktien zu begeistern, heißt es. Wie dem auch sei. Wenige Wochen nach dem Teyssen-Empfang gab Bernotat (60) seinen geplanten Rückzug aus der Konzernspitze bekannt.

Seither ist bei Europas größtem Energieversorger nichts mehr, wie es war. Lange verborge Konflikte brechen auf. Im Aufsichtsrat tobt ein Machtkampf zwischen Vertretern der Gewerkschaften IGBCE und Verdi. Insidern gilt der Vorstand gespalten in Bernotat-Gefolgsleuten und Thyssen-Männern, wie ein Aufsichtsrat verrät. Selbst die bislang unbestrittene Rolle von Ulrich Hartmann als E.on Aufsichtsratschef ist nicht mehr sakrosankt. Ihm wird vorgehalten, den Konzern patriarchalisch zu führen. Probleme würden vorab im Zwiegespräch mit E.on-Chef Bernotat besprochen. Und Vorträge im Aufsichtsrat seien zu formalistisch, offene Diskussionen würden kaum stattfinden.

Zu einem offenen Streit aber kam es erst, als sich Wulf Bernotat entschied, ein umfassendes Sparprogramm im Konzern durchzusetzen. 1,5 Mrd Euro sollen gestrichen werden, bei einem Rekordgewinn von 10 Mrd Euro vor Steuern. Die Stimmung im Konzern rutschte in die Frostzone. Die Arbeiter rebellieren. Innerhalb von nur vier Tagen sammelten sie 19.000 Unterschriften gegen das Programm. Vor der E.on Zentrale in Düsseldorf kommt es am Donnerstag zur ersten Großdemo in der Geschichte des Versorgers. Ein Aufsichtsrat sagt. „Bernotat hat nichts mehr unter Kontrolle. Wir warten darauf, dass er geht.“

Wie konnte es soweit kommen? Seit der Liberalisierung der Energiebranche hat E.on eigentlich nur Erfolge vorzuweisen. Die Ausweitung des Geschäftes auf Europa hat geklappt. Selbst nach der gescheiterten Endesa-Übernahme konnte der Konzern seine Tätigkeiten auf Italien, Frankreich, und Spanien erweitern. Gleichzeitig wurde das größte Investitionsprogramm eines einzelnen Unternehmens in der deutschen Industriegeschichte ausgerufen. Innerhalb von nur wenigen Jahren will E.on 60 Mrd Euro in neue Anlagen, Unternehmen und Aktivitäten stecken. Selbst ein äußerst komplizierter Gasdeal in Russland konnte nach jahrlangem Tauziehen unter Dach und Fach gebracht werden. E.on tauschte eine Beteiligung am sibirischen Rohstofflager Jushno-Russkoje gegen Aktien am russischen Staatskonzern Gazprom.

Doch im Glanze des Erfolges zeigen sich jetzt die Risse im Geflecht. Der multinationale Expansionskurs zwingt den Konzern zu einem rigiden Sparkurs. Es geht um eine Verschlankung der Strukturen, um das Unternehmen flott für den Wettbewerb zu halten. Die neuen Ländergesellschaften, über den ganzen Kontinent verstreut, sollen an die deutschen Verhältnisse angepasst werden. Gleichzeitig will Bernotat E.on in Heimatmarkt stärker fokussieren. An die Stelle vieler kleiner Gesellschaften im Bündnis mit kommunalen Beteiligungen sollen zentrale Vertriebseinheiten treten. So will E.on schnell und unbürokratisch auf neue Herausforderungen reagieren. Intern wirbt die Konzernspitze um Vertrauen. „Die europäische und die deutsche Politik will, dass wir uns verändern. Deshalb können wir nicht weitermachen wie bisher. Wir müssen uns erneuern“, heißt es im Vorstandsumfeld.

Doch bei den Arbeitnehmern in Deutschland kommt das nicht gut an. Ihnen missfallen die harten Fakten hinter den schönen Worten: „Die Zentralisierung machen wir nicht mit“, sagt ein Aufsichtsrat. Zum Beispiel stößt auf, dass die E.on-Gesellschaft Thüga mit über hundert kommunalen Beteiligungen verkauft werden soll. Oder dass im Projekt „regi.on“ die bislang weitgehend unabhängigen Regionalgesellschaften verschmolzen werden. Oder dass im Projekt „Perform-to-Win“ bis zu 9000 Arbeitsplätzen abgebaut oder ausgelagert werden sollen. Selbst dem Versprechen auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, misstrauen die Arbeitnehmer. „Wir mussten den Demoaufruf bremsen“, sagte ein Verdi-Vormann. „Sonst wären ein paar tausend Mitarbeiter mehr gekommen.“

Vor allem in Bayern ist der Unmut groß. Hier in München liegt die Zentrale der Eon Energie AG. Vor der Fusion mit Veba zu E.on der Sitz des selbstbewussten bayrischen Versorgers Viag. Im Rahmen von "Perform to win" wird überlegt Aufgaben aus der bayrischen Hauptverwaltungen der E.on Energie in andere Stellen des Konzerns nach Düsseldorf oder Essen zu verlagern. Das bedeutet, Mitarbeiter verlieren ihren angestammten Arbeitsplatz. Sven Bergelin, Energie-Experte der Gewerkschaft Verdi und Eon-Aufsichtsrat, sagt: „Wir wehren uns gegen überzogene Sparprogramme allein zur Sicherung der Dividende.“ Der Kulturbruch bei E.on könnte nicht größer sein.

Bei der Suche nach den Ursachen stößt man auf einen lange schwellenden Konflikt im Aufsichtsrat des Versorgers. Mir liegt eine interne so genannten Board Review des Unternehmensberaters Florian Schilling vor. Dieses Dokument wurde im Auftrag des Aufsichtsrates erstellt. Jeder Kontrolleur durfte hier seine Meinung zum Konzern sagen, zu der Arbeit im Aufsichtsrat, zu den Vorständen zu der Stimmung im Konzern. Die Studie ist geheim. Sie betrifft die intimsten Details des Konzerns.

Bei einem Blick in das Dokument wird der tiefer Graben unter den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat beschrieben, der bei der Demo in Düsseldorf derzeit aufbricht. Auf der einen Seite die Gewerkschaft IGBCE und auf der anderen Seite Verdi.

Bis vor wenigen Jahren hat die Bergbau und Chemiegewerkschaft die Arbeitnehmerbank im Kontrollrat dominiert. Noch immer ist der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt Stellvertreter des allmächtigen Aufsichtsratschef Hartmann. Die Gewerkschaft gilt im Konzern wegen ihrer Kompromissbereitschaft als zahm und Vorstandsfreundlich. Nach dem Verkauf der Degussa und der Viterra ist die Bedeutung der IGBCE allerdings geschwunden. Zudem wird der 64-Jährige Schmoldt im Herbst als IGBCE-Chef pensioniert. Seinen Posten im E.on-Aufsichtsrat wird er dann aufgeben müssen. Als Nachfolger ist ein Vertreter der rabiateren Verdi-Konkurrenz designiert. Die Dienstleistungsgewerkschaft vertritt mittlerweile rund 75 Prozent der E.on-Mitarbeiter.

In der Board Review bestätigt ein Vertreter der Kapitalbank im Aufsichtsrat den Konflikt: „Die vertretende Gewerkschaft hat jetzt natürlich einen starken Konkurrenten in Verdi bekommen und verdi ist ja im Prozess, über die Mehrheit auf der Arbeitnehmerbank, hier in eine große Verantwortung reinzukommen und das verändert offensichtlich das Spiel. Das hat schon Auswirkungen auf die Aufsichtsarbeit in den letzten Monaten gehabt.“ Ein anderer Kapitalvertreter sagt: „Ich sehe da die große Gefahr, dass Geschäftsentscheidungen verbunden werden mit Gewerkschaftsinteressen.“

Mit den Problemen der Arbeitnehmer hört das Konfliktpotential nicht auf, wie aus der Board Review hervorgeht. Ein Kapitalvertreter moniert die intransparente Suche nach neuen E.on-Vorständen durch den Aufsichtsratschef Hartmann. „Das ist wie bei der Papstwahl – ich bin noch nicht ganz dahinter gekommen.“ Die mangelhafte Diskussionskultur im Spitzengremium wird angegriffen. „Das schlimmste an diesen AR-Sitzungen ist das Vorgelese. Es ist so was von leblos und jegliche Diskussion abtötend. Das müssen wir echt abschaffen“, sagt ein E.on-Vorstand. Selbst vor der Rolle Bernotats wird nicht Halt gemacht. Zwar bescheinigen im die Aufsichtsräte eine „hochintelligente“ Unternehmensführung. Allerdings sagt ein Arbeitnehmervertreter. „Manchmal habe ich so den Eindruck allerdings, er ist nicht so richtig in unserer Welt.“ Und ein Kapitalvertreter sagt: „Ich glaube auf der Ecke Softfaktoren, das ist nicht unbedingt seine Stärke.“

In den kommenden Wochen wird E.on Vorstand Johannes Teyssen nach und nach mehr Macht übernehmen. Wie viel, ist jetzt noch offen. Ein E.on-Sürecher sagt, Bernotat werde nicht vorzeitig seinen Hut nehmen.

Iran – die Erinnerung an 1978

Der Iran hat schon einmal eine Revolution gegen einen übermächtigen Gegner erlebt. Die Bilder gleichen sich. Die Hoffnung auch.

Die Revolution begann Anfang Januar 1978 in der Stadt Qom als religiöse Studenten nach einer Schah-feindlichen Demonstration erschossen wurden. Nach schiitischer Tradition wurde 40 Tage um die Toten getrauert. Nach Ablauf dieser Frist kam es am 18. Februar zu neuen Demonstrationen, diesmal im ganzen Iran. Zu den heftigsten Zusammenstößen kam es in Täbris – wo über 100 Demonstranten starben. Erneut legten sich 40 Tage Trauer über das Land, und am 29. März wiederholten sich die Szenen. Von da an brandten die Proteste im 40-Tage-Rythmus auf. Sie wurden größer und stärker. Bis der Schah fliehen musste. Siehe auch Wikipedia

Die Fotos stammen von den Fotografen Kaveh Golestan und Kaveh Kazemi

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Bildungsstreik: Duisburger Demo ging nach Ende weiter…Der Westen

Bildungsstreik II: BIldungsstreik?…Gelsenkirchen Blog

Bildungsstreik III: Studenten besetzen  Campus Dortmund…Ruhr Nachrichten

Krise: Evonik denkt an Staatskredit…Der Westen

Sekten: Scientology-Aussteigerin aus dem Ruhrgebiet…Der Westen

Finanzen: Bochum muss 100 Millionen im Jahr sparen…Ruhr Nachrichten

Wirtschaft: Städte brauchen Gewerbeflächen…Ruhr Nachrichten

Netzsperren: Schwall-Düren antwortet nicht…Pottblog

Netzsperren II: Demos am Samstag…Netzpolitik

Netzsperren III: Das Netz vergisst nicht…Schrozberg

Kulturhauptstadt: Schacht Lohberg fördert Kultur…RP-Online

Finanzen II: Staats-Kleptokratie…Verlorene Generation

 

SPD verliert schon wieder eine Generation

Die Zustimmung der SPD zu den Netzsperren wird für die SPD teuer. Nun hat der Online-Beirat der Sozialdemokraten seine Arbeit eingestellt.

Und weg ist die nächste "Generation" – mühsam und aufwändig hat sich die SPD in den den vergangenen Monaten in Teilen der Internet-Community ein positives Image aufgebaut, schon hat es die Parteiführung mit einem Beschluss wieder zerstört – Image  und Wirklichkeit wollten einfach nicht zu einander passen. Sowas gab es schon mal. Als in den Achtziger Jahren die Partei für die NATO und die Atomkraft eintrat, verlor die SPD eine ganze Generation an die Grünen.

Zurück ins Jetzt. Nun droht auch noch der Online-Beirat der SPD seine Arbeit einzustellen.  Oliver Zeisberger (barracuda) , Sascha Lobo (saschalobo.com), Nico Lumma (Lummaland) – sie alle wollen sich bis auf weiteres nicht mehr für die SPD engagieren, sollte die Fraktion – was als sicher gelten kann – am Donnerstag dem Netzsperren-Gesetz zustimmen: "Der 2007 vom Parteivorstand ins Leben gerufene Online-Beirat der SPD besteht aus rund 20 Mitgliedern, die sämtlich der Partei nahestehen oder Mitglieder sind. Aufgabe des Online-Beirats sollte es sein, den Parteivorsitzenden und den Parteivorstand in Fragen der politischen Kommunikation im Internet zu beraten. Obwohl der Online-Beirat kein offizielles Gemium ist, war bislang die öffentliche Aufmerksamkeit sehr hoch – es sind allein in diesem Jahr mehr als 40 Interviews geführt worden – unter anderem bei Maybritt Illner, Süddeutsche Zeitung, ZEIT, SPIEGEL, Stern, dpa, ZDF, ARD, 3sat. Sollte es mit der Unterstützung der SPD-Fraktion zu den Netzsperren kommen, werden die unterzeichnenden Mitglieder des Online-Beirats die Beirats- und Repräsentationstätigkeit bis auf Weiteres ruhen lassen." Unterzeichnet ist die Erklärung von Dr. Christoph Bieber(politik-digital), Sascha Boerger(virtueller Ortsverein), Markus Hagge (traveblog), Sascha Lobo, Nico Lumma, Andreas Maurer (1&1), Ute Pannen (apparent.typepad.com), Dr. Jan-Hinrik Schmidt (schmidtmitdete) und Oliver Zeisberger. Zeisberger ist als Chef der Agentur Online- Barracuda maßgeblich an den Kampagnen der SPD beteiligt und legt sich mit dieser Aktion mit seinem wohl wichtigsten Kunden an.

Die Unterzeichner machen auch klar, welche Konsequenzen die Zustimmung für die SPD langfristig haben wird: "Die SPD ist dabei, sich für die Digitale Generation unwählbar zu machen. Das wird sich bereits bei Bundestagswahl niederschlagen, weil mit der Entscheidung für die Netzsperren jeder Internet-Wahlkampf ad absurdum geführt wird – erst recht, weil der Online-Wahlkampf 2009 unter der besonderen Aufmerksamkeit aller Medien steht. Eben die Klientel, die Barack Obama zum mächtigsten Mann der Welt gemacht hat, die Multiplikatoren im Netz nämlich, sehen in den Netzsperren einen Verrat an allen Werten, die die SPD ausmachen: Demokratie, Fortschritt, Teilhabe. Es gibt eine handvoll lauter Stellvertreter dieser Generation; hinter ihnen stehen die 130.000 Mitzeichner der erfolgreichsten Petition aller Zeiten – aber auch die vielen Millionen jungen Menschen, die zum Teil schon wählen können und für die das Netz nicht einfach ein weiterer Medienkanal ist. Sondern der Ort, wo die Gesellschaft, ihre Gesellschaft stattfindet. Unwählbarkeit bedeutet hier für eine Partei also, sich jede Zukunftschance zu vernichten."

Zahlreiche Sozialdemokraten hatten in den vergangenen Monaten das Internet und vor allem Twitter und Facebook für sich entdeckt und waren dort sehr aktiv.  Mit dem Beschluss der SPD konnten sie sich nur noch der Häme der Community sicher sein. Die SPD hat Teile ihrer Basis einmal mehr im Regen stehen lassen. Man wird in den nächsten Monaten sehen, ob sich die Klientel noch einmal für eine aktive Teilnahme am Wahlkampf  begeistern lassen wird. Sicher, das Thema Netzsperren wird die Bundestagswahl nicht entscheiden. Aber einmal mehr ist es der SPD gelungen, einer zahlenmäßig großen Gruppe, die ihr wohlgesonnen war, vor den Kopf zu stoßen. Viele von ihnen hätten sich eine SPD gewünscht, die in dieser Frage, in der es um die Bewahrung von Grundrechten geht, "klare Kante" gegen die CDU gezeigt hätte.

Die Netzsperren für Kinderpornographie sind ein Sündenfall, dem weitere folgen werden – die politische Auseinandersetzung ist jetzt weitgehend durchgestanden. Weitere Netzsperren werden folgen – und sie werden auch weiterhin ohne ein Gericht, ohne Wissen der Betroffenen verhängt werden. Das Bild vom Dammbruch trifft –  und Sozialdemokraten waren dabei.

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Aus gegebenem Anlaß

Der Konflikt im Iran zeigt, wie wichtig die freie Presse ist. Menschen müssen ihre Meinung sagen können, um Unterdrückung und Diktaturen zu bekämpfen. Vor einem Monat ungefähr habe ich für ein paar Journalistenorganisationen mit Thorben Korpel, Andreas Schmitz und Hilger Tintel einen Film gemacht, um an die Reporter zu erinnern, die für diese Aufgabe Ihr Leben gelassen haben. Der Film lief hier schon mal. Trotzdem denke ich, kann man ihn aus gegebenem Anlaß nochmal zeigen.

Falls jemand den Film runterladen will, um ihn weiter zu verbreiten oder auf seiner eigene Seite einzubauen. Eine gute Version gibt es unter for-freedom.cc

State of Play: A first Look

Für unsereins der Pflichtbesuch im Kinosommer: State of Play (Kinostart, morgen). Ein Film über investigativen Journalismus, über Zeitungskrise und das Binnenverhältnis zwischen Onlinern und Print-Leuten. Wirklich sehenswert ist die Karre von Cal McCaffrey (Russell Crowe) vom Washington Globe. Natürlich ein 1990er Saab (Koenigsegg) – offenbar das globale Lieblingsvehikel der Medienmeute. Hier schon einmal tolle Autobilder und ein schöner Dialog.

Online: Ich bin Della, Della Fry, ich schreib den Capitol Hill Blog, Online-Redaktion. Ich bin ein großer Fan von ihnen. Ich schreib gerade etwas über private Beziehungen innerhalb der Politik, alleinstehende Frauen, so was. Und wie Sie sicher wissen, gab es mit ihrem Freund heute im Capitol diesen Zwischenfall.

Print: Ist da irgendwo eine Frage in Sicht?

Online: Ja, haben Sie heute mit ihm gesprochen?

Print: Wollen Sie mich etwa in Ihren Artikel einbauen?

Online: Nein, ich will nur etwas Hintergrundmaterial.

Print: Soll heißen: schmutzige Geschichten?

Online: Meinen Sie, das er eine Affäre mit der Frau hatte?

Print: Tja. Della? Keine Ahnung. Da müsste ich wohl vorher ein paar Blogs lesen, um mir eine Meinung zu bilden.

Quelle: trailer/ state-of-play.de