Foto: NRW.Bank Baganz steht rechts
Gestern hat der Mülheimer CDU-Oberbürgermeisterkandidat Stefan Zowislo für Aufregung gesorgt. Er hat angekündigt, die Wahrheit über den Rücktritt von Jens Baganz zu enthüllen. Dabei spielt eine Frage eine große Rolle: Warum tut er das?
Ich habe mit Stefan Zowislo gesprochen. Er sagt, er will für einen sauberen Umgang in der Stadt stehen. Er will sich dafür einsetzen, dass es ehrlich und offen zugeht. Und wenn er das erreichen will, müsse er eben bei sich selber anfangen. „Natürlich müsste ich mir die Frage stellen lassen, wie meine Rolle im Baganz-Fall aussah. Deswegen habe ich mich entschlossen, diese Frage selber zu stellen.“ Das sagt Stefan Zowislo. Bevor er die Probleme in der Stadt angehen kann, will er seine eigenen Probleme angehen.
Bis jetzt ist schon einiges bekannt aus dem Fall Baganz. Konsequenzen gab es bis auf den Rücktritt des damaligen Oberbürgermeisters nicht.
Im Kern hatte Baganz seiner Geliebten Aufträge zugeschanzt und sich mit ihr in Hotels getroffen, während seine Frau mit den Kindern zu Hause saß. Es ging um den Verkauf von städtischem Eigentum: zum Beispiel der Deal mit dem RWE um die Wasserwerke RWW oder den Teilverkauf der Müllheimer Entsorgungsbetriebe an Trienekens. Immer dabei Baganz und seine Geliebte.
Nach seinem Rücktritt sah es zunächst aus, als wollten SPD und Grüne wissen, was genau vorgegangen war. Doch die Aufklärung war tatsächlich mau. Bis heute wird der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zum Fall B. geheim gehalten. Nur soviel ist sicher: Die Prüfer fanden „korruptionsspezifische Indikatoren”. Und sie empfahlen eine Strafanzeige.
Das war’s. Die städtische Spitze lehnte eine Anzeige ab, wusch sich die Hände und Ende. Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte alle Ermittlungen ein – unter anderem, weil die Stadt keine Strafanzeige gestellt hatte.
Baganz selbst bestreitet auch heute noch jede Untat. Alles nur Gerede, das sich selbst entlarvt und nichts zu bedeuten hat. Genauso weist er die Anschuldigungen von Zowislo zurück.
Dabei kann man damit rechnen, dass sich der heutige Mülheimer Oberbürgermeister auskennt. Als Baganz noch Stadtchef von Mülheim war, war Zowislo als sein enger Vertrauter an vielen Entscheidungen beteiligt.
Und als Ex-Insider wundert sich Zowislo nicht, dass Baganz und die heutige Stadtspitze keine Probleme sehen: Die Leute, die selbst an der Nummer beteiligt waren, wollten sich halt nicht selbst vor Gericht bringen. Ganz vorne mit dabei neben Baganz:
– der CDU-Mann Frank Steinfort, Stadtdirektor und Rechtsdezernent, damals enger Mitarbeiter von Baganz,
– Ulrich Ernst (SPD), damals ein Mann der Stunde in Baganaz Umfeld, oft mit dabei, wenn es um Entscheidungen ging, dann Bürochef (in Mülheim großspurig Stadtkanzleichef genannt) von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) und heute Sozialdezernent der Gemeinde
– Jörg Dehm, damals persönlicher Referent von Baganz und heute Kämmerer in Dinslaken.
Diese Kombo hat noch nicht aufgegeben. Seit gestern prüft Steinfort im Auftrag der Stadt, ob er gegen Zowislo juristische Schritte einleiten kann – welche auch immer.
Diese Spur will ich jetzt nicht vertiefen. Ich will etwas anderes fragen.
– Warum kann sich Zowislo diesen nie gesehenen Affront überhaupt erlauben?
– Warum traut er sich, einen amtierenden Staatssekretär aus der eigenen Partei anzugreifen, zumal bekannt ist, wie wütend CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers über Querschläger in der eigenen Partei werden kann.
Wenn Leute aus der CDU-Führung in Düsseldorf heute in Mülheim nach Antwort auf diese Fragen suchen, werden sie das hier finden.
Jens Baganz hat die Erde an der Ruhr verbrannt.
Ich bin mir sicher, kein CDU-Mann aus der ersten Mülheimer Reihe wird ein gutes Wort an Baganz lassen. Es geht zum einen um möglicherweise kriminelle Hintergründe.
Dann geht es aber auch um die persönliche Integrität des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium. Und was man hört, ist nicht freundlich.
In seiner Zeit als Oberbürgermeister lebte Baganz als evangelischer Presbyter mit Frau und zwei Kindern in einer geräumigen Villa. Bieder könnte man sagen. Andere meinten, die Familie habe den Kennedys von der Ruhr geglichen.
Damals sollten 49 Prozent der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft verkauft werden. Ein Abnehmer stand bereit. Die mittlerweile berüchtigte Trienekens AG aus Viersen übernahm am 30. September 2000 genau 49 Prozent an der MEG.
Nach einem Bericht des Mülheimer Rechnungsprüfungsamtes war das ein dubioser Deal, ganz im Filzmuster der rheinländischen Müllskandale von Köln und anderswo.
Der Reihe nach: Laut Bericht hat die Stadt Mülheim die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Heuking, Kühn und Partner mit der rechtlichen Beratung bei dem Müllgeschäft beauftragt. Allerdings, so die Rechnungsprüfer, habe es keine Ausschreibung für den Beratervertrag gegeben. Weiter bemängeln die Prüfer, dass nicht einmal ein Vertrag über die Beratung „vorgelegt“ werden konnte.
Vertreten wurde die Kanzlei im Trienekens-Geschäft unter anderem von der Anwältin Ute Jaspers.
Frau Jaspers vertrat die Stadt laut Prüfbericht auch am 15. Juni 2000 vor der Vergabekammer der Bezirksregierung als „Verfahrensbevollmächtigte der Stadt“.
Pikant dabei: Jaspers wurde in etwa dieser Zeit die Geliebte des damaligen Mülheimer Oberbürgermeisters Baganz, wie sich Vertraute des Pärchens erinnern.
Auch gut. Aber es geht mieser. Man würde erwarten, dass die Stadt ihre Rechtsberater Heuking, Kühn und Partner bezahlt.
Doch genau das passierte nicht.
Vielmehr beglich Trienekens die Beratungskosten der Stadt. Dazu rechnete der Müllmanager nach einer Kostennote vom 29. September 2000, die im Besitz der Stadt ist, 316.922 Euro direkt mit der Kanzlei der Baganz-Geliebten ab.
Im Klartext: Müllmann Trienekens bezahlt die Baganz-Geliebte, damit diese ihren Geliebten dabei berät, wie er städtische Betriebe an Trienekens verkauft. Und obendrauf sitzt die betrogene Frau mit den Kindern zu Hause und ahnt nichts.
Integer geht anders.
Als die Nummer bekannt wurde, verließ Baganz seine Familie. Nach kurzer Schamfrist zog er mit seiner Geliebten in eine geräumige Villa mit Rheinblick und Treppengiebel. Ganz tief versteckt hinter den anonymen Mauern des Düsseldorfer Reichenvorortes Wittlaer.
Die verlassene Frau mit den Kindern zog in eine Mülheimer Etagenwohnung. Baganz sorgte nicht besonders gut für sie.
Stattdessen gab es Streit vor Gericht. Der in einer Rheinvilla lebende Baganz forderte von seiner Ex-Frau Unterhalt. Angeblich insgesamt 2000 Euro. Sich selbst rechnete Baganz in diesem Streit fast mittellos. Die Luxuswohnung habe schließlich seien Geliebte gemietet. Das ganze wurde öffentlich.
Einem großen Skandal entging der damals schon als Staatssekretär vereidigte Baganz trotzdem um Haaresbreite. Die Bild-Zeitung hatte einen dicken Patzer gemacht und geschrieben, der Unterhalt wäre jeden Monat zu zahlen. Das war Unsinn, es ging nur um einen Betrag. Juristen stoppten die Veröffentlichungen.
Die Ex-Frau von Baganz leidet. Sie wurde in ihrer Etagenwohnung gedemütigt. Von ihrem damaligen Mann, der mit seiner Geliebten in einer Villa lebte.
Aber damit ist nicht Schluss. Baganz ärgert seine Ex-Frau weiter, auch heute noch. Oft geht es um Kleinigkeiten, wie man hört.
Fast jedes CDU-Mitglied in Mülheim weiß das.
Das ist der Grund, warum die CDU-Spitze in NRW bei ihre Nachfragen hören wird, dass Baganz in Mülheim keine Freunde hat. Und Stefan Zowislo handeln kann, wie er handelt. Es geht ihm, wie gesagt, um politische Integrität.
Ein Mitglied des CDU-Landesvorstands hat mir mal gesagt: "Es war Irrsinn, Baganz in die Regierung zu holen." Und der damalige CDU-Fraktionschef in Mülheim, Paul Heidrich meinte: „Ich hätte dringend davon abgeraten, ihn zu berufen.“
Aber offensichtlich wurde niemand in Mülheim gefragt, was von Baganz zu halten sei.
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) muss jetzt die Folgen ertragen oder handeln.