Es wird viel gewählt werden an diesem Samstag, hauptsächlich die Landesliste für die Bundestagswahl 2009. Nach einem Freitag mit einigen Anträgen und den üblichen Formalia stand Samstag morgen schon recht früh wieder Oskar Lafontaine (Fotos: Die Linke) auf dem Programm – er will noch zur Demo "Wir zahlen nicht für eure Krise!" nach Frankfurt. Dann ging es mit einigen Foto- und Zitats-freundlichen Reden und Posen um Opel. Man wolle Opel General Motors wegnehmen und den Arbeitern überantworten. Und damit live in’s Geschehen und zum Alltag der Delegierten – die Demo und "Oskar" gibt es ja im Fernsehen heute abend.
11:30 Uhr: Man ist dann doch erst bei Tagesordnungspunkt 2 c) statt 8 und sucht Personal für das Wahlprocedere. Das Präsidium schlägt vor, bis Listenplatz 10 zu wählen, egal wie lange es dauert. Keine Änderungsanträge. Tagesordnung verabschiedet. Das ging fast einstimmig. Dann aber doch noch ein wenig Bemühungen, das Ganze noch weiter zu straffen, auch ohne "Gefälligkeitsfragen" und "Abschussfragen". Daher sollen Fragen an die KandidatInnen für die Listenplätze vorher schriftlich eingereicht werden. Man möge auch nur kurz antworten, Redezeit solle KandidatInnen nur beim erstmaligen Kandidieren gewährt werden, etc.
12:00 Uhr: Draußen vor der Tür berichtet die Raucherfraktion von einem äußerst disziplinierten Freitag. Eine Delegierte konstatiert: "Das beweist doch: Die Linke ist lernfähig." An den Stehtischen vor der Halle im Inneren steht u.a. Frau Wagenknecht im kleineren Kreise, an Infoständen gibt es diverses Material: "Make NATO History!". "Fight Precarity!". Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. wirbt mit Slogans wie "Privilegien der Kirchen in Deutschland abschaffen!" und "Gegen den Einzug der Kirchensteuer durch den Staat". Mehr Demokratie e.V. sammelt für "Volksentscheid ins Grundgesetz". Arbeitsberichte der Abgeordneten, Aufrufe der Jugendverbände, Zeitungen einzelner Kreisverbände. Wieder im Saal wird ein Papier mit Auszügen aus der Rede Lafontaines verteilt. Erster Satz: "Es gilt, keine Minute zu verlieren, um den Sozialismus in diesem Lande zu verwirklichen". Die Kollegin zur rechten in den Pressereihen kommentiert: "Dabei war das ja wohl die sozialdemokratischste Rede, die er in den letzten Jahren gehalten hat."
12:30: Der Listenplatz eins für die Gewerkschaftssekretärin Ulla Lötzer geht ohne Gegenkandidatur durch. Ihre Schlagworte: "Rekommunalisierung", "Banken in die öffentliche Hand", "den Brandstiftern wie Merkel (und Schröder) nicht das Löschen überlassen", sondern den für die Versammlung den Titel stellenden "Schutzschirm für die Menschen" bauen. Keine Fragen an die Kandidatin. Wie aus den vorher via Internet veröffentlichten Antworten auf Fragen aus der Partei zu erfahren ist, spendet Frau Lötzer aus ihrer Diätenerhöhung an das Stadtteilzentrum Buchforst in ihrem Wahlkreis und muss sich dazu äußern, warum die Gewerkschaften die heutige Demonstration nicht unterstützen. Sie verweist im Grunde auf ihre parlamentarische Arbeit und erwähnt, dass die Entstehung von Die Linke überhaupt erst einmal zur "Bewegungsfähigkeit" der Gewerkschaften in Deutschland beigetragen habe. Es wird ausgezählt, Material verteilt, hier und da etwas verlesen, gelesen, diskutiert. Brötchen gegessen.
Auf der Leinwand hinter dem Podium werden auch mal Kuchendiagramme gezeigt, welche Partei wie viele Spenden von wem bekommt. Irgendwie erhält Die Linke keine Spenden, laut dieser Statistik. Oh, dann doch: 222.799 Euro von "Mitgliedern, Freundinnen und Freunden". Die CDU ist Spitzenreiterin der Spendencharts mit gut dem zehnfachen Betrag. Dann liest Landessprecher Wolfgang Zimmermann, eher sehr nüchtern, sachlich und kurz ein Grußwort des DGB-Vorsitzenden von NRW vor. Es folgen ein paar stumme Werbespots mit malenden Mädchen und ähnlichem. Ulla Lötzer wird gewählt, mit 138 von 198 Stimmen. 39 mal "Nein", 21 Enthaltungen. Glückwunsch und Applaus, weiter geht es: Hüseyin Aydin (Ex-SPDler) gegen Ulla Jelpke ("Komm mit in die Friedenslok!", "Nazis weg von den Straßen!") um Platz 2. Detlef Hertz wird vorgeschlagen, will aber nicht bzw. darf aber nicht in den Ring. Dann: Reden, Rhetorik, Kampf um Stimmen. Aydins Rede gerät recht laut und anstrengend. Tipp: Der wird es nicht.
14:00 Uhr: Ende der Mittagspause, in der die Kameras und JournalistInnen ihre Vorlieben für das Thema "Wagenknecht" nicht gerade verhehlt haben. Die kommt dann aber erst für Listenplatz 5. Genau hiernach steht dann auch eine Pressekonferenz an. Klare Dramaturgie. Und der Listenplatz 2 der Landesliste Die Linke NRW für die Bundestagswahl 2009 geht an…: Ulla Jelpke. Mit 119 gegen 71 Stimmen. Ein Video aus Berlin wird via You Tube eingespielt.
Es folgt das Duell um Listenplatz 3: Inge Höger (bezeichnet sich als Abrüstungsexpertin; Abschlussatz: "Wir zahlen nicht für eure Krise und wir zahlen nicht für eure Kriege!") gegen Ingrid Remmers (eher mit sozial- und familienpolitischer Note). Nach den Reden die Stimmabgabe und dann direkt vier Vorschläge für Platz 4 und die entsprechenden Vorstellungen. Das wirkt jetzt zunächst recht demokratisch, gar nicht wie Strömungs- oder Flügelabsprachen, und das Auditorium lauscht den Kandidaten. Genau, es wird ja quotiert, das ist jetzt die ganz große Männer-Rutsche. Der realistische Tipp: Paul Schäfer, der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, wird es machen. Inge Höger hat es für Platz 3 schon geschafft, aber recht knapp.
15:15 Uhr: Britta Pietsch (Betriebsratsvorsitzende und Krankenschwester, Schwerpunkt Gesundheitspolitik) gegen Sahra Wagenknecht (Kommunistische Plattform, Parteivorstand). Spannend ist das alles noch nicht, der "people mix" von Die Linke NRW sieht allerdings ganz ordentlich aus, mit gewerkschaftlich Orientierten auf den Spitzenplätzen und dann noch etwas Extra-Prominenz danach. Zwei türkisch-stämmige Ex-LandeslistenvertreterInnen sind dafür aber definitiv nicht mehr auf den aussichtsreichsten Plätzen zu finden. Hüseyin Aydin kandidiert nach der Niederlage gegen Ulla Jelpke neben einigen vielen anderen für Platz 6. Zu seinen Gunsten zieht ein Kandidat denn auch direkt zurück. Und die drei, die für Platz 4 nicht gewählt wurden, kandidieren ebenfalls nicht für Platz 6. Einzige Kandidatin für Frauenquotenplatz 7 ist fast erwarteter Weise Sevim Dagdelen. Der realistische Tipp: Das muss Aydin also eigentlich machen. Und Dagdelen auch.
Aber parallel dazu findet auch die Pressekonferenz der SpitzenkandidatInnen statt. Mit Paul Schäfer (59,2 Prozent) für Platz 4 und Sahra Wagenknecht für Platz 5 natürlich, die 143 von 202 Stimmen holt. Man singt "Vorwärts, und nicht vergessen!", Blitzlichter, etc.
17:00 Uhr, Nachtrag: Es war eine sehr entspannte Pressekonferenz. Man trete gegen alle anderen Parteien an, nicht nur gegen die SPD. Die Frage nach möglichen Koalitionen sei nicht so entscheidend wie die gesellschaftliche Veränderung durch das Agieren der Partei, zum Beispiel in die Gewerkschaften hinein. Im Saal: Hüseyin Aydin musste noch in die Stichwahl gegen Andrej Hunko. Es wird noch gezählt. Sevim Dagdelen erhält weit über 70 Prozent für ihren Platz 7.
19:00 Uhr, letzter Nachtrag: Andrej Hunko hat sich tatsächlich auf den fast aussichtsreichen sechsten Listenplatz geschoben. Den achten erhält der Jungkandidat Niema Movassat von der linksjugend. Das sieht nun insgesamt recht plausibel aus, man fragt sich aber schon, was Hüseyin Aydin alles falsch gemacht hat. Die folgenden Plätze des Samstags und Sonntags werden nämlich nicht von großer Bedeutung sein.