Buzzcocks live im Webstream

Am 11. Februar spielt die meines Wissens älteste Punkband der Welt live und in Farbe im Internet.

Buzzcocks Website Foto: Screenshot

Gegründet wurden die Buzzcocks immerhin 1975.1978 waren sie mit "What do I get?" erstmals in den britschen Charts vertreten. 

Ihr Konzert am Mittwoch 11. Februar im Amsterdamer Paradiso wird leicht zeitversetzt ab ca. 19.30 im Internet beim Fabchannel gestreamt. 

Fabchannel.com ist ein holländisches Portal das bereits vor dem großen Hype um Youtube.com und allen "MeToos" aus dem Webvideobereich Konzerte live streamed. Ein Großteil der Gigs ist als Konserve auch nach dem Konzert abrufbar. Rechtemäßig scheinen die Holländer uns da ein paar Schritte voraus zu sein. 

Hierzulande gibt es zwar mit Concertonline auch Ansätze, Konzerte online verfügbar zu machen. Das Ganze ist aus meiner Warte wenig userfreundlich und ich habe es daher auch noch nicht ausprobiert. Hupsa, sehe gerade, dass die schon wieder weg vom Fenster sind. NACHTRAG: Concert-Online.de hat  scheinbar nur die Url verändert und ist jetzt hier zu erreichen. Zudem haben sie just im Januar eine weitere Finanzierung von der Venture Abteilung des Verlags DuMont aus Köln erhalten.

Zu Fabchannel muß man sagen, das die Tonqualität vorzüglich ist und mit den Jahren auch die Bildqualität extrem zugenommen hat. Kein Vergleich mit dem Daumenkino bei Youtube. 

Beim Stream kommt es Anfangs zu Verzögerungen. Daher mein Tipp etwas später einsteigen.

Grüne greifen Regionalverband Ruhr an

Grünen-Fraktionsvorsitzender Martin Tönnes Foto: RVR

In der Diskussion um die Verteilung der Gelder aus dem Konjunkturpaket II greifen die Grünen im Regionalverband Ruhr (RVR) die Spitze des Verbandes an. Dieser habe sich "vollständig ins Abseits" stellen lassen. Das pikante dabei: die Grünen bilden mit der SPD eine Koalition im RVR.

Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im RVR, Martin Tönnes, sagt im Wortlaut:

Sowohl in den Freizeitgesellschaften des Regionalverbandes Ruhr (RVR) wie auch bei den regionalen Radwegen gibt es einen erheblichen Investitionsbedarf. Die Revierparks haben in den jeweiligen Standortkommunen eine hohe städtebauliche Bedeutung. Die explodierenden Energiekosten für den Betrieb der Schwimmbäder und Freizeitangebote sind eine Hauptursache für den wachsenden Zuschussbedarf. Die maroden Anlagen sind weitgehend Energieverschwender. Die Umwelt und die kommunalen Haushalte können durch eine Sanierung nachhaltig entlastet werden. Zusätzlich müssen die regional bedeutsamen Freizeitangebote im Hinblick auf den demografischen Wandel entsprechend angepasst und zukunftssicher gemacht werden.

Im Unterschied zu den beiden Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen, die 36,7 bzw. 41,3 Millionen Euro für Bildungs- und Infrastrukturinvestitionen erhalten, steht der Regionalverband Ruhr bei der Verteilung der Mittel vollständig im Abseits. Der Regionaldirektor ist jetzt dringend aufgefordert entweder beim Land auf eine Gleichbehandlung mit den Landschaftsverbänden zu pochen oder mit den Städten als Miteigentümer der Revierparks entsprechende Vereinbarungen über die dringend notwendigen Investitionen zur Energieeinsparung zu treffen.

Ich persönlich habe wenig Hoffnung, dass RVR-Regionaldirektor Heinz-Dieter Klink irgendwo wirkunsvoll drauf pochen kann.

Oje – NRW.SPD unter Kraft im Sturzflug – auch im Revier

Foto: SPD

Nach der aktuellen Stern-Umfrage kann die SPD in NRW nur noch auf 26 Prozent Zustimmung unter den Wählern hoffen. Und das in einem Jahr, in dem wichtige Wahlen in den Kommunen anstehen. Fatale Aussichten. Vor allem die niedrige Zustimmung für SPD-Frontfrau Hannelore Kraft von nur 17 Prozent stimmt spektisch. Rüttgers kann dagegen auf 56 Prozent aller NRW-Bürger setzen.

Besonders hart ist folgendes Ergebnis der Stern-Untersuchung: Demnach würden nur 34-Prozent der SPD-Anhänger für Kraft stimmen – 43 Prozent für Rüttgers. Zitat Stern: " Die SPD-Spitzenfrau kann nicht einmal in ihrer Heimatregion, dem Ruhrgebiet, die Mehrheit der Wähler hinter sich versammeln."

Mir stellen sich nun zwei Fragen:

Muss die SPD die Debatte um die Linkspartei öffnen? Wenn sie sich weiter abgrenzt, verliert sie in meinen Augen ihre Daseinsberechtigung. Was will man mit einer Partei in der Sandwichposition zwischen Linken und CDU?

Muss die SPD ihre Kampagne pro Kohle aufgeben? Der Kampf um die Kohle ist doch eigentlich vorbei. Die Ausstiegsklausel aus dem Ausstieg in 2012 nur ein Feigenblatt. Nur mal so als taktische Überlegung. Würde Kraft die Kohle aufgeben, könnte die SPD schneller als nicht-mehr-nach-rückwärts-gewandte-Subventionspartei-für-abgeschriebene-Industrien gelten. Kraft könnte neue Wähler in der Mitte ansprechen, während die Linkspartei mit den klassischen Altthemen wie Kohlesubventionen den linken Rand abfischt. Um alles kann sich Kraft nicht kümmern, wie man an den Zahlen sieht. Und wenn beide gut sind, können sie nachher eine rot-rote Regierung in NRW bilden. Mit der Rüttgers-CDU klappt sowieso keine große Koalition in NRW.

Der Vollständigkeit halber hier die wenig überraschenden Werte der anderen Parteien. Wären jetzt Landtagswahlen, könnte die CDU laut Stern auf 42 Prozent kommen, die FDP würde den Rekordwert von 13 Prozent einfahren, für die Grünen blieben 9 Prozent übring und die Linkspartei käme mit 6 Prozent in den Landtag.

Die Datenbasis der Forsa-Umfrage ist repräsentativ. 10.031 Bundesbürger wurden im Januar 2009 interviewt. Die statistische Fehlertoleranz liegt laut Stern bei +/- 2,5 Prozentpunkte.

Bevor es losgeht mit Forsa. Der ehemalige SPD-Spezi und Instituts-Chef Manfred Güllner wird von den Genossen nicht mehr geliebt, seit er auch schlechte Zahlen für die SPD bekannt gibt.

Eine spannende Geschichte aus dem Zeitungsmilieu

Nein, nicht in der Wirklichkeit, sondern in dem elektronischem Medium TV gibt es heute Abend auf 3Sat um viertel vor elf ein Wiedersehen mit "Major Kottan".

Im Dienstwagen zum EinsatzortDarsteller des Kottans ist Lukas Resetarits, der den Kottan mithin am längsten geben durfte. Der heutige Klassiker aus dem Jahre 1981 trägt den Titel "Die Einteilung" und spielt im Zeitungsmilieu: Von zwei bestechlichen "Einteilern" – dass sind die, die den Verkäufern abends die Verkaufsplätze zuweisen – wird einer ermordet und Kottan macht sich auf die Jagd.

Alles zur Serie auf kottan-ermittelt.at

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Broder-Interview Teil 2: Über Ahmadinedschad und das schlechte Gewissen der Europäer

Henryk M. Broder Lizenz: GNU Free Documentation License, Version 1.2 Foto: Sven Teschke

Henryk M. Broder legt im zweiten Teil seines Interviews mit den Ruhrbaronen nach. Er spricht über den steigenden Judenhass in Europa, die Angst der Europäer vor Auseinandersetzungen und das schlechte Gewissen hierzulande. Vor allem der Papst kriegt sein Fett weg. "Ein absoluter Skandal" sei die Aufnahme bekennender Holocaust-Leugner in die Kirche. Den ersten Teil des Interviews gibt es hier zu lesen: klack

Ruhrbarone: Herr Broder, ich habe gelesen, Sie bekommen regelmäßig Hass-Briefe…

Gar nicht so viele. Extrem wenige. Deswegen stelle ich diese dann auch sofort online.

Dennoch polarisieren Sie mit Ihren Urteilen. Wie gehen Sie damit um, auf so viel Widerstand zu stoßen? Es gibt beispielsweise mehrere Internetseiten, die sich ausschließlich damit beschäftigen, Ihre Argumente zu widerlegen und Sie zu beschimpfen. Wie geht man damit um?

Ich weiß, es gibt mehrere solcher Seiten. Ich kann den Leuten nichts verbieten. Diese Leute haben wahrscheinlich nichts zu ficken. Sie haben keine Haustiere, haben keine Blumentöpfe, die sie gießen müssen, haben keine Angehörigen und auch keinen Dackel, den sie Gassi führen können. Die haben nicht einmal Brieftauben, aber sitzen da und beschäftigen sich den ganzen Tag mit mir. Klägliche Existenzen!

Die FAZ schrieb kürzlich über Sie, Broder habe nie Recht, aber auch nie ganz Unrecht…

Das kann schon sein. Ich finde, ich habe Recht.

Was sagen Sie zu Stefan Niggemeier (Niggemeier ist ein Kritiker Broders. Er schreibt regelmäßig für die Faz Fernsehkritiken).

Wenn wir zurzeit von Lassalle lebten, würde ich mich mit ihm duellieren. Sie haben nichts verpasst, wenn Sie ihn nicht kennen: Erbsenzähler und Sesselpupser. Niggemeier liebt die Bild-Zeitung und liest sie täglich und braucht dafür einen Vorwand, weshalb er einen kritischen Bild-Blog macht. Es gibt Leute, die lieben Pornographie und können sich ihrem Gegenstand der Begierde nur über den Mantel der Empörung nähern.

Bekommen sie auch Zustimmungsbriefe?

Ja, sehr viele. Von zehn Briefen, die ich bekomme, sind sieben zustimmend, einer ist gemein und zwei sind eher ausgewogen.

Als Ralph Giordano sich als Kölner Bürger gegen den Bau einer Moschee aussprach, erhielt er – ohne es zu wollen – auch von rechten Gruppen Unterstützung. Ist Ihnen das im Zusammenhang Ihrer Kritik am Islam auch schon einmal widerfahren?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe aber auch eine andere Position als Giordano. Ich sehe im Bau von Moscheen und Minaretten kein Problem. Diese Leute sind hier und haben dasselbe Recht wie jeder andere. Ich habe andere Fragen. Es wurde diese Woche eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass Türken die am schlechtesten integrierte Gruppe sind.

Warum schaffen es Iraner und polnische Juden sich hier zu integrieren und Türken nicht? Ich frage mich schon, warum sie permanent Moscheen bauen und nicht Nachhilfestunden für Jugendliche geben, die Probleme in der Schule haben und nicht klar kommen. Das ist mein Punkt der Kritik, nicht die Höhe der Minarette. Das Problem der Türken und der Moslems überhaupt ist meiner Ansicht nach, dass sie immer zwischen zwei Polen gelebt haben. Der eine Pol ist die Überzeugung von der eigenen Überlegenheit durch den Glauben, was natürlich völliger Unsinn ist, auch wenn fast jede Religion glaubt, dass sie besser ist als andere. Der zweite Pol ist die permanente Erfahrung der eigenen Unterlegenheit in der Gesellschaft. Aus diesem Konflikt kommen sie nicht heraus. Mein Freund Leon de Winter sagt auch: „Natürlich bin ich das auserwählte Volk. Ich bin was Besseres. Aber: Ich muss trotzdem arbeiten.“ Sie können also ruhig glauben, dass sie auserwählt sind. Allein auserwählt sein bringt noch nichts auf den Teller. Und noch was: Der Unterscheid zwischen muslimischen Männern und Frauen ist unglaublich. Eine Gesellschaft, die damit beschäftigt ist, die andere Hälfte zu unterdrücken, kann nichts werden.

Haben Sie Angst, wenn Sie an Theo van Gogh und die Entschlossenheit einiger Moslems denken?

Nein, ich habe keine Angst. Ich bin Fatalist. Meine Mutter hat Ausschwitz überlebt, mir kann nichts mehr passieren.

Was war damals für Sie der Grund nach Israel zu ziehen, hatten Sie Deutschland und alles was damit zusammenhängt über?

Offiziell, dass ich von den deutschen Linken die Schnauze voll hatte, die damals genau damit anfingen, womit wir es heute zu tun haben. Mit einem modernen, aufgeklärten antizionistischen Antisemitismus. Aber wenn ich mir das tatsächlich überlege, war das deshalb, weil ich weit weg von meiner Mutter wollte. Das ist mir aber erst später klar geworden. Wie bei so vielen meiner Generation konnten wir die Familienmotive nicht in den Vordergrund stellen, also mussten wir politische Motive vorschieben.

Mit welchem Gefühl reisen Sie heute nach Israel?

Ich fahre sehr gerne hin. Es ist ein tolles Land. Ich bin jetzt 62 Jahre alt und würde dort noch gerne Frieden erleben. Damit die Leiden der Palästinenser aufhören und damit sich in Israel die kreativen Ideen entfalten können, die jetzt schon aufblühen. Wenn Frieden erreicht werden sollte, würde das Land wahrscheinlich vor Kreativität und Einfallsreichtum platzen.

Wie erklären Sie sich den Prozess Ihrer Entfremdung von der deutschen Linken?

Außer bei Oscar Lafontaine ist das, glaube ich, ein völlig natürlicher Prozess, dass jemand der links ist, im Laufe des Reiferwerdens irgendwann nicht mehr links ist. Bei mir aber trifft das nicht zu. Ich bin noch immer links, nur die Linke hat sich katastrophal gewandelt. Sie ist chauvinistisch, nationalistisch, kleinlich geworden. Sie hat eigentlich alles verraten, wofür sie früher gestanden hat. Es ist eine Linke, die sich mit ihrer Geschichte genauso schwer tut wie die gesamte Gesellschaft und die dann irgendwann den Antisemitismus als kleinste gemeinsame verbindliche nationale Frage entdeckt hat. Schauen Sie sich nur an, was für Debatten es heute innerhalb der Linkspartei gibt. Man könnte meinen, Treitschke ist wieder auferstanden und erklärt die Judenfrage zur zentralen Frage des deutschen Bewusstseins. Aber der entscheidende Auslöser war die Entführung der Air France Maschine nach Entebbe, Uganda und die Selektion jüdischer Passagiere. Danach haben sämtliche linken Gruppen in der Bundesrepublik nicht die Entführung bedauert, sondern die israelische Befreiungsaktion. Da haben sich unsere Wege getrennt.

Wie hat man Sie damals in der Linken aufgenommen, war das ein Familienersatz für Sie?

Ja, eine erweiterte Familie. Außerdem war meine erste Freundin Trotzkistin. Aber es ist mir Schlimmeres erspart gewesen.

Wie waren die Reaktionen auf die Arte-Sendung „Durch die Nacht mit…“, in der Sie mit Bild-Chefredakteur Kai Diekmann einen Abend verbringen und sich erstaunlich gut verstehen?

Ich habe sehr nette Briefe bekommen, habe die Sendung aber selber nicht gesehen, da ich in Israel war. Erstaunlicherweise wirkte Herr Dieckmann auf mich nicht unsympathisch. Dieckmann ist auch sympathisch. Ich war selbst überrascht, er ist Etagen besser als sein Ruf. Er ist ein richtig netter Mann.

Macht es das nicht umso schlimmer, dass ein reflektierter und differenzierter Mann wie Dieckmann bewusst eine solch würdelose und teilweise menschenverachtende Form von Journalismus betreibt?

Dieckmann glaubt aber, er macht guten Journalismus. Ich finde, die Bild-Zeitung ist eine unheimlich schlechte Zeitung. Nicht weil es eine Boulevard-Zeitung ist, sondern weil sie so ist wie sie ist.

Das Judentum ist im Werk ihres Freundes Leon de Winter ein zentrales Thema. Die Protagonisten hadern mit ihrer jüdischen Identität. Sie stellen sich die Frage, ob die jüdische Religion und die damit verbundenen Regeln ein überkommenes Relikt jahrtausend alter Zeiten ist. Wie würden Sie ihr Verhältnis zum Judentum beschreiben?

Ich denke darüber gar nicht nach.

Kein Hadern?

Das normale Hadern, ja! Jeder vernünftige Jude rennt dem Judentum davon. Nur die Konvertiten laufen dem Judentum zu. Das ist vollkommen normal. Meine Frau ist katholisch und läuft dem Katholizismus davon. Wir wissen aber beide, dass wir nicht davonlaufen können. Aus dieser Küche kommen wir und das bleibt an uns kleben. Aber das ist kein Hadern. Wenn die mich in Ruhe lassen, lasse ich die in Ruhe. Alles andere ergibt sich. Wissen Sie, das Judentum ist eine Mischung aus gutem Essen und schlechten Manieren. Ich kann mich damit gut arrangieren.

Wenn Sie sich Ihre Religionszugehörigkeit im nächsten Leben aussuchen könnten, für welche würden Sie sich entscheiden?

Im nächsten Leben möchte ich gerne Frau sein, einfach um zu gucken, wie das ist, wenn man immer unten liegen muss. Ich glaube übrigens tatsächlich an Reinkarnation, auch wenn ich völlig ungläubig bin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in einem vorigen Leben auf der Mayflower nach Amerika gesegelt bin. Immer, wenn ich nach Neuengland fahre, nach Boston, bin ich dermaßen unruhig. Ich muss schon mal da gewesen sein.

Die platonische Anamnesislehre.

Genau: Wiedererinnerung.

In Ihren Büchern gehen Sie des Öfteren auch auf Ihre Kindheit ein. Sie sind Kind von Eltern, die den Holocaust überlebten. Für viele Kinder der zweiten Generation war das mit Schwierigkeiten verbunden. Wie war das bei Ihnen?

Ich habe völlig meschuggene Eltern gehabt, die es mir sehr schwer gemacht haben. Aber ich kannte beispielsweise Kinder von Nazi-Eltern, die haben es noch schwerer gehabt, die habe ich noch getröstet. Dennoch habe ich schwere Macken davongetragen, wie jeder, der aus diesem Milieu kommt. Die schwerste Macke ist die, wenn zum Beispiel Mischu Friedman hingeht und sagt, er habe eine glückliche Kindheit gehabt. Das Kind von Holocaust-Überlebenden, das eine glückliche Kindheit gehabt hätte, muss noch geboren werden. Mir war immer klar, dass ich eine beschissene Kindheit gehabt habe und deshalb kann ich diesen Umstand heute gelassen hinnehmen. Ich muss meine Eltern nicht idealisieren. Sie waren schon ziemlich schrecklich.

Warum haben sie sich zur Bahai-Religion bekannt, laut Sandra Maischberger sind Sie konvertiert. Entspricht das der Wahrheit?

Nein! Es ist aber so, dass ich mich seit langem für die Bahai interessiere und auch gute Freunde unter den Bahai habe. Die Väter von zwei befreundeten Bahais wurden von den Mullahs totgeschlagen. Ich finde, die Art wie die Welt sich mit diesem Problem nicht beschäftigt ungeheuerlich. Wenn Sie Iraner kennen, werden Sie wissen, dass es feine, gebildete, kluge und weit von Gewalt entfernte Leute sind. Weder sprengen sie sich in die Luft noch sprengen sie andere in die Luft, weshalb es der Welt scheißegal ist, was mit den Bahais passiert. Ich bin es leid: Meine Mutter muss nicht mehr aus Ausschwitz befreit werden, aber vielleicht müsste man sich heute um die Bahais kümmern, die heute in der Tat so verfolgt werden wie die Juden in Deutschland bis 1939. Dass es keine systematische Massenermordung gibt, ist mir egal. Es reicht schon, wenn dutzende von Leuten verhaftet, gefoltert und getötet werden. Aus diesem Grund habe ich mich mit den Bahai solidarisiert, übergetreten bin ich aber nicht.

Von Maischberger wurden Sie aber als Bahai vorgestellt.

Das fand ich auch in Ordnung. Es hat immerhin ein paar Leute auf das Schicksal der Bahai aufmerksam gemacht. Ich sympathisiere auch wirklich mit den Bahais, das ist nicht nur Mimikry. Wenn es irgendwo eine humane, anständige, liberale und progressive Religion der Intelligenz gibt, dann sind es die Bahai. Mir geht es darum, dass sich die Leute bewusst werden, was heute im Iran mit den Bahai passiert. Wenn die Bahai ein Promille der Aufmerksamkeit bekämen, die die Palästinenser bekommen, dann wäre den Bahai schon viel geholfen.

Der neue Präsident der Vereinigten Staaten Obama versicherte der muslimischen Welt, die USA werde dieser Respekt entgegenbringen und die Hand ausstrecken, sofern diese ihre Faust löst. Halten Sie Obamas Schritt, mit dem Iran Gespräche aufzunehmen für richtig?

Ja. Wenn es gut geht, geht’s gut. Wenn es schlecht geht, dann hat er freie Hände, was zu unternehmen.

Man läuft manchmal Gefahr, Sie auf Ihre humoristische Seite zu reduzieren. Bereuen Sie es manchmal, dass Sie Journalist geworden sind und nicht den akademischen Weg mit Promotion und Habilitation wie Prof. Micha Brumlik eingeschlagen haben. Glauben Sie, auf diesem Wege würde man Ihnen mehr Gehör schenken und Sie ernster nehmen?

Wenn ich den Weg von Brumlik eingeschlagen hätte, wäre ich genauso ein langweiliger Akademiker geworden wie er einer ist. Dessen Sätze man viermal lesen muss, um sich hinterher zu fragen: „Wie hat er es nicht gemeint?“ Nein, das war für mich nie die Alternative und über einen Mangel an Aufmerksamkeit kann ich mich nicht beklagen. Jeder an seinem Platz.

Ein zentrales Merkmal des jüdischen Witzes ist, das erfahrene Leid humoristisch zu verarbeiten. Unter Juden beispielsweise heißt es, dass ein Antisemit sei, wer Juden noch mehr hasst als es normal ist. Aber im Ernst: Wo beginnt für Sie Antisemitismus?

Der Antisemitismus beginnt für mich dort, wo Leute Juden Sachen übel nehmen, die sie anderen nicht übel nehmen. Wenn ich beispielsweise höre: „Jüdischer Spekulant“, dann ist das Antisemitismus. Es spricht nichts dagegen, über den Spekulanten herzufallen, aber ich habe noch nie „katholischer Spekulant“ gelesen. Wenn Sie sich darüber aufregen, was die Juden in Gaza veranstalten, und darüber kann man sich aufregen, aber nicht mal wissen, was in Darfur oder Kongo passiert – das ist Antisemitismus.

Woher kommt diese Schieflage in der öffentlichen Wahrnehmung. Warum werden die Morde im Iran, Kongo und Darfur weitestgehend ignoriert?

Ich glaube, dass ganz Europa, nicht nur Deutschland, eine Rechnung mit den Juden offen hat. Der Holocaust war ein deutsches Projekt, das aber europäisiert wurde. Es gab von Estland, Lettland, Litauen bis Italien und Frankreich Kollaborationen. Es gab wenige Ausnahmen: Die Bulgaren haben ihre Juden gerettet, die Dänen haben ihre Juden gerettet. Ansonsten haben die Europäer kräftig mitgemacht. Ich glaube, dass es ein subtiles, unterbewusstes Bedürfnis der Europäer gibt, diese Rechnung über den Umweg, beispielsweise über Ahmadinedschad, zu Ende zu bringen. Wenn es einen zweiten Holocaust in Palästina geben würde, würde der vorausgegangene im Nebel der Geschichte verschwinden, sodass die Europäer von ihrem Schuldgefühl, das sie haben, entlastet werden. Die Europäer würden die Situation sogar nutzen, um Decken und Milchpulver an die Überlebenden zu schicken. Sie könnten sich also wieder mal als gute Menschen profilieren. Je mieser sich die Israelis, die Juden benehmen umso besser fühlen sich die Europäer, weil sie von ihrer Schuld entlastet werden. Das optimale Schuldentlastungsding wäre, das sage ich als Agnostiker, Gott behüte, das Ende Israels. Das würde die Europäer vollkommen von ihrem Holocaust-Komplex befreien. Das ist so, als würde jemand den man betrogen hat, sich selber als Betrüger herausstellen. Dann hat man kein schlechtes Gewissen mehr.

Kürzlich hat der Papst ein Dekret erlassen, in dem die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen eingestellten Priesterbruderschaft Pius X. zurückgenommen wird. Einer der Bischöfe, Richard Williamson, leugnet notorisch die Existenz von Gaskammern. Er sprach von höchstens 30.000 Toten. Daraufhin brach das israelische Oberrabinat alle Kontakte mit dem heiligen Stuhl bis auf weiteres ab. Wie haben Sie diese Entscheidung aufgenommen?

Das ist unglaublich. Ein absoluter Skandal. Ich hoffe, es ist eine Panne.

Trotz Unfehlbarkeit?

Selbstverständlich fehlbar. Die jungfräuliche Empfängnis möchte ich erleben und den unfehlbaren Papst. Nein, das hätte nicht passieren dürfen. Die Kirche generell steht nämlich, so denke ich, schon woanders. Es ist unsäglich und unmöglich. Dafür gibt es keine Erklärung. Er muss wissen, was da los ist und seine Kundschaft kennen. Er kann nicht einfach einen so extremen Antisemiten inkommunizieren, nachdem er exkommuniziert wurde. Er könnte einen seiner Ministranten zum Sündenbock erklären, stattdessen wird jetzt noch verdruckster versucht, die Sache zu erklären. (Pause) Extrem hässlich.

Zum ersten Teil des Interviews. klack

The story of Neda Soltani – A story of what media can do to an innocent person

// Um den Beitrag in deutsch zu lesen, klicken Sie bitte hier //

She who was presumed dead sat opposite me. She talked, she laughed, but sometimes I could feel her fear. Neda Soltani had to flee, she had to leave her homeland. Everything seems so different here at this obscure address near Frankfurt am Main – the snow, the frost, the rain, the inclement streets. It is a foreign country for this young woman.

Almost everyone in the world knows Neda Soltani’s picture. It appeared on TV and the Internet and in the newspapers in almost every house as the picture of someone who had died. This well-known portrait shows a young brown-eyed woman carefully made-up. The veil, obligatory in Iran, is pushed back slightly. One can see the beginnings of luxuriant hair. She smiles, gently, a bit innocent but friendly.

But right now, here in a café somewhere near Frankfurt Neda Soltani has become harder. She’s not wearing a veil anymore. One can see grey strands that are growing on her forehead. “It was a misunderstanding,” she says, “a mistake, an error with terrible consequences.” Neda Soltani got caught up in the tumult between the fronts after the fraudulent election in Iran. She was hounded, hunted and had to flee. Her old life fell apart like a shattered mirror. Her photo, that picture with the gentle smile, was torn from her.

Neda Soltani lived in Teheran up to half a year ago. She taught English Literature there. She speaks this language fluently, precisely and intelligently. In summer she completed a work on feminine symbolism in the works of Joseph Conrad. For that reason she had no time to take part in the protest in Iran. She had to do proof reading in June. “My aim was to become a professor one day, should I prove good enough for it.”

Her parents belong to the Iranian middle class. She does not want to say exactly where she grew up or what her family do. She is afraid. She is aware of the problems. She knows that things are not going well. But she was diligent when it came to learning. I was an academic, she says, “I worked hard for ten years to get a position as a lecturer in the university. I earned money, I went out with friends and I had fun.” She has none of that today. No work, no money and no friends to go out with. Neda Soltani is now 32 years old.

The story of her photo began on June 20th 2009. That day a young woman was shot down near Kargar Avenue in Teheran at 7 p.m. local time. She fell on her back and blood ran out of her mouth. On doing so she stared into a mobile camara, wounded, terrified and helpless. She died shortly afterwards on the way to hospital. The pictures of the dying woman appeared on Youtube.

The big TV stations soon got wind of the dying woman from Bloggers and Twitter. Editors tried to identify the woman. Pressed for time, they looked for pictures. Neda, her first name could be heard on Video. The internet quickly turned up a surname: Soltan, student at the Azad University in Teheran. Sombody used these data to search in Facebook.

Neda Soltani also had a profile there. There is not much accessible to the public in it. Only Neda’s friends had free access to the contents. But her photo was accessible at that time to every body.

It is not possible, anymore, to reconstruct who it was exactly who first gained access to the international portal for students, managers and housewives. It is also impossible to identify who it was who mistook the photo of Neda Soltani (below on the right) for that of the murdered Neda Soltan(below on the left).

But the fact is that on the night of June 21st 2009 someone copied the photo of the living Neda Soltani from her Facebook profile. It was sent to all the social networks, blogs and portals. Soon it was being used by CNN, BBC, CBS, ZDF, ARD and every other conceivable station. It was printed in the newspapers and magazines of dozens of countries. It all happened simultaneously world wide.

The photo of this young woman became the symbol of the freedom fight in the Persian Gulf. Furious people carried the picture of this alleged martyr before them in demonstrations. They carried it on their T-shirts and built alters to her. “The Angel of Iran” they called her.

How could it come to this photo swap? Soltani is a common name in Iran. Something like Miller probably. Neda is also not unusual. Somewhat similar to Sonja. The murdered Neda studied at the private Islamic Azad University, the living Neda Soltani was a lecturer there. Shouldn’t the media have done better research on the photo they were using instead of coping it directly from a Facebook profile and sending it around the world? Time was pressing, true, but one thing should have made them pause. The full name of the dead women was Neda Agha-Soltan. The name of the living Neda was simply Neda Soltani.

On the morning of 21st June 2009, the day after the shooting Neda Soltani was surprised by the number of people who wanted to register on her Facebook profile, allegedly as friends. There were hundreds from all over the world. They kept coming. There were telephone calls. A professor, a close friend, broke down in tears when he heard her voice.

At first Neda Soltani thought it was all a bad joke. Something that could be cleared up with two or three phone calls. A mistake that shouldn’t happen but then did. She began to write. She wrote that she was still alive. She wrote to the ‘Voice of America’, a popular broadcasting station in Iran. She told them that there had been a mistake, they had the wrong photo. She sent them her real photo as proof and asked the editors to make a comparison. Her photo was her. Neda Soltani never expected what then happened.

“Voice of America” broadcasted this new picture as a new picture of the dead Neda and CBS took it up. Neda Soltani got frightened. Everything she did to get back her true picture seemed useless.

She took her photo out of her Facebook profile so that nobody could make more copies of it. The next stone began to roll. Suspecting a censure her photo was copied in dozens and hundreds of Facebook pages all over the world. Blogs fixed it and Twitter sent it.

It was as if her own identity was subtracted from the photo and replaced by the longings of thousands of people. The smiling face of one presumed dead became the icon for an innocent victim in the freedom fight.

It was no help that on 23rd June 2009 genuine photos of the dead Neda Agha-Soltan were made available to all and sundry by her parents. Neda Soltani’s picture was still used.

Friends of Neda Soltani in Foren tried to correct the mistake. They were reviled with the words, “you bastards, you are not going to take the ‘Angel of Iran’ away from us.” It is as if a once believed-in mistake cannot be corrected.

This story is not just about a fiasco by the media in the artificial hectic they create when news gathering. This story also describes a cock-up created by the social media. The masses have the power in internet not only to expose lies, the masses can also create their own “truth” and defend it no matter how wrong. Few blogs bother to report the mistake. None of them had profile enough to be taken seriously.

The point came when it became clear to Neda Soltani that something had gone terribly wrong. Only a few journalists wrote to her about her Facebook profile and asked about her identity. None of them could or wanted to stop the deception.

Pressure was put on Neda Soltani in Iran. She was threatened. She feared for her family, for that reason she is not willing to say what exactly happened. Only one thing was clear: the mistake made with her photo should be used by every means possible against the opposition, the people on the streets should be revealed as instruments of western agents. Odious reproaches were made that could have meant death. Neda became ill, panic attacks and helpless fear became part of her life.

She couldn’t stay any longer. She had to disappear out of Iran. She fled to the west on July 2nd 2009 without saying farewell to her parents. She had to use her savings to pay her helpers. She fled with nothing in her hands except a rucksack, a small rucksack. She fled via Greece to Germany. She had a cousin here in Bochum. That is now her family.

Eventually the BBC Online reported the false identity on 3rd July 2009 in a weekly column about social networks. It was published directly after a report on the conspiracy theories about Michael Jackson’s death. The BBC commented, that this case was an excellent example of the danger involved when the mass media use pictures taken from the social networks.

One would have thought that that was the end of it. “My friends said, wait a day and all will be well. But days passed and nothing was good,” said Neda Soltani.

Her application for political asylum in Germany is in process for months. Neda says she never wanted to go abroad. She had never been in the west. She has homesickness. She gets about Euro 180 a month from the German state. That is barely enough to buy salads, fruit and bread which is what she was used to. She lives somewhere in a home for refugees. Her room, number eleven, is small, has two beds and a shelf. She lets nobody in. She wants to forget these months ‘in camp’ as quickly as possible. As soon as she is out she wants to completely forget it. The metal fittings on her door have been patched with plaster. There is no window in the kitchen for the two dozen people on the whole floor. The water tap clings to a shelving construction. There is a satellite dish attached to a broken metal bar on the balcony above the yard. The bar is stuck into a shabby sauerkraut bucket full of sand and stones, an improvised contraption for the connection to the homeland.

Although the photo of the dead Neda has been known for months the wrong picture still appears in Spiegel-Online, in the New York Times and in the Online edition of the Süddeutschen Zeitung. Even the AFP news agency used a version of the picture.

Almost all of these pictures have one thing in common: often they are photos taken by photographers. They show people inserting an icon into a camera. They are photos of a wrong picture.

Neda Soltani remained silent about this for a long time. She wanted to get her feet on the ground again, to collect herself.

In November CNN made a report on Iran; they used Neda Soltani’s picture again. She wrote to CNN and asked them to erase her picture.

The answer she got was an automatic Email asking for her understanding that not all enquiries could be personally answered. The Email was signed “CNN, The Most Trusted Name In News.”

Her picture doesn’t belong to her anymore. It belongs to CNN and all the others.

——

Translation: Hugh Murphy

Enge Vertraute von RWE-Chef Großmann verlassen Stromkonzern

Beim RWE rotiert das Personal in der Führungsspitze. Wie ich erfahren habe, verlassen gleich zwei Leute aus der engsten Umgebung von RWE-Chef Jürgen Großmann den Konzern. Zunächst geht der Stabschef des Vorstandes, Wilhelm Robben, und dann der PR-Berater Felix Osterheider. Beide Männer werden wohl schon zum März weg sein.

Großmann hatte Robben als Cheforganisator und Manager in seinem Stahlwerk Georgsmarienhütte schätzen gelernt und als Verstärkung mit zum RWE gebracht. Hier leitete Robben unter anderem auch mal in Vertretung des RWE-Chefs Vorstandssitzungen. Großmann schätzte die Dienste des Mitsechziger Robben über Jahre sehr. Dafür schenkte er ihm auch schon mal einen Porsche zum Geburtstag.

Auch Osterheider ist Großmann seit Georgsmarienhüttentagen vertraut. Beim RWE sollte er die Sprache des neuen Chefs in die internen Verästelungen des Konzerns tragen. Eigentlich sollte der PR-Profi Osterheider schon im vergangenen Sommer wieder gehen. Nun – dies ist erst jetzt der Fall.

Ein RWE-Sprecher bestätigte, dass die Verträge von Robben und Osterheider planmäßig beendet würden.

UBP-Landratskandidat wegen Betrugsvorwurfs zurückgezogen

Na sowas, die Unabhängige Bürger-Partei (UBP) zieht ihre Landratskandidatur für den Kandidaten Carsten Müller nach nur vier Tagen zurück, obwohl sie ihn doch „langfristig an der Parteispitze aufbauen“ wollte – ihm wird nämlich Betrug vorgeworfen. „Der geschäftsführende Vorstand des UBP-Kreisverbandes Recklinghausen hat in einer Sondersitzung am gestrigen Abend über die bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Carsten Müller beraten. Müller hat ebenfalls an der Sitzung teilgenommen und zu den Vorwürfen Stellung bezogen“, heißt es in der Pressemitteilung der Partei.

 

„Die Vorwürfe gegen Herrn Müller sind so prägnant, dass wir als Kreisvorstand die Entscheidung von Herrn Müller für richtig halten“, gibt selbst die UBP zu. Der 38-Jährige war erst vor vier Tagen von der UBP als Landratskandidat und Kandidat für den Castrop-Rauxeler Stadtrat vorgestellt worden. Nun fand man heraus, dass gegen den gebürtigen Castrop-Rauxeler in Kassel ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf „Stoßbetrügereien“ läuft.

Als Verantwortlicher einer Kasseler Niederlassung eines Computerhandelsunternehmens mit Sitz in Österreich soll er zusammen mit anderen in großem Stil Computerzubehör bestellt, nicht bezahlt, aber direkt wieder umgesetzt haben. Der Lieferant könne dann bei Nichtbezahlung seine Ware nicht mehr einziehen, da sie nicht mehr vorhanden sei, hat laut der WAZ der Kasseler Oberstaatsanwalt Michael Geidies erklärt. Insgesamt soll es um einen Schaden von bis zu 750.000 Euro gehen.

Im Sommer 2008 wurde Müller verhaftet, kam aber demnach gegen Kaution wieder frei. Müller rechtfertigt sich: „Fakt ist, dass ich nicht vorbestraft bin, gegen mich keine Anklage vorliegt und ich auch sonst in meinem Leben niemals jemandem bewusst schaden wollte.“ Sein polizeiliches Führungszeugnis sei „einwandfrei“. Gleichwohl bedaure er „außerordentlich den Schaden, den ich der UBP zugefügt habe, und ziehe meine Kandidatur für das Amt des Landrates und auch für den Rat der Stadt Castrop-Rauxel zurück.“

Die UBP betont, dass „es sich um kein Schuldeingeständnis handelt“, doch Müller müsse auch an seine Familie und seine berufliche Zukunft denken“ Es wäre fatal, wenn Herr Müller auf diesem Pulverfass bis zur Wahl sitzen bleibt.“ Die Partei geht davon aus, „dass die Vorwürfe zum Jahresende erledigt sind und Herr Müller rehabilitiert wird.“

Der Kreisvorstand hat einstimmig beschlossen, dem schillernden und stadtbekannten Dr. Dr. Joachim Seeger seinen Seegen zu erteilen. Dem UBP-Kreisparteitag soll am 12. Februar nicht wie eigentlich geplant Müller, sondern der „berühmte“ 49-jährige stellvertretende Vorsitzende der UBP Recklinghausen – er war im Oktober 2008 beigetreten – und Vorsitzende der Alten Bürgerschützengilde sowie der Karnevalsgesellschaft Poahlbürger als neuer Kandidat für den Posten des Landrats vorgeschlagen werden.

Seegers Lebensplanung sah eigentlich anders aus (der Vorsitzende der Alten Bürgerschützengilde Recklinghausen von 1387 gab im August bekannt, dass er „aus beruflichen, zeitlichen und familiären Gründen auf der Jahreshauptversammlung im April 2009 nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden kandidieren wird“): Aber „die UBP ist programmatisch so gut aufgestellt, dass ich nach kurzer Beratung mit meiner Familie zugesagt habe und das Amt mit großem Engagement erfüllen werde.“ Er freue sich auf die nächsten Monate und die Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern. „In einem offenen und fairen Wettstreit will ich sachlich um die besten Konzepte streiten und für die UBP ein gutes Wahlergebnis erreichen.“

UBP-Kreisvorsitzender Tobias Köller ist „froh, dass wir so schnell und so einmütig zu einem guten Ergebnis für alle Beteiligten gekommen sind. Aber auch Krisen sind Chancen und wenn sie in der Form gemeistert werden, macht mich und die UBP das zuversichtlich.“

Der Castrop-Rauxeler ist damit freilich noch nicht aus der Geschichte heraus: „Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind“, soll der Staatsanwalt der WAZ gesagt haben. Müller selbst sieht sich dagegen als Opfer. „Ich bin da in eine ganz unglückliche Sache hineingeraten.“ Jeder mache mal Fehler und müsse eine zweite Chance bekommen. Er geht davon aus, dass er nicht verurteilt wird. „Ich bin ein Mensch des öffentlichen Lebens und eine Unternehmerpersönlichkeit und will dem Kreis und Castrop-Rauxel helfen, um Arbeitsplätze hier anzusiedeln."

Müller, langjähriges CDU-Mitglied, war erst im letzten Monat zur UBP gewechselt. Er sei sogar ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden, weil er mit Leuten zusammengekommen sei, „die wegen Körperverletzung, Urkundenfälschung und Mordes hinter Gittern sitzen“, so der kurzzeitige Landratskandidat. Falls  es doch zu einer Verurteilung kommen sollte, könne er sich vorstellen, „dass ich die Kandidatur zurückziehen würde.“

Dem ist die UBP jetzt zuvorgekommen. Warum? Für sie war Müller doch „keine Lösung bis zum 7. Juni, sondern weit darüber hinaus“. Der Castrop-Rauxeler, so hieß es noch vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung, „soll durch seine verbindliche Art langfristig an der Spitze der UBP aufgebaut werden und auch in kommenden Wahlkämpfen an exponierter Stelle kandidieren.“

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Ruhrgebiet Aktuell am Mittwoch

Foto: wikipedia.de

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr…

Mehdorn gegen Blogger: Bahn mahnt ab….netzpolitik

Mehdorn gegen Datenschützer: Bahn beschwert sich…Welt

Mehdorn hat ein Problem: 10 Gründe für die Öffentlichkeit.. Carta

Warnstreiks: Rathäuser besser meiden…DerWesten.de

Musik-PR: hundertmal zu dumm…Coffee and TV

Restaurant-Tester in Ge: Valiumtablette an Fisch…Hometown Glory

Konjunkturpaket II: Geldregen für jedes Dorf. Die ganze Liste...Innenministerium NRW

Papst-Bashing: Von Prälaten und Muslimbrüdern…Lizas Welt

 

?ahhh!? wie Arcor ? ein Leidensbericht

Foto: Arcor-Pressebild

Seit eineinhalb Monaten terrorisiert mich eine Frau. Das Ungewöhnliche an diesem Fall: Die Dame existiert nicht mal und hat einen ganzen Konzern im Rücken. Sie wohnt in meiner 36-Quadratmeter-Wohnung, hat gleich fünf Verträge bei Arcor abgeschlossen und kostet mir den letzten Nerv. Die Maschinerie eines Großkonzerns reagiert nur schwerfällig, wenn man ihr falsche Datensätze einspeist. Vertreter entwickeln auf der Jagd nach Provisionen ungeahnt kriminelle Energien. Was dabei rauskommt, ist absurd und anstrengend.

Kapitel 1: Ein Kasten voller Briefe

17. Dezember, kurz nach Acht. Feierabend. Ich öffne meinen Briefkasten und sechs Umschläge fallen mir entgegen, fünf von Arcor, einer von der Telekom. Seit einem dreiviertel Jahr hatte ich nichts mehr von Arcor gehört. Sie hatten meinen Umzug vermasselt, ich musste fast vier Monate ohne Internet arbeiten, wir sind nicht im Guten auseinandergegangen. Jetzt ist als Adressat eine Sabine Schlange angegeben, wohnhaft bei mir und Neukunde bei Arcor. Geschwätzig muss diese Sabine sein. In den Umschlägen stecken insgesamt vier Simkarten über vier verschiedene Handyverträge und eine Benachrichtigung, dass zum Ende des Jahres ihr DSL-Anschluss aktiviert werde.

„Guten Tag Frau Schlange, vielen Dank für Ihren Auftrag.“ Ich bin irritiert und habe nicht mal ein Haustier.

Kapitel 2: Ein Name wie eine Geschlechtskrankheit

Knapp zehn Minuten stecke ich in der Warteschleife der kostenfreien Störungsannahme, rauche eine Kippe nach der anderen. Mein Fuß wippt aufgebracht. Ich rechne mit einer zähen Diskussion und einer Spüle voller Geschirr, die bis morgen kein Wasser sehen wird. Der Typ, der sich schließlich meldet, klingt sympathisch, sein Name eher wie die Bezeichnung einer Geschlechtskrankheit. Ich frage nach, mache einen Scherz und bringe ihn zum Lachen. Dann erkläre ich ihm die Problematik. Mein erster Verdacht: Irgendein Bursche oder ein Mädel in den Outbound-Callcentern hat meine alten Datensätze aufgefrischt, eine Sabine Schlange ins Leben gerufen und für fünf Verträge die Provisionen kassiert. Mein Kundenbetreuer, nennen wir ihn S., ist einsichtig, ähnliche Fälle – meint er – scheinen häufiger vorzukommen.

Er: „Es sei denn, Sie haben eine Umwandlung hinter sich…“

Ich: „Wie bitte?“ Dann beruhigend und eine Oktave tiefer: „Nein, nein, das können Sie ausschließen. So wichtig ist mir Arcor nicht.“

Er glaubt mir und nimmt die Stornierung auf. Betrugsversuch und Vertragsfälschung. Immer wieder lande ich für Rückfragen in der Warteschleife. Gut eine Stunde dauert unser Gespräch. Am Ende versichert S. mir, dass er alles in die Wege geleitet, ich keine weiteren Unannehmlichkeiten zu erwarten habe, mich ein Mitarbeiter in jedem Falle anrufen und mir ein Entschuldigungsschreiben zugesandt werde.

Ich: „Das Schreiben ist mir egal. Ich will nur meine Ruhe haben.“ S. gibt mir Recht.

Mein Geschirr bleibt ungespült und ich misstrauisch. Einen Anruf habe ich nie erhalten.

Kapitel 3: Arcor – Reloaded

19. Dezember. Wieder ein Brief. „Guten Tag Frau Schlange, am 08.01.2009 steht Ihnen Ihr Anschluss mit Arcor-Internet 6000 zur Verfügung.“

Klar, denke ich, der war bereits raus, kann vorkommen, und werfe das Schreiben zu den anderen auf die Fensterbank. Vier Tage später der nächste Umschlag. Adressat: Andreas Schlange. Ich stutze. Schlange wer? Langsam macht sich eine Identitätskrise breit.

„Sehr geehrter Herr Schlange, vielen Dank für Ihre Mitteilung vom 18.12.2008. Sie informierten uns, dass Sie eine Auftragsbestätigung erhalten haben, obwohl Sie keinen Auftrag erteilt hatten. Den Sachverhalt werden wir prüfen und umgehend Maßnahmen einleiten, damit sich dieser Vorfall nicht wiederholt.“ Der Wisch fliegt auf die Fensterbank.

Exkurs: Das DSL-Paket

Kurz nach Weihnachten finde ich einen kleinen grünen Zettel in meinem Briefkasten. Ein Paket konnte nicht zugestellt werden. Es wartet abholbereit in der nächsten Packstation. Ich befürchte Arcor, hoffe allerdings auf Geschenke. Am 2. Januar stapfe ich durch den Nieselregen zur Post, scanne das grüne Kärtchen ein, bestätige den Empfang mit meiner Unterschrift, damit sich die Schiebetür der Packstation öffnet und ich das Geschenk bekomme. Dann die Enttäuschung. Der Empfänger ist natürlich die Sabine, der Absender Arcor, und mir schnürt sich der Hals zu. Rein in die Post und das Paket zurückgehen lassen.

Die Dame hinter ihrem Schalter: „Das geht nicht.“

Ich: „Wieso? Ich will das Paket nicht entgegen nehmen und ungeöffnet zurückschicken.“

Die Dame hinter ihrem Schalter: „Sie haben den Empfang mit Ihrer Unterschrift bestätigt. Wenn Sie es zurückschicken wollen, muss ich Ihnen die normalen Versandkosten berechnen.“ (Anmerkung: knapp 7 Euro)

Ich: „Ich musste aber unterschreiben, damit sich die scheiß Tür an dieser Packstation öffnet. Sonst hätte ich doch nicht gesehen, von wem und für wen dieses Paket ist. Auf diesem verdammten Schein steht nur Schlange.“

Die Dame hinter ihrem Schalter bleibt hart und unser Gespräch führt sich im selben Wortlaut weiter. Gute fünf Minuten, vielleicht auch mehr. Dann nehme ich das Paket unter den Arm und laufe schnaubend durch das Dreckswetter zum nächsten Arcor-Laden. Das Geschäft ist voll, ich warte und lege schließlich dem Mitarbeiter das Paket auf den Tresen.

Ich. „Ein etwas komplizierter Sachverhalt aber ein eigentlich ganz einfaches Anliegen.“ In angebrachter Kürze erkläre ich dem Burschen meine Theorie von den gefälschten Callcenter-Verträgen und mache ihm deutlich, dass ich dieses verdammte DSL-Equipment im Laden lasse werde. Er gibt sich verständnisvoll, bestätigt mir auf Nachfrage, dass so etwas durchaus öfter vorkäme, und versichert mir eindringlich, dass er das Paket nicht entgegennehmen könne. Die zweite mühsame Diskussion beginnt, während sich hinter mir Kunde nach Kunde in die Schlange reiht.

Er schließlich: „In Ihrem Paket ist ein Retour-Schein. Den können Sie ausfüllen, auf das Paket kleben, und es bei der nächsten Post zurückschicken. Völlig kostenfrei.“

Ich: „Ich fasse das Paket nicht mehr an.“

Er: „Ich bitte Sie, Herr Schlange.“

Ich: „Nein.“

Er: „Och.“

Die Schlange aus wartenden Kunden hinter mir macht ihn sichtlich nervös. Er öffnet das Paket, füllt den Retour-Schein aus und klebt das Paket wieder zu. Ich – kein Unmensch – honoriere seine Hilfsbereitschaft, nehme das Paket zurück und laufe wieder zur Post. Derselbe Schalter, dieselbe Dame – sie schaut mich mitleidig an – ich lächle gequält, gebe ihr das Paket und fahr nach Hause.

Fazit: eineinhalb Stunden gestohlene Zeit, das Bedürfnis zu trinken und ein Paar durchnässte Schuhe. Danke Arcor.

Kapitel 4: Arcor immer noch Reloaded

10. Januar. „Guten Tag Frau Schlange, wie wir Ihnen in unserem letzten Schreiben mitgeteilt haben, ist es notwendig, dass die Deutsche Telekom AG Vorarbeiten für Ihren Anschluss ausführt. Dieser vereinbarte Termin kam nicht zu Stande.“ Als nächstes Datum wird der 22. Januar vorgeschlagen, Bereitschaft von 8 bis 16 Uhr. Ich sehe davon ab, den Termin zu stornieren. Die angegebene Hotline-Nummer kostet aus dem deutschen Festnetz 49 Cent pro Minute. Von meinem Handy aus sicher das Dreifache.

Wieder vier Tage versetzt gleich zwei neue Schreiben: „Guten Tag Frau Schlange, Sie kündigen Ihren Anschluss, da es bei der Beratung durch einen unserer Vertriebsmitarbeiter zu Missverständnissen kam. Schade, dass wir Sie aus diesem Grund als Kunden nicht behalten können.“

Es gab kein Gespräch, es gibt keine Kundin, es wird keine Partnerschaft geben.

Der zweite Brief ist förmlicher. „Sehr geehrte Frau Schlange, vielen Dank für Ihren Anruf vom 17.12.2009.“ – Ich hätte doch noch tiefer sprechen sollen, denke ich – „Sie haben sich über einen unserer Außendienstmitarbeiter geärgert und bitten um sofortige Stornierung Ihres Arcor-Auftrages. … Wir verstehen, dass Sie aufgrund der Geschehnisse Ihr Widerrufsrecht in Anspruch nehmen.“

Danke, allerdings flattert mir drei Tage danach eine Rechnung ins Haus. 30,82 Euro. Mir wird netterweise angeboten, den Betrag der Rechnung gutschreiben zu lassen. Ich muss lediglich bei der Hotline anrufen und mindestens fünf Euro mehr an meinen Handy-Anbieter abdrücken.

Kapitel 5: Das Ende?

Eine Dame der Verbraucherzentrale bestätigt mir, dass es immer wieder zu gefälschten Vertragsabschlüssen bei den diversen Telefonanbietern käme. Studenten, die ihr Leben im Callcenter finanzieren, erzählen mir vom Druck Abschlüsse zu machen, der miesen Bezahlung und der Konsequenz dem Datenpfusch. Also Anruf bei der Arcor-Pressestelle: Ich schilder die Sachlage, sie wollen einen Fall überprüfen, ich geb meine Daten – besser gesagt, die von der Sabine. Es ist Freitag 16.30 Uhr und mir wird ein Rückruf in den kommenden Tagen versprochen.

Und der kommt dieses Mal auch. Montag um kurz nach 10 direkt der erste: technischer Support. Der kleinen Arcor-Maus geht es während unseres Gespräches allerdings weniger um die Einzelheiten des Falles vielmehr um die Info, wer denn behauptet hätte, dass solche Betrugsfälle häufiger vorkämen. Ich halte mich an die relevanten Aspekte des Falles, unser Gespräch ist nicht sehr ergiebig, ich warte wieder auf den Rückruf der Pressestelle. Der folgt dann am Mittag. Ein kompetenter Mann, wie ich sofort merke. Mit sonorer Stimme erklärt er mir, dass doch alles ganz anders sei. Die gefälschten Verträge kämen von Außenvertretern eines Vertriebspartners. Es seien Adressen aus dem Telefonbuch oder gleich von der Haustür abgeschrieben worden und so in die Konzernmaschinerie gelangt. Den Rückruf zur Vertragsbestätigung und zum Datenabgleich habe man umgangen.

Doch kein Grund zur Sorge: Arcor habe bereits personelle Konsequenzen gezogen, sowie Strafanzeige gegen den Vertriebspartner gestellt. Natürlich seien auch die Lücken im Sicherungssystem geschlossen worden.

„Aber Herr Schlange, Sie sind mir nicht nur als Journalist und Kunde wichtig, Arcor liegt vor allem auch der Mensch am Herzen. Wären Sie nun Frau Schlange, hätten Sie schon längst zur Entschuldigung einen Blumenstrauß bekommen. Bei Ihnen bin ich mir allerdings noch unsicher.“

Für einen kurzen Moment habe ich eine Flasche Scotch vor Augen, verzichte dann aber auf weitere Post von Arcor und verabschiede mich.

Am nächsten Tag dann ein erneuter Anruf: „Herr Schlange, das hatte ich gestern vergessen. Aus systemtechnischen Gründen könnte Ihnen noch eine Rechnung zugesandt werden. Ignorieren Sie diese bitte. Der Betrag wird Ihnen gutgeschrieben.“

Letztes Kapitel: Ein sauberes Paar Socken nach soviel Scheiße

Die Verbraucherzentrale rät: Kommen falsche Verträge ins Haus, sofort reagieren, dem Unternehmen mitteilen, dass kein Vertrag zustande gekommen ist. Rein vorsorglich sollte vom Widerrufsrecht gebraucht gemacht werden und gegebenenfalls der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Ebenfalls wichtig – gerade im Fall eines Telefonanbieters: Die Telekom benachrichtigen, dass der Port nicht freigegeben werden darf. Sonst kann es passieren, dass man sich mit dem falschen Vertrag rumschlägt, und plötzlich das Telefon gesperrt ist, weil der neue Anbieter bei der Telekom Antrag gestellt hat, den Port zu übernehmen.

Dies Ärgernis blieb mir erspart. Dennoch: Jeder normale, nicht völlig lethargische Kunde dreht im Angesicht dieser maschinell erstellt Briefeflut durch. Es scheint, als käme ein stählerner Koloss in Bewegung, der sich ungerührt von Beschwerden und Einwänden bewegt und nichtmals merkt, ob ihm der mickrige Kunde vors Schienenbein tritt. Der verbockte Umzug lief ähnlich ab. Vier Monate lag ich in der Briefeschlacht mit Arcor, seitenlange Schreiben, Chronologien der Gespräche, horrende Telefonrechnungen für die Servicenummer. Alles vergebens. Immer wieder dieselben ignoranten Formschreiben – ohne nur das kleinste Einlenkung zum Problem. Dann der letzte verzweifelte Versuch: Anruf bei der Pressestelle. Rückruf am nächsten Tag, am darauffolgenden war der Vertrag gekündigt und drei offenstehende Monatsraten gutgeschrieben.

Ich hatte Glück, ich konnte über die Journalisten-Schiene zu einer Lösung kommen. Jedem anderen Kunden bleiben nur die Hotline-Berater, die kaum Zugriffe haben, keinen Ermessensspielraum und lediglich zur läppischen Adressänderung geschult wurden. Rechtliche Schritte kosten – Zeit, Geld und Nerven.

Es ist zum Kotzen, womit sich Leute rumschlagen müssen, weil irgendeinem Unternehmen Fehler unterlaufen. Es ist erniedrigend und ernüchternd, wie wenig Einfluss man auf die Zahnräder der Konzerne hat. Für Frust und verlorene Zeit kann kein Schadensersatz gestellt werden. Ein Blumenstrauß hilft da auch nicht, ist mehr ein schlechter Scherz mit Zuckerguss. Ich ziehe vor jedem den Hut, der sich durch diese Scheiße quält und am Ende noch ein sauberes Paar Socken findet.