Wetterbusiness – oder der Handel geht weiter

Handel treibt die Welt voran. Die eine Börse brennt noch wegen der geplatzten Immobilien-Derivate, Credit-Swaps, und Sinnlos-Futures, da geht es an der anderen Börse weiter. Es geht um Wetter-Derivate. Wetter-Was? Richtig, Derivate. Das haben sich vor gut zehn Jahren ein paar Börsenjungs in Chicago ausgedacht. Man handelt Wolkenwände und Sonnenschein. Damit können sich Reiseunternehmen gegen Hagel in der Südsee versichern, oder Gasversorger gegen Hitzewellen in Kanada. Fast alle großen Versorger sind mit dabei, die großen Versicherer, eigene Hedge-Fonds, etliche Banken und Broker. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 32 Mrd US-Dollar umgesetzt. Tendenz steigend. Noch ist dort alles ein solider, auf Wissen basierender Handel, doch scheinen Fundamente für einen neuen Wahnsinnshandel gelegt zu sein.

Der Wettermann vom RWE heißt Eric Stein. Er sitzt vor seinen sechs Computer-Bildschirmen in Essen-Altenessen, mitten im größten Energiehandelsraum Europas. Stein schaut gespannt auf eine Animation. Irgendwo über der Arktis zieht ein Hoch auf. Satellitenaufnahmen raffen das Wetter in Sekundenclips. Es sieht so aus, als spielten Kinder mit Farbklecksen. Blau ist kalt, Rot ist heiß. Jetzt kann Eric Stein sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es morgen in Duisburg regnet, in Brüssel hagelt oder in Warschau schneit. Doch so richtig interessant ist das Wetter über London, oben an der Themse, mitten in England. In der Waschküche Europas macht Eric Stein nämlich Geld. Der RWE-Wettermann handelt mit Regen und Sonne. Mit Eis und Sturm. Oder anders ausgedrückt: Eric Stein handelt Wetterderivate.

Bei diesen Luft- und Wassergeschäften bestimmen vor allem die Temperaturen die gehandelten Werte. Sie werden addiert zu einem so genannten CAT. Ist es im Mai etwa tagsüber durchschnittlich 10 Grad warm, macht das 310 CAT. Ein CAT ist standardmäßig 1000 britische Pfund wert.

Rechnet die Chicago-Wetter-Börse mit Regen und Kälte, fallen die CAT-Kurse, bei Hochdruck und Sonne ziehen sie an. Gehandelt werden Wetter-Verträge über einen CAT-Kurs. Jeder Händler, der einen Vertrag verkauft, muss diesen bis zum Ende des Monates zurückkaufen, um das Geschäft zu schließen. Ansonsten wird über die Börse abgerechnet, die als so genannte Clearingstelle alle Verträge untereinander ausgleicht. Wer näher an der Realität war, gewinnt.

Ein Beispiel für einen Wetterhandel:

Ein Händler spekuliert darauf, dass der September im Schnitt maximal 16,5 Grad warm wird. Das entspricht 496 CAT. Für diesen Betrag hat er einen Vertrag über das Septemberwetter verkauft. Um das Geschäft zu schließen, muss der Händler den Vertrag zurückkaufen, oder ihn Ende September gegenüber der Börse ausgleichen. Je kälter der Monat wird, um so höher wird der Gewinn des Händlers. Je wärmer der September wird, umso höher sein Verlust.

Würde der Monat nun durchschnittlich 16 Grad warm, macht das 480 CAT. Wenn der Händler seinen Vertrag nicht zurückkaufen würde, müsste er Ende September folglich an die Börse 480.000 Pfund zahlen, um das Geschäft auszugleichen. Für den Wetterfrosch wäre das gut. Sein Bruttogewinn läge bei 16.000 Pfund.

Ist der September aber 17 Grad warm, würde der Kurs auf 510 CAT steigen. Dann müsste der Händler 510.000 Pfund an die Börse zahlen. Sein Verlust läge damit bei 14.000 Pfund.

Am Besten wäre es jedoch für den Händler, wenn er jemanden findet, der mit einem noch kälteren September rechnet. Spekuliert jemand etwa auf einen Temperaturschnitt von 15 Grad, könnte der Händler seinen Vertrag für 450 CAT oder 450.000 Pfund zurückkaufen. Der Gewinn des Wetterdealers würde damit auf 46.000 Pfund klettern.

Zusammengefasst könnte man auch sagen, die Börsianer zocken. Und das mitten in einer Weltwirtschaftskrise, die von haltlosen Derivatgeschäfte und dubiosen Swaps ausgelöst wurde.

Fast alle Riesen sind dabei. Neben RWE handeln die Versorger Electricite de France und British Gas. Dann tummeln sich auf dem Parkett Versicherer wie die AXA oder die Swiss Re, aber auch Hedge Fonds wie Citadel oder D.E. Shaw sind dabei. Die Gewinne spezialisierter Wetterbroker, wie dem britischen Cumulus Weather Fund, liegen bei bis zu 26 Prozent des eingesetzten Kapitals – im Jahr. Früher war das ein Anlass zur Freude, heute kann das auch ein Grund zur Sorge sein. Können die Wetten auf Hitzewellen die nächste Finanzkrise auslösen, nur weil es im Sommer schneit?

Eric Stein widerspricht heftig: „Wir wetten nicht“, sagt er. Die Wettervorhersage auch im launischen London ist eine wissenschaftliche Angelegenheit, basierend auf fixen Daten, langen Erfahrungen und ausgetüftelten Klimamodellen. Stein untersucht das Klima beim RWE mit drei weiteren Kollegen. „Wir wissen, wie sich das Wetter entwickelt. Und wenn wir glauben, klüger als der Markt zu sein, kaufen wir.“ Es gibt Futures auf das Monatswetter in Atlanta. Es gibt Wochenoptionen auf das Klima in New York. Selbst der Regen in Portland kann gehandelt werden. In Europa lässt sich der Himmel über Barcelona verfeilschen, über Rom und Essen. Selbst auf die Saison in Tokio kann man Optionen lösen.

Ein einfaches Geschäft? Eine Mail poppt auf dem Bildschirm von Eric Stein auf. Ein Broker aus New York bietet einen Juni Future auf das Wetter in London Heathrow. Der Broker will die Monats-Temperatur für 489 CAT kaufen. Das heißt: er glaubt an 16,3 Grad in Londoner Schnitt, das ist warm, aber keine Hitzewelle. Verkaufen will er deshalb für 526 CAT – das macht 17,5 Grad im Juni-Schnitt.

Nach Ansicht von Eric Stein ein schlechtes Geschäft. Aktuell rechnet der Wettermann mit einer Juni-Temperatur von 17 Grad. Das entspricht eine m Preis von 510 CAT. Verkauft nun Eric Stein seinen Wettervertrag für 489 CAT, macht er einen Verlust von 21.000 Pfund – wenn seine Berechnungen eintreten. Kauft er für 526 CAT, macht er im gleichen Fall einen Verlust von 16.000 Euro. Der Käufer müsste schon mehr als 510 bieten, damit Stein mit ihm ins Geschäft kommt. Mit anderen Worten. Das Angebot ist für die Tonne. Eric Stein schließt die Email.

Es gibt nicht wirklich viele gute Geschäfte mit dem Wetter. Auf dem Tisch des Meteorologen Stein steht ein Leitzordner. Schwarz. Beschriftung: „Trade Tickets“. Hier werden die Deals abgeheftet. Schwarz auf weiß, dann hoch gebracht zur Buchhaltung. Dort eingespeist in ein Handelsbuch. Passend gemacht für die Konzernrechnung, gegengecheckt auf ihren Wert und auf ihr Risiko. Und dann wird abgerechnet. Hat Eric Stein gut gelegen, macht er Gewinn. Gab es Regen statt Sonnenschein, steht ein Minus im Buch. In diesem Monat hat er gerade mal ein knappes Duzend Verträge abgeschlossen.

Der Klimahandel über die Börse ist nach Ansicht von Stein trotzdem ein einträgliches Geschäft. „Der Handel ist völlig transparent. Jeder hat die gleichen Voraussetzungen, es kann keinen Insiderdeals geben.“ Die Wetterstationen erheben exakte Daten, die großen staatlichen Wetterdienste erstellen auf dieser Grundlage Modelle, zu denen jeder Interessent gleichberechtigt Zugang bekommt. „Unsere Aufgabe ist es, diese Modelle zu vergleichen, und Voraussagen zu treffen“, sagte Stein. Und wenn er Gewinn macht, ist das auch ein Gradmesser für die eigene Arbeit. Nur wer sich mit dem Wetter gut auskennt, verdient.

In den vergangenen Monaten hat das Geschäft mit den Wetter-Derivaten erheblich zugenommen. Ein Grund ist die Absicherung der Geschäfte über die Börse. Die Chicago-Exchange übernimmt das Kreditrisiko. Zudem kann jeder Händler anonym seine Handelsscheine einlösen. Das ist gerade für Energieversorger wichtig, die sich nicht in die Karten schauen lassen möchten. Wenn sie mit Kälte rechnen, wird beispielsweise die Kohle für die eigenen Kraftwerke teurer. Warum also das eigene Wissen ausspielen?

Auch Stein will nicht alles offen legen. Beispielweise behält er für sich, wie viel Geld er im Wetterbusiness macht. Nur soviel: „Es geht nach oben.“ Stein sagt. „Wir sind ein Handelsdesk.“

Dabei ist Stein nicht nur als Wetterhändler für das RWE tätig. Seine Prognosen unterstützen die Stromhändler bei ihrem Job. In der Essener RWE-Tradinghalle sitzt Steins Team direkt hinter den Energiedealern. Stein bringt ihnen jeden Morgen seine Prognosen rüber. Er erläutert ihnen am Tisch die Aussichten für den kommenden Tag. Dazu hängt er die aktuellen Klimadaten an eine rote Säule mitten in der Halle.

Viel Wind in Spanien? Das heißt, die Rotoren der Andalusischen Windparks drehen sich wie verrückt. Der Ökostrom drückt die Leistungen der Kohlekraftwerke nach unten. Die Preise in Spanien fallen.

Einen noch größeren Einfluss auf die Erlöse der Versorger hat die Temperatur. Im Winter bedeutet ein Grad unter der Normaltemperatur, dass ein Gigawatt Strom in Mitteleuropa zusätzlich erzeugt werden muss. Das entspricht der Leistung von einem Kernkraftwerk. Und die Temperatur kann dabei von Stunde zu Stunde wie ein Lämmchen springen.

Vor Eric Stein steht eine Starbuckstasse. Auf seinen Bildschirmen springt ein Schoner mit dem Bild von Monty Burns an. Das ist der Betreiber des Atomkraftwerkes in den Simpsons Comic-Strips. „Wir bereiten die Händler auf Gefahren vor“, sagt Stein. Noch ist der Handel mit Wetterderivaten nur ein Nebengeschäft. Aber wenn es nach Stein geht, wird es mehr. Ein Mann geht an seinem Tisch vorbei. Er schaut Stein an und fragt: „Können wir am Wochenende grillen?“

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Regierunsgberater zerpflücken Opel-Konzepte…Spiegel

Opel II: Chinesen wollen alle Jobs erhalten…Stern

Karstadt: Gleiches Recht auf unser Geld für alle…Der Westen

Ruhrgebiet: Revier hofft auf Imagewechsel…FAZ

SPD: Genossen bedienen sich bei Blogger…Gelsenkirchen Blog

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Begeisterung: Die verkannte Schönheit des Ruhrgebiets…Bunte

Schulden: Bochum übt Schulterschluß mit Diegel…Ruhr Nachrichten

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Christiania: Aus nach 37 Jahren…taz

Nordhessen-Spezial: Rotenburg kommt ins Kino…Stern

 

 

„Hier in Opel“

Oskar Lafontaine war heute in Bochum. Er hat die Lösung für die Krise. Aber nicht viele wollten sie hören.

14.00 Uhr Ich bin in der Innenstadt angekommen. Gleich werde ich Oskar Lafontaine reden hören. Das bedarf einer professionellen Vorbereitung: Ich esse beim neuen Rösti-Grill einen großen Schaschlik. Die Soße: Tiefrot. Der Sozialismus scheint in Bochum auf einem guten Weg zu sein.

14.20 Uhr Es hat kurz, aber heftig geregnet. Bevor es losgeht ist es schwülwarm in der Bochumer Innenstadt. Auf dem Dr.-Ruer-Platz haben sich gut 80 Leute versammelt. Dort wird ER sprechen. Gleich. Jetzt noch nicht. Ich setze mich in das Café gegenüber von Starbucks, dessen Namen ich mir nicht merken kann, und höre mir den ersten Redner an: Irgendein Ire, der gegen den Vertrag von Lissabon ist, weil er die Demokratie gefährdet, für die Irland 800 Jahre gekämpft hat. Außerdem sei es dann auch vorbei mit der militärischen Neutralität Irlands. Das wäre natürlich ein Unglück, hat sich doch schon Adolf Hitler während des zweiten Weltkriegs über die Neutralität der Iren gefreut, als diese ihm den Kampf gegen die britische Marine erleichterte.

14.30 Uhr Meistens sind Vorgruppen ja langweilig. Das ist auch heute so. Jürgen Klute, Sozialpfarrer aus Herne ist sicherer Europakandidat der Linkspartei, Sevim Dagdelen hat ihr Wahlkreisbüro in Bochum und ist für die Linkspartei im Bundestag und dann ist da noch Sabine Wils. Sie ist nach Lothar Bisky die Nummer zwei der Europawahlliste der Linkspartei und die taz beschreibt die ehemalige DKPlerin als blasse Gewerkschafterin. Stimmt.

Klute, Dagdelen und Wils erklären, warum sie gegen den Lissabon-Vertrag sind: Der würde die sozialen Standards in Europa absenken und zur Militarisierung Europas führen. Das wollen sie nicht. Sie wollen ein demokratisches, soziales und friedliches Europa.

Und während ich gelangweilt an meinem Kaffee nippe kommen fünf junge Menschen daher und beginnen Flugblätter zu verteilen: „Oskar Lafontaine: Nationalist, Rassist und Anti-Europäer“ ist die Überschrift und erinnert daran, das Lafontaine auch für die Aushöhlung des Asylrechts Anfang der 90er war. Das Flugblatt erinnert an seinen Fremdarbeiter-Ausspruch und zitiert lobende Worte von NPD-Größen über Lafontaine. Im Übrigen fordern sie eine emanzipatorische Linke. Freunde werden die sich hier sicher nicht machen.

14.45 Uhr ER betritt  die Bühne. Es gibt schlappen Applaus. Ein Bodyguard stellt sich an den Rand und sein Schild in die Ecke. ER hat sich gut gehalten, Chapeau! Lafontaine habe ich in den 90ern einmal auf einer Juso-Veranstaltung auf Zollverein erlebt, lange her, damals wirkte sogar Andrea Nahles noch wie eine unter 40jährige. Lafontaine hat die Jusos von den Stühlen geholt. Ein fantastischer Redner, der die Menschen mitreißen konnte. Ein Popstar – zumindest für Leute, die bei den Jusos waren.

Genau deswegen bin ich jetzt auch hier: Ich habe Strauß, Kohl, Merkel, Fischer und Schröder gehört und erwarte jetzt irgendetwas zwischen Strauß – ein Halbwahnsinniger, der so schrie, dass man auch als damals eingefleischter Straußgegner sekündlich fürchtete, der Mann würde von einem Herzinfarkt dahingerafft – und Schröder, einem gefühlsbetonten und ironischen Redner, der schnell und präzise auf Zwischenrufer einging und mitreißen konnte.
Lafontaine enttäuscht mich. Die Rede ist schlapp  – gerade am Anfang: Vor gut zehn Jahren hat der Mann vor Tausenden gesprochen, hat große Plätze gefüllt und zumindest stramme Sozialdemokraten begeistert. Aber damals war er auch der Vorsitzende der damals größten Partei des Landes, der SPD.

Die Wirklichkeit heute ist trüber: Gut 150, vielleicht 200 Zuschauer sind mittlerweile auf dem Platz, und ein wenig wirkt Lafontaine wie Rex Gildo, der am Ende seiner Karriere fast nur noch auf Baumarkteröffnungen sang. Der Baumarkt von Lafontaine ist ein viertelvoller Dr.-Ruer-Platz in Bochum Mitte.

Kaum betritt er die Bühne beginnen die Kids, die eben noch die Flugblätter verteilt haben, ein Transparent hochzuhalten: „Oskar Lafontaine: Nationalist, Rassist und Anti-Europäer“. Sollte es sich bei diesen jungen Menschen um Antideutsche handeln? Zumindest bekommen sie sofort Ärger: Ebenfalls junge Menschen mit roten T-Shirts und Ordner-Armbinden, die sich womöglich für eine politische Karriere als Unterbezirkskassenwart der Linkspartei empfehlen wollen, drängen sie energisch an den Rand der Kundgebung. Oskar Lafontaine interessiert das alles nicht. Er hat mit seiner Rede begonnen.

14.55 Uhr Gleich drei Gruppen von Feinden hat Lafontaine ausgemacht, und er wird während seiner ganzen Rede immer wieder auf sie zurückkommen: Die Politiker der Hartz IV-Parteien SPD, Grüne, CDU, CSU und FDP, die Spenden von Banken und Versicherungen bekommen und deshalb den Banken und nicht den Rentnern das Geld in den Rachen werfen, die Medien, die nie korrekt über die Linkspartei und ihre Vorschläge berichten, weil die Verleger gegen ein gerechtes Erbrecht und die Chefredakteure gegen höhere Steuern sind und natürlich das Kapital, das brutal seinen Vorteil sucht, mit Dumpinglöhnen seine Profite steigern will und in der selbst verursachten Krise auch noch beim Staat abkassiert.

Alles ist bei Lafontaine klar: Mit einer Börsensteuer von einem Prozent könnte der Staat 70 Milliarden einnehmen, mit einer Vermögenssteuer wie in England üblich, gar 90 Milliarden. Karstadt ist ein Opfer der Finanzkrise, das keine Kredite bekommt, weil die Banken im Moment keine vergeben und Guttenberg soll nicht mehr von Opel-Insolvenz reden. „Hier in Opel braucht man jetzt Solidarität.“ Er lacht und verbessert sich: Bochum, nicht Opel. Guttenberg sei ohnehin überfordert – ein Zustand, der Lafontaine in seiner Zeit als Regierungsmitglied gänzlich unbekannt war.

Dann kommt er in Fahrt und sein Kopf  bekommt Farbe: Die Linke will ein anderes Wirtschaftssystem. "Das ist unsere Lösung für die Krise." Die Gewinne der Betriebe gehören den Arbeitern, die würden sie auch nicht verzocken. Staatsgelder, die an Unternehmen vergeben werden, sollten den Mitarbeitern als Anteilsscheine ausgegeben werden – die würden schon darauf aufpassen, dass keiner Schindluder mit dem Geld der Steuerzahler treibt. Und natürlich: „Aber über solche Vorschläge berichten die Medien ja nie.“

Man möchte fragen, ob die proletarischen Anteilsscheine auch handelbar sein sollen und warum der Schaeffler-Betriebsrat die abenteuerliche Conti-Übernahme befürwortete, aber das geht natürlich nicht.

Lafontaine ist auch gegen den Krieg – überall und egal gegen wen. „Man hätte den Menschen in Afghanistan das Geld für Schulen und Lebensmittel geben sollen, das für ihre Bombardierung ausgegeben wurde.“ Ein Satz, den auch Mullah Omar sofort unterschreiben würde.

Am Ende versichert Oskar Lafontaine Martin Budich wegen seines Tortenprozesess seine Solidarität und die Antideutschen rufen „Feuer und Flamme für diesen Staat“.

15.30 Uhr Dann hat Oskar fertig.

Sevim Dagdelen geht darauf erneut ans Mikrofon, bedankt sich bei Lafontaine und beschuldigt die Antideutschen Grüne zu sein, was diese weit von sich weisen. Sie bekommt Applaus. Einer Hartz-Partei trauen sie hier sogar zu, für Deutschland nur Feuer und Flamme übrig zu haben. Dass sie gegen Lafontaine demonstrieren sei feige, sagt Dagdelen, und als Kind einer Gastarbeiterfamilie sei sie stolz in der Linkspartei zu sein. Was man halt so sagt, wenn man ein Bundestagsmandat hat.
Dann ist es vorbei.

EU-Wahldesaster kündigt sich an

Man soll es nicht glauben, aber bei der Europa-Wahl deutet sich ein Desaster an – zumindest wenn man das Zuschauerinteresse an Politiksendungen zum Prognosemaßstab nimmt. Aktuell ist das Magazin Jetzt reden wir in der ARD in der Gunst der Gucker abgeschifft. Die Sendung beschäftigte sich gestern mit der EU-Wahl. Wie sehr das Programm direkt nach dem Publikumsmagnet Tagesschau unterging, kann man hier an den berühmten Quoten sehen, die wir gerade vom WDR geschickt bekamen.

 
Titel            Beginn         Dauer           Zuschauer in Mio          Marktanteil in %
Tagesschau        20:00         16 Minuten            4,11                    17,4
Jetzt reden wir   20:16         89 Minuten            0,97                     3,5
 
 
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Kommunalwahlen in NRW klar

Das nordrhein-westfälische Verfassungsgericht in Münster hat gesprochen. Die Kommunalwahlen sind am 30. August und es gibt keine Stichwahlen für die Oberbürgermeister.

IM Ingo Wolf Foto: nrw.de

Der eigentliche Skandal in meinen Augen ist der, dass sich das Verfassungsgericht überhaupt mit dieser zutiefst politischen Frage beschäftigt hat.

Mit dem Ruf nach dem Gericht strebten alle Parteien im NRW-Landtag nur eine Pseudolegalistische Verkleisterung ihrer politischen Ansichten an. Egal, um wen es ging. Das Gericht sollte mißbraucht werden.

Denn, was soll ein Gericht darüber entscheiden, was Sache der Politik ist. Und es ist unzweifelhaft eine Sache der Politik, festzulegen wann Wahlen sind. Wenn bei den Terminsetzungen und Modi dazu versucht wird zu schieben, dann müssen Parteien über dem Schmuh aufklären und die Bürger entscheiden lassen, was sie davon halten.

Im aktuellen Fall ist Innenminister IM Wolf (FDP) vorzuwerfen, dass er bei der Terminierung der Kommunalwahl die unter vorherigen Regierungen üblichen Spielregeln aufgegeben hat. Statt mit allen Parteien einen Einklang zu suchen, hat er nur mit den Generalsekretären der Regierungsparteien über den Wahltermin gesprochen, wie die Grüne Landeschefin Daniela Schneckenburger richtig anmerkt.

Das ist eine demokratische Sauerei, weil damit die Fundamente unserer Gesellschaftsordnung verletzt werden. Herr IM Wolf, sie sollten sich schämen.

Da Schämen aber keine juristische Form der Sanktion ist, kann das Verfassungsgericht IM Wolf wegen dem Wahlschmuh nicht bestrafen. Deswegen sollte aber eben auch keine Partei das Gericht anrufen, sondern IM Wolf scharf politisch angreifen.

Das gleiche Problem haben wir bei den Stichwahlen.

Natürlich sind Stichwahlen notwendig, um den ohnehin durch die verlängerten Wahlperioden zu Sonnenkönigen berufenen Oberbürgermeistern wenigstens eine demokratische Basis zu liefern. Jetzt werden Klüngelpitts mit einer Zustimmung von vielleicht 20 bis 30 Prozent der Bürger auf die Chefposten der Gemeinden gehoben.

Aber auch das ist keine juristische Frage, sondern eine politische. Also sollten die Grünen und die SPD keine juristischen Auseinandersetzung suchen, sondern eine politische.

Die Oppositions-Parteien sollten es schaffen, aus dem Antidemokratischen Verhalten von schwarz-gelb einen solchen Skandal zu stricken, dass CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers von alleine aufhört diesen Mist zu machen.

Schon jetzt greift er die Grundlagen unseres Landes stärker an, als die SPD-Regierungen vor ihm.

2. Twitterfestival

Nach dem ersten Twitterfestival kommt nun das zweite Twitterfestival im Unperfekthaus

Es findet am 25. Jun an 18.00 Uhr statt. In der Pressemitteilung stehen die Gründe für die Fortsetzung: Nicht ganz 140 Tage nach dem wundervollen ersten Twitterfestival im Februar gibt es jetzt Nummer 2. Yeah! Manche von euch haben mich immer wieder angestupst und gefragt, wann es denn wieder soweit ist. Ein gutes Zeichen. Denn das bedeutet ja nichts Anderes, als dass ihr eine schöne Zeit hattet.
Am 25. Juni ist es soweit! Da werden Avatarbildchen und Nicks wieder Menschen aus Fleisch und Blut zugeordnet, Sympathien neu sortiert und unbekannte Seelen entdeckt.
Um Leben in die Bude zu bekommen, twittert und retweetet bitte fleissig, und erzählt jedem, der es wissen will, vom Twitterfestival Ruhrgebiet. Euch sind damit viele Karmapunkte gewiss. Versprochen. Ich freue mich auf ein weiteres entspanntes Twitterfestival :)" Mehr unter Twitterfestival.de. (Und auf die versprochenen Karmapunkte verzichte ich freiwillig 🙂 )

3 FÜR 7 – Festival-Special

Auf die erste echte Hitze des Jahres reagieren die Menschen ja durchaus verschieden. Manche stürzen sich geradezu konsumfreudig ins Freie, andere warten eher, bis sich die Sonne auch in ihrem Gemüt ausgebreitet hat. Und egal ob man sich nun die feineren Sinne verklebt oder sensibilisiert, für alle Menschen gibt es diese großartige Massenveranstaltungserfindung namens Festival. Einige heißen so: Klangvokal, moers festival, Pfingst Open Air Werden.

Klangvokal ist neu für Dortmund: In der gesamten Innenstadt finden verschiedenste Konzerte rund um Vokalkünstler statt, regionale wie internationale. Das geht von Jazz mit Dianne Reeves im Konzerthaus über Puccinis "Tosca" im Theater bis hin zum 14. Sparkassen-Accapella-Festival. Dortmund im Rundumschlag der Stimmen, quasi. Weltmusik, Chöre, Oratorien, Peter Maffay, Erika Stucky und "Haydn meets Hip-Hop". Gar nicht schlecht, wenn die "Popstadt" mal nicht zu poppig ist, Popmusik von der Stange gibt es ja auf den Stadtfesten schon genug.

Moers darf sich in diesem Jahr mit Namen wie Wayne Horvitz, Tim Isfort Tentett, Marc Ribot, Mostly Other People Do The Killing (Foto: moers festival) und auch Emscherkurve 77 schmücken. Und zu diesem Festival ist wirklich schon genug geschrieben worden. Vielleicht gibt es dieses Jahr bei den Ruhrbaronen ja wieder eine Live-Reportage, das wär doch was, oder?

Eine wilde Mischung an frischer Luft mit etwas Jugendamt-Flair an einem christlichen Feiertag? Genau, Pfingsten in Werden. Und diesmal will man es anscheinend wissen, was man der (Sonnen-)besoffenen Jugend so an Durcheinander zumuten kann. The Whitest Boy Alive wollten nicht zwingend zwischen Jennifer Rostock und Kreator auf der großen Bühne spielen, heißt es. Hahaha! Naja, sie spielen nun wohl auf dem Areal der Elektronischen Wiese, nebst DJs wie Vincenzo und Mit-Gastgeber Modern Walker. Weitere Bands auf der großen Bühne: Black Lips, Ja, Panik!, Freakatronic. Fürchterliche Mischung mit teils aber auch ganz guten Acts, fast als wolle man die Jugend von heute zu mehr Bandenkriegen motivieren. Könnte heiß werden, kann aber auch wieder mal ganz stumpf bleiben.

Im Überblick:
Klangvokal vom 28. Mai bis zum 16. Juni in der Dortmunder Innenstadt.
moers festival vom 29. Mai bis zum 1. Juni.
Das 28. Pfingst OpenAir Werden am 1. Juni im Löwental zu Essen.

 

Piraten brauchen Unterschriften

Um an der Bundestagswahl im Herbst teilnehmen zu können braucht die Piraten-Partei in NRW noch Unterstützer.

2000 Unterstützungsunterschriften benötigt die Piraten-Partei-NRW, um an den kommenden Bundestagswahl teilnehmen zu können. Die Piratenpartei setzt sich für den gläsernen Staat, die Rechte der Internet-Community und gegen Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung ein. Stand 23. Mai fehlten den Piraten noch 666 von dieser Unterstützerunterschriften. Wer für die Piraten unterschgreibt erklärt natürlich nicht dass er sie wählt, sondern nur, dass er als Bürger befürwortet dass sie zur Wahl antreten können und ein für ihn wichtiger Teil des Parteiensprektrums sind. Also, wer ein Herz für die Piraten hat, sie unterstützen möchte ohne sie gleich zu wählen hat hier eine gute Möglichkeit, das zum Ausdruck zu bringen.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Guttenberg bringt Opel-Zerschlagung ins Spiel…Spiegel

Opel II:
Guttenberg dementiert Opel-Zerschlagung…Spiegel

Opel III: Magna überarbeitet Pläne für Bochum…FAZ

Kitas: Heute wieder Streik…Ruhr Nachrichten

Industrie: Chemie-Pipeline im Betrieb…Bild

Dortmund: Zweiter Schläger in Haft…Der Westen

Wahlkampf: Müntefering in Bochum…Der Westen

Gothic: Blackfield Festival im Nordsternpark…Gelsenkirchen Blog

Buch: Döner, Machos und Migranten…Hometown Glory

Energie: RWE will eine Milliarde Subventionen…Unkreativ

Irland: Das Kreuz mit der Kirche…Zoom

Tiere: Wollhandkrabben in Castrop…Ruhr Nachrichten

Bundestag: Laurenz-Meyer fordert Urlaubssperre…Welt

Netzsperre: Netzpolitik im Endspurt…2.0

Grundrechte: Pressefreiheit schwindet…FAZ

Internetszene: Wir sind Helden…FAZ

Hammer Kanäle im Risiko

Foto: Flickr.com / jphintze

Mitten in der Wirtschaftskrise bedrohen Geschäfte mit dem eigenen Kanalnetz den ohnehin angespannten Haushalt der Stadt Hamm. Erst vor wenigen Wochen hat die Europäische Union ein Vertragverletzungsverfahren gegen die Ruhrgebietsstadt eröffnet. Nach Ansicht der EU hat die Gemeinde ihr Abwassernetz unrechtmäßig auf den Lippeverband übertragen. Bis Anfang Juni hat nun die Bundesregierung Zeit, die Angelegenheit zu bereinigen, gelingt ihr dies nicht, kann die EU ein saftiges Zwangsgeld oder im Extremfall sogar die Rückabwicklung des Geschäftes anordnen. Hamm hatte bei der Übertragung vor zwei Jahren insgesamt 172 Mio Euro vom Lippeverband bekommen.

Nach Ansicht der EU ist das Hammer Geschäft gegen die geltenden Wettbewerbsregeln in Europa durchgezogen worden, nach denen ab einem Schwellenwert von rund 200.000 Euro alle öffentlichen Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen. Da der Lippeverband sich verpflichtet hatte, das Kanalnetz von Hamm zu unterhalten, habe also auch dieses Geschäft ausgeschrieben werden müssen. Besonders schwerwiegend ist nach Ansicht der EU, dass im Lippeverband neben Kommunen auch Privatunternehmen Mitglieder sind. Ihnen sei so unrechtmäßig Eigentum zugeschanzt worden. Die EU sieht die Entsorger benachteiligt, die sich seit Jahren bemühen den Markt für den Unterhalt der Kanalnetze zu öffnen. Ihrer Ansicht nach könnten in den Kloaken Geschäfte wie mit der privaten Müllentsorgung aufgezogen werden.

Die Stadt Hamm widerspricht dieser Ansicht. Bei der Übertragung der Netze handele es sich um ein Geschäft ausschließlich innerhalb der öffentlichen Hand. So seien die Leistungen von einem kommunalen Träger auf den anderen übertragen worden, sagte ein Sprecher der Stadt. Die privaten Anteilseigner im Lippeverband seien per Gesetz Zwangsmitglieder und würden keinen eigenen Nutzen verfolgen. Diese Ansicht wird vom NRW-Umweltministerium unterstützt. Ein Sprecher von Minister Eckhard Uhlenberg bestätigte, dass es sich bei dem Deal zwischen Stadt und Verband um „einen staatsorganisatorischen Akt“ gehandelt habe, auf den das Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar sei. Die Bundesregierung werde sich entsprechend äußern.

Nach Ansicht von Martin Burgi, Professor für EU-Recht an der Uni Bochum, ist es nicht leicht auszumachen, wer hier richtig liegt. „Die Sache steht auf der Kippe.“ So sei das Konstrukt der sondergesetzlichen Abwasserverbände in Nordrhein-Westfalen europaweit einmalig. In diesen Verbänden sind Privatunternehmen zur Mitgliedschaft verpflichtet und müssen Geld bezahlen – ohne Aussicht auf Gewinne. Die Verbände selbst würden zudem öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Andererseits sei nicht von der Hand zu weisen, dass hier ohne Ausschreibung Eigentum unter anderem auf private Firmen übertragen worden sei. „Die EU sagt, deswegen handelt es sich nicht um ein In-House-Geschäft der öffentlichen Hand.“

In Hamm gibt man sich gelassen. „Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen“, sagte ein Sprecher. Und wenn am Ende die Europäische Kommission gewinnen sollte, sei kaum damit zu rechnen, dass noch etwas in die Vergangenheit hinein geändert würde. Das Urteil dürfte sich dann wohl eher auf zukünftige Geschäfte beziehen, hieß es.