Videoblogging von Zollverein: waterloostudios.tv

Der letzte Blick der Ruhrbarone auf die "Designstadt", wahlweise auch "Creative City", auf Zollverein war ein durchaus skeptischer. Das bezog sich aber nicht auf die Mieter der Räumlichkeiten, die inzwischen fast ausnahmslos umgezogen sind. Eines dieser Projekte ist waterloostudios.tv von Norman Bruckmann, mittlerweile im Asienhaus um die Ecke residierend und ganz gewiss mit einem eigenen Kopf ausgestattet. Ein Interview zum Hausbesuch.

Ruhrbarone ?: Warum Waterloo, warum Studios, warum TV?

Norman Bruckmann !: Seit etwa 10 Jahren gibt es eine inzwischen eher statische Seite von Kommunikationsdesignern namens Waterloostudios.com. Die ist entstanden in einem Haus in der Essener Waterloostraße, in das ich einige Jahre später eingezogen bin. Für mich war der Beweggrund, „tv“ zu nehmen, dass ich halt bewegte Bilder zeigen wollte. Der Name passt nach wie vor gut zu meinem Lebensumfeld, und die Geschichten um Waterloo und Blücher faszinieren mich nach wie vor.

?: Die Seite selbst ist ja nach verschiedenen Medien sortiert (Podcast, Videos, Text), funktioniert aber auch gleichzeitig wie ein Blog, in dem fast täglich „gesendet“ wird. Gibt es bestimmte Kriterien, nach denen du entscheidest, welches Format du wählst?

!: Im Moment mache ich die Seite redaktionell alleine. Ein Text braucht bei mir lange, bis ich mit dem zufrieden bin. Daher mache ich eher Filmfetzen, die sich wie ein Puzzle zusammensetzen lassen. Podcasts benutze ich gern, um Ungeschnittenes direkt ins Netz zu stellen. Ein Filmclip macht das für die Nutzer dann navigierbar, veranschaulicht auch das Thema des Casts. Das heißt es gibt sich aufeinander beziehende Beiträge in verschiedenen Formaten, aber auch kleine Serien.

?: Ein Beispiel wären hier deine Sendungen rund um „Essens Kreative Klasse“. Dort bringst du eigene Gedanken zu Kultur, Ökonomie und Design zusammen mit den dort verhandelten Ansätzen. Ist das eine typische Arbeitsweise oder woher kommen die Themen?

!: „Essens kreative Klasse“ hat mich und mein Umfeld betroffen und direkt angesprochen. Ich habe mich dann in diese Situation bewusst hineinbegeben und lasse mich dann bewegen. Manchmal provoziert eine Schlagzeile aus der Tagespresse aber auch einfach eine bestimmte Haltung, dann eine Recherche und somit einen Beitrag. Im Grunde halte ich mich gern von allzu tagesaktuellen Themen fern. Es geht eher um „storytelling“, also um so etwas wie „Geschichten erzählen“. Außerdem widme ich mir auch nur den Themen, zu denen ich schon Haltungen in mir vorfinde, die ich aus meinem Fundus an Wissen und Einstellungen ernsthaft „bedienen“ kann. Ohne diesen gäbe es auch keinen seriösen Erzähler, der übrigens ja auch Fragen hat und auch mal Studientage dokumentiert. Ein Wissen das ich nicht verstehe besitzt mich und nicht umgekehrt.

?: Ist waterloostudios.tv ein Projekt, das du vor allem ausweiten möchtest? Oder ist es eher eines, das nach einer Startphase so ähnlich weiterlaufen soll, wie es sich heute schon darstellt, im Grunde mit einer täglichen, exklusiven Sendung?

!: Andere Projekte, an denen ich beteiligt bin, lassen sich gut mit dieser Versuchsanordnung waterloostudios.tv in Einklang bringen, und das soll auch so bleiben. In erster Linie funktioniert der Kanal für mich nämlich nicht nur als Fluss, sondern auch als Speicher. D.h. man kann ständig auf ein Reservoir von Haltungen zurück greifen und auch dabei zusehen, wie diese entwickelt werden und ob sie sich überhaupt bewähren. Es gibt natürlich die Möglichkeit, Kommentare zu posten und Themenvorschläge oder Sendungen anzubieten. Ich habe da auch schon einen merkwürdig konstruktiven Troll, der mir ständig zeigt, wie meine Mitstreiter und ich die Seite weiter optimieren können. Da darf gerne noch mehr gepostet werden.

(Das Foto zeigt das zunächst erstellte physische Modell für die Struktur der Seite.)

Französische Gas-Strategie heizt RWE-Braunkohle ein

Der möglicherweise entschiedene Machtkampf um den ostdeutschen Gasimporteur VNG wirft eine wichtige Frage für den Ruhrgebietsversorger RWE auf. Wie wichtig sind Braunkohlekraftwerke für die Zukunft des Energiekonzerns?

Der Hintergrund: 2013 will die EU ein neues CO2-Management einführen. Dann sollen die Verschmutzungsrechte für das klimaschädliche Gas drastisch verteuert werden. Bis zu 50 Euro soll das Recht kosten, eine Tonne CO2 in die Luft pusten zu dürfen. Damit erscheint es immer schwieriger für das RWE eine wirtschaftliche Zukunft mit den Meilern über 2013 hinaus zu finden. Die Braunkohlekraftwerke sind die größten CO2-Fariken in Europa. Gleichzeitig gerät der Konzern unter Druck, denn Wettbewerber des RWE suchen ihre Zukunft in Gaskraftwerken. RWE hat das grundsätzlich erkannt und betreibt den Bau der Gaspipeline Nabucco, um einen eigenen Zugang zu Pipelinen-Gas zu gewinnen und damit die Grundlage für eigene Gaskraftwerke zu schaffen.

Doch während dieses wichtige Projekt aus der Ferne Gas von Asien her nach Europa führen soll, stürzen sich die Franzosen vom Versorger Électricité de France (EDF) auf die nahe Beute. Sie wollen den Leipziger Gasimporteur VNG über ihre deutsche Tochter EnBW kaufen. Gelingt das Geschäft der Franzosen, können sie die Konkurrenz vom Braunkohleverstromer RWE weit hinter sich lassen. Denn neben dem Gas kann sich EdF in ihrer Entwicklung auf den Betrieb von Kernkraftwerken stützen. Beides bietet hervorragende CO2-Perspektiven.

Das Objekt der französischen  Begierde sieht dabei völlig gewöhnlich aus. Irgendwo am Leipziger Stadtrand steht das Bürohaus des Gasimporteurs Verbundnetz Gas (VNG). Die Sonne spiegelt sich in den Fenstern eines gewöhnliches Bürodesigns. Daneben wächst Gras über eine Industrie-Brache und Überland-Heizungsrohre verschwinden im Boden.

Doch hier ist nichts gewöhnlich. Um die Kontrolle über die VNG tobte über ein Jahr lang ein wilder Machtkampf. Der Chef des fünftgrößten deutschen Versorgers EWE, Werner Brinker, hat versucht, die VNG feindlich zu übernehmen. Dagegen sträubten sich ostdeutsche Kommunen, die um ihren Einfluss auf den Gaslieferanten bangten.

Erst jetzt scheint dieser Kampf weitgehend entschieden. Brinker hat aufgegeben. Nach meinen Informationen verhandelt er derzeit über den Verkauf der EWE-Anteile an der VNG mit dem Süddeutschen Energiekonzern EnBW. Es geht um immerhin 48 Prozent.

Die Leidenschaft, mit der Brinker versucht hat, die Kontrolle über die VNG zu gewinnen, lässt sich erklären. Hinter der sachlichen Fassade des Gasversorgers verbirgt sich die Zentrale des zweitgrößten ostdeutschen Konzerns, hier werden die Gasverträge aus der untergegangenen DDR verwaltet, neue Felder in Norwegen gekauft und Produktionslizenzen im Osten ergattert. Die VNG ist nach E.on Ruhrgas und Wintergas der drittgrößte Gasimporteur Deutschlands.

Und damit nicht genug. Das Leipziger Unternehmen besetzt eine Schlüsselposition im Kampf um die Zukunft der europäischen Energieversorgung. Erst vor wenigen Wochen kamen der Vorsitzende des russischen Staatskonzerns Gazprom, Alexei Miller, sein Stellvertreter und Gazprom Exportchef, Alexander Medwedew, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, und duzende Botschafter und Firmenchefs aus der ganzen Republik zusammen, um mit VNG-Chef Klaus Ewald Holst das fünfzigjährige Bestehen seines Unternehmens zu feiern. Der ungewöhnliche Auftrieb ost- und westeuropäischer Prominenz im Gasgewerbe verdeutlicht die Rolle der Firma als Brücke im Energiegeschäft. Die Russen haben Vertrauen in das Leipziger Unternehmen. Sie fördern den Austausch mit der VNG und besetzen Lehrstühle an der örtlichen Uni. Dafür kauft auch schon mal das deutsche Unternehmen Bilder von der Ehefrau Medwedews auf. Die Bande sind eng.

Und das ist wichtig. Denn nur wer in der Lage ist, langfristige Gasverträge abzuschließen, kann Gaskraftwerke bauen. Die Kontrolle über einen Importeur wie die VNG ist damit eine notwendige Voraussetzung, um großflächig in eine neue Industrie investieren zu können. Vor dem Hintergrund der EU-CO2-Bestimmungen ist die VNG zur Trumpfkarte im Wettkampf der Versorger.

Der Süddeutsche Energieversorger EnBW hat das erkannt. Er will für die 48 Prozent der EWE an der VNG eine Summe von rund 1,2 Mrd Euro bezahlen.

Für das Geld hat EWE schon eine Verwendung gefunden. Das Unternehmen würde gerne den Anteil der holländischen Essent an den Bremer Stadtwerken kaufen. Auch diese Beteiligung ist derzeit auf dem Markt. Denn nach der Übernahme der Essent durch das RWE rechnet die Branche damit, dass der Essener Konzern die Bremer Beteiligung aus Kartellrechtsgründen wieder verkaufen muss.

Für die EWE hätte dieser Schritt große Bedeutung. Die bisherige Strategie des EWE-Chefs Brinkers würde umgeschmissen. Statt weiter die internationalen Ausrichtung zu forcieren, würden sich die Oldenburger ganz auf ihre Rolle als Regionalbetrieb konzentrieren.

Aber noch wichtiger ist das Geschäft ist für EnBW. Hinter der Firma steckt zu 45 Prozent der französische Versorger Électricité de France (EDF). Das Unternehmen bezieht seinen Strom nahezu komplett aus Atomkraftwerken. Sollte die EnBW tatsächlich 48 Prozent an der VNG kaufen können, würden die Franzosen auch direkten Zugang zu Importgas aus Russland und Norwegen gewinnen. Das wäre der strategische Urknall, um in Deutschland und darüber hinaus in Osteuropa neue klimafreundliche Kraftwerke zu bauen. Ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Konzernen wie Vattenfall oder RWE, die auf Braunkohlekraftwerke setzen.

Für EnBW ist das ein Grund im Osten freundlich zu sein. Ende Januar versprach EnBW, das Leipziger Gewandhaus mit 300 000 Euro drei Jahre lang zu unterstützen. Gleichzeitig versichern Emissonäre, die Franzosen wünschten freundliche Beziehungen zu den ostdeutschen Kommunen und garantierten deren Einfluss. Die Antwort ist bislang genauso freundlich. Aus der Politik wird die Bereitschaft signalisiert, die EnBW zu unterstützen. Dazu begleitet als Beauftragter des Bundes, Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte, die Verhandlungen positiv.

Dabei ist noch ist nicht alles entschieden. Der Aufsichtsratschef der EWE, Günther Boekhoff, will gerne einen Wettbewerb um die VNG-Anteile inszenieren – um den Preis zu treiben. Gleichzeitig gibt es Probleme mit dem Kartellamt: die Behörde sieht derzeit eine zu große Macht in dem Zusammenschluss von VNG und EnBW. Die Süddeutschen halten bereits Mehrheiten an dem sächsischen Gasversorger Enso. Gleichzeitig ist die VNG in Baden-Württemberg als Wettbwerber der EnBW aktiv. Doch eine an den Verhandlungen beteiligte Person ist sich sicher, dass alle Probleme bewältigt werden. „Wenn es um soviel geht, wird es eine Lösung geben.“

Stöckchen: Kann man einen Mac lieben?

Jens vom Pottblog hat mir ein Stöckchen mit der Frage ob man einen Mac lieben kann zugeworfen. Was für eine Frage…

Nein, natürlich liebe ich meine Macs nicht. Ein Mac ist ein Computer, nichts anderes. Gut, beim Apple ist die mittlerweile profane Technik auf Intel-Basis hinter einem etwas ansehnlicherem Chassis verpackt, aber das war es auch schon, mal abgesehen davon, dass auch noch ein wirklich gutes Betriebssystem in jedem Mac seine Arbeit zumeist klaglos versieht.
Ich hatte schon immer ein eher abgeklärtes Verhältnis zum Mac. Nur aus Gründen eines besseren Technologieverständnisses habe ich jede Biografie von Steve Jobs und Steve Wozniak gelesen – angefangen von der Ersten, die bei GfA  erschien. Mit Fankult hatte das nie etwas zu tun. Und als wir uns Anfang der 90er Jahre bei den Gladbecker Grünen angeschrieen und beleidigt haben als es um die Frage ging, ob nach den Ataris Macs oder PCs angeschafft werden – die Frage eine Koalition mit der CDU wurde hingegen recht leidenschaftslos geklärt – war das eigentlich nur reiner Zweckrationalismus. Gut, bei ein paar Leuten von damals muss ich mich wohl noch immer entschuldigen: Ich habe damals wohl leicht übertrieben, als ich mit hochroten Kopf erklärte, dass ein Votum für die Anschaffung eines PCs immer auf einen liederlichen Charakter schließen lässt. Heute wie ich es besser: es ist oft einfach nur Dummheit.

Klar, als ich bei Marabo anfing war es bestimmt etwas ungeschickt als ich voller Ekel auf die frisch angeschafften PCs in der Grafik herabblickte – in den folgenden Jahren blieb das Verhältnis zu den Grafikern immer leicht angespannt.
Ein paar Jahre später hatte ich ja auch einmal selbst einen PC- einen Gericom. Ich fühlte mich in jener Zeit so, als ob ich ein BvB-Tattoo auf der Stirn hätte – alles eine Frage der Ästhetik. Und ich meinte es bei all meinen Freunden, die ich in langen Nächten vom Kauf eines Mac überzeugte, immer nur gut mit ihnen.
Ob ich meinen Mac liebe? Nein, mein Verhältnis zu Apple ist nicht leidenschaftlich. Es ist eher religiös…

Und ich gebe das Stöckchen weiter an Frank, Dennis, Malte, Hans und Casi

IHK NRW verschwendet Geld gegen Umweltzonen

Die Industrie- und Handelskammern sind Zwangsverbände. Niemand kann sich aussuchen, ob er dazugehören will oder nicht. Per Gesetz ist jeder Unternehmer verpflichtet seine Beiträge zu bezahlen. Um so ärgerlicher ist es, wenn die Industrie- und Handelskammer NRW, namentlich der Geschäftsführer Joachim Brendel, offensichtlich Geld verschwendet, um politische Meinungsmache zu betreiben. So geschehen über einen Fragebogen, den die IHK NRW über einzelne Tochter-Kammern unter anderem im Ruhrgebiet per teurer Briefpost verteilen ließ.

Dabei geht es um die Umweltzonen in NRW. Eigentlich sollen diese Zonen der Bekämpfung des Feinstaubes in den meisten Großstädten des Landes dienen. Für das Ruhrgebiet war ursprünglich eine große Umweltzone angedacht, in der keine Stinker-Wagen mehr fahren sollten. Doch aufgrund des Widerstandes der IHKs und anderer Interessenverbände ließ die Landesregierung von diesen Planungen ab. Statt einer einheitlichen großen Regelung haben wir im ganzen Land einen Flickenteppich. Je nach Straße und Quartier darf ein altes Auto fahren oder nicht. Das ist nach langem Streit der Kompromiss.

Gut. Ich fand und finde den Widerstand gegen die Umweltzonen unsinnig. Mit einer einheitlichen Regelung hätte man etliche Privatpersonen und Firmen dazu bringen können, ihren Fahrzeugpark zu modernisieren – und die Luft in den Städten zu verbessern. Man ließ das bleiben. Nun wird mit einem Milliarden-Konjunkturprogramm versucht, dass gleiche Ergebnis zu erzielen. Der einzige Unterschied, jetzt werden Subventionen geblecht.

Aber darüber rege ich mich hier eigentlich gar nicht auf. Mich ärgert, dass die IHK nun einen Fragebogen verschickt hat an die Unternehmer im Land. Darin forschen die Funktionäre der Zwangsgemeinschaft ihre Mitglieder in vier Fragen aus, was die so gegen die Umweltzonen sagen können. 

Niemand hat eine Chance in diesem Fragebogen zu sagen, dass er die Umweltzonen sehr gut findet. Statt dessen wird abgefragt, ob Ausnahmegenehmigungen unbürokratisch verteilt werden, wie hoch die internen Kosten für die Anpassung sind und wie negativ die Informationspolitik aussah.

Vor allem der Punkt der Kosten macht mich mißtrauisch. Da kann jeder Hansel Phantasiebeträge in den Fragebogen eintragen und die IHK wird diese Antworten als Studie verkaufen. Irgendein Berater wird dafür eine satte Summe kassieren und alles zu einem vorgefertigten Zweck – nämlich nachzuweisen, dass die Umweltzonen schlecht für die Wirtschaft sind und die Unternehmen im Land über Gebühr belasten. Denn die einzige mögliche Auswertung auf die Kostenfrage lautet: Umweltzonen kosten die Firmen im Land (vor allem den Mittelstand) XY Millionen Euro. Die IHK braucht diese Aussage, weil die IHK nämlich immer noch gegen die Zonen kämpfen.

So steht es nämlich im Anschreiben zum Fragebogen. Sinn der Übung sei es: "die Argumentationslinie der IHK zu untermauern."

Kein Wort darüber, ob die Unternehmen das Geld gerne ausgeben, ob sie es sowieso ausgeben wollten oder ob es schlichte Ersatzinvestitionen sind. Einfach alles kann den Umweltzonen untergeschoben werden.

Die Fragebögen sollten zum 23. Januar zurückgeschickt werden, man kann also mit der entsprechenden Propaganda-Meldung Ende Februar rechnen.

Tolle Geldverschwendung. Ärgerlich nur, dass dieser nutzlose Propaganda-Versuch auch von meinem Geld bezahlt worden ist.

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Ruhrgebiet Aktuell am Montag

 Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr

  Kreis Unna: SPD nominiert Makiolla…Ruhr Nachrichten

  Termine: Veranstaltungstipps…Pottblog

  Medien: Offener Brief eines WAZ-Freien…Medienlese

  Kongress: Recruitung auf dem CAR-Kongress…FAZ

 Krise: Kultur leidet mit…K.West

Essen: CDU nominiert Britz…Der Westen
(Siehe auch Ruhrbarone vom 7. Mai 2008: Duel Lehrer gegen Diplomingenieur)

Seemänner: Dosensuppen für Hertie-Chefs…Castroper Geschichten

Und sonst:

Facebook: Handel mit Benutzerdaten…blogbar

Judenwitze: Lustiges bei…Denkfabrikblog

DFB-Pleite: Presseurteil im Wortlaut…Jens Weinreich

WAZ überlegt sich von dpa-Beteiligung zu trennen

Die WAZ-Gruppe aus Essen würde sich nach dem Auslaufen der dpa-Lieferverträge gerne auch von der Beteiligung an der Deutschen Presseagentur dpa trennen- sagt WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus.

Der Zeitung "Die Welt" sagte Nienhaus: "Wenn Sie jemanden wissen, der unseren Anteil will, sagen Sie mir bescheid." Die dpa wurde nach dem Krieg als Solidar-Projekt von den deutschen Verlagen gemeinsam gegründet. Als staatsunabhängige Agentur gehört dpa heute 191 verschiedenen Medienunternehmen – neben Verlagen auch Fernsehsendern und Radiostationen. Damit niemand dominierenden Einfluss auf die Agentur bekommt, dürfen einzelne Firmen maximal 1,5 Prozent an dpa besitzen.

Für ihre Grafik, Text und Bilddienste beschäftigt dpa in Deutschland 814 Journalisten. Die WAZ-Gruppe ist das erste Medienunternehmen, dass alle diese Dienste auch für Online-Produkte aufgegeben hat. Zuvor hatten die Düsseldorfer "Rheinische Post", bei der der heutige WAZ-Chef Ulrich Reitz früher als Chefredakteur beschäftigt war, die Chemnitzer "Freie Presse" und die Ludwigshafener "Rheinpfalz" lediglich den Basisdienst gekündigt.

Die "Saarbrücker Zeitung" und die "Lausitzer Rundschau" hatten in den Neunziger Jahren den Basisdienst vorrübergehend abbestellt, nutzen den Service aber heute wieder.

Linkspartei will Landschaftsverbände erhalten

Die Linkspartei will die beiden Landschaftsverbände erhalten. Ihr Gutachter beruft sich dabei auf ein Lobby-Gutachten der Kammer in Duisburg.

Mit der Linkspartei ist eine Modernisierung des Verwaltungsstrukturen in NRW nicht zu machen: Das geht aus einem Gutachten hervor, dass der Bonner Leichtjurist Michael Faber im Auftrag der Linkspartei in NRW erstellt hat. Sein Fazit: "Höhere Kommunalverbände haben sich auf der Mittelebene in NRW bewährt. Sie sind zu erhalten und auszubauen."

Die Linkspartei wendet sich damit gegen das Vorhaben der Landesregierung aus den zwei Landschaftsverbänden und fünf Bezirksregierungen drei neue Institutionen zu bilden. Dabei sieht Faber durchaus die Berechtigung des Reviers auf Selbsverwaltung – allerdings glaubt er nicht, dass das Ruhrgebiet dazu in der Lage ist, diese Aufgaben zu erfüllen. Faber bezieht sich dabei vor allem auf ein Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW) aus dem vergangenen Jahr – in Auftrag gegeben wurde es von der Duisburger Industrie- und Handelskammer, die im Gegensatz zu den Kammern in Bochum und Essen gegen eine Neustrukturierung des Landes ist. Den Ansatz, für einen Ruhrbezirk eine vernünftige finanzielle Ausstattung zu fordern, wie er im Gutachten immer wieder aufkommt, folgt Faber nicht – er setzt auf Strukturkonservatismus.

Liest man das Vorwort ahnt man warum: Unterschrieben wurde es von Jörg Detjen, Roland Busche und Pitt Müller: Allesamt  Mitglieder der Landschaftsversammlung Rheinland und alle wohl daran interessiert, ihre Pöstchen auch in Zukunft zu behalten. 

Aus Fehlern lernen- wie das so ist mit der Kulturhauptstadt

Schon im nächsten Jahr wird das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas. Doch kaum einer kann sich vorstellen, was das heißt. Erleben wir Massenaufläufe, abgesperrte V.I.P-Zonen oder nur hier und da ein wenig Kulturdonner? Die neue Ruhrbaroness Olga Kapustina hat das schon mal mitgemacht. Bei einer Kulturhauptstadt. In Sankt Petersburg – vor fünf Jahren.

Ein Theater beginnt an der Garderobe, eine Stadt — am Bahnhof. Wer jetzt in Essen einreist, wird vom Hauptbahnhof zu einem Stadtbesuch kaum verführt. Hier wird gebaut. Genauso am Limbecker Platz. Selbst wenn shoppinglustige Touristen das große Kaufhaus dort stürmen wollen, müssen sie mit einiger zeitlichen Verzögerung wegen der Umleitungen und Straßensperrungen rechnen. Nicht nur am Bahnhof — überall in Essen wird gebaut.

Heute, ein Jahr bevor das Ruhrgebiet rund um Essen zur Kulturhauptstadt Europas wird, erinnert mich die Gegend an eine andere Kulturhauptstadt — die russische. Damals gab es in Petersburg eine grandiose Feier – und grandiose Vorbereitung dazu. Das war 2003. Die Petersburger Behörden gaben ihr Bestes, damit das 300jährige Jubiläum der Stadt zum Ereignis des Jahres wird. Es wurde sogar eine Sonderkommission für die Organisation des Festes unter Leitung des Präsidenten Wladimir Putin geschaffen.

Allein aus dem staatlichen Haushalt wurden für die Feier etwa 17 Mio. Dollar bereitgestellt. Die ganze Stadt wurde zu einer Baustelle. Die Denkmäler wurden restauriert, die Parkanlagen mit den neuen Bänken ausgestattet, die Fassaden frisch gestrichen, die Straßen repariert.

Vor allem die Straßen, durch die die hohen Gäste des Festes fuhren. Auf der Jagd nach Sauberkeit versuchten die Behörden, auch die Ratten und herrenlose Hunde auszurotten. Zwei Jahre später während der Vorbereitung zum G8-Gipfel gingen sie noch weiter und hatten die Obdachlosen aus der Stadt verjagt.

Sogar das launische Petersburger Wetter wurde besiegt. Die Regenwolken wurden während des Festes von Flugzeugen auseinander getrieben.

Zur Feier kamen Chefs aus allen möglichen wichtigen Ländern. Besonders Silvio Berlusconi und George Bush lobten das Fest. Es sei hervorragend gelungen. Die Gouverneurin Walentina Matwienko zog Ende 2003 folgende Bilanz. "Das Jubiläum fand eine große Resonanz in der ganzen Welt. 45 Staatsoberhäupter aus verschiedenen Ländern besuchten unsere Stadt. Kaum ein Staat hat uns kein Geschenk geschickt. Die Petersburger wussten solche Aufmerksamkeit zu schätzen".

Allein, die Menschen selbst schienen diese Auffassung nicht ganz zu teilen. "Fünf Jahre ist das nun her, aber ich kann immer noch nicht über dieses Fest sprechen, ohne zu schimpfen", sagt der Online-Radakteur Michail Rybaso. "Das war kein Fest für die Menschen hier, auch nicht für die Gäste der Stadt. Die ganze Show wurde nur für einen Haufen wichtiger Politiker aus verschiedenen Ländern organisiert. Die normalen Bürger galten für die Organisatoren als Störung. Es wurde uns sogar empfohlen, für die Festtage aus der Stadt rauszufahren."

Was soll ich sagen.

So war das auch.

Etliche Petersburger waren während der Feiertage auf einer Landpartie. Wer in der Stadt geblieben ist, erinnert sich an eine misslungene, aber teure Lasershow, an Gedränge auf der Hauptstraße, dem Newskij Prospekt, weil die besten Plätze am Ufer der für die hohen Gäste abgezäunt wurden, an gesperrte Straßen und miesen Empfang für das Handy.

Es heißt, die Kulturhauptstadt sei am besten mit den Worten zu beschreiben: "Hast", "Chaos", "Augenwischerei" und "Übertreibung". Ein russisches Sprichwort sagt: Der Kluge lernt aus den Fehlern der Anderen, der Dumme aus den eigenen.

Ich glaube nicht, dass hier im Ruhrgebiet die Fehler von St. Petersburg wiederholen werden. Ein Jahr vor der Kulturhauptstadt will man alles im besten Licht sehen. Das größte innerstädtische Shoppingcenter wird am Herbst 2009 fertig sein. Der Hauptbahnhof wird Gäste freundlich empfangen.

Nur die Chance, einen Platz für einen Englisch-Sprachkurs an der Uni zu bekommen, wird immer noch so hoch sein, wie die Chance auf den Gewinn einer lebenslangen Rente im Lotto.

Im Unterschied zur Essener Uni begann meine Alma-Mater in St. Petersburg wie ein Theater an der Garderobe. Da nahm eine alte Dame – hieß sie nicht Lidija Petrowna? – unsere Mantel in die Hand. Wer sie nicht grüßte, bekam eine kurze Vorlesung über Höflichkeit. "Als Petersburg noch Leningrad hieß, da sagten alle Guten Morgen." Lidija Petrowna hat uns beigebracht, dass die Kulturhauptstadt bei uns beginnt.

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Henryk M. Broder über die Hamas, Papst Benedikt und 200 schwedische Nutten

Henryk M. Broder gehört zu den bekanntesten Journalisten Deutschlands. Mit seinen Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen polarisiert er wie kein Zweiter. Es gibt nicht wenige Menschen, die seine Artikel im Spiegel mit einem großem Interesse und Freude zur Kenntnis nehmen. Vermutlich gibt es aber mindestens genauso viele Leser, die auf seine Polemiken mit ätzender Kritik, zuweilen auch mit Beschimpfungen und Drohungen reagieren. Es gibt indes nur wenige, so viel steht fest, die den Urteilen Broders gleichgültig gegenüberstehen.

Henryk M. Broder Lizenz: Lizenz: GNU Free Documentation License, Version 1.2 Foto: Sven Teschke

Zuletzt hatte es Schlagzeilen gegeben als Broder von Evelyn Hecht-Galinski, der Tochter des langjährigen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, verklagt wurde.  Broder hatte gesagt, „antisemitische und antizionistische Aussagen“ seien Hecht-Galinskis „Spezialität“, da sie Israels Behandlung der Palästinenser mit der Judenpolitik der Nationalsozialisten verglichen hatte. 

 

Als ich die Lobby des Bielefelder Hotels Tulip Inn betrete, sitzt Broder auf einem Sessel und wird von einem Fotographen porträtiert. Er spielt vor der Kamera mit seinem Image als Hallodri und posiert als Teufelchen. Vor dem Gespräch frage ich mich, wie es sein wird, ein Interview mit einem solch streitbaren Geist zu führen.  Ausgesprochen angenehm, kann ich nun sagen. Broder ist höflich, lädt zu süßem Earl Grey Tee und nimmt sich mehr als anderthalb Stunden Zeit. 

 

Herr Broder, vor etwa zwei Wochen wurde bei Plasbergs Sendung „Hart aber fair“ über Israel und den jüngst zu Ende gegangene Krieg diskutiert. Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm vertrat in der Sendung die Position, die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel sei ein Verbrechen und kollektive Haft. Was hätten Sie ihm an der Stelle von Herrn Friedman entgegnet?

 

Ich war an dem Abend in Tel Aviv, ich hatte gute Laune, habe gut gegessen und wollte mir nicht die Laune durch Herrn Blüm verderben lassen. Ich habe später Ausschnitte im Internet gesehen.

Ich hätte ihm gesagt, dass er ein Rad ab hat. Und zwar schon eine ganze Weile ein Rad ab hat. Blüm hat zum Beispiel, noch bevor er als Antisemit bezeichnet wurde, gesagt, er könne kein Antisemit sein, da er Christ sei und als Christ glaube er an Jesus und Jesus sei Jude gewesen. Da kann man nur sagen: Guter junger Mann, es gibt eine tausendjährige Geschichte christlichen Antisemitismus, die erst vor kurzem, vor 50, 60 Jahren offiziell vom Vatikan beendet wurde. Mit so was kann man nicht debattieren. Selbst wenn Blüm sagen würde, 2 mal 2 ist vier, würde ich das gründlich nachprüfen. 

 

Sie sagten, drei der Gäste seien Antisemiten gewesen. Nennen Sie Ross und Reiter! 

 

Herr Plasberg war es nicht. Der nette Herr Dreßler war es auch nicht. Beim Rest vertrauen Sie auf den Würfelbecher. 

 

Was halten sie von Friedmans Auftreten in den Medien?

 

Also Friedman und ich sind nicht die dicksten Freunde, das weiß man. Ich finde ihn einen sehr klugen, schlagkräftigen und gut informierten Mensch. Wenn er noch einen Hauch von Selbstironie besäße, wäre er noch besser. 

 

Vor einigen Wochen hatte die Duisburger Polizei die Tür eines Wohnhauses eingetreten, um Israel-Flaggen aus der Wohnung zu entfernen, die von außen sichtbar waren. Aufgebrachte demonstrierende Türken, Palästinenser und Araber nahmen Anstoß an diesen Fahnen und bewarfen sie mit Messern und anderen Gegenständen. Dabei wurden verfassungsfeindliche Parolen gerufen.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Polizei?

 

Also erst einmal hat der Duisburger Polizeipräsident sich kurz darauf entschuldigt. Ich würde das nicht überdramatisieren. Ich glaube, dass die Polizisten vor Ort einfach überfordert waren. Vor allem waren sie überfordert mit dieser Art der militanten Demonstration und da haben sie halt in einem kurzen Moment der Umnachtung und der Vernebelung Ursache und Wirkung verwechselt und sich nicht um die verfassungsfeindlichen Parolen gekümmert und nicht um die Rufe „Tod, Tod Israel“, sondern um den Studenten, der die Israel-Fahne rausgehängt hat. Das ist sozusagen der Hitze des Gefechts geschuldet. Unnett, aber ich würde es auch nicht überbewerten. Ich würde hier der Polizei ausnahmsweise keine bösen Motive unterstellen. Der Vorgang ist zwar peinlich, aber es beweist gar nichts.

 

Normalerweise ist der Begriff Toleranz positiv assoziiert. Man denkt an die offene Gesellschaft und an das Recht eines jeden, selbstbestimmt zu leben. Sie dagegen kritisieren in Ihrem neuen Buch die Toleranz. Warum?

 

Weil der Toleranzbegriff heute nicht mehr positiv besetzt werden kann. Toleranz ist heute Rücksichtnahme gegenüber Stärkeren, die sich auf Kosten der Schwächeren durchzusetzen versuchen. Der Toleranzbegriff stammt noch aus einer Zeit, als es darum ging, die Schwächeren gegenüber den Stärkeren zu beschützen. Heute beanspruchen militante Moslems, die es mir verbieten möchten, Mohammed-Karikaturen anzuschauen, dass ich ihnen gegenüber Toleranz praktiziere und auf diese Karikaturen verzichte. Gleichzeitig aber sind die mir gegenüber nicht bereit auf gewalttätige Ausschreitungen zu verzichten.

Das heißt, der Begriff Toleranz, den ich eigentlich sehr schätze, war sehr vernünftig, als die Gesellschaft vertikal organisiert war. Heute haben wir es mit horizontalen Gesellschaften zu tun, in der viele Gruppen miteinander und gegeneinander konkurrieren. Und da geht es um Rechte, um Ansprüche und um die Garantie dieser Rechte und nicht mehr um Toleranz.

Ich bin als Nichtraucher immer wieder von Rauchern aufgefordert worden tolerant zu sein und es hinzunehmen, dass diese mich vergiften. Wenn das der Begriff der Toleranz ist, dann tu ich mich dem gerne verweigern.  

 

Ich möchte Sie nicht zum Regierungssprecher Israels machen. Es ist jedoch so, dass Ihre Ansichten, gerade Israel betreffend, in Deutschland von hohem Interesse sind.

 

(Unterbricht) Wenn ich etwas sage? Keiner hört hin, nicht mal meine Familie.

 

Es gibt massive Kritik an Israels Kriegsführung. Auch unter denen, die ein militärisches Vorgehen Israels gegen die Hamas grundsätzlich befürworten. Es wurde kritisiert, dass die militärischen Schläge Israels unverhältnismäßig gewesen seien und zudem verbotene Phosphorgranaten verwendet wurden. Was antworten Sie auf diese Art der Kritik?  

 

Ich halte Kritik prinzipiell für legitim und sich zu fragen, ob Israel angemessen und richtig zurückgeschlagen hat, ist eine vollkommen legitime Frage, die weder antizionistisch, antisemitisch noch bösartig ist. Aber im Hintergrund der Frage steht dann natürlich auch die andere Frage, wie man auf acht Jahre Beschuss mit einigen tausend Raketen verhältnismäßig reagiert. Was wäre da die Verhältnismäßigkeit der Mittel? Unverhältnismäßig wäre es gewesen, sich ebenfalls hinzustellen und gezielt auf Gaza Raketen abzuschießen. Ich glaube, dass ein Staat, der versucht, seine Bürger zu schützen, in einer extrem asymmetrischen Situation ist. Dieser Staat kann das Richtige nicht unternehmen.

Auch ich hätte mir gewünscht, es hätte eine Intervention stattgefunden, die nicht rund 1400 Menschen das Leben gekostet hätte.   

Nur: Auch wenn diese Frage vollkommen legitim ist, würde ich mich freuen, wenn diese Frage von Leuten gestellt würde, die auch danach fragen, warum gerade auf Ceylon heftige Kämpfe stattfinden, bei denen Hunderte von Zivilisten ums Leben kommen. Aber das hat sich bis heute nicht bis Deutschland herumgesprochen. Zudem würde es auch keine Sau interessieren, weil bei dieser Auseinandersetzung keine Juden beteiligt sind. Deswegen halte ich die Kritik einerseits für legitim, aber andererseits frage ich mich, woher die Schieflage kommt und ob es wirklich um die leidende palästinensischen Zivilbevölkerung geht oder nur um eine gewisse Genugtuung und Schadenfreude über die Brutalität der Israelis.   

 

Die Hamas, so denke ich, weiß sehr genau um die moralischen Bedenken Israels…

 

Ja.

 

Sie deponiert ihre Waffen absichtlich in Krankenhäusern, Schulen und Wohnhäusern. Sie versucht dieses Verhalten auch noch religiös zu rechtfertigen, indem sie sagt, diese getöteten Kinder und Zivilisten seien Märtyrer und entsprechen Allahs Wille.

Ist diese Strategie der Hamas nur möglich, da der Koran explizit zum Töten aufruft?        

 

Das weiß ich nicht. Mich interessiert nicht, was im Koran steht, weil auch in der Bibel, im alten Testament ziemlich schreckliche Sachen stehen. An die Idiotien im alten und neuen Testament muss sich kein Christ und kein Jude halten, da gibt es genug  Priester und Rabbis, die sich um eine Interpretation bemühen, die der heutigen Moral entspricht. Der Koran ist nicht das Entscheidende. Auch die Bibel ist ein Selbstbedienungsladen für alle, die sich daraus bedienen wollen. Wenn Leute den Koran ernst nehmen, kann ich nur sagen: selber Schuld.

Ich habe wirklich ein tiefes Mitgefühl für diese armen Leute, weil sie wirklich schrecklich leiden. Andererseits: Wenn ich die Begeisterung sehe, wie sie ihre Kinder als Sprengstoff tragende Puppen verkleiden, Zweijährige mit Waffen hantieren und Hamas-Stirnbänder tragen und sich als Märtyrer anbieten, dann ist mir auch nicht klar, worüber sie sich beschweren, wenn sie wirklich zu Märtyrern werden. Außer dass sie auf der Klaviatur des schlechten Gewissens der Europäer spielen wollen – und zwar ziemlich erfolgreich.

 

Und wo wir schon mal bei der Hamas sind:

Es ist nun wirklich der größte Unsinn, wenn hier immer verbreitet wird, die Hamas sei demokratisch legitimiert. Natürlich ist die Hamas in einer demokratischen Prozedur gewählt worden. Es wird immer davon gesprochen, die Hamas hätte die absolute Mehrheit errungen, was kompletter Unsinn ist, wenn Sie sich die Ergebnisse anschauen. Die Hamas hatte 44% und die Fatah 38% der Stimmen.

Das heißt, so krass war der Abstand nicht. Nur durch ein trickreiches Wahlsystem konnte die Hamas die absolute Mehrheit der Sitze erringen. Im Übrigen hatte auch die NSDAP nie mehr als 33% oder 34% der Stimmen und hat es dann durch Koalitionen geschafft, an die Macht zu kommen.

Darüber hinaus zeichnet sich eine demokratische Wahl nicht nur dadurch aus, dass das Prozedere demokratisch war, sondern auch das Nachspiel demokratisch ist. Die Hamas verfährt rücksichtslos und brutal mit Ihren Gegnern, wie es eine demokratische Partei nicht tun kann.

Und was die Hamas als demokratische Partei vollkommen disqualifiziert, ist, dass sie sich weigert, die Verträge und Verpflichtungen der vorigen Regierung zu respektieren.

Als Helmut Kohl gewählt wurde, hatte er vorher den Wahlkampf gegen Helmut Schmidts Ostpolitik geführt. Und dennoch hatte er dann als Kanzler sämtliche Ostverträge der SPD übernommen. Das ist internationales Recht, das muss sein. Genauso hat dann Schröder, als er an die Regierung kam, selbstverständlich alle Verträge der CDU übernommen, obwohl er vorher im Bundestag dagegen gestimmt hat. Insofern kann bei der Hamas von einer demokratischen Partei, von demokratischen Wahlen und von einer demokratischen Machtausübung nicht gesprochen werden.

Die Hamas ist eine brutale Junta, die zu ihrem eigenen Volk brutal ist.

 

Was glauben Sie, gibt es noch eine Möglichkeit, dass Israel und die Palästinenser dauerhaft Frieden schließen? Wenn ja: Wiese sähe diese Möglichkeit aus?

 

Ich werde mich nicht blamieren und Pläne entwerfen. Ich habe neulich auf einer jüdischen Gesellschaft gesagt, ich hätte einen wunderbaren Plan für den Nahen Osten: Die Israelis laden die Führer der Hamas zu einem Essen nach Tel Aviv ein, fliegen 200 schwedische Nutten ein, filmen das Ganze und stellen es am nächsten Tag ins Internet – dann ist der Konflikt vorbei.

Mein jüdisches Publikum in Zürich war von diesem Vorschlag nicht sehr überzeugt.   

 

Ich finde den Vorschlag klasse und denke, die Geschichte geht schon so lange schief mit vernünftigen Lösungsvorschlägen, dass man es zwischendurch mit unvernünftigen Vorschlägen versuchen sollte.  

Aber nein, ich sehe zur Zeit keine Option. Worauf es ankommt, ist, den Konflikt zu minimieren, zu verwalten. Europa muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass es Konflikte gibt, die nicht lösbar sind – zumindest über einen überschaubaren Zeitraum.

 

Gibt es auf Seiten der Palästinenser gesprächsbereite Personen, mit wem könnte Israel  verhandeln?

 

Aber ja, Abbas zum Beispiel. Er hat offenbar seine Kontrolle in der Westbank etabliert, natürlich mit Hilfe der Israelis. Ich finde es übrigens sehr interessant, dass Abbas von vielen linksüberzeugten deutschen Gutmenschen inzwischen als Quisling, Verräter bezeichnet wird. Offenbar ist nach dem Verständnis einiger Deutscher ein Araber, der Juden nicht umbringen will, ein Verräter. 

Es gibt genug Palästinenser, die vernünftig sind, das sind selbstverständlich nicht alle blutrünstige Idioten, im Gegenteil. Die Palästinenser wollen auch nur normal leben. Unter den Umständen, die die Hamas diktiert, ist das nicht machbar. Die Hamas ist eine kleine Bedrohung für Israel, aber eine enorme Bedrohung für die Palästinenser selber.

 

Spricht man mit Arabern über den Gaza-Krieg, so kommt man irgendwann zum Grundkonflikt, der die Ursache dieser ganzen Gewaltspirale markiert:

Israel beansprucht das Land für sich, von dem die Palästinenser glauben, es gehöre ihnen. Ist dieser Grundkonflikt überhaupt lösbar?

 

Nein, das ist ja das Problem. Die Europäer glauben, dass wir hier einen Konflikt über ein Stück besetztes Land haben wie Eupen-Malmedy oder der Konflikt in Schlesien. So geht es nicht. Nach Ansicht der Hamas und Hisbollah geht es um ganz Palästina. Wenn das die Forderung ist, gibt es nichts mehr zu diskutieren. Dann kann Israel nur noch sagen: Der letzte macht das Licht aus und übergibt die Schlüssel an Herrn Nasrallah. Insofern ist es ein Konflikt, der nicht um Territorien geht. Für die militanten Palästinenser und Araber wäre Palästina auch dann besetzt, wenn es um einen Streifen Strand in Tel Aviv gehen würde.

 

Es gibt viele Stimmen, die behaupten, man hätte Ägypten durchaus mit diplomatischen Anstrengungen dazu bewegen können, die über dreihundert Tunnel zu zerstören, über die die Hamas in Gaza ihre Waffen bezieht, die sie dann auf Israel abfeuerte.

 

Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, Druck auf Ägypten auszulösen, weil es ein chaotisches Land ist, das nicht mal seine eigenen Affären geregelt bekommt.

Wenn Sie das von Intellektuellen gelesen haben, würde ich es per se nicht glauben.

 

Bernard-Henri Lévy hatte sich in dieser Richtung geäußert.

 

Ja, Ja. Aus irgendwelchen Kaffeehäusern in Paris und Tel Aviv kann man immer gute Ratschläge geben.

 

Die ganze Welt, so scheint es, erhofft sich von Barack Obama als neuen Präsidenten die Lösung aller Probleme. Schafft er es, für dauerhaften Frieden zwischen den Kriegsparteien zu sorgen?

 

Ich hoffe es sehr, aber ich denke nicht. Ich schätze Barack Obama sehr und habe mich gefreut, als er gewählt wurde. Aber ich glaube nicht, dass es Erlöser oder Zauberer gibt. Ich finde die Haltung der Europäer absolut infantil. So sehr er sich bemüht, Obama kocht auch nur mit Wasser. Ich denke, die Leute werden am Ende schrecklich enttäuscht sein.

 

Sie haben 2007 den Börne-Preis erhalten für ihr aufklärerisches Engagement. Sie sagen, Sie glauben nicht an Erlöser und Heilsbringer. Hier klingt die Philosophie Poppers an, auf die Helmut Schmidt sich während seiner Kanzlerschaft so stark berief. Schätzen sie Popper?

 

Ich habe Popper gelesen und schätze ihn sehr. Ich glaube, es bedarf in der Politik eines pragmatischen Gaunertums. Ich schätze im Prinzip jemanden wie den syrischen Präsidenten Assad, da er korrupt ist. Mit korrupten Menschen können sie nämlich Geschäfte machen. Mit „Idealisten“, wie es die Hamas sind und wie es die Waffen-SS war, können sie keine Geschäfte machen. Mit korrupten Leuten, die sich für Frauen, Geld und gutes Leben interessieren, können sie Geschäfte machen.

Aber das hat wiederum mit Popper nichts zu tun.  

 

Der neue Präsident der USA repräsentiert eine ethnische Minderheit. Wann glauben Sie bekommt Deutschland seinen ersten jüdischen Bundeskanzler?

 

Das ist irrelevant. Das interessiert mich nicht. Ich bin mit Frau Merkel sehr zufrieden. Ich möchte einen fähigen Bundeskanzler. Es ist mir völlig egal, an welchem Tag der Kanzler betet oder eben nicht betet. Danach kann man ein Land nicht beurteilen.

 

Wie beurteilen Sie die Zurückhaltung der islamischen religiösen Führer in Deutschland? Könnten diese nicht durch öffentlich wirksame Statements zur Ruhe aufrufen? Warum distanzieren diese sich nur vereinzelt von deutschen Kundgebungen, bei denen die Hamas gefeiert wird?

 

Ja, das hat mich auch sehr gewundert. Was mich interessiert, ist, wie die Logistik des Protests funktioniert. Wieso haben auf einmal alle dieselben Plakate? Das muss doch irgendwo hergestellt worden sei. Die Parolen, die Schilder und die Choreografien waren die gleichen. Ich glaube nicht an Verschwörungen, aber irgendjemand hat sich bemüht, das Ganze zentral zu steuern.

Ich war auch erstaunt, dass von den islamischen Würdenträgern kaum etwas kam. Vielleicht sind sie nicht imstande, die eigenen Massen zu zügeln, aber so schlau, die Masse nicht anzufeuern. 

 

Sie sprachen in den siebziger Jahren davon, dass negative Erfahrungen mit einer subtilen Form von Zensur bewirkten, dass Sie sich zweimal überlegten über bestimmte Themen zu berichten. Beispielsweise kirchenkritische Beiträge oder über Burda, der von der Arisierung der Nazis profitierte. Bei welchen Themen, glauben Sie, greift 30 Jahre später die Schere im Kopf der Journalisten?

 

Ich glaube nicht, dass es heute eine Schere im Kopf gibt. Außer über das Thema „Sex in der Ehe“ können Sie heute über alles berichten. Damals hat der Staat interveniert. Ich sehe heute etwas viel Schlimmeres: Es gibt zwar keine Zensur, keine Reichsschrifttumskammer, aber eine Gleichschaltung von innen heraus.

Es gibt niemanden, der die Sprachregelung vorschreibt, aber alle Medien sprechen verniedlichend von „selbst gebastelten“ Raketen der Hamas. Als würden Sie sich hinsetzen und Weihnachtssterne basteln und auf Nachbars Balkon werfen.

Es wird von allen unterstellt, dass die Hamas eine soziale Bewegung ist. Wie wäre es damit, wenn man sagt, dass die Hamas eine Gang ist?  

 

Ich finde, es ist nicht verkehrt, anzumerken, dass die Hamas sich ein soziales Gesicht zu geben versucht. Erst durch diese Differenzierung, kann man verstehen, warum so viele Palästinenser die Hamas unterstützen.  

 

Ja, das ist richtig. Aber die SA hat auch Suppenküchen betrieben. Zeigen Sie mir eine Diktatur, die sich nicht auch sozial zu profilieren versucht.

Nur die Betonung des sozialen Gesichts führt dazu, dass man meint, es handelt sich um eine Art Heilsarmee.  

 

Zum zweiten Teil des Interviews geht es hier lang: klack