Dortmund versus RWE

In Dortmund ist heute etwas sehr denkwürdiges passiert. Die rot-grüne Mehrheit im örtlichen Stadtrat hat sich entschlossen, offen gegen den Energieriesen RWE Front zu machen. Das bemerkenswerte ist der Hintergrund der politischen Attacke. Die Stadt Dortmund kontrolliert das größte Aktienpaket des Konzerns. Von den Stimmen der Dortmunder Politik ist mittelbar sogar Vorstandschef Jürgen Großmann abhängig.

Aber lest selbst unten den Antrag, den die beiden Koalitionäre in Dortmund eingereicht haben. Meines Wissens gab es so etwas noch nie. Bislang habe ich dazu auch nur gehört, dass Betriebsräte gesagt haben, Großmann wisse wahrscheinlich nicht, was Gegenwind ist. Den müsse er anscheinend mal spüren. Den ganzen Konflikt habe ich hier beschrieben: klack

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Absender: SPD-Ratsfraktion Dortmund

Zwei Appelle an RWE: Standort Dortmund nicht gefährden / Kein Atomkraftwerk in Belene

Gleich zwei Resolutionen wollen SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen in der Ratssitzung am Donnerstag in Richtung RWE schicken.

Zum einen erinnern SPD und GRÜNE an frühere RWE-Zusagen, dass wichtige Unternehmensteile und Entscheidungszentralen des Energieversorgers ihren Sitz in Dortmund haben sollen.

Zum anderen sprechen sich SPD und GRÜNE gegen ein Atomkraftwerk in Belene (Bulgarien) aus und appellieren an RWE, auf eine Beteiligung zu verzichten. Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer wird gebeten, im Falle einer Abstimmung gegen die Investition zu stimmen.

  —– Hier die Anträge im Wortlaut: —-

Zusammenarbeit der Stadt Dortmund mit dem RWE Konzern

Der Rat hat im Jahre 2000 seine Zustimmung zur Fusion zwischen der VEW und der RWE an Bedingungen geknüpft. In der Sitzung des Rates am 3.2.2000 wurde seitens der Dortmunder Politik besonderer Wert gelegt auf die Präsenz wichtiger Unternehmensteile und Entscheidungszentralen des neuen Konzerns am Standort Dortmund,
– die Beibehaltung der qualifizierten Mitbestimmung, wie sie auch bei der VEW üblich gewesen war,
– und die Sicherung und Fortentwicklung der Beschäftigtenzahlen am Standort Dortmund.

Die Unternehmenspolitik der vergangenen Jahre hat zwangsläufig das Gesicht des RWE Konzerns durch die Verkäufe wesentlicher Unternehmensteile erheblich verändert. Die hohen RWE Dividenden sind eine wesentliche Einnahmequelle der DSW 21.

In der jüngsten Vergangenheit sind mehrere Veränderungen der Konzernstruktur besonders zu Lasten der Stadt Dortmund gegangen.

Die Zerlegung der Harpen AG mit dem finalen Verkauf der Immobilienreste an die Whitehall hat nicht nur das älteste börsennotierte Unternehmen vom Markt genommen, sondern auch eine wichtige Immobilenkompetenz aus Dortmund zerschlagen. Die Fähigkeiten der Alt-Harpen AG im Bereich der regenerativen Energien sind in die RWE Energy, mit dem Sitz in Essen, aufgegangen.

Die Zerschlagung der RWE Systems AG, mit Sitz in Dortmund, ist zwischenzeitlich realisiert. Mit der Ausgründung der IT-Gesellschaft mit Standort in Essen, die Zuordnung des Facilitybereiches in die einzelnen Gesellschaften sind wesentliche Unternehmensteile in Dortmund verlorengegangen.

Die neuesten Vorstellung der Essener Konzernführung, der RWE Energy AG ihre Rolle als Zwischenholding zu entziehen und die Westfalen-Weser- Ems AG mit der Rhein-Ruhr AG zu verschmelzen, entzieht weitere Entscheidungskompetenz am Standort Dortmund.

Die Mitglieder des Rates ignorieren nicht, dass auch der RWE-Konzern sich organisatorisch auf die Veränderung im Energiemarkt einstellen muss.

Allerdings wird ohne die Beteiligung des Rates heftig über die zukünftige Organisation der Beteiligung des RWE-Konzerns an der DEW 21 gesprochen.

Der Rat fordert die Verwaltung auf, folgende Fragen bis zur nächsten Sitzung des Rates zu klären:

– Ist die Zerschlagung der Zwischenholding, RWE Energy AG, im Sinne des Geistes des Ratsbeschlusse vom 3.2.2000?
– Sind seitens der RWE AG kompensatorische Ansiedlungen von Entscheidungszentralen am Standort Dortmund, für den Verkauf der Harpen AG und die vollzogene Zerschlagung der RWE Systems AG vorgesehen?
– Sind die Vorstellung der RWE AG zur Mitbestimmung mit den Forderungen aus dem Rats­be­schluss vom 3.2.2000 kompatibel?
– Wohin entwickelt sich der RWE Konzern wirtschaftlich und unternehmensstrategisch?
– Ist RWE auf den notwendigen Wandel in der Energiepolitik in Richtung nachhaltiger Energiekonzepte eingerichtet?
– Wird das wirtschaftliche Engagement der Stadt Dortmund auf Dauer nachhaltige Erträge sichern?

Der Rat wird die Art und Weise und die Felder der weiteren Zusammenarbeit mit dem RWE Konzern in nächster Zukunft grundsätzlich zu diskutieren haben. Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird sicher Einfluss auf diese Debatte haben.

Der Rat geht davon aus, dass alle laufenden Gespräche über Projekte wie Unisono unverbindlich bleiben oder ausgesetzt werden, bis das grundsätzliche Verhältnis zwischen Dortmund und dem RWE Konzern abschließend beraten ist.

Über die weitere Zusammenarbeit zwischen der Stadt Dortmund und dem RWE Konzern bei der DEW 21 nach dem Jahr 2014, wird der Rat zu gegebener Zeit beraten. Auch bei diesem Thema sind alle Gespräche der Verwaltung und/oder der Leitungen der städt. Unternehmen unverbindlich.

Kein Atomkraftwerk in Belene

SPD-Fraktion und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen sich gegen des Bau eines Atomkraftwerkes in Belene (Bulgarien) und der Beteiligung von RWE als Investor aus.

Belene liegt in einer Erdbebenzone und gilt als eines der gefährlichsten Atomkraftwerke, die derzeit in Europa geplant werden. Nur wenige Kilometer vom geplanten Kraftwerksstandort fand 1977 ein starkes Erdbeben statt. Selbst Atomexperten warnen deshalb vor dem Bau des Atomkraftwerkes Belene.

Tschernobyl und die Folgen in Europa sind unvergessen. Menschen in der Umgebung von Tschernobyl leiden noch heute unter den Spätfolgen des Reaktorunfalls. Verstrahlte Gebiete sind nicht mehr bewohnbar. SPD und GRÜNE halten den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie nicht zuletzt wegen der Gefahrenpotenziale für unumgänglich.

Der Rat bittet den Oberbürgermeister, in seiner Funktion als RWE-Aufsichtsratsmitglied, entsprechende Bedenken vorzutragen und die ablehnende Haltung des Rates der Stadt Dortmund deutlich zu machen und im Falle einer Abstimmung gegen die Investition zu stimmen.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Poch
SPD-Ratsfraktion Dortmund

Grönemeyer singt für das Bochumer Konzerthaus

Im Sommer hatte Herbert Grönemeyer bei einem Kurzauftritt in der Bochumer Innenstadt ein Benefizkonzert für den Bau des Bochumer Konzerthauses angekündigt.

Foto: Goerges

Nun steht der Termin fest: Am 6. Juni 2009 wird Grönemeyer im Ruhrstadion auftreten. Karten gibt es ab dem 8. November. Mal schauen ob die Bochumer wieder sauer sind, wenn er bei den Zugaben nicht oft genug "Bochum" spielen sollte.

Dazu auch:
Ruhrgebiet bekommt viertes Konzerthaus

 

Thelen-Gruppe will Nokia Gelände kaufen

Es tut sich was auf dem Bochumer Nokia-Geläde.

Die Thelen-Holding aus Essen wird große Teile des Nokia-Geländes in Bochum Riemke übernehmen und will die Fläche in den kommenden Jahren entwickeln. Nokia stellt den Verkaufserlös für die Strukturmaßnahmen zur Verfügung. Damit ist die Bochumer Stadtspitze  eine Sorge los: Dort wurde befürchtet, dass Nokia einen zu hohen Kaufpreis für das Gelände haben wolle und so eine schnelle Ansiedlung neuer Unternehmen verhindert werden könnte. 

SPD Hessen in Schockstarre

Man kann es kaum glauben. Die SPD in Hessen hat einen Tag nach dem Supergau, der Ypsilanti verschlang, immer noch nicht ihre Internet-Seite aktualisiert. Schlimmer noch: Als aktueller Termin wird da immer noch für heute die "Plenarsitzung mit Wahl zur Ministerpräsidentin" angekündigt. Ort: Hessischer Landtag.

Die Armen sind so erschlagen, die müssen wahrscheinlich erstmal ihre Brocken sortieren, bevor die wieder an die Arbeit können. Kopf hoch und an Dragoslav Stepanovic denken: "Lebbe geht weiter"

P.S. Denke mal die Seite wird jetzt bald aktualisiert, oder?

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RWE-Chef Großmann gerät unter Druck

In den vergangenen Tagen habe ich eine Menge Dinge gehört. Sachen, die neu sind – für mich neu. Ein Beispiel: Bei einer Führungskräftetagung des Konzerns Mitte Oktober an einem verschwiegenen, schönen Ort saß der RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann abends mit ein paar Managern zusammen. Es gab Wein. Im Verlauf des Gesprächs sagte Großmann sinngemäß: Wenn es nach ihm gehe, werde mit RWE Energy folgendes gemacht. Und dann zog er seine flache Hand über den Hals, einmal quer rüber. Das haben mir mittlerweile vier Leute erzählt. Und noch mehr Details. Beim Konzernteil RWE-Energy sorgt das für Unruhe. Vor allem, weil es bereits einen Vorstandsbeschluss zur Fusion von RWE Westfalen-Weser-Ems mit RWE Rhein Ruhr gibt.

Doch nun wächst der Konzerninterne Widerstand. Und der wächst über die Kommunen und die Gewerkschaften. Es geht nicht nur um RWE Energy. Es geht um die Zukunft der RWE Aqua, die genauso zur Disposition steht, wie die Aktiengesellschaften mit ihren Aufsichtsräten und Mitbestimmungsrechten. Jetzt wird bald  der Wind von vorne kommen, wenn Großmann es nicht schafft, den Konzern wieder zu befrieden.

Besonders bei zwei zentralen Wachstumsprojekten ist dieser Widerstand zu spüren. Zunächst sehen die Gemeinden Dortmund und Mülheim der Beteiligung des zweitgrößten deutschen Energieunternehmens an einem bulgarischen Atomkraftwerk skeptisch. Darüber hinaus überlegen mehrere Städte, Proteste gegen die Pläne der Konzernspitze zu unterstützen, die Regionalgesellschaften zu fusionieren.

Bei ihrem Widerstand konzentrieren sich die Kommunen auf ihre Macht im RWE-Aufsichtsrat. Dort halten die Oberbürgermeister von gleich drei Ruhrgebietsstädten gemeinsam mit Arbeitnehmern eine Mehrheit. Über eine gemeinsame Beteiligungsgesellschaft kontrollieren die Gemeinden noch immer 15 Prozent am Kapital des Konzerns und sind damit größter Einzelaktionär. Ein paar weitere Gemeinden kontrollieren Aktien aus dem Streubesitz. Das macht nochmal maximal rund neun Prozent aus.

Geführt wird das kommunale Paket von der Stadt Dortmund.

Vor allem die Sozialdemokraten in den SPD-regierten Ruhrgebietsstädten befürchten, bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr unter Druck zu geraten, wenn ihre Oberbürgermeister im RWE-Aufsichtsrat für den Bau eines Atomreaktors und damit gegen die SPD-Parteilinie stimmen. Umweltschützer haben die Zwangslage der SPD erkannt und in der vergangenen Woche vor den Rathäusern in Dortmund, Mülheim und Essen demonstriert. Ihrer Ansicht nach steht das Kernkraftwerk im Bulgarien in einem Erdbebengebiet. Zudem mißtrauen sie dem russischen Bauunternehmen Atomstroiexport, dass die Atomanlage bauen soll.

Die Botschaft scheint bei den SPD-Oberbürgermeistern angekommen zu sein. Zunächst sollte am Sonntag auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrates über die Beteiligung des RWE am bulgarischen Kernkraftwerk Belene abgestimmt werden, wie es aus dem Gremium hieß. Doch dies geschah nicht. Ein RWE-Sprecher sagte nach der Sitzung, eine Entscheidung über Belene habe nicht auf der Tagesordnung gestanden. Stattdessen habe der Vorstand die Kontrolleure in der Sondersitzung über den Stand der Planungen informiert.

Erst vor gut vier Wochen hatte der bulgarische Wirtschaftsminister Petar Dimitrow angekündigt, bis Ende Oktober solle ein Abkommen unterzeichnet werden, das dem RWE 49 Prozent an dem vier Milliarden Euro Projekt gesichert hätte. Von einem konkreten Zeitplan ist jetzt nicht mehr die Rede. Das Handelsblatt meldet sogar, dass eine Entscheidung über die Investition erst in ein paar Jahren stattfinden könnte. Und der Aufsichtsrat jetzt nur erlaubt hätte die Planungen voranzutreiben.

Damit nicht genug. Auch die Fusion der RWE-Regionalgesellschaften ruft die Ruhrgebietspolitik auf den Plan. In der vergangenen Woche traten die SPD-Kandidaten für den Oberbürgermeisterjob in Dortmund vor gut 30 RWE-Betriebsräten auf und ließen sich die Sorgen der Arbeitnehmer schildern. Die Betriebsräte sagten, sie hätten Angst, in diverse Einheiten „zerlegt“ zu werden. Die Arbeitnehmervertreter betonten ihre Hoffnung auf die Politik. Die SPD möge sich über die Parteivertreter im RWE-Aufsichtsrat für die Interessen der Belegschaft einsetzen.

Das bei diesem Treffen geschmiedete Bündnis dürfte große Bedeutung erhalten. Denn wie ich erfahren habe, versucht der RWE-Personalvorstand Alwin Fitting derzeit in Einzelgesprächen mit Dortmunder SPD-Prominenz die Partei – auch hinter dem Rücken desRWE-Aufsichtsrates und Dortmunder Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer – in die Entscheidungen des Vorstandes einzubinden.

Und wer eingebunden werden soll, darf bekanntlich Forderungen stellen.

Interview mit Niklas Luhmann: ?Das Internet ist kein Massenmedium?

Vor zehn Jahren starb der Soziologe Niklas Luhmann. Im Januar 1997 besuchte ich Niklas Luhmann in seinem Haus in Oerlinghausen bei Bielefeld und interviewte ihn zu seinem Buch „Die Realität der Massenmedien“, das damals gerade herausgekommen war. Ich begegnete einem älteren Herrn der von ausgesuchter Höflichkeit und – wie nicht anders zu erwarten – schneidendem Intellekt war, in einem Haus, das einen nur tieftraurig stimmen konnte, denn es wirkte unbelebt. Luhmann wohnte dort seit dem Tod seiner Frau alleine. Niklas Luhmann gehörte zu den bedeutendsten Soziologen des 20. Jahrhunderts und lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor an der Universität Bielefeld. Er gilt als der namhafteste Vertreter und Begründer der Systemtheorie. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen Soziale Systeme, Ökologische Kommunikation und die Reihe Soziologische Aufklärung.

Niklas Luhmann. Foto: Uni Bielefeld


?: Herr Luhmann, wie beurteilen Sie die zukünftige Entwicklung der Massenmedien?
Niklas Luhmann:
Wenn man Massenmedien definiert als eine technisch einseitige Kommunikation, dann sehe ich nichts, was sich wesentlich ändern könnte. Für Massenmedien selber werden die aktuellen technischen Innovationen wie das Internet oder individuell wählbare Informationen wenig Bedeutung haben. Sie werden sich neben Massenmedien wie Tageszeitungen oder auch das Fernsehen setzen, sie jedoch nicht verdrängen. Das Internet mit seinen Kommunikationsmöglichkeiten ist auch, wenn es massenhaft als Medium genutzt wird, kein Massenmedium, denn es ist ja gerade keine einseitige technische Kommunikation, sondern kann individuell genutzt werden. Die Sorge, dass neue Medien die traditionellen ersetzen, ist so alt wie unbegründet: Die Schrift hat die mündliche Weitergabe nicht verdrängt und die Presse auch nicht den Brief.

?: In Ihrem Buch „Die Realität der Massenmedien“ beschreiben Sie, dass es kaum noch direkte Realitätserfahrungen gibt und wir fast unser gesamtes Wissen über Massenmedien erhalten.
Luhmann: Ja, denn wie groß ist noch der Teil unserer direkten Erfahrung? Wir wissen das meiste aus Büchern oder aus dem Fernsehen. Von der Geiselnahme in Peru haben wir nur durch die Massenmedien erfahren. Gerade in Zeiten massiver Globalisierung sind Massenmedien die einzige Quelle, die uns zur Verfügung steht.

?: Besteht da nicht auch ein großes Risiko? Was ist, wenn Massenmedien falsch informieren?
Luhmann: Das kann der Einzelne natürlich nicht nachvollziehen, und auch Journalisten sollten ein  bestimmtes Berufsethos entwickeln. Aber vieles regelt sich auch durch ökonomische Zwänge. So etwas wie die Hitler-Tagebücher im Stern zwingt einen Verlag dazu, ordentlicher zu arbeiten, sonst drohen Auflagenverluste oder gar der komplette Verlust der Reputation als Informationsmedium. In weiten Teilen der Boulevardpresse ist das ja geschehen. Ihre Produkte geben vor, Informationsmedien zu sein, werden jedoch häufig nur noch als Unterhaltungsmedium wahrgenommen. Wenn man die Unterscheidung Information und Unterhaltung an ein Massenmedium anlegt, heißt das noch nicht, dass Information nicht unterhaltsam präsentiert werden kann, sie darf nur nicht fiktional sein. Dann hat ein Medium den Bereich der Information verlassen und ist zum narrativen Medium geworden, wie der Roman, oder in moderner Form, der Spielfilm.

?:Doch allen Massenmedien ist gemein, dass sie uns Skripte anbieten in den Bereichen, in denen unsere Alltagserfahrung versagt.
Luhmann: Ja, sie offerieren uns Deutungsmuster, aber ich verstehe das so, dass ich mich diesen Deutungsmustern  positiv oder negativ gegenüber verhalten kann. Nehmen Sie das Brent-Spar-Beispiel, die Plattform die Shell 1995 versenken wollte. „Die Versenkung bedeutet Umweltverschmutzung“ lautete da das angebotene Skript. Aber ich habe natürlich die Möglichkeit, das zu hinterfragen. Wie ist denn das Maß der Verschmutzung durch so eine Plattform, und wie steht sie im Verhältnis zu den natürlichen Verschmutzungen in 3.000 Metern Tiefe? Ich habe jeweils noch die Möglichkeit zur Entscheidung.

?: Gerade die Brent-Spar ist auch ein Beispiel für hysterische Berichterstattung. Journalisten hinterfragten nicht mehr, und als sich herausstellte, dass die Greenpeace-Angaben in Zweifel zu ziehen waren, war vielen die eigene Berichterstattung sehr peinlich.
Luhmann: Sicher, das ist ein medieninternes Problem, ein Problem der Redaktionen und Verlage, kein allgemeines der Massenmedien. Zur Sorgfalt sollten sich Journalisten schon verpflichtet fühlen.

Das Interview ist Anfang 1997 in der Zeitschrift Unicum erschienen

 

Nur ein Bild zum Tage

Goldi ist tot, es lebe der Shop. Was man früher noch gerne mal beim Besuch der Bank zugesteckt bekam, muss ich mir in Zeiten des Internets bei den darbenden Instituten gegen Überweisung bestellen. Wie gut, wenn man noch echte Werte im Keller hat, auch wenn man lange suchen muss. Hier (dank meiner Kellerordnung) ein Blick auf die guten alten Zeiten, als wir und die Bänker noch klein und Goldi noch umsonst und in Ordnung war:

Werft Eure Knax-Hefte nicht weg!

Ypsilanti kaputt. SPD auch kaputt

Die  heutige Pressekonferenz von einem Buben und drei Damen in Frankfurt bremste  Ypsilanti endgültig auf den Weg zur Macht in Hessen aus. Dahinter  steht wohl kaum, wie manche vermuten mögen, die SPD Spitze in Berlin. Das Desaster aus Hessen trifft  die Bundespartei wie der letzte Wellenbrecher einen havarierenden Tanker.

Es mag ja sein, dass die neue SPD-Führung das Werben Ypsilantis um die linke Mehrheit in Hessen nicht unterstützte. Doch Müntefering ist klug genug zu wissen, dass allein der Erfolg auch eine schlüpfrige Angelegenheit im Nachhinein heiligt. Ein Misserfolg von Ypsilantis Machtanspruch bringt jedoch die gesamte Partei in Schieflage.

Oder glaubt wirklich einer, dass die SPD das Wahljahr 2009 mit einer Klatsche in Hessen beginnen wollte. Danach sieht es nun aus. In Hessen wird es Neuwahlen geben, und Koch wird triumphieren.

Ypsilanti muss die Gründe für die Schmach bei sich suchen. Die Russen haben ein Sprichwort. Fünf Finger steckst du nicht gleichzeitig in den Mund. Ypsilanti versuchte auch noch die Finger Hermann Scheers in den Mund zu stopfen. Der Sonnenkönig und sein Anspruch wurden so zur Nemesis der Sozialdemokratin.

Wie konnte es passieren, dass die Hessin, die doch jede Stimme brauchte, dennoch bei der Ministerwahl ihren innerparteilichen Gegner Jürgen Walter brüskierte?

Da gibt es nur eine Erklärung, die auch die jetzige Finanzkrise erklärt. Gier frisst Vernunft. Auch wenn man nur ein wenig etwas von Macht versteht und gleichzeitig weiß, dass es auf jede Stimme ankommt, dann muss man den Gegner, den man nicht ausschalten kann, sich zum Freunde machen und ihm soviel geben, wie er wünscht, wenn nicht sogar mehr. Ypsilanti hätte Walter einbinden müssen, ihm alle Ministerkompetenzen geben, die man sich nur ausdenken kann. Denn nur dann hätte der Bube soviel zu verlieren gehabt, dass er mit beiden Händen sich an den Erfolg der SPD-Vorsitzenden gekrallt hätte.

Im Frühjahr hat Ypsilanti schlicht vergessen die Abgeordnete Dagmar Metzger zu fragen bevor sie ihren Plan erklärte, sich mit der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Und jetzt macht Ypsilanti den zweiten Fehler, schmiss Walter von Bord und hoffte, dass er noch rudern würde.

Nun denn; Ypsilanti kann halt keine Macht, und deshalb hat sie auch verloren und zieht die SPD mit in den Abgrund.

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3 für 7 – Kulturtipps gegen den November

Diesmal gibt es keine gemeinsame Klammer für die drei Ausgehtipps. Warum auch? Das ist nämlich so eine typische journalistische Dummheit, alles immer irgendwie in Bezug setzen zu müssen, auch wenn die Bezüge in Wahrheit außerhalb des Textes zu finden sind. Zwischen einer Ausstellung in Bochum (siehe letzte Woche) und einem Tanzfestival zum Beispiel (Pina Bausch). Oder, wenn gewollt, zwischen den Smashing Pumpkins und Theodor Fontane (Cilli Drexel). Oder einfach zwischen dem 3. und 9. November (Duisburger Filmwoche).

Wie war das eigentlich nochmal mit der Popkultur? Das ist doch wenn man aufgrund der Werbung und nicht wegen der erbaulichen Qualität der Darbietung z.B. in‘s Kino geht, oder? Oder vielleicht doch eher weil jemand gerne mit sich selbst Werbung und neugierig macht? Wäre das nun näher an Warhol? Muss das das Publikum interessieren? Und was sind eigentlich die Auswahlkriterien bei den Duisburger Filmwochen? Quotiert da gar eine Jury nach Jarmusch-, Godard-, Gender-, Weltpolitik- und Wenders-Filmanteilen? Das wäre doch mal interessant! Der Journalist interviewt aber nicht, der Journalist sagt: Gucken gehen!

Und wie stellen wir uns „3 Wochen mit Pina Bausch“ (Untertitel) vor? Schön? Oder schreckt uns der vereinnahmende Titel ab? www.fest-mit-pina.de klingt ja nun auch streng nach Starprinzip. Schauen wir beim Internationalen Tanzfestival NRW 2008 also mehr nach Kameras und Prominenten oder nach dem Inhalt der Stücke und den Choreografien (Foto von Chris aus einem Stück von Meg Stuart)? Betrachten wir wie Aushilfs-Emporkömmlinge die Darbietungen irgendwelcher dressierten Püppchen oder erwarten wir Anreize für Sinne und Seele? Die namensgebende künstlerische Leiterin hatte es nie leicht mit dem Publikum hier, wie dankbar muss die Arbeit mit den Tänzerinnen und Tänzern also sein! Ergo? Der Journalist sagt: Nicht einfach nur gucken gehen, sich einlassen auch, bitte!

Nach „The killer in me is the killer in you“ und „Das Meerschweinchen“ ist „Effi Briest“ die dritte Regiearbeit von Cilli Drexel für Anselm Weber in Essen. „Kritik an der Institution Ehe“ sei das Thema Fontanes, heißt es. Stimmt, und das ist das Neue Testament im Grunde auch, oder? Interpretiert da nun also jemand Fontane oder liest ihn jemand richtig? Und ist das der Inszenierung anzumerken? Herrjeh, ist das kompliziert, dieses moderne Theater! Der Journalist sagt: Gucken gehen und einlassen, aber nicht einfach nur davon mitnehmen was gerade passt. Danke schön. Da war die Klammer (zu).

Im Überblick:
Die Duisburger Filmwoche findet vom 3. Bis 9. November im Filmforum statt.
Das Internationale Tanzfestival NRW an verschiedenen Orten in Wuppertal, Düsseldorf und Essen geht vom 7. bis 30. November.
Die Premiere von „Effi Briest“ ist am 7. November im Grillo Theater.

ZDF verkoppelt Juden und Finanzkrise

 "Es sin jo kei Juden mehr do", sagt der Geflügelzüchter und zeigt dem Zuschauer einen Hühnerstall, der mal eine Synagoge gewesen sei in der unterfränkischen Kleinstadt Rimpar. Gestern (2.11.08) lief im "heute journal" ein – wie ich finde – unfassbar dummer Beitrag über die Finanzkrise und die Juden. Man könnte das Stück von Reporter Christoph Röckerath auch so zusammenfassen:

Wussten Sie eigentlich schon, dass die durch die Finanzkrise berühmt gewordenen Lehman Brothers, dass die eigentlich Juden sind und aus Unterfranken stammen? Und wussten Sie schon, dass diese Weltfinanzjongleure aus Unterfranken bislang keinen Jota für das verfallende jüdische Erbe in Unterfranken übrig hatten? Nein, dann schauen Sie sich bitte diesen Bericht an: klick

Nicht nur dass hier ganz nebenbei der Zusammenhang zwischen Juden und Weltfinanzkrise hergestellt wird, den selbst der besinnungslose Wirtschaftsprofessor Sinn nicht so unelegant hingekriegt hat. Am äußersten ist die schwelende Anklage ("Geld gibt es keines") gegenüber den – ergo: geizigen – Lehman Brothers und Goldman-Sachs von heute, ihr jüdisches Erbe einer Dorfsynagoge und eines Friedhofes einfach verfallen zu lassen!

Wenigstens guckte Slomka  n a c h  diesem Beitrag etwas bedröppelt aus der Wäsche.