Die Beichte eines Journalisten

Foto: flickr.com

Gestern Abend musste ich mich schämen. Ich sah einen Bericht des NDR-Medienmagazins Zapp. Es ging um Presse-Rabatte, also um die Frage warum Journalisten von Kühlschrank-Herstellern, Fluglinien oder Telefongesellschaften besondere Angebote unterbreitet bekommen. Als Zeuge diente der PR-Papst Klaus Kocks, der mal wieder aussah wie ein Circusbesitzer und ähnlich viel mit Journalismus zu tun hat. Andere Zeugen waren die um den Ruf der Branche besorgten Anbieter von Internetseiten, die Presserabatte erst unters scheibende Volk bringen. Sie tun dies aber nur, sagten sie Zapp, weil sie für Transparenz sorgen wollen. Ganz bestimmt. Trotzdem horchte ich in mich. Wie halte ich es mit den Pressekonditionen? Weil es auch mir um Transparenz geht, hier mein Gewissenstest:

A) Mein Handy läuft immer noch über einen uralten Journalistenvertrag. Das verhindert nicht, dass ich oft mehr als 100 Euro im Monat zahle. Das Angebot erscheint mir unbedenklich, weil es auf eine Berufsgruppe zielt, die viel telefoniert. Unterm Strich lohnt sich das für die Gesellschaft, zumal die Neuanschaffung von Geräten nur mäßig subventioniert wird. Gewissensbisse: Null.

B) Vor ein paar Jahren war ich mal auf einem Konzert von Brad Mehldau, hatte das Konzert vorher als Tagestipp auf der Kulturseite der Tageszeitung angekündigt. Obwohl ich Auftritte des wichtigsten Jazzpianisten unserer Zeit nur empfehlen kann, habe ich seinerzeit auch aus Eigeninteresse gehandelt. Ich habe zwar keinem geschadet – Leser bekamen eine wertvolle Anregung, Veranstalter kriegten Aufmerksamkeit und ich erlebte einen wunderbaren Abend – trotzdem sind da Gewissensbisse: Würde ich nicht mehr machen.

C) Von vergünstigten Autos, Flügen, Elektrogeräten oder Premiere-Presseabos habe ich aus gutem Grund immer die Finger gelassen. Gewissensbisse? Bin mit mir im Reinen.   

D) Nun wird es schwieriger: Ich habe früher für die taz über den VfL Bochum berichtet. Seit anderthalb Jahren nicht mehr, trotzdem habe ich meinen Platz auf der Pressetribüne. Wenn es auch nicht so wahnsinnig viele Menschen gibt, die mich dafür beneiden, bei Bochum und Nullgrad auf der Haupttribüne zu sitzen – es ist ein Vorteil. Zwar blogge ich ab und zu über Fußballthemen, manchmal berichte ich über Sportkrams. Doch regelmäßige Sportberichterstattung ist das nicht. Kleine Nagerzähne haben sich in meinem Gebissen verhakt, aber so schlimm ist die Scham doch nicht. Das hat einen einfachen Grund: Auf der Pressetribüne ist kein Zuckerschlecken.

Abstiegskämpfe – der Bochumer Normalzustand – sind wie offene Operationen am Fanherzen, trotzdem gilt es im Medienblock Haltung zu bewahren. Kein überlautes Schimpfen, kein wilder Torjubel. Und gegenüber den Kollegen der Auswärtsmannschaften, bemüht man sich auch noch um Fairness. Wie ein guter Gastgeber. Also erkläre ich die Aussprache von Spielernamen, verrate Geheimnisse der Lokalpresse und manchmal helfe ich auch bei der Benotung der Bochumer Spieler für BamS oder WamS. Marcel Maltritz: 5.

Welcher andere Stadionbesucher muss so was machen? Wer muss auch gegenüber bumsdummen Berliner Boulevardschreiberlingen die Ruhe bewahren, die sich ihre Meinung schon in Zehlendorf zurechtgebogen haben, um sie im "Ruhrpott" bestätigt zu bekommen. Welcher Stadionbesucher würde buddhistisch gleichmütig Blitzbirnen ertragen, die keinen Spieler des Gegners erkennen. Die nach dem zweiten Berliner Tor zwanzig Minuten bis zum Halbzeitpfiff mit der Heimatredaktion telefonieren, um herauszufinden, ob es wirklich das erste Hertha-Ecke-Tor-Tor nach der 209. Ecke war. Die nach dem 0:3 wenige Minuten vor der Pause nicht davon abzubringen sind, dass die meisten Bochumer Zuschauer jetzt nach Hause gehen, dabei war es im VIP-Raum geheizt. Kurz gesagt: Die beiden Vollfritzen hätten etwas anderes verdient, als eine kollegiale Richtigstellung und die Flucht auf andere Plätze. Gewissenbisse: Also eher klein.

Aus für Ruhr hoch r

Pleite für Grey und Evonik-Chef Müller: Ruhr hoch n wird der Kampagne des Landes untergeordnet: Ab jetzt loven wir alle das New.

Jens vom Pottblog hat das richtige Wort um die Vorgänge rund um die Versuche dem Ruhrgebiet einen neuen Slogan zu geben gefunden: Posse. Nach mehreren Monaten des hin und hers ist jetzt klar: Ruhr hoch n wird nicht mehr international eingesetzt und soll, so meldet es Der Westen, höchstens noch regional eingesetzt werden.

Eine entsprechende Vereinbahrung zwischen E.ON-Chef Wulf Bernotat, der im Moment auch dem Initiativkreis Ruhr vorsteht, der unter seinem Vorgänger Werner Müller die Kampagne in Auftrag gab, und dem Land wurde unterzeichnet – künftig wirbt auch das Revier international mit We Love The New.

Egal wie man zu dem alten Slogan stand – diese Entscheidung bedeutet das Ende eines eigenständigen Auftritts des Ruhrgebiets auf internationaler Ebene. Es wird sich kommunikativ dem Land unterordnen. Für Müller eine Demütigung und für die Agentur Grey eine mittlere Katastrophe: Nach dem schlechten Start der Kampagne nun die Abwicklung – da wurde komplett umsonst gearbeitet. Regional hat der Slogan kaum eine Chance: Der RVR lehnt ihn ab und will weiter mit dem Begriff Metropole Ruhr werben – wo das Ruhrgebiet ist weiß ich, die Metropole Ruhr ist mir indes noch nicht begegnet.

Jenseits vom Eden

Hotel Eden

Heute ist Totensonntag, der Weihnachtsmarkt ist geschlossen und so sitze ich in meiner Kammer und denke über den Tod nach. Ich denke nach über den schleichenden Tod des Hotels Eden am Ring in Bochum, das jetzt nach jahrelangem Leerstand abgerissen werden soll.

Obschon nur 5 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, habe ich dieses Kleinod, diesen Sehnsuchtsort, erst viel zu spät entdeckt. Das 1956 erbaute Haus hat eine wahnsinnig sympathisch einfallslose und hässliche zeittypische Architektur, das Gebäude ist das, was man guten Gewissens mit "Schuppen" oder "Klotz" bezeichnen kann. Dann jedoch sieht man das Schild mit dem größenwahnsinnigen Namen Eden. War dies das Paradies? Es wird für niemanden das Paradies gewesen sein, weder für die Reisenden, die in den 50er Jahren hier abgestiegen sind, noch für die Damen des horizontalen Gewerbes, denen die Zimmer auch stundenweise überlassen wurden. Eher schon für ihre Freier, man weiß es nicht. Bis 1995 diente dann das Eden als Asylantenheim. Seitdem stand es leer. Und verfiel. Und erreichte seinen traurigen Charme einer alternden Diva.

2001 planten Studierende der FH Dortmund die Kunstausstellung "2 Wochen Eden". Unterstützt wurde das Projekt vom Kulturbüro der Stadt Dortmund, doch nach wenigen Tagen schloss das Bauordnungsamt das ehemalige Hotel aufgrund von Sicherheitsmängeln. Die Ausstellung wurde schließlich doch wieder geöffnet, aber nach den zwei Wochen gab es kein offizielles Leben mehr im Eden.

Vom geheimen Leben im Eden zeugen Gerüchte von wilden Raverparties und von innen gesprühte Graffiti an den Fenstern. Wenn man nachts auf der anderen Straßenseite steht und durch ein  geöffnetes Fenster sieht, wie sich die vergilbte Gardine bewegt, glaubt man Geister zu sehen, die Geister der Reisenden, der Nutten, der Asylbewerber, der Künstler.

Für viele war diese Ecke ein Schandfleck, sie sind jetzt froh, dass das Hotel, das tragender Wände beraubt wurde und als Eden somit keine Chance mehr gehabt hätte, abgerissen wird. Einen Steinwurf entfernt von Bochums neuen Prestige-Objekt, dem Viktoria-Quartier, will nun ein Investor einen Glückspielbetrieb, vulgo Spielhölle, errichten. Bis die Bagger kommen, werde ich noch oft auf der anderen Straßenseite stehen und die Gardine beobachten.

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3 FÜR 7 – Kultur statt Politik

BND wie BKA machen was sie wollen, die Bundesregierung verkündet eine weitere Verelendung für das nächste Jahr, aber kaum jemand zählt die Toten und berichtet darüber. Selbst bei den Ruhrbaronen zog man sich mal auf den eigenen Bauchnabel zurück. Und dann Kulturtipps? Ja, aber nur kurz und schon am Sonntag, und zwar mit RAF, Russland und Voltaire.

Bereits angelaufen ist "Stammheim.Leben.Traum" der Freien Bühne Düsseldorf, in dem "Das Leben ein Traum" von Pedro Calderon de la Barca auf die letzte Nacht der Häftlinge projeziert wird, vor allem auf das "Pärchen" Baader/Ensslin. Und geht es nicht irgendwie allen so mittlerweile? Eine Mischung aus doppelter Einzelhaft und irrer Ehe für alle die nicht begreifen dass es Leben nur im Widerstand gibt? Ist das die Rache für das Ducken vor der Geschichte? Zum Gucken müsste man jedenfalls mal raus aus dem Kabäuschen.

Frankreich besteht größtenteils nicht aus Paris, und das Ruhrgebiet nur extremst bedingt aus Kosmopoliten. Dennoch ist bei vielen hier Volkstheater verpönt – man will ja nicht mit den simplen Ureinwohnern (Westfalen! Rheinländer! Gar Münsterländer? Bewahre!) verwechselt werden. Also kleidet man sich gerne in (leicht verspätete) Modernität und kupfert ab. Macht ja nix, wenn es gut gemacht ist. "Candide" von Voltaire jedenfalls wird von Gil Mehmert und Juliane Schunke in Gelsenkirchen auf Westfalen angewandt. Und gleichzeitig die Version von Bernstein auf deutsch dargeboten.

Russland! Das Fremde in uns, das irgendwie noch beängstigender ist als Islam und Computerisierung zusammen? Die Zeiten ändern sich, man ahnt nicht Böses, und schon steht das "5. Festival der russischen Kultur in Essen" auf dem Programm. Bei der Eröffnung in der Lichtburg am Mittwoch folgt nach dem Folklore-Tanz-Ensemble "Ingushetien" die Deutschlandpremiere von Nikita Michalkows "Die Zwölf" und dann am Donnerstag "Born in the USSR" von Karen Schachnasarow in einer Deutschlandpremiere; ein Film aus den 70ern als gerade die Stones im Osten einfielen. Globale Kulturpolitik, von manchen Kulturimperialismus genannt. Manchmal ist es auch das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Soll es auch heutzutage geben.

Im Überblick:
"Stammheim.Leben.Traum" noch am 23., 25., 26. und 27. November um 19.30 Uhr im Düsseldorfer Theatermuseum.
"Candide" am 27. (19.30h) und 29. November, sowie am 14. Dezember (je 18h) im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier.
"Tage des russischen Films" vom 26. bis 30. November in der Essener Lichtburg.

Mehrwertsteuer senken – von den Briten lernen heißt siegen lernen

Den Banken ist der Staat in der Krise schnell beigesprungen und auch Opel wird, wenn es ernst ist, wohl mit Hilfe rechnen können. Aber was ist eigentlich mit uns, den ganz normalen Bürgern?

Steinbrück und Merkel. Foto: Bundestag

Nun gut, wenn wir einen Neuwagen kaufen, der weniger Schadstoffe produziert, bekommen wir die KFZ-Steuer erlassen – im höchsten Fall sind das ein paar hundert Euro – eine Summe di beim Kauf eines Neuwagens wohl kaum darüber entscheidet, ob man kauft oder nicht, denn schon ein Golf kostet, halbwegs gut ausgestattet, locker 20.000 Euro.

Was der Staat jetzt tun kann über die Bürger zu entlasten ist zum einen die Senkung der Mehrwertsteuer, deren Erhöhung zum 1. Januar 2007 das Wachstum sofort verringerte und es dem Staat ermöglichte seinen Haushalt ohne ernsthafte  Sparbemühungen zu sanieren, zu senken. Eine Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Februar kommenden Jahres brächte den Bürgern nicht nur mehr Geld, es wäre auch gut für die Stimmung, denn die üblen Nachrichten werden im Januar kommen: Dann werden noch mehr Unternehmen Entlassungen ankündigen und haben alle einen Überblick über die Auftragslage im kommenden Jahr. In vielen Branchen ist das Jahresabschlussgeschäft wichtig – erst danach weiß man, wie es 2009 werden wird. Und gut sieht es nicht aus. Die Deutsche Bank rechnet im schlimmsten Fall mit einem Schrumpfen der Wirtschaft um 5 % – andere sehen 3 % Minus als realistisch an. Das gab es in der Geschichte des Bundesrepublik noch nie und die Auswirkungen werden uns alle treffen.

Und eine Mehrwertsteuersenkung hätte den Vorteil, dass alle Bürger davon profitieren würden. Auch Hartz IV-Empfänger, Rentner oder Studenten würden finanzielle Spielräume gewinnen. Da die Sparquote gerade bei den Beziehern niedriger Einkommen und  bei Transferempfängern gering ist, werden sie die neuen Spielräume sofort für den Konsum nutzen. Die Briten haben das erkannt und werden die Mehrwertsteuer noch vor Weihnachten senken. E-Mails mit diesem Wunsch werden, glaubt man Roland Tichy, dem Chefredakteur der Wirtschaftswoche, im Steinbrück-Ministerium sofort gelöscht.

Der Staat muß aber gegensteuern, hat gleichzeitig aber nur begrenzte Möglichkeiten. Wenn er Investitionen in Schulen und Straßen vorzieht, sorgen Planfeststellungsverfahren und langwierige Ausschreibungen dafür, dass das Geld erst fließt, wenn die Kriese vorbei ist. Aber es muss schnell etwas geschehen-

Weder der Kanzlerin noch dem Finanzminister gefällt die Idee der Mehrwertsteuersenkung. Merkel will mit Steuersenkungen in den Wahlkampf – und vielleicht will auch die SPD mit Entlastungen für die Bürger trumpfen. Bis dahin soll jeder, der nicht als Banker seine eigene Unfähigkeit unter Beweis gestellt hat, nicht von staatlicher Hilfe profitieren.

Eine Mehrwertsteuersenkung wäre allerdings nicht einmal eine großzügige Hilfe: Man lässt das Geld einfach bei den Leuten, denen es gehört und nimmt es ihnen nicht mehr ganz so dreist weg.

Eine Alternative zur Mehrwertsteuersenkung wäre es, den Bürgern Steuern zurück zu erstatten. In den USA gab es das schon einmal: Man bekommt einen Barscheck vom Finanzamt mit den besten Grüßen der Regierung. Auf einmal ist Geld da, das man nicht auf der Rechnung hatte – geht ebenfalls schnell, fördert der Konsum und sorgt für eine bessere Stimmung  – und die Stimmung wird in den kommenden Monaten sehr wichtig sein.

Beide Maßnahmen könnten helfen, den Binnenkonsum abzukurbeln – und so zumindest teilweise den Wegfall der Exporte ausgleichen helfen. Denn als Exportland trifft es uns besonders stark, wenn andere Volkswirtschaften unsere Produkte nicht mehr kaufen.
Und der Staat? Der kann sich überlegen, wo er spart: Vieles in Deutschland ist immer noch überflüssig: Zum Beispiel einige Bundesländer mit all ihren Kosten aber auch die Subventionierung von Tierfutter über die Mehrwertsteuer, die hohen Subventionen für die Landwirtschaft, von denen mittlerweile eher Iglo und Co als der kleine Bauer aus dem Bilderbuch profitieren und und und…

Uhlenberg: Was passiert, wenn ein Minister lügt? Nix?

Ich habe in den vergangenen Monaten schon gezeigt, dass NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg im Fall des PFT-Skandals die Unwahrheit gesagt hat. Das wurde gerichtlich bestätigt. Passiert ist nichts. Nun hat sich der Skandalsumpf rund um Uhlenberg weiter verschärft. Ich habe drüber geschrieben, wie der Minister einen unliebsamen Ex-Mitarbeiter vom LKA verfolgen lies und dabei immer wieder neue Anschuldigungen vorbringen lies. Ich habe über diese Nummer in der Welt am Sonntag geschrieben und in den Ruhrbaronen. Endlich wird die Geschichte aufgegriffen. Der Spiegel berichtet morgen auf Seite 48. Die Rheinische Post, der Tagesspiegel und die taz haben geschrieben. Und ich sehe mich in der Lage, die nächsten Unwahrheit des Ministers aufzuklären.

Der NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg steht auf dem Foto links. Das Foto ist von der Seite des MUNLV.

Nach meinen Recherchen hat Uhlenbergs Ministerium die Ermittlungen gegen Harald F. wegen des Vorwurfs Korruption sowie banden- und gewerbsmäßiger Betrug von Anfang an forciert. In einer öffentlichen Erklärung hat Uhlenberg diesen Fakt bestritten. Das Umweltministerium habe keinen Einfluss auf das Strafverfahren gegen den ehemaligen Mitarbeiter F. genommen.

Zudem widersprach das Ministerium der Darstellung, gegen Friedrich sei eine Strafanzeige wegen zweckwidriger Verwendung von Mitteln der Abwasserabgabe oder wegen Korruption gestellt worden. Einem Blick in die Ermittlungsakten hält diese Darstellung nicht stand. So liegen mir gleich zwei Anzeigen des Umweltministeriums vom 14. Juli und vom 20. Juli an das Landeskriminalamt (LKA) vor, in denen Vorwürfe nach Paragraph 331 Strafgesetzbuch erhoben werden. Dies ist der so genannte Korruptionsparagraph, der Bestechlichkeit unter Strafe stellt.

In der Anzeige vom 14. Juli wird zudem detailliert ausgeführt, dass Harald F. im Verdacht stehe, mit einem „hochwertigen“ Lap-Top für eine regelwidrige Auftragsvergabe in Höhe von rund 2,1 Millionen Euro an die Uni Aachen bestochen worden zu sein. Das Umweltministerium erklärte den Widerspruch zwischen Aussagen und Aktenlage damit, dass in einem Bericht der „Bildzeitung“ vom 12. Juli 2006 Korruptionsvorwürfe gegen Harald F. erhoben worden seien. Daraufhin sei das LKA aus eigenem Antrieb aktiv geworden und habe im Ministerium angerufen. Es sei ein Gespräch für den 13. Juli vereinbart worden, in dem sich das LKA vom Ministerium über die Vorwürfe informieren lassen wollte.

Laut Umweltministerium habe der Jurist und Leiter der hauseigenen Rechtsabteilung, Jörg-Michael Günther, den Fall Harald F. im Beisein einer weiteren Ministeriumsjuristin geschildert. Zudem seien dem LKA zu Prüfzwecken Unterlagen zu dem Vorgang ausgehändigt worden. Ein Ministeriumssprecher betonte, dass Günther dem LKA gesagt haben soll, er könne den Bericht der Bild Düsseldorf nicht nachvollziehen, da vom Umweltministerium bis dahin kein „Vorwurf der Korruption“ gegen den ehemaligen Abteilungsleiter Harald F. erhoben worden sei.

Weiter heißt es, das LKA habe aufgrund der ausgehändigten Informationen aus eigenem Antrieb ein Anzeigeformular mit den detaillierten Korruptionsvorwürfen ausgefüllt. Diese Darstellung wird von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf weitgehend unterstützt. Das LKA habe die Anzeige zu Papier gebracht.

Aber ist das die ganze Wahrheit? Im Standard-Kommentar zur Strafprozessordnung von Meyer-Goßner wird genau definiert, was eine Anzeige ist. Dort heißt es zu Paragraph 158: „Die Strafanzeige ist die Mitteilung eines Sachverhaltes, der nach Meinung des Anzeigenden Anlass für eine Strafverfolgung bietet.“ Und weiter „Sie ist eine bloße Anregung, es möge geprüft werden, ob Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahren besteht.“

Demnach ist die Auskunft über den Sachverhalt und die Übergabe von Belastungsmaterial durch das Ministerium an das LKA als Anzeige zu werten. Es ist kaum denkbar, dass dieser Sachverhalt dem Chefjuristen im Ministerium verborgen blieb. Das Ausfüllen des Formulars durch das LKA war demnach ein reiner Verwaltungsakt. Die Anzeige selbst war das Gespräch einen Tag früher.Noch mal im Klartext: Die Anzeige ist nicht das Formular, dass vom LKA ausgefüllt worde, sondern die Schilderung der Vorgänge und die Übergabe der Unterlagen.

Noch skuriler wird die Begründung zur Korruptionsanzeige vom 20. Juli. Hier sagt das Ministerium habe man eventuelle Korruptionsvorgänge um einen eventuellen Geheimnisverrat anzeigen wollen. Harald F. habe der Zeugin Dorothea Delpino Fragen für ein Bewerbungsgespräch vorher verraten. (Das war der Geheimnisverrat.) Und da habe es ja können, dass Delpino im Gegenzug Harald F. bestochen habe, das ist der unausgesprochene Vorwurf. Das Uhlenberg-Ministerium haut also die eigene Belastungszeugin in die Pfanne, die vorher fast alleine alle Gerüchte und Halbwahrheiten über Harald F. im Ministerium zusammengetragen hat und dabei wie Jane Bond in den Abteilungen rumschnüffelte. Die Belege für die Aussagen liegen mir schriftlich in Form von persönlichen Berichten von Delpino an den Uhlenberg-Staatssekretär Alexander Schink (CDU) vor.

Aber selbst nach den anfänglichen Korruptionsanzeigen im Juli 2006 hörte das Anschwärzen durch das Ministerium nicht auf: In einer Email vom 10. August 2006 zeigte der Jurist Günther dem LKA den Verdacht an, Harald F. habe sich samt Lebensgefährtin zu einem Urlaub in Frankreich einladen lassen. Dort habe er ein Ehepaar besucht, „das einen Auftrag über 300000 Euro erhalten hatte“.

Alle Korruptionsvorwürfe stellten sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen als unhaltbar heraus. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ließ die Vorwürfe fallen. Zusammen mit der Generalstaatsanwaltschaft wird derzeit die Einstellung des Verfahrens geprüft.

Finanzkrise: Zeichen der Zeit

Die freie Wirtschaft (Auszug)

Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort die Gruppen – sei unser Panier!
Na, ihr nicht.
Aber wir.

Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn –
wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht.
Aber wir.

Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge –
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier …
Ihr nicht.
Aber wir.

Kurt Tucholsky in: Die Weltbühne, 4. März 1930, Nr. 10, S. 351

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Kammern erwarten Gründerboom

Zuerst die gute Nachricht: Innerhalb der letzten 25 Jahre hat sich die Zahl der Unternehmen im Ruhrgebiet von 133.000 auf 258.000 fast verdoppelt. Die schlechte Nachricht: Im kommenden Jahr werden es noch mehr.

Damit mich niemand falsch versteht: Ich finde es gut wenn Menschen sich selbstständig machen, Unternehmen gründen und ihr eigener Herr werden. Und auch die Zahlen des aktuellen Gründerreportes der Ruhrgebiets Kammern, die belegen, dass sich die Zahl der Unternehmen innerhalb von 25 Jahren fast verdoppelt hat und es vor allem klein- und mittelständische Betriebe sind, die dazu kamen, zeigt, dass sich das Ruhrgebiet langsam aber sicher seine alten Monostrukturen hinter sich lässt.

Aber wenn der Dortmunder Kammerchef Reinhard Schulz feststellt, dass die bisher gut verlaufende Konjunktur  sich dämpfend auf die Entwicklung der Unternehmensgründungen im Ruhrgebiet ausgewirkt hat und er für das kommenden Jahr mit mehr Gründungen rechnet, klingt das besser als es ist, denn viele dieser Gründungen werden Notgründungen sein.

Im Idealfall gründet man ein Unternehmen, weil man eine Idee hat und glaubt, dass sie sich am Markt durchsetzen kann. Warum soll der alte Chef das Geld für die eigene Idee einsacken? Man weiß ja selbst etwas besseres damit anzufangen. Und für viele ist die Selbstständigkeit auch die Erfüllung eines Lebenstraumes – auch wenn das Leben als Selbstständiger nicht Vergnügungssteuerpflichtig ist. Wenn solche Gründungen gut vorbereitet sind, das Eigenkapital stimmt und die Banken mitziehen, sind der Erfolgsaussichten gar nicht mal so schlecht.

Doch in Deutschland sind viele Gründungen Notgründungen – mehr als in anderen Staaten: Fast jede dritte Gründung in Deutschland geschieht, weil die Betroffenen keine  Job haben. In den USA machen diese Notgründungen nur zehn Prozent aus. 

Die Überlebenschanchen vieler Notgründungen sind nicht hoch – zumal sich oft viele ehemalige Kollegen gleichzeitig selbsständig machen, wenn ein großer Betrieb Stellen abbaut: Als die Essener Werbeagentur NHS pleite ging, gab es viele neue kleine Agenturen in Essen –  Erfolgsgeschichten waren sie längst nicht alle. Und wenn die WAZ tatsächlich so viele Redakteure entlässt wie es sich andeutet, wird die Zahl der Freien Journalisten, Journalistenbüros und PR-Agenturen im Ruhrgebiet hochschnellen. Nicht alle werden überleben und viele dabei ihre Ersparnisse und dei Abfindung verlieren. Oliver Scheytt erklärte vor ein paar Jahren mal, dass man den Boom der Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet auch daran erkennen könne dass trotz niedriger Umsätze die Zahl der Unternehmen und der Freiberufler gestiegen wäre. So etwas ist kein Boom, sondern der verzweifelte Kampf gegen den eigenen wirtschaftlichen Untergang.

Der Soundtrack zur Rezession

Hans Richter – Inflation

Tja, die Krise wird wohl länger dauern. Da hat man auch die Zeit für ein paar Videos – dem Soundtrack zur Rezession.

Madness – Our House

Pink Floyd – Money

Woody Guthrie – Talking Those Dust Bowl Blues

The Lords – Poor Boy

Stranglers – Hanging Around

MC5 – Motorycity Burning

Tocotronic – Kapitulation

Johnny Cash – Sixteen Tons

Mindtimeshow – Rezession