Bekenntnis einer Jüdin aus Duisburg

Illustration: Flickr.com / camillo(f)reaque

Ich bin Jüdin und lebe in Duisburg. Doch dass ich nicht wie viele in meinem Bekanntenkreis der katholischen oder der evangelischen Kirche angehöre, hatte mich bisher nicht weiter interessiert. Mit meiner Religion hatte ich wenig am Hut – oder um noch genauer zu sein: eigentlich gar nichts. Ich war, wie viele meiner Glaubensbrüder und Schwestern, die in den 30er und 40er Jahren lebten, weitgehend in die deutsche Gesellschaft assimiliert.

Ich spare mir sogar die „Kirchensteuer", in dem ich gar nicht Mitglied der jüdischen Gemeinde bin. Die Synagogen im Ruhrgebiet kenne ich daher vor allem von außen, weniger von innen. Religion ist nicht mein Ding, auch wenn ich Zuhause den siebenarmigen Kerzenständer habe. Wann ich aber die Menora zum letzten Mal angemacht habe, das weiß ich gar nicht. Ab und zu kaufe ich mir ein Buch über die jüdische Geschichte, auch um mal zu erfahren, warum diese Glaubensrichtung eigentlich schon seit Jahrtausenden die Arschkarte gezogen hat und als Feindbild für die unterschiedlichsten Völker und die verschiedensten Gründe herhalten musste. Für mich ist das alles unerklärlich.

In meinem Leben gab es eigentlich nur drei wirklich nennenswerte Situationen, die mir bewusst gemacht haben, dass ich Jüdin bin und damit zu einer Minderheit im großen Deutschland gehöre.

Zum ersten Mal erlebte ich das auf dem Gymnasium. Es waren unterschwellige, aber klar antisemitische Sprüche, die ich mir von meinem Lehrer habe gefallen lassen müssen. Subtil ging das alles vor. Und ich bekam natürlich schlechte Noten, blieb hängen, musste die Klasse wiederholen.

Das zweite Mal zog mich mein neuer Freund Jahrzehnte später mit meiner Religion und meiner Herkunft auf und brachte mich in einen echten Konflikt, als ich ihm gestand, dass ich Jüdin bin. Zwei Monate lang schwieg ich und testete ihn davor ob seiner politischen Ansichten. Denn ich konnte ja nicht wissen, wie er tickt und ob er großen Wert auf Religion legte – was für mich ein Problem gewesen wäre. Aber ich wollte sicher gehen, dass er keine rechtsradikalen Ansichten vertrat. Man kann den Menschen ja schließlich nicht in den Kopf schauen. Aber dieses „Abchecken“ war nur oberflächlich. Die Überprüfung viel positiv aus. Er durfte bleiben. Nach dem ich ihm das sagte, passiert aber das Kuriose: Denn mein Freund fragte mich, was denn passieren würde, wenn er der Enkel einer berühmten Nazi-Größe gewesen wäre. Ob ich dann auch noch mit ihm zusammen sein wolle. Ich muss zugeben, dass mich diese Aussage überrumpelte, ein wenig verunsicherte und mich in einen ernsthaften Zielkonflikt brachte. Denn können jüdische Nachfahren der Holocaust-Generation sich mit den Enkel der Täter einlassen? Sogar eine Liebesbeziehung führen? Welche Ironie der Geschichte, dachte ich. Doch nach einer Schreck-Minute klärte er mich denn auf, dass es keinerlei Verbindungen seiner Familie mit dem Nazi-Regime gab: Sein Großvater hatte sich als Wehrmachtssoldat nach Norwegen verabschiedet – auf einen Horchposten, der das Ende des Zweiten Weltkrieges wegen defekter Radios und Funkgeräte gar nicht mitbekam. Sein Vater flüchtete sich als Teenager-Soldat in die amerikanische Kriegsgefangenenschaft. Von ihm ging also keine Gefahr aus.

Das dritte Mal, dass ich mit meiner Religion konfrontiert wurde, war in Israel selbst. In Jerusalem machten sich mein Freund und ich auf dem Weg, um irgendwo Wasserflaschen aufzutreiben. Es war September und mit 30 Grad ziemlich heiß. Und so schlenderten wir nun durch Jerusalem und wurden in einem Stadtviertel fündig, das nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt war. Zuerst viel mir gar nichts auf. Die Menschen, wohl alle streng orthodoxe Juden, trugen zwar die typische Kleidung, die die osteuropäischen Juden im 18. Jahrhundert trugen, und die sich mittlerweile zur Corporate-Identity der Strenggläubigen entwickelt hatte: Schwarzer Hut, langer Mantel und lange Kotletten. Mir wäre nie im Traum eingefallen, dass wir uns hier in eines der Viertel verirrten, die zu den konservativsten und religiösesten gehörten, die es in Jerusalem gab. Erst mein Freund öffnete mir die Augen: Männer wandten ihre Blicke von mir ab, Väter drehten die Kinderwagen um, damit ihr männlicher Nachwuchs keinen Blick auf mich werfen konnte. Dabei hatte ich mich noch nicht mal irgendwie aufreizend angezogen. Lange Hose, langes Hemd, alles in weißer Farbe. Zugegeben, das rosafarbene T-Shirt war schon irgendwie auffallend. Aber deshalb musste man seine Augen nicht von mir abwenden. Es war auf jeden Fall ein ungutes Gefühl, dass ich mich als jüdische Frau in einem jüdischen Land nicht wohl fühlte, obwohl ich hier zum ersten Mal mein „Jüdisch-Sein“ nicht verstecken musste. Über diesen Zwiespalt musste ich noch lange nachdenken. Spätestens in Tel Aviv hatte sich das aber dann schon wieder erledigt. Es ist eine weltoffene Stadt, hier fühlte ich mich wohl.

Auch in Duisburg fühlte ich mich heimisch. Zugegeben, die Stadt hat so manche Probleme und viele Dinge, die ich ändern würde. Aber en gros kann ich mit der Stadt leben und die Stadt mit mir. Ich habe hier meine Freunde, meine Arbeit und alles, was ich brauche. Bis zum Samstag voriger Woche fühlte ich mich hier auch eigentlich ganz wohl und sicher. Bis zu diesem Zeitpunkt, als ich aus dem Radio und später aus dem TV-Gerät erfuhr, mit welcher Aggressivität gegen Israel und die jüdische Bevölkerung demonstriert wurde. Dass das Verhältnis zwischen einigen bestimmten Glaubensrichtungen des Islams und den Juden nicht einfach ist, das ist ja einschlägig bekannt. Nachvollziehbar ist diese Aggression aber nicht, zumal es historisch gesehen die Moslems in einer kurzen Zeitperiode waren, die die Juden vor dem Christentum beschützten. Nun war es jedoch andersherum – dachte ich. Bisher dachte ich immer, ich könnte mich darauf verlassen, dass ich in Duisburg sicher lebe, weil es hier egal ist, welche Religion ich habe. Aber man stelle sich nur vor, was passiert wäre: Ich als junge Frau wäre mit einer Israel-Fahne oder auch nur einem anderen israelischen oder jüdischem Zeichen zufälligerweise in die Nähe des Demonstrationszuges gekommen, der an diesem Tag durch Duisburg führte und von deutschen Polizisten begleitet wurde? Was wäre mit mir passiert, wenn die Demonstrationen schon mit Steinen und anderen Wurfgeschossen nach einer friedlich herumhängenden Fahne schmeißen und die Israelis als „Kindermörder“ verunglimpfen? Hätte ich mich auf die deutsche Polizei verlassen können? Auf ihren Schutz? Oder wäre ich auch als „Provokation der Demonstration“ von der deutschen Polizei deklariert und entsprechend behandelt worden? Wenn ich mir die Bilder anschaue, wie die Polizisten in Kampfmontur die Fahne Israels heruntergerissen haben und wenn ich lese, mit welcher Brutalität die deutschen Staatsbeamten in die Wohnung eingedrungen sind, dann läuft mit der Schauer den Rücken herunter und erinnert mich unweigerlich daran, dass ich Jüdin bin. Ein Umstand, der für mich eigentlich in meiner Alltagsarbeit gar keine Rolle mehr spielte. Schließlich arbeite ich mit vielen türkischen Kindern zusammen – und nun sehe ich einige Eltern auf diesem Demonstrationszug und mit Worten um sich schmeißen, die mich erschrecken – vor allem aber verunsichern. Wie sicher kann Jahrzehnte nach dem Holocaust ein deutscher Jude in Deutschland leben?

Man kann sicherlich über die Art und Weise diskutieren, wie die israelische Regierung (und es ist eben nicht das GANZE Volk und schon gar nicht ALLE JUDEN WELTWEIT) im Gaza-Streifen vorgeht. Jeder Mensch, der stirbt, ist einer zu viel. Man kann kritisieren, dass die israelische Regierung hier das Augenmaß verloren hat und sich der Staat nun in der Region mehr Feinde dadurch macht. Aber die israelische Armee und damit pauschal alle Juden als „Kindermörder“ zu verunglimpfen – und das auch noch unter den Augen und Ohren der deutschen Polizei – das ist indiskutabel und gefährlich. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich hier am Rhein unbekümmert leben könnte und das „Jüdisch-Sein“ nicht mehr relevant wäre – 60 Jahre, nachdem mit dem Grundgesetz der Rahmen für die friedliche Entwicklung der Bundesrepublik verabschiedet wurde und nachdem die Väter und die Mütter der Verfassung die Lehren aus der Massenvernichtung gezogen hatten. Doch nach der Demonstration am vorigen Samstag und mit Blick auf die nächste Anti-Jüdische-Demo am nächsten Wochenende, muss ich mir eingestehen, dass wir als Juden uns immer noch fürchten müssen, diesmal aber nicht vor rechtsradikalen Alt- und Neo-Nazis, sondern vor islamistischen Extremisten und Gewalttäter. Und die deutsche Staatsmacht hilft dabei auch noch, Israel in den Schmutz zu ziehen. Ich bin verzweifelt und fühle mich nun mehr denn je als Jüdin denn als Deutsche. Dabei dachte ich Jahrzehnte lang, dass das eine mit dem anderen geht.

Das Bekenntnis wurde von David ins Netz gestellt, um die Anonymität der Autorin zu sichern.

Loveparade wird abgesagt

Laut einer Meldung der BILD-Zeitung wird die Loveparade 2009 in Bochum abgesagt.

Der Grund sei, dass bei einem Treffen von Stadt, Sicherheitskräften und dem Loveparade-Veranstalter keine Lösung für die Sicherheitsprobleme gefunden wurde. Bochum sieht sich demnach nicht in der Lage, eine Veranstaltung dieser Größenordnung durchzuführen. Sollte die Meldung stimmen, muss nun schnell innerhalb des Ruhrgebiets nach einer Alternative zu Bochum gesucht werden, wenn die Loveparade noch in diesem Jahr überhaupt stattdinden soll. Dortmund will die Loveparade wohl kein zweites Mal veranstalten. In Essen, wo die Loveparade 2007 stattfand, ist der damalige Veranstaltungsplatz längst eine Baustelle.
Als sich die Ruhrgebietsstädte um die Loveparade beworben haben, ahnte niemand den Erfolg der Veranstaltung im Ruhrgebiet, da der ganze Event eigentlich als tot galt.
Im November hatten schon die Bochumer Grünen das Aus für die Loveparade gefordert. Grünen-Ratsherr Cordes erklärte damals Bochum habe weder eine geeignete Party-Strecke noch den richtigen Platz für eine Abschlusskundgebung.

Noch vor wenigen Tagen hatten die Love-Parade-Macher versucht, mit viraler Werbung Stimmung pro Parade zu machen. Erfolglos, wie sich jetzt zeigt.

Wie komme ich an ein Banksy-Bild?

Kennen Sie Banksy? Das ist einer der Weltteuersten Grafittikünstler. Er stammt aus Bristol und sprüht jede Menge krudes, gutes Zeugs an Wände in England und sonstwo. Seine Identität hält der Mann geheim. Man weiß eigentlich nur, dass er 1975 oder so geboren wurde.

Seine Werke sind so teuer, dass sie selbst von Wänden geklaut werden, um dann irgendwo an Kunstfreaks verkloppt zu werden. Um auf die Einstiegsfrage zurückzukommen: Hier sieht man, wie man an einen Banksy kommt.

The Afflicted Yard: The Rock from Rickards Bros. on Vimeo.

Infrastrukturpaket: „Jeder zehnte Euro muss ins Ruhrgebiet!“

17,3  Milliarden Euro stellt die Bundesregierung für den Ausbau von Schulen, Hochschulen und Verkehrswegen zur Verfügung. Im Ruhrgebiet will man einen ordentlichen Schluck aus der Kunjunkturpaketpulle.

Für Professor Dr. Klaus Tenfelde, Sprecher der Initiative Stadt Ruhr, sind die Infrastrukturmittel der Bundesregierung eine gute Nachricht – wenn das Ruhrgebiet nicht wieder vergessen wird: „In den vergangenen Jahrzehnten gab es kaum nennenswerte Investitionen in die Infrastruktur des Ruhrgebiets.“ Ob Schulen, Straßen, Bahnhöfe oder Hochschulen – das Ruhrgebiet lebe seit langem von seiner Substanz.  „Ein paar kosmetische Maßnahmen wie sie zur Zeit am Essener Hauptbahnhof stattfinden reichen nicht aus.  Wir wollen attraktiv werden um die Menschen im Ruhrgebiet zu halten, neue Einwohner zu gewinnen und Investoren zu begeistern.“ Vor allem in den Nahverkehr muss nach Tenfeldes Ansicht investiert werden: "Wir brauchen endlich einen leistungsfähigen Nahverkehr der eine Goßstadt mit fünf Millionen Menschen würdig ist."

Wenn es nach Tenfelde geht, müsste jeder zehnte Euro aus dem Strukturprogramm des zweiten Konjunkturprogramms daher ins Ruhrgebiet fließen: „Das ist nur wenig mehr, als uns von unserer Größe her ohnehin zusteht, aber jeder der mit offenen Augen durch das Ruhrgebiet geht sieht: Wir haben einen großen Nachholbedarf"

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Pink Slip Party: Ein schöner Abend

Gut 20 Kollegen aus dem Ruhrgebiet kamen gestern zur Pink Slip Party.

Legte auf: MC Jens Kobler

Und sie kamen von den unterschiedlichsten Medienhäusern – auch aus den Kreisen WAZ konnten wir einige Kollegen begrüssen. Gut, die  eigentliche Idee einer Pink Slip Party – die Vermittlung neuer Jobs – hat nicht wirklich funktioniert: Potentielle Arbeitgeber haben gestern Abend das Mandragora weiträumig gemieden. Aber es war ein netter Abend und es soll nicht der Einzige gewesen sein: Im März wird es eine Neuauflage der Pink Slip Party geben. Dann gleich nebenan im Riff-Trockendock und mit einer Kapelle und  für alle Journalisten, Blogger und wer sonst so kommen möchte.         

Duisburg: Nächste Anti-Israel Demo am Samstag

Auch an kommenden Wochenende findet in Duisburg wieder eine Anti-Israel-Demo statt.

Ausschnitt: Webseite der HDR

Veranstalter ist die "Organisation for Human Dignity and Rights
Organisation für Würde und Rechte des Menschen e.V." kurz HDR. Der Verfassungschutz NRW beschreibt die 1996 von türkischen Migranten in Duisburg gegründete Organisation als antijüdisch und antiamerikanisch:
"In den Reden des Vorsitzenden und auch in den Flugblättern der Organisation finden sich immer wieder antiwestliche, vor allem antiamerikanische sowie antijüdische Propaganda, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt."

Nach Angaben der Polizei wird die Demo stattfinden – allerdings wird die Route nicht an dem Haus vorbei führen, vor dem es wegen einer israelischen Fahne, die von der Polizei schließlich abgerissen wurde, am vergangenen Samstag zu Ausschreitungen kam.   

Ruhrgebiet Aktuell am Mittwoch

Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr

Ernie & Bert: Foltern mit Musik…Der Casi und das U

Duisburg: Polizei stürmt Wohnung…Spiegel

Duisburg: Nächste Anti-Israel Demo…Rheinische Post

Sorry: Duisburger Polizeipräsident entschuldigt sich...Der Westen

Lagerwerbung: Jedem den Seinen…Coffee & TV

See: Phoenix steigt noch nicht aus der Asche…Der Westen

Verständnis: Pleitgen hat Mitleid mit Russland…Haller Kreisblatt

Vrooom: Bei D & W geht es weiter…Recklinghäuser Zeitung

Schlau: Neue Forschungsstellen in Bochum…Ruhr Nachrichten

Gaza: Pro Israel Demo…Kundgebung Essen

Geld: Finanzierungskonzept für Duisburg…Prospero

Krieg & Kunst: Apokalypse in Gelsenkirchen…Hometown Glory

Und Tschüss: Austritt aus "Die Linke"….Initiative Links

Schalke: Asamoah fordert mehr Bösartigkeit…Sporting Life

BVB: Hitzfeld optimistisch…Goal

Heißa!

Wer Bock auf Schweißflecken hat, kommt heute Abend auf seine Kosten. Entweder nachher beim Getümmel der Pink Slipper im Mandragora oder vorm Fernseher. SAT1 zeigt pünktlich zur Schneeschmelze einen dieser Film Film Film Filme … Titel "Die Hitzewelle – Keiner kann entkommen". Schauplatz des Klimainfernos ist das Ruhrgebiet, eine junge Ingenieurin (r.) legt sich mit der Wasserwirtschaft (siehe Achsel links) an. Kommt einem bekannt vor. OK, nicht das mit der jungen Ingenieurin. Wer schauen will, hier steht mehr. Dem Rest ein freundliches: Wir sehen uns.

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?Ein Zeichen der Solidarität?

Im Schlafzimmerfenster von Michael P. hing eine Israelfahne und auf seinem Balkon eine weitere. Zwei gute Gründe für die Polizei, seine Wohnung aufzubrechen.

Duisburg: Zwei Wohnungen gestürmt

Michael P.* sitzt in der Küche seiner Wohnung in der Duisburger Innenstadt und trinkt Kaffee. Draußen an der Tür zu seiner Wohnung sieht man schemenhaft einen Fussabdruck. Die Tür selbst ist intakt. Das gleiche Bild einen Stock tiefer. Am Samstag hatte die Polizei die Wohnung von Michael P. und die Wohnung darunter aufgebrochen, um zwei Israelfahnen, eine aus dem Fenster seines Schlafzimmers und eine vom Balkon, zu entfernen. Die Fahne auf dem Balkon wurde von einem Polizeibeamten bei der Aktion abgerissen.  Anti-Israelische Demonstranten hatten auf ihrem Marsch durch Duisburg vor der Wohnung mit den Israelfahnen Halt gemacht, antijüdische Parolen skandiert, das Haus beworfen und versucht, das Haus zu stürmen – bis die Polizei klein bei gab und die Fahnen entfernte.

„Ich stand gegenüber auf der anderen Straßenseite und konnte die ganze Sache nur noch beobachten.“ Der Schilderung des Sprechers der Duisburg Polizei, Ramon van der Maat, er habe feixend am Straßenrand gestanden und sich über das „Theater, das er verursacht hat amüsiert“ widerspricht P.: „Ich hatte Schiss. Es ist kein gutes Gefühl, wenn man sieht, dass ein Polizist auf deinem Bett steht und eine Fahne aus dem Fenster nimmt, während die Menge unten auf der Straße steht und Allah uh Akbar schreit.“

Nicht nur seine Tür wurde von den Beamten mit einem beherzten Fußtritt aufgetreten: Auch die Tür einer leer stehenden Wohnung ein Stockwerk darunter wurde aufgebrochen – die Polizei hatte sich in der Etage geirrt. Als ein Freund von P. später auf seinem Balkon stand, um eine Zigarette zu rauchen, empörte auch das einzelne Gruppen von  Demonstranten. Wieder war die Duisburger Polizei hilfsbereit: Der Raucher bekam einen Platzverweis und durfte fortan nicht mehr den Balkon betreten. Wer den Schaden der Polizeiaktion bezahlt, ist bis jetzt auch noch nicht klar –  P. ist auf der Suche nach einem Anwalt.

Eine Israelfahne im Fenster zu zeigen, ist für P. nichts außergewöhnliches: Er hat sie zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel herausgeholt und zum 27. Januar, dem Tag an dem die 60. Armee der 1. Ukrainischen Front das KZ Auschwitz befreit hat. Und natürlich am vergangenem Samstag, als die radikalislamische Organisation Milli Görüs in Duisburg zu einer Demonstration gegen die Militäraktion Israels in Gaza aufgerufen hatte: „Die Fahne hing an diesem Tag nicht aus Zufall im Fenster. Für mich war es ein Zeichen meiner Solidarität mit Israel. Immerhin ist es die einzige Demokratie im Nahen Osten und die Heimstatt der Holocaust-Überlebenden. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet.“ Für P. sind die Demonstrationen gegen die Israelis, die im Moment beinahe täglich in den europäischen Städten stattfinden, die größten antisemitischen Kundgebungen seit dem Ende des 2. Weltkriegs: „Da wird doch nicht gegen die Politik Israels demonstriert, sondern gegen den Bestand des Staates Israel und gegen die Juden.“

Dass die Polizei sich auf die Seite des, wie P. es nennt, „antisemitischen Mobs stellt“  hat ihn erschreckt: „Ich weiß von Freunden aus den USA, dass dort die Polizei dafür sorgt, dass auch Demonstrationen für Israel in der Nähe arabischer Demonstranten stattfinden können und keine israelischen Fahnen verschwinden müssen.“ In Düsseldorf dagegen hätte die Polizei vor wenigen Tagen Gegendemonstranten einer pro-palästinensischen Kundgebung Platzverweise erteilt.

Es hat lange gedauert, bis P. am Samstag in seine Wohnung zurückkehren konnte. Noch Stunden später, die offizielle Demonstration war längst weitergezogen, gingen sie an  seinem Haus vorbei und riefen Sprüche wie „Juden raus“ und „Scheiß Juden“ – auch das für die Duisburger Polizei kein Grund einzugreifen.

Nun überlegt P. umzuziehen. Das Haus in der Duisburger Innenstadt ist in den letzten Tage berühmt geworden und sicher fühlt sich P. nicht mehr. „Eigentlich unvorstellbar“, so P., „dass man Angst haben muss, weil man eine israelische Fahne im Schlafzimmerfenster hatte.“

Hier das Video. Man sieht, wie die Polizei die Fahne aus Michael P.s Fenster runterreißt.

 

 

* Name geändert

Mehr zum Thema:

"Vergast die Juden"

Demonstranten forden Judenvergasung – Duisburg: Polizei entfernt israelische Fahne

Hauptsache Ruhe

RWE zieht dicken Fisch an Land

Foto: RWE

Das erste was mir gestern bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Versorger RWE und Essent im holländischen Arnheim aufgefallen ist, das waren diese Krawatten. RWE-Chef Jürgen Großmann sowie die RWE-Vorstände Leonhard Birnbaum und Rolf Pohlig hatten sie an: italienische Seidenkrawatten, handgefertigt der Marke Edsor. Farbe: Orange.

Dazu die fast identischen dezentgrauen Anzüge – nur Großmann stach mit einem Taschentuch in der Brusttasche ein wenig hervor. Die Krawatten waren ein Signal – ein freundliches. Das Orange sollte den Holländern zeigen, dass die Moffen aus Essen nicht böse sind. Wie dem auch sei: die RWE-Leute sahen mit den Krawatten und den grauen Anzügen aus wie ein Block. Oder wie Generäle nach erfolgreicher Schlacht.

Und so konnten sie sich wohl auch fühlen. Denn die RWE Chefs hatten die orangen Binder angelegt, nachdem sie den wichtigsten Deal in der Amtszeit von Großmann eingestilt hatten. Die Übernahme des niederländischen Energieversorgers Essent. Gerade hatten sich die Vorstände der beiden Unternehmen im Olympiazentrum von Arnheim auf ein Barangebot geeinigt. Im Flur hing das schwarz-weiß Foto einer Athletin im Startblock

RWE ist bereit, für den Konzern rund 8 Mrd Euro an die niederländische Provinzen und Gemeinden zu zahlen, denen Essent gehört. Dazu rund 1 Mrd für alte Essent-Schulden auszugeben. Die Aufsichtsräte der Versorger haben dem Angebot bereits unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass RWE mindestens 80 Prozent des Grundkapitals von Essent angedient werden. Nur die Genehmigungen der Kartellbehörden stehen noch aus. Der Vorstandschef des RWE, Jürgen Grossmann, freute sich über den Erfolg. "Durch den Erwerb von Essent wird RWE das führende Unternehmen in Nordwesteuropa."

Im Detail will der zweitgrößte deutsche Versorger die Strom- und Gasaktivitäten der Holländer übernehmen. Die Erzeugungskapazität des RWE könnten mit den Essent-Beteiligungen um rund 6200 Megawatt Strom auf dann 51.000 Megawatt ansteigen. Dazu kommt ein zusätzliches Volumen von 13 Mrd Kubikmetern im Gashandel. Insgesamt erwirtschaftete Essent im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 6,5 Mrd Euro einen Gewinn von rund 600 Mio Euro nach Steuern. Die Übernahme ist für RWE das größte Einzelgeschäft seit dem Kauf vom Thames Water. Allein der Erwerb der Essent-Verteilnetzen habe die holländische Regierung aus politischen Gründen untersagt, hieß es im Konzern. An dem Erwerb der Entsorgungssparte hatte der Essener Konzern kein Interesse.

Nach Angaben des deutschen Versorgers soll die Transaktion vor allem durch neue Darlehen finanziert werden. Zehn Banken hätten insgesamt eine Kreditlinie von rund 10 Mrd Euro zugesagt. "Wir sind sicher, dass wir damit unser A-Rating behalten können", sagte ein RWE-Sprecher.

Allgemein rechnen Analysten damit, dass die europäischen und deutschen Wettbewerbshüter dem Geschäft unter Bedingungen zustimmen. Als Auflage wird damit gerechnet, dass die Mehrheitsbeteiligung von Essent an den Bremer Stadtwerken abgestoßen werden müssen. Auch die Anteile der Holländer an den Stadtwerken Bielefeld und weiteren kleinen Kommunalbetrieben werden wahrscheinlich verkauft werden müssen. In der Vergangenheit hatte das deutsche Kartellamt RWE und anderen großen deutschen Versorgern die Übernahme von weiteren deutschen Beteiligungen untersagt. Dieses Verbot wurde bereits gerichtlich bestätigt.

Bei einer entsprechenden Auflage würde RWE etwa 1,2 Mio der insgesamt 5,1 Mio Essent-Kunden verlieren. Auch die Erzeugungskapazität, die RWE von Essent übernehmen will, würde sich damit auf rund 5200 Megawatt reduzieren. Die Stadtwerke Bremen verfügen über einen Kraftwerkspark mit einer Leistung von rund 1000 Megawatt.

Doch auch ohne die deutschen Beteiligungen ist Essent ein interessantes Übernahmeziel für RWE. Die Holländer verfügen über Gaskraftwerke mit einer Leistung von rund 2300 Megawatt. Dazu kommt eine 50-Prozent-Beteiligung an einem Kernkraftwerk im Mündungsdelta des Rheines mit einer Leistung von rund 500 Megawatt. Doch nach Ansicht von RWE-Chef Grossmann ist vor allem das Öko-Porfolio der Holländer spannend. Bislang betreibt Essent Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien mit einer Kapazität von 476 Megawatt. In der Bauplanung der Holländer befinden sich allerdings Windparks und Biomassekraftwerke mit einer Kapazität von zusätzlich 3000Megawatt. Sollten alle Projekte realisiert werden, könnte RWE seinen CO2-Ausstoß spürbar reduzieren.

Übrigens hatten auch die Holländer ihre Krawatten nach dem Geschäftsabschluss gewechselt. Sie trugen alle blaue Binder. Das sollte an die Farben des Essener Konzerns erinnern. Auch das eine freundliche Geste. Aber: Das blau der Niederländer war immer anders. Hellblau, dunkelblau, und so weiter. Auch die Farben der Anzüge waren überhaupt nicht aufeinander abgestimmt. Der eine war hell, der andere dunkel.

Man könnte meinen, das markiere einen Unterschied zwischen RWE und Essent.