Ruhr führt zur Zeit auf Der Westen eine Kunstdiskussion die spannender nicht sein könnte, und das von unten, ohne die üblichen Meinungspäpste und Berufsbetroffenen, ohne das übliche hochtrabende Kunstgesäusel.
Da hat nämlich ein gewisser Nobody namens Fred F., wohnhaft in Bottrop, aus und in dem Schotterfeld zu Füßen des Tetraeders von Kunst-Professor Christ die mittlerweile überregional bekannten Alien-Figuren geformt, und vor ein paar Tagen wurden diese auf Befehl der RVR-Führung zunichte gemacht, sprich das Gestein in die alte Form zurück gebracht. Der Grund: Das Schotterfeld ist in Material, Form und Gestaltung Teil des Kunstwerks Tetraeder und der Künstler hat ein Recht darauf, das alles so bleibt, wie er es sich gedacht hat. So weit, so verständlich.
Das was Fred F. getan hat, gilt allerdings in der internationalen Kulturdiskussion sehr wohl auch als Kunst und wird unter dem Oberbegriff „Urbane Intervention“ gehandelt. Direkte, meistens temporäre aber sehr wohl durchdachte künstlerische Eingriffe in den öffentlichen Raum, die diesen verändern, in Frage stellen, unter einem neuen Blick erscheinen lassen u.s.w… was Kunst halt alles so tut. Fred F.´s Problem ist jedoch, dass es sich bei ihm um keinen durch den offiziellen Kulturkodex anerkannten Künstler handelt. Und das da, wo er wirkte, schon ein Kunstwerk war und ist.
Allerdings eins, dass zu Veränderung geradezu einlud. Zumindest was seinen ebenerdigen Anteil betrifft. Eine insgesamt, der Macher möge mir den unkünstlerischen Ausdruck verzeihen, eher öde Schotterfläche. Das sie obendrein schlecht begehbar ist, war dabei offensichtlich Absicht. Dass sie aber gerade deswegen zu einer künstlerischen Intervention geeignet war, liegt auf der Hand. Man braucht obendrein kein neues Material heran zu schaffen, da der Schotter verschiedenfarbig ist. Man muss ihn, übrigens typisch für eine urbane Intervention, nur neu ordnen.
Genau das hat Fred F. gemacht. Und wäre er z.B. ein berühmter Künstler gewesen, hätte man ihm die jetzt überall behauptete Banalität seiner Figuren als Ironie, Zitat, Neuinterpretation oder sogar die Wiedergeburt der PopArt ausgelegt. Es hätte sich nur ein anerkannter Kritiker finden müssen, der das in einem ebenso anerkannten möglichst internationalen Kunstmagazin behauptet. Die Leute wären dann sogar aus fernen Ländern in Scharen angereist und Herr Christ respektive der RVR respektive der Gutachter wären wohlmöglich zu ganz anderen Schlussfolgerungen gekommen.
Aber es kamen „nur“ die Leute aus der Umgebung. Die aber auch in Scharen. Denn der Tetraeder hatte nun eine neue Attraktion. Und das tolle, sie passte rein wahrnehmungstechnisch perfekt zu diesem Kunst-Aussichts-Turm (den ich selbst übrigens sehr schätze). Man konnte jetzt nicht nur in der Ferne Interessantes sehn sondern auch, wenn man einfach nur nach unten schaute. Aus dem schlichten Schotterfeld war nämlich durch die intensive und äußerst präzise Arbeit des Fred F. ein steinernes Bild geworden. Früher hätte man Mosaik dazu gesagt.
Selbst Professor Christ hat mittlerweile begriffen, dass da eine neue künstlerische Option entstanden ist. Das Fred F. sein Kunstwerk zwar verändert, aber nicht zerstört hat. Fred F. ist nämlich kein Vandale, er ist Gestalter. Gestalter seiner eigenen Umwelt zu der das Schotterfeld ohne Zweifel gehört, denn es befindet sich nicht in einem Museum und ist auch nicht Teil eines nicht überdachten Kunstparks.
Es wird höchste Zeit, dass solche urbanen Interventionen von unten in Ruhr nicht nur Anerkennung sondern auch Orte finden, an denen sie unbeeinträchtigt und zugleich öffentlich wirken können.