Marl im nördlichen Ruhrgebiet ist Trendsetter. Als eine der allerersten Städte im Ruhrgebiet, bekam Marl nämlich eine neue, scheinbar hippe und so ganz andere Neonaziszene. Zum Jahreswechsel sorgten sie mit einem Anschlag auf einen Bus für Schlagzeilen. Die Hintergründe.
Von unserem Gastautor Florian Koch.
Autonome Nationalisten Foto: ag.antifa.net
„Autonome Nationalisten Marl“ ist der neue Name, und er erinnert an die rebellischen Autonomengruppen der Post-68er, die aber zumindest vom Selbstverständnis auf der anderen Seite standen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung von oft betrunkenen Skinheads mit Springerstiefeln und Bomberjacken der „Kameradschaft Marl“ zu den „Men in Black“ mit Baggiehosen und Kapuzenpullis, und was bedeutet diese Entwicklung für Jugendliche in Marl?
Die Entwicklung fand vor allem wie bereits beschrieben im Aussehen statt. Betrunkene, rassistische Schlägertypen mit Glatze waren nicht mehr so attraktiv für Jugendliche, und so nahm die Szene in Marl beständig ab. Vor allem der Widerstand gegen den lokalen Naziladen „Fly In“, der aufgrund von Protesten und öffentlichem Druck schnell wieder geräumt wurde, sorgte noch einmal für eine beträchtlichen Einflussverlust der Marler Neonazis im Ruhrgebiet. Es musste etwas neues her, was schnell wieder einen Ruf herstellen würde. Unterstützt von dem Bundesweiten Nazi-Online-Megastore „Resistore“ aus Dortmund fand sich schnell der neue Dresscode und ein neuer Weg, die alte Meinung zu verbreiten.
Mit schwarzen Baseballcaps und Palituch gings schnell auf zum ersten öffentlichen Auftritt. Vor dem alternativen Café Schmiede wurde eine Demonstration für „Frieden im Nahen Osten“ abgehalten. Manch einer ist jetzt verwundert. Nein, keine Sorge, es ist nicht plötzlich so, dass Nazis sich für den Frieden engagieren. Die wesentlichen Parolen der Demo waren „Juden raus, (aus Palästina)“ und „Tod für Israel“.
Dem plumpen Antisemitismus der Altnazis folgte also der neue Antizionismus der scheinbaren Friedensbewegung. Im Rahmen dieses Auftritts kam es auch schon gleich zu den ersten Übergriffen. Ziel waren vor allem die vermeintlichen Andersdenkenden. Es musste klar gemacht werden, das trotz des weniger gefährlichen Aussehens das Gewaltpotenzial keineswegs abgenommen hatte.
Endlich entfesselt tobten die zu dem Zeitpunkt gerade mal sieben „Autonomen Nationalisten“ los. Zahlreiche Sachbeschädigungen, Drohungen und hier und da mal ein Überfall zeichneten den politischen Werdegang der neuen ANM. Höhepunkte des Jahres 2006 waren die beiden Überfälle auf Jugendliche die mit Knochenbrüchen endeten.
Im Vorfeld einer Demonstration am 23. Dezember 2006, die auf das Naziproblem in Marl hinweisen sollte, griffen die Neonazis, die inzwischen gute Vernetzung zu neuen Gruppen in Haltern am See und Ahlen hatten das das HoT Hagenbusch an, besprühten es mit Parolen und schlugen Scheiben ein. Geschichten dieser Art lassen sich jetzt noch gut zwei Stunden lang so weiter führen, aber darauf kann man vielleicht in einem anderen Rahmen noch eingehen.
Wichtig ist aber die aktuelle Situation, und die letzten Ereignisse. Nicht einmal sechs Monate ist es her, als ca. 20 vermummte Neonazis wieder einmal das Jugendzentrum Hagenbusch überfielen. Es ist vielleicht noch erwähnenswert das die Distanz vom Hagenbusch zur Marler Polizeiwache keine 100 Meter beträgt. Bei diesem Überfall trieben die „Autonomen Nationalisten“ ihre Aktivitäten auf eine höhere Ebene. Ein 19-jähriger musste nach dem Angriff, der erschreckend gut organisiert war (Fluchtwege wurden abgeriegelt, Schlagwaffen waren dabei) mit schweren Stich- und Schnittverletzungen ins Krankenhaus, und wurde stationär behandelt. Bis heute kann er noch nicht richtig laufen.
Wer jetzt allerdings glaubt, dass der ANM mit einem „beinahe-Mord“ ein Dämpfer versetzt worden wäre irrt sich leider. Nicht einmal eine Woche ist es her, seit dem letzten Überfall. Silvester kann man auch auf die Nazi-Art feiern. Das dachten sich wohl die Gruppe angetrunkener Neonazis als sie einen Bus voller Menschen angriff. Gegen 2:30 Uhr, direkt nach abfeuern der Raketen warfen sie eine Flaschen auf den Bus, und forderten zwei Personen auf, raus zukommen. Ein weiterer Angreifer schlug mit einem Besenstiel auf eine 25-jährige Frau ein, und die anderen warfen noch einige Flaschen in die Menge. Die Frau musste dann später ambulant versorgt werden. Ebenso einer der Angreifer, der sich mit einer von ihm geworfenen Flasche verletzte. Die Personalien wurden von allen Angreifern aufgenommen, und auch die der anderen Gäste der „nationalen Silvesterparty“ wurden kontrolliert.
Zusammenfassend existiert in Marl eine 20-köpfige Gruppe gewaltbereiter Menschen zwischen 18 und 30 Jahren die die Errichtung eines Nationalen Sozialismus in Deutschland fordert, ebenso wie die Vernichtung des Schutzraumes der vom Antisemitismus verfolgten.
Wer sich für die Thematik interessiert, und auch zu Marl noch ein paar Informationen mehr haben möchte kann sich einfach bei mir per Mail melden.