Die Landräte im Ruhrgebiet leiden darunter, dass sich für ihre Kreise so recht niemand interessiert. Jochen Welt wollte das in seinem Kreis ändern. Aus dem Kreis Recklinghausen soll der „Vestische Kreis werden“. Aber niemand interessiert das…
Umfrage: RZ
Mit Namenänderungen ist das so eine Sache: Außer in den Pressemitteilungen des RVR benutzt zum Beispiel kaum jemand den Begriff der Metropole Ruhr. Und auch dass der Kreis Recklinghausen das „Vest“ heißen soll stößt bei den Bürgern nur auf wenig Gegenliebe.
Das geht zumindest aus einer Online-Umfrage der Recklingäuser Zeitung hervor. Sicher, mit Online-Umfragen ist das so eine Sache. Aber wenn fast 80 Prozent von über 2.000 Teilnehmern auf die Frage „Soll der „Kreis Recklinghausen“ in Kreis Vest Recklinghausen“ umbenannt werden mit „Nein“ antworten, ist doch alles ziemlich klar.
Dabei ist das Vest Recklinghausen ein uralter Begriff. Vest Recklinghausen hieß schon der mittelalterliche Gerichtsbezirk – nur hatte er mit dem heutigen Kreis kaum etwas zu tun: Gelsenkirchen, Oberhausen und Bottrop gehörten dazu, Castrop und Teile von Dorsten und Haltern nicht. Und dann kommt da noch der Geschichtsbruch hinzu. Mit der Entstehung des Ruhrgebiets sind durch zahlreiche Einwanderer die alten Strukturen zerstört worden und gerieten später in Vergessenheit. Das merkt man immer dann, wenn Städte versuchen, an alte Traditionen anzuknüpfen.
Das Problem ist, die Traditionen sind gar keine – eine Tradierung fand gar nicht statt. In meiner Heimatstadt Gladbeck wurde versucht, das alte westfälischen Appeltatenfest wieder zu beleben. Nur dass es in Gladbeck in den 90er Jahren längst nicht mehr besonders viele Apfelbäume gab, die Apfelrezepte längst aus dem Dr. Oetker Backbuch stammten und auch niemand eine Appeltatenkönigin vermisst hatte – zumal dazu immer eine besonders gute Bäckerin gewählt wurde. Bitte einmal nachdenken: Zur Weinkönigin wählen sie auch nicht die Frau mit den stämmigsten Waden, nur weil man damit besonders gut Trauben stampfen kann. Heute besteht das Appeltatenfest vor allem aus Bier- und Pommesbuden und dem üblichen Stadtfestklamauk. Tradition? Vergiss es. Ausser in einem Randbereich: Regelmäßig ist nach dem Fest in der Lokalpresse zu lesen, dass zu viele Besoffene unterwegs waren. Da klappt auf einmal die Tradition: Aus genau diesem Grund wurde es an der Wende vo19. Zum 20. Jahrhundert auch verboten.
Und so ist es auch mit dem Vest – es hat für die meisten Menschen im Kreis Recklinghausen keine Bedeutung. Das hat es mit dem ganzen Kreis an sich. Der ist eigentlich überflüssig. Seine Aufgaben könnte man locker auf eine zentrale Ruhrgebietsinstanz übertragen. Bei vier Kreisen könnte man auf diesem Weg eine Menge Geld sparen.