Kein Kohlegejammer

2018 ist Schicht im Schacht – dann schließt  die letzte Zeche im Ruhrgebiet. Heute stellten die Städte ihre Forderungen gegenüber der Landesregierung auf. Sie setzen auf Bildung und nicht mehr auf Bergbau.

Klaus Wehling, Hanns-Ludwig Brauser und Thomas Kubendorff

"Die letzte Lore heißt Hanne" überschrieb die CDU-Fraktion vor ein paar Jahren eine Pressemitteilung zum Thema Bergbau und tatsächlich: Wenn es um die anstehenden Zechenschließungen geht,  wird  nur pflichtgemäß  einen Perspektive für den Bergbau gefordert. Nur noch ein paar SPD-Wahlkampfstrategen und die IGBCE scheinen auf das Thema Steinkohle zu setzen. Schlapp klingen die Beschwörungen über die Fortführungen eines nicht mehr subventionierten Bergbaus, gegen den ohnehin niemand etwas hätte. Auf der Pressekonferenz, auf der die Städte und Kreise und Ruhrgebiets und der Kreis Steinfurt unter Federführung der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr heute ihre Forderungen gegenüber dem Land bekannt gaben, die sie in einem Brief an Ministerpräsident Rüttgers formuliert haben, wurde klar: Auch in den Köpfen hat endlich die Zeit nach der Kohleära begonnen.
 
Das  Ende des Bergbaus wird noch einmal viele Arbeitsplätze kosten – 47.000 alleine. Dabei werden Bergleute und Jobs bei Zulieferern etc. zusammengezählt. Die wenigsten von ihnen, nur gut 20.000 sind Kumpel oder in der Zechenveraltung beschäftigt. Wegfallen werden auch landesweit 2.000 Ausbildungsplätze. Was wollen die Städte tun um den Job-Crash aufzufangen? Vor allem Kooperieren. Vor allem bei der Vermarktung der Gewerbeflächen wollen sie zusammenarbeiten. Und sie fordern Geld: Für die Aufbereitung von Flächen und vor allem für Bildung: Die Ganztagbetreuung soll in allen Schulformen ausgebaut werden, die Berufskollegs des Bergbaus sollen erhalten und inhaltlich neu ausgerichtet werden und auch weitere FHs sowie Internationale Schulen sollen im Revier angesiedelt werden. Zu diesen Forderungen kommt noch Projekte aus dem Konzept Ruhr, die  vor allem aus den Bereiche Städtebau und Flächenaufbereitung kommen. 

Was mir fehlt sind große Infrastrukturprojekte im Bereich Straßen- und Autobahnbau und Nahverkehr sowie die der Wunsch nach Forschungseinrichtungen wie  Fraunhoferinstituten etc. Auch hätte man fordern können, endlich sowohl vom Bund und vom Land nicht mehr vergessen zu werden, wenn es um die Ansiedlung großer Institutionen geht: Warum ist ausgerechnet das Landesarbeitsamt in Münster? Solche Beispiele gibt es viele und wenn die Bettelei um Kohlesubventionen endlich ein Ende hat können wir auch unseren Teil des Kuchens fordern.

 

Ein Besuch bei den Metallern. Streik they can

Überall in NRW laufen die Warnstreiks  im Metall-Gewerbe. Ich war unterwegs, um zu sehen, wie die Lage ist.

Foto: Lynnchen bei Flickr

Die Tour geht in Wuppertal los. Hier scheint die Sonne dem Redner ins Gesicht. Oliver Burkhard ist da. Er steht auf der Ladefläche eines LKW. Um die Schulter trägt er einen roten Schal. 36 Jahre alt ist Burkhard jetzt und Chef der IG-Metall in NRW. „Cash we can“, ruft er in die Menge vor ihm und „Strike we can.“ Hunderte Arbeiter reißen ihre Hände nach oben. Sie tragen rote Handschuhe. Auf denen steht ihre Forderung: „8 Prozent“.

Die IG Metall macht in diesem Jahr ernst. Sie stellt eine der höchsten Lohnforderungen der letzten Jahre. Trotz drohender Rezession und Finanzkrise will die Gewerkschaft mehr Geld in die Taschen der Arbeiter spülen. Bislang bieten die Arbeitgeber bescheidene 2,1 Prozent. Zu wenig, findet Burkhard. Zu wenig, finden auch die über tausend Arbeiter, die in Wuppertal vor einem Werk der Schaeffler-Gruppe demonstrieren. Burkhard greift wieder an. Sollte bis Dienstag kein „vernünftiges“ Angebot der Arbeitgeber vorliegen, „sind der Worte genug gewechselt.“ Burkhard hat seine Rolle gefunden. Er ist der Aufputscher, der Heizmacher. Der Kämpfer. Und damit ist er ein Aufsteiger in der IG-Metall. Er leitet eine der wichtigsten von insgesamt sieben Bezirksstellen. Aus Nordrhein-Westfalen kommt gut ein Viertel aller IG-Metall-Mitglieder. Und er wird den Streikt leiten, wenn es so weit kommt. Wie ich erfahren habe, werden in Wuppertal derzeit Urabstimmungen für den 13. November vorbereitet. und in NRW soll der Schwerpunkt der Kämpfe liegen.

Die Arbeitgeber lassen sich von dem Aufmarsch der Gewerkschaft nicht beeindrucken. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sagte vor wenigen Tagen: „Wir werden alles tun, um einen großen Arbeitskampf zu verhindern. Aber wenn er uns aufgezwungen würde, würden wir uns dem nicht entziehen.“

In Wuppertal steht Andreas P.  ein wenig Abseits der großen Reden neben einem geparkten Laster. Andreas P. arbeitet für den amerikanischen Autozulieferer Johnson Controls in dessen Wuppertaler Niederlassung. Der 35-Jährige baut die Innenausstattung für Opel beispielsweise. Seit ein paar Wochen wird es eng, sagt Andreas P.. Deswegen will er auch nicht seinen Namen in der Zeitung lesen. Wer weiß schon warum einer gekündigt wird. „Bei uns ist die Produktion um 40 bis 50 Prozent runter“, sagt Andreas P.. Die Leiharbeiter seien von einem auf den anderen Tag rausgeschmissen worden. 70 Mann. Mit Familien. „Jetzt machen sich vor allem die Älteren Sorgen. Früher hatten wir 20 LKW am Tag auf dem Hof. Heute sind es zwei oder drei –in der Woche.“ So eine Art Kurzarbeit gebe es auch schon. Ein paar Tage die Woche steht alles still. „Jetzt erzählen sich alle, aus Amerika soll Geld geschickt werden für einen Sozialplan.“ Den Tarifstreit der Gewerkschaft kann Andreas P. nicht so richtig nachvollziehen. „Bei uns kommt sowieso nicht viel an. Nach der Abrechnung bleibt nicht mal genug, um einmal ordentlich essen zu gehen mit der Frau.“

Aber geht es nicht darum, die Kaufkraft zu stärken? Andreas P. zuckt mit den Schultern. „Das ist ja das schwierige bei den Verhandlungen. Wir brauchen Geld in der Tasche, wir sollen die Binnenwirtschaft ankurbeln. Aber die Firmen müssen auch leben. Am Ende geht es denen so schlecht, dass die aufgeben müssen.“ Und der Streik? Andreas P. denkt nicht lange nach. Klar würde er mitmachen. Wie seine Kollegen auch. „Unter den jüngeren Kollegen ist die Angst nicht groß. Irgendwie muss es ja weitergehen.“

In Wuppertal steht jetzt der Kurt von der örtlichen Gewerkschaft am Mikrofon und brüllt heiser: „Um Conti zu kaufen, war das Geld bei Schaeffler da, aber um uns mehr Lohn zu geben, ist kein Geld da? Das kann doch nicht sein.“ Die Sonne scheint immer noch in das Gesicht der Gewerkschafter. Aber wenn man sich umdreht, sieht man ein duzend Platanen am Rand der Kundgebung. Die Blätter sind schon gelb. Und sie fallen einfach runter.

Auch in Oberhausen wird heute protestiert. Hier stand früher die Gute Hoffnungs Hütte, eines der wichtigsten Stahlwerke Deutschlands. Davon ist nach vielen Jahren Strukturwandel im Ruhrgebiet nicht viel geblieben. Der größte Teil der Fabrik wurde abgerissen. Hier ist jetzt ein Einkaufszentrum.

Nur ganz am Ende, in einer Ecke des alten Fabrikgeländes drängen sich noch ein paar Hallen, in denen Metall im Industriemaßstab verarbeitet wird. 1500 Mann schaffen hier. Dies sind die Turbinenbauer von MAN Turbo und MAN Rand. Die Arbeiter stehen gerade vor den Toren ihrer Fabrik. Sie sind im Warnstreik für mehr Lohn. Ein Gewerkschafter fordert die Männer auf, zu streiken, wenn es die Unternehmen nicht genug Geld geben sollten. Und die Männer klatschen Beifall. „Natürlich würden wir streiken“, sagt Dennis Krischik, 28. „Wenn die bei zwei Prozent bleiben, jederzeit.“ Die Kollegen rund um Krischik nicken und klatschen.

Ein paar Meter weiter steht Peter Wirtz. Der 38 Jährige hat graue Haare an den Schläfen. Er ist groß und schlank. „3,5 Prozent werden wir schaffen, denke ich. Schade. Vor ein paar Wochen hätten wir auch noch die 4 geschafft. Aber dann kam die Krise.“ Wirtz hat keine Angst davor, dass seine Firma wegen der Lohnforderungen untergehen könnte. Warum auch? Die Auftragsbücher sind noch voll. „Wir haben Arbeit genug. Selbst wenn nichts Neues mehr reinkommt, haben wir über ein Jahr zu tun.“ Auch hier scheint noch die Sonne. Ein Gewerkschafter läuft durch die Reihen der Warnstreikenden und verteilt Schokolade der Marke Fedora. „Mehr Zaster für Laster“ – das steht auf der Packung. „Vielleicht haben die Autobauer Probleme, aber wir doch nicht“, sagt Wirtz. Weniger Arbeit heiße hier nur wieder Rückkehr zum Normalzustand. Weniger Überstunden und mal ein freies Wochenende. Nichts, vor dem man Bange sein müsste.

Später am Abend in einer Küche in Klosterhardt, Oberhausen. Hier in der Gegend wohnen die Arbeiter der Metallfabrik MAN. Ein paar Meter die Straße runter ist ein Bäcker. Thomas Laudert sitzt an einen Holztisch. Der Blick läuft frei über einen Garten. Er trinkt ein Glas Wasser. Thomas Laudert ist Vorarbeiter bei MAN Turbo. Er denkt gerade drüber nach, was ihm drei oder vier oder sechs Prozent mehr Lohn eigentlich bringen. „Da hab ich nichts von“, sagt Laudert. „In dem Moment, in dem wir den Abschluss haben, kosten die Brötchen direkt fünf Cent mehr. Das hängt zusammen. Kriegen wir mehr, wollen hier alle mehr. Das Geld wird einfach weniger wert.“ Laudert ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall. Früher war er Vertrauensmann im Betrieb. Er sagt: „Dieses Jahr müssen wir einfach den Arsch hinhalten. Sonst hat immer der Süden gestreikt, jetzt sind wir dran. Das ist es.“

Go East!

Während die WAZ im Ruhrgebiet 30 Millionen einsparen will, setzt die WAZ-Mediengruppe in Osteuropa auf Expansion.

Wie new-business.de meldet, will die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD   40 Millionen Euro in die Wiener WAZ-Tochterfirma ‚Ost Holding‘ investieren und so den Ausbau ausländischer WAZ-Aktivitäten im Verlags- und Druckgeschäft sowie den elektronischen Medien wie TV und Internet in Osteuropa unterstützen. Die WAZ-Mediengruppe gehört zu den führenden Medienhäusern auf dem osteuropäischen Markt.

Verschwendete Millionen in Bottrop

In dieser Geschichte geht es um ein Parkhaus in Bottrop und um die Frage, wie wirkungsvoll die Kontrolle der Steuergelder in Nordrhein-Westfalen eigentlich ist.

Bild: Parkhaus-Zeichung mit Bullshit-Stempel. Quelle des Bildes hier:

Das Parkhaus steht am Bottroper Hauptbahnhof. Es hat 396 Plätze. Neun Stockwerke in Beton und Gitterstahl. Das Land NRW förderte die Anlage mit 3,8 Mio Euro. Das Parkhaus wurde für Pendler gebaut, die mit dem Auto zum Bahnhof fahren wollen, um weiter mit dem Zug zur Arbeit zu reisen.

Wirtschaftlich ist das Parkhaus ein Desaster. Nach meinen Informationen liegt die Auslastung nach der letzten offiziellen Erhebung der Stadt Bottrop bei 30,5 Prozent. Es werden nach Angaben der Stadt im Jahr rund 20.000 Euro erlöst. Die Kosten liegen bei 90.000 Euro. Ich habe mir die Akten des Parkhauses durchgesehen. Detailliert.

Normalerweise müssten diese Daten für die klamme Stadt ernste Folgen haben. Den nach dem Zuwendungsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 15. Juni 2005, sollte die Stadt bis 2008 eine Auslastung von 80 Prozent nachweisen. Da dieser Wert nicht erreicht wird, müsste die Stadt laut Bescheid eigentlich rund 2,4 Mio Fördermittel an das Land zurückzahlen. Doch trotz der klaren Regel ist diese Zahlung in diesem Jahr nicht fällig geworden. Die Stadt konnte die zu unrecht bezahlten Millionen behalten.

Um zu verstehen, warum das so ist, muss man einen Blick auf die Kommunalaufsicht in NRW werfen. Ursprünglich war die Bezirksregierung Münster für die Überwachung der Fördermittel verantwortlich. Eben jene Behörde, von der die Auslastungsauflage stammt. Doch im Zuge der Veraltungsreform in NRW unter Jürgen Rüttgers bekam der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Aufsicht über die Nahverkehrsprojekte im Ruhrgebiet.

Und genau dieser VRR war mitverantwortlich für die drastische Fehlplanung in Bottrop. Einer der Schuldigen soll sich also selbst kontrollieren.

In den Planungsunterlagen zum wahrscheinlich überflüssigsten Parkgelände in NRW findet sich vor dem Bau kein einziges unabhängiges Gutachten, das Auskunft über den zu erwartenden Bedarf gibt. Stattdessen gibt es eine Eigenberechnung der Stadt Bottrop, in dem sich die Gemeinde selbst bescheinigt, dass sie am Bahnhof einen Bedarf für 363 Stellplätze sieht. Dazu schreibt der Verkehrsverbund Rhein Ruhr an die Stadt in einem Brief, dass er einen Bedarf von rund 400 Parkplätzen für mögich hält. Es werden Untersuchungen erwähnt. Doch diese sind nirgendwo in den Akten zu finden. Nur Hinweise darauf, dass der VRR auch gerne ein paar Fahrradboxen am Bahnhof gerne sehen würde. Die Stadt stimmt zu. Dabei unterhält ein gemeinnütziger Verein zur Arbeitsbeschaffung nur 40 Schritte weiter eine Fahrradwache.

Schon kurz nach der Eröffnung des Parkhauses wurde klar, dass die Anlage überdimensioniert ist. Nur einmal für kurze Zeit wurde eine Auslastung von 42 Prozent erreicht. Im Jahr 2007. Ein in diesem April nachträglich erstelltes Gutachten der Firma EcoValue kommt zu dem Schluss, dass es für eine größere Auslastung im Parkhaus Bottrop „kaum noch Potenzial“ gebe. Selbst wenn man die kostenlosen Parkplätze im Umfeld des leeren Parkhauses dichtmache, würde das die Auslastung nicht steigern, schreiben die Gutachter. Stattdessen würden die Autofahrer einfach den Bahnhof meiden und damit auch den VRR. Nach Meinung der Gutachter sei das Parkhaus nur zu füllen, wenn das Parken dort kostenlos sei. Doch das geht nicht, weil die Stadt Bottrop dann nach eigenen Angaben Ärger mit dem Finanzamt bekommen würde.

Statt die Fehlplanung einzugestehen, macht der Bottroper erste Beigeordnete Bernd Tischler für die mangelhafte Belegung in einem Schreiben an den VRR vor allem äußere Gründe verantwortlich. So gebe es zu viele kostenlose Parkplätze in der Umgebung. Die Betreuung durch die Angestellten sei zu schlecht, und es habe Streiks bei der Bahn gegeben. Sprich: Alle anderen waren schuld, nur nicht die Stadtverwaltung.

Der VRR geht auf die Beschwerden von Tischler ein. Am 4. September unterschreiben VRR-Chef Martin Husmann und Bottrops erster Beigeordneter Tischler eine windelweiche Vereinbarung. Demnach wird die letzte Rate der Fördergelder in Höhe von 220.000 Euro nicht an die Stadt Bottrop ausgeschüttet. Im Gegenzug verzichtet der VRR als Aufsichtsbehörde auf eine Rückzahlung der 2,4 Mio Euro. Gleichzeitig soll bis Mitte 2010 nicht mehr die Auslastung des Parkhauses kontrolliert werden. Und die Stadt hat bis maximal 2012 Zeit eine Auslastung von 80 Prozent nachzuweisen.

Bis dahin, so darf man annehmen, fragt keiner mehr nach, was aus 3,8 Mio Euro Steuern geworden ist, die in einem fast leeren Parkhaus in Bottrop verbrannt wurden.

Und noch etwas wird in Vergessenheit geraten. Die Stadt Bottrop machte im Jahr 2004 und 2005 Druck auf die Förderbehörden, um das Parkhaus schnell bauen zu können. Das überflüssige Ding sollte zeitgleich mit einem benachbarten Einkaufszentrum fertig werden. So steht es in den Akten. Aus einem Plan, der in den Akten zu finden war, geht hervor, dass die Stadt auch die Einfahrt zu dem Einkaufszentrum aus Fördermitteln bezahlt hat. Das hat ungefähr 100.000 Euro gekostet. Man könnte das als Wirtschaftsförderung eines reichen, in Bottrop sehr bekannten Mannes auslegen, oder? Der hat für seinen Bau nebenbei nochmal ein paar Scheine eingespart. DANKE BOTTROP hat er nicht an seine Hallen gesprüht.

Werbung

Bochum: Gräfingholt gegen Scholz

Nun hat auch die CDU-Bochum einen OB-Kandidaten: Ihr Fraktionsvorsitzender Lothar Gräfingholt versucht es noch einmal gegen Amtsinhaberin Ottilie Scholz

Lothar Gräfingholt. Foto: CDU-Bochum

2004 war Gräfingholt schon einmal gegen die heutige Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz angetreten. Scholz, damals noch eher unbekannt, schlug Gräfingholt in der Stichwahl mit 60,8 zu  39,2 Prozent. Heute sieht die Situation für Gräfingholt weniger günstig aus: Scholz ist in Bochum bis weit hinein in Unionskreise beliebt und eine ausgesprochen populäre Oberbürgermeisterin. Selbst innerhalb der Union ist der Glaube an einen Sieg von Gräfingholt deshalb nicht besonders hoch. Im Gegenteil: Es gibt die Sorge, dass sich aus dem CDU-Umfeld sogar eine Pro-Scholz Initiative gründen könnte. Allerdings sollte sich die SPD auch nicht zu sicher sein: Wolfgang Reiniger und Oliver Wittke galten auch als schwache Kandidaten – bis sie in Essen und Gelsenkirchen die Wahlen gewannen.

Die SPD auf dem Korsarenschiff

Barack Obamas Triumpf bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ist seit langem wieder ein wunderbarer Sieg für die Demokratie. Deren Niedergang wurde ja schon besungen, die Präsidentschaft von George Bush auf der einen Seite und die vor angeblicher Wirtschaftskraft kaum laufenden Zwangsregime in Russland und China dienten als Kronzeugen  für das Ende der demokratischen Ordnung. Obamas Sieg hat das widerlegt. Spannend ist, dass gerade die SPD in Deutschland sich von Obamas Sieg beflügelt fühlt. Zu unrecht. Die deutschen Sozialdemokraten sind leider auf der anderen Seite. Exkanzler Gerhard Schröder und dessen spröder Lakai Frank Walter Steinmeier schangheiten die SPD auf das russische Korsarenschiff, auf dem der ehemalige KGB Offizier Waldimir Putin am Ruder steht.

Zwei Bilder zeigten innerhalb von wenigen Stunden den Unterschied zwischen Euphorie der Demokratie und der Düsternis eines Zwangstaates.

In Chicago feierten Hundertausend fröhliche Menschen den Sieg des neugewählten Präsidenten Barack Obamas, der entspannt und cool zu den Menschen sprach. Die ganze Welt war bezaubert.

In Moskau tausend Kilometer weiter östlich und wenige Stunden später redete dann der russische Präsident Dimitri Medwedjew. Die von einem zu engen Anzug zusammengezwängte Erscheinung wirkte hölzern. Es war zu spüren, dass dieser Mann nicht gewählt wurde und nicht frei ist. Wie eine Marionette baumelt Medwedjew an den Fäden des ehemaligen KGB Offiziers Putin. Und Medwedjew sprach nicht wie Obama in Chicago vor freien Bürgern, sondern vor der föderativen Versammlung der russischen Föderation, einer Ansammlung von Hofschranzen, die Teil des Potemkinschen Dorfes mit Namen lupenreiner russischen Demokratie ist.

Alles war da falsch. Der Präsident, sein Publikum und die Botschaft, Raketen mit dem Namen ISKANDER in Kaliningrad aufzustellen. Iskander ist der orientalische Name für Alexander aus Makedonien, und der war ja bekanntlich gerade der Eroberer aus dem Westen.

Für eine enge Beziehung zu dieser russischen Zwangsgesellschaft trommeln schon viel zu lang Schröder und der SPD Kanzlerkandidat Steinmeier. Bei dem Präsidenten George Bush mag man für diese einseitige Russlandorientierung vielleicht noch Argumente finden, gleichwohl sind auch diese falsch. Bush ist eine Katastrophe, aber die Bürger in der USA haben über die Folter und den Irakkrieg laut gestritten, die schärfsten Kritiker von Bushs Regierungsweise wurden in den USA gehört. Durch den Sieg Obamas wurde die Bushzeit ja auch abgewählt. Das ist ja gerade der Zauber der Demokratie.

In Russland unter Putin dagegen wurde die beste Journalistin Anna Politkowskaja erschossen. Im deutschen Fernsehen beleidigte Putin die Ermordete noch, während dessen Häscher in Tschetschenien weiterhin morden.

Bei Obama geht diese Bushausrede für die Russlandverliebtheit der SPD jedoch gar nicht mehr. Die SPD muss sich von Schröders und Steinmeier Putinverehrung lösen. Man wird mit Russland auch unter Putins Schattenherrschaft zusammenarbeiten müssen. Und das hat Obama ja auch vor. Aber die SPD sollte endlich den politischen Skandal begreifen, wenn Schröder in der russischen Botschaft in Berlin Kalinka tanzt, während russische Panzer durch Georgien fahren.

US-Wahl: Die Erlösung

Die Wahl in Amerika ist noch ganz frisch, die Ergebnisse im letzten Bundesstaat Missouri sind noch nicht ausgezählt, da konkretisiert sich immer mehr, was die Welt von Barack Obama will: Die Wirtschaft und den Mittelstand, die Banken und die Hausbesitzer soll er retten, Kriege verhindern oder abschaffen, sogar die Weltwirtschaft umkrempeln. Wer ist hier gefordert ein Staatsmann oder ein  Messias?

Es ist einige Jahre her, als der Sozialpsychologe Erich Fromm in einem Zeitschriften-Interview von der Morbidität der westlichen Welt sprach – und davon, dass irgendwann eine Person mit messianischen Zügen auftreten könnte, die der Welt eine neue Perspektive geben würde. Einer, der der Morbidtät etwas Positives entgegensetzt. Dass so jemand aus der Politik und nicht aus der Religion kommen könnte, war damals kaum vorstellbar.

Barack Obama sitzt zwar zwischen allen Stühlen aber ebenso ist er ein Politiker, der die ganze Welt zu repräsentieren scheint: Jeder fühlt sich von ihm angesprochen, ob schwarz oder weiß, amerikanisch, hispanisch, asiatisch oder afrikanisch. Als möglicher Mittler zwischen den Interessen und Kulturen. Er hat das Aussehen, die Stimme, vermittelt die Zuversicht, die auch Europa gefällt. Er hat das junge Alter, er bringt Hoffnung. Wie ein Übermensch erscheint der Weltpräsident, bedient sich dabei der geballten Medienmacht und nutzt das Internet als Instrument der Massenbegeisterung. Ist er noch Politiker oder schon der Erlöser aus dem Übel, der Messias, von dem Fromm sprach?

Wo steht die Welt, wenn sie einen Präsidenten braucht, der weniger als (Real-)Politiker und mehr als Heilsbringer erscheint?

 

Werbung

Soccerdad im weißen Haus

Fotos:flickr.com

Sind Demokraten die besseren Fußballer? Doofe Frage. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Fußball ist der demokratische Sport. Fußball ist billig, man braucht wenig mehr als einen Ball und ein bisschen Gelände, jeder kann mitspielen. Die Gruppe muss komplexe Aufgaben lösen, Rückschläge und Erfolge verkraften. Man muss sich an Spielregeln halten und ist gleichzeitig auf der Suche nach dem Spektakel des Spiels. Das "the beautiful game" so beautiful ist, hat ungefähr der gesamte Globus begriffen, bis auf die USA. Vermutlich wird sich auch das unter Barack Obama verändern.

Barack Obama spielt zwar Basketball. Aber anders als der kadettenhafte Football, das verschnarchte Baseball oder das derbe Icehockey ist Basketball die einzige Sportart, die in den Staaten mit Fußball zu vergleichen ist. In den Städten gibt es überall öffentliche Plätze, als Freizeitsport kann das jeder spielen. Wie Fußball ist es kein Sport der Reichen, sondern der Armen, Migranten. Einziger Unterschied, zwei Meter und mehr hilft ungemein.

Obama spielt nicht Fußball. Aber seine Tochter kickt, Mutter Michelle ist Soccer-Mom, auch Obama guckt mal zu – auf mitgebrachten Klappstühlen. Im sommerlichen Grant Park – was hier vor ein paar Tagen geschah, wissen wir. Und mit den Obamas, den Demokraten zieht – wie einst bei Chelsea, Bill und Hillary – auch Fußball wieder ins Weiße Haus. Nur ein weiterer Schritt einer Fußballerisierung der amerikanischen Stadt-Gesellschaft. Besonders die Briten haben daran natürlich ihren Spaß: Sportkolumnist Steven Wells u.a. vom Guardian beobachtet schon länger, wie sich Soccer in den USA breit macht. Jetzt hat er seine Beobachtungen in einer interessanten Betrachtung zusammengefasst.

"Soccer: the Barack Obama of sports" – Fußball, das Obama des Sports.  Besonders schön an dem klugen Beitrag. Wells zieht eine Verbindung zu den angesagten TV-Serien der USA "Mad Men" und "Life on Mars", die in den Sixties und Seventies spielen, beide versuchen sich an einer Rekonstruktion der amerikanische Vergangenheit. Bei Mad Men ist das etwa die hedonistische, aufgekratzte, obereitle Vergangenheit einer Kette rauchenden Werbebranche. Was dem Mann vom Guardian auffällt? Natürlich gibt es keinen Fußball in diesen Bildern, aber es gibt überhaupt wenig Sport. Mit Style, mit Sex, Sprüchen wurde damals geworben, aber niemals nicht mit Sport. Heute wäre so etwas undenkbar: Sport ist Bindemittel. Und Fußball ist das rollende, kommende dicke Ding in den USA. Die Soccer-Moms und Soccer-Girls und Soccer-Dads, nicht die Hockey-Moms, haben die Wahl gewonnen.

Auch der einstige Bush-Herausforderer John Kerry hatte vor vier Jahren darauf gesetzt. Hielt engste Kontakte zu den erfolgreichen US-Nationalspielerinnen, es gibt ungelenke Kopfballbilder von ihm. Das Konzept kam zu früh, galt als zu unamerikanisch in xenophober Terrorangst. Bei den Clintons passte die Frauenfußballliebe – nein, die Tochter heißt trotzdem nicht nach einem Fußballclub! – zu den avantgardistischen Marotten einer lebenslustigen Kleinfamilie. Die Obamas nun repräsentieren nicht nur sportlich das städtische Amerika: Basketball, Fußball und etwas Ballett. Und die dazugehörigen Mütter.

 

  

Israelhetze pünktlich zum 9. November

Über Viktoria Waltz, Raumplanerin an der Uni Dortmund, habe ich ja schon einmal geschrieben. Pünktlich zur Pogromnacht hat Waltz ihre Webseite aktualisiert.

Heute vor 70 Jahren begann in Deutschland eine neue Phase der Judenverfolgung. Herschel Grynszpan, von den Nazis vertrieben und verzweifelt in Paris gestrandet, erschoss den Nazi-Diplomaten Eduard von Rath. Für die Nazis der langersehnte Anlass, Syngogen zu schänden, Juden zu ermorden und Geschäfte zu plündern. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Ausschreitungen am 9. November – dem Tag der Reichspogromnacht. Sie war der Auftakt zum Holocaust. Für Viktoria Waltz ein willkommener Anlass, sich Gedanken zu dem Satz "Nieder wieder Faschismus -Nie wieder Krieg" zu machen. Und wenn sich Waltz Gedanken zum Faschismus macht, ist sie natürlich schnell beim Thema Israel: "Wer aber ernsthaft meint: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" – der kann unmöglich für gut heißen, was der heutige jüdische Staat Israel im Nahen Osten repräsentiert."

Und dann zählt sie auf:
"Führung von sog. Präventiv Kriegen (Übergriffe auf die 67er palästinensischen Gebiete, Ägypten, Syrien, Libanon)" – Gerade so als ob die arabischen Staaten niemals Israel angegriffen hätten. Noch heute wird Israel beinahe täglich mit Raketen beschossen.

"Einführung von Sippenhaftung (Ganz Gaza wird als Geisel genommen)" – Vielleicht würde es Gaza besser gehen, wenn es sich nicht auf die Seite des Hamas-Terrors gestellt hätte? Auch etwas weinger Korruption soll sich ja lohnen.

-"Verleitung zum Hass auf Palästinenser,  bestenfalls Ignoranz gegenüber ihnen in den Schulen und – – Anonymisierung der Palästinenser als ‚Nicht Juden‘, Araber."- Sorry, Palästinenser sind Araber. Vor der islamisierung der Politik war der Panarabismus die politische Ströumung in der Region. Wikipedia: " Der Begriff „Palästinenser“, unter dem man heute die Mitglieder einer selbständigen politischen Einheit versteht, existiert in dieser Bedeutung erst seit Anfang der 1970er Jahre."

Natürlich haben in dem Text auch ncoh die USA ihr Fett wegbekommen – alles andere wäre ja auch verwunderlich. Islamkritik wird als Rassismus dargestellt – nur dumm, das der Islam keine "Rasse" ist, sondern eine Religion, der Menschen auf allen Kontinenten anhängen. Natürlich wird die Kritik an Ehrenmorden und Zwangsheiraten als übertrieben und polemisch dargestellt. Und natürlich spricht sich Waltz auch gegen den Antisemitismus aus – man will ja seinen Job im öffentlichen Dienst nicht gefährden. Ist der Text von Waltz grenzwertig, zumal zu dem Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Bezuges, in den er sich stellt? Nein, er ist nicht grenzwertig, er ist weit jenseits jeder akzeptablen Grenze.