Gericht stützt Zwergfraktionen in den Räten

Das Landesverfassungsgericht hat einer Klage der Ökologisch Demokratischen Partei  (ÖDP) statt gegeben. Nun wird es in den  Räten weiter Mini-Fraktionen und Einzelkämpfer geben.

Die ÖDP hatte dagegen geklagt, dass eine Partei, wenn sie bei der Wahl nur 0,99 Prozent der nötigen Stimmen für einen Ratssitz keinen bekommt, aber bei 1,51 Prozent der für einen zweiten Sitz nötigen Stimmen zwei. Das Landesverfassungsgericht hat der Klage der ÖDP heute Recht gegeben – das Land muss diese im letzten Jahr gemacht Änderung des  Wahlrechts wieder zurücknehmen.

Damit wird eine Entwicklung weiter gehen, die mit dem Ende der Fünf-Prozent-Hürde 1999  begann.  Gegen die Fünf-Prozent-Hürde in den Räten bei den Kommunalwahlen hatten damals die ÖDP und die PDS erfolgreich geklagt. In den Räten finden sich seitdem eine Vielzahl von Einzelkämpfen und Mini-Fraktionen mit nur zwei Mitgliedern. In den Räten von  Bochum, Recklinghausen und  Marl sind sieben Fraktionen und Grüppchen im Rat und in vielen Städten sieht es nicht viel anders aus. Auch die NPD verdankt ihren Sitz in der Bezirksvertretung Wattenscheid dem Wegfall der 5-Prozent-Hürde.

 Was auf den ersten Blick gut klingt – die genauere Abbildung des Bürgerwillens in den Parlamenten – ist im politischen Alltag ein Problem: Die Minis sind kaum in der Lage sich durch die gesamten Vorlagen durchzuarbeiten, oft sind sie nicht in den Ausschüssen vertreten, die ja deutlich kleiner sind. Dort findet allerdings die politische Diskussion statt.

Und noch etwas kommt hinzu: In den Räten wird es immer schwieriger, stabile Mehrheiten zu organisieren.  Die Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten klingt nur am grünen Tisch gut. In der Praxis bedeutet sie häufig, dass es Mehreiten für Ausgaben und schöne Projekte gibt, aber niemand für Kürzungen und Streichungen verantwortlich sein will. Ich habe über viele Jahre zersplitterte Räte erlebt und kann Gelsenkirchens OB Frank Baranowski gut verstehen, der neue Sperrklausen fordert. Durch das Urteil des Verfassungsgerichtes sind sie erst einmal in weite Ferne gerückt.

RWE-Mitarbeiter kriegen mehr Geld

Beim RWE ist ein neuer Tarifabschluss zum Greifen nah. Mitten in der Finanzkrise einigte sich bereits am Freitag der RWE-Konzern mit seinen Arbeitnehmern auf eine Lohnerhöhung von vier Prozent ab 1. Januar. Dazu kommt eine Einmalzahlung in Höhe von 1200 Euro an alle 24.000 Mitarbeiter, die unter den Haustarif fallen. Für das darauf folgende Jahr einigten sich die Tarifparteien bereits jetzt auf eine Lohnanpassung in Höhe von 2,2 Prozent. Dazu kommt eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 800 Euro. Der Vertrag soll eine Laufzeit von zwei Jahren haben.

Schon Morgen soll die große Tarifkommission dem Verhandlungsergebnis zustimmen. Die Gewerkschaft Verdi wollte das Ergebnis zunächst nicht kommentieren. Auch der Konzern wollte noch nichts sagen.Die Energieversorger EnBW und E.on führen erst wieder Ende 2009 Tarifverhandlungen. Beim Konzern Vattenfall lehnten die Gewerkschaften IG BCE und Verdi ein erstes Angebot als zu gering ab.

Plogbar im Konkret

Heute ist wieder alles ganz normal bei der Plogbar

Das größte regelmässige Bloggertreffen des Ruhrgebiets findet um 19.00 Uhr im Café Konkret im Bochumer Bermudadreieck statt. Die letzten beide Male fand die Plogbar im Café Zentral statt – Raucher wurden dort bei Frost vor die Tür getrieben – oder nach einem Besuch des Weihnachtsmarktes. Ebenfalls eine kalte Angelegenheit.  

Ein Blick in den Abgrund des Ruhrgebietes

Ein Nazi hat in Passau einen Polizisten abgestochen. Eine neue Dimension der rechten Gewalt? Fern ab in Bayern? Ich musste an einen Fall in Bochum denken, in dem Männer aus dem rechten Milieu abscheuchliches taten. Mitten im Ruhrgebiet. Ich habe das Verbrechen aus dem Jahr 2002 rekonstruiert.

Wir sehen auf einem Foto ein kahles Zimmer in einem unscheinbaren Bochumer Neubau. Ruhrgebiet. Stil: späte 80er Jahre. Einige Poster hängen an der Wand. Mit Sorgfalt schief aufgehängt. Vor einer unbezogenen Matratze liegen auf einem grauen PVC-Boden zwei Ikea-Flickenteppiche, Modell "Jeksen", Stückpreis: 2,95 Euro. Ein aufgeräumtes Zimmer, nur in der Küche lehnt eine blaue Mülltüte mit zwei Dutzend leeren Bierdosen an der Heizung.

Auf dem Boden ist noch ein dunkler Fleck zu sehen, in der linken hinteren Ecke, zwei Handbreit über dem Teppich "Jeksen". Auf der blanken Matratze, eine Armlänge unter dem Kopfkissen, befinden sich weitere dunkelrote Flecken.

Auf dem zweiten Tatortfoto der Bochumer Kriminalpolizei liegt die Matratze am unteren linken Bildrand. Man sieht jetzt, dass es eine Doppelmatratze ist, über die zwei Decken geworfen sind. Durch die gläserne Balkontür erkennt man das Nachbarhaus, einen schmucklosen Altbau in einem Bochumer Arbeiterviertel. In der Mitte des Fotos stehen ein abgewetztes Sofa und ein Wohnzimmertisch, darunter eine Tüte mit leeren Bierdosen. Auf dem Boden drei weitere Ikea-Teppiche "Jeksen". Zwischen Sofa und Balkontür eine alte Box mit Holzrahmen, darauf ein neuere Aktiv Box.

Die Flecken sind Spuren. Getrocknetes Blut von Andreas M., einem 26-jährigen Arbeitslosen in dieser Wohnung zu Gast war. Andreas M. – korpulent, gut eins-neunzig groß, dunkelhaarig, rund, mit weichem Gesicht – wollte hier ein paar Bier trinken und kiffen. Mieter der Einzimmerwohnung ist Ralph K., ein 27-jähriger arbeitsloser Skinhead.

Nach Angaben des amtlichen Wetterberichts zog am 5. November 2002, einem Dienstag, eine schwache Kaltfront durch das Ruhrgebiet, die Temperatur fiel in der Nacht auf zwei Grad. Andreas M. kam an jenem Abend mit zwei Bekannten in die Wohnung von Ralph K. Insgesamt befanden sich dort sieben Personen. Ralph K. hatte gesagt, dass eine Party steigen solle. Auch Christian J. war anwesend, ein arbeitsloses Ex-Mitglied der NPD, fast zwei Meter groß, mit blanker Glatze und großen Händen, in der Bochumer Obdachlosenszene "der Lange" genannt. Die Freundinnen von Ralph K. und Michael B., zwei Mädchen mit blond gefärbten Strähnen, saßen auf dem Sofa.

Andreas M. lebt in der "Pappschachtel", einem Heim für obdachlose Jugendliche im Osten Bochums. Ab und zu hat Andreas M. dort für die Skinheads Spagetti gekocht, wenn sie irgendwelche Bekannte in der "Pappschachtel" besuchten. Dafür wolle er sich bedanken, sagte Ralph K., als er Andreas M. zu sich nach Hause einlud. Auf dem Boden stand eine Palette Halbliterdosen Bier, auf dem Wohnzimmertisch härterer Stoff; jemand drehte einen Joint.

Die Tatabfolge lässt sich aus Zeugenaussagen, Ermittlungsergebnissen der Bochumer Kriminalpolizei sowie den Geständnissen von Ralph K. und Michael B. rekonstruieren.

Die Musik war laut. Nach ein paar Bier stieß Andreas M. gegen die übereinander gestellten Boxen neben der Balkontür. Sie fielen um. Ralph K. schlug seinem Gast Andreas M. daraufhin ohne Warnung mitten ins Gesicht. Die Nase platzte auf, Blut spritzte auf den Boden.

Die Nachbarn von Ralph K. kannten diesen Lärm. Niemand dachte an etwas Schlimmes. "Der hat nachts immer so laute Krachmusik gehört", sagt ein blonder Mann mit polnischem Akzent aus der Wohnung nebenan. "Ich wollte mich schon beschweren." Pause. "Hab ich zum Glück aber nicht gemacht." Im Flur riecht es nach Reinigungsmitteln und Knoblauch.

Auf dem dritten Tatortfoto sind hinter dem Sofa Schlieren an der weißen Wand zu sehen. Sie ziehen sich in Kopfhöhe um die Ecke und sinken in weitem Bogen bis auf die Fußleiste hinab. Nach den ersten Schlägen zwingt Ralph K. seinen Gast Andreas M. in diese Ecke. Dann schlägt er mit der Faust zu. Immer wieder. Blut spritzt aus den aufplatzenden Augenbrauen, aus der Nase, aus dem Mund auf die Raufasertapete. Andreas M. geht in die Knie. Die Mädchen auf dem Sofa lachen. Die beiden Bekannten von Andreas M. grölen, trinken weiter Bier. Sie werden applaudierende Zeugen der Gewaltorgie.

Ralph K. tritt seinem Opfer in den Bauch. Sein Freund Michael B. gibt die Befehle. "Es muss Blut fließen", soll er verlangt haben. Ohne Grund. Andreas M. bricht zusammen, liegt auf dem Boden. Ralph K. tritt weiter zu. Andreas M. macht sich in die Hosen. Die anderen im Zimmer riechen das. Hektisches Lachen. "Das Schwein", soll Ralph K. gerufen haben. Er sieht jetzt einen Grund weiterzuprügeln. Zwischendurch öffnet sich der Schläger immer wieder ein neues Bier. Andreas M. liegt wimmernd am Boden. Ein neuer Tritt. Pause.

Ralph K. und Michael B. nennen das, was sie taten, eine "Prügelparty". Es war nicht ihre erste: Gemeinsam mit dem ehemaligen NPD-Mitglied Franz S. luden sie flüchtige Bekannte in ihre Wohnungen, um sie dort zu quälen. Ausgestoßene Menschen, Sozialhilfeempfänger und Obdachlose. Sie schlugen ihnen die Schneidezähne aus, zwangen sie, verfaulte Lebensmittel zu schlucken, oder warfen ihnen Schränke auf die Schienbeine. Insgesamt konnte die Kriminalpolizei Bochum sechs "Prügelpartys" ermitteln. "Es ging ums Demütigen", sagt Franz S. später.

Nach einer, vielleicht auch zwei Stunden können Ralph K. und Michael B. den Kotgestank in der Wohnung nicht mehr ertragen. Sie wollen, dass sich ihr Opfer wäscht.

Andreas M. schleppt sich ins Badezimmer, zieht sich aus. Aus seiner Nase tropft Blut. Nachdem er sich gewaschen hat, muss er nackt in das Wohnzimmer zurückkehren und sein Blut von der Wand wischen. Das Blut zieht Schlieren über die Raufasertapete.

Die Augen von Andreas M. sind zugeschwollen, er kann seine johlenden Peiniger kaum erkennen, die auf dem Sofa Bier trinken. Ralph K. und Michael B. drücken ihm eine Wasserflasche in die Hand. Andreas M. muss sich diese Flasche in den After schieben, dann den Flaschenhals ablecken. Danach verlangt Michael B. von Andreas M., sich im Schneidersitz auf einen der Teppiche zu hocken und zu onanieren. Wie ein gefangener, seelisch kaputter Affe im Käfig. Die anderen lachen. Weil Andreas M. nicht sofort ejakulieren kann, schlägt Michael B. ihn ins Gesicht. Andreas M. muss weiter onanieren, Blut läuft über seinen Mund. Die Skinheads schlagen ihr Opfer auf dem Teppich ohnmächtig.

Michael B. schläft mit seiner Freundin auf dem Sofa. Ralph K. legt sich mit seiner Freundin auf die unbezogene Matratze. Die beiden anderen Bekannten von Andreas M. schlafen auf dem PVC-Boden. Der stöhnende Andreas M. wacht zusammengekrümmt hinter dem Sofa auf. Er will gehen. Die Tür ist abgeschlossen.

Am nächsten Morgen kocht Ralph K. in der kleinen Küche auf einer der beiden Herdplatten Kaffee und gibt ihn Andreas M. zu trinken. Dann schmeißt er ihn aus der Wohnung.

———

Nachtrag: Nach einer Woche traut sich Andreas M., bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Die sechs "Prügelpartys" der Skinheads Ralph K., Michael B. und Franz S. wurden 2003 vor dem Landgericht Bochum verhandelt. Ralph K. wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zur sofortigen Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt verurteilt. Franz S. wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach zwei Jahren kann er in eine geschlossene Trinkerheilanstalt überstellt werden.

Werbung

3 FÜR 7 ? Die wöchentlichen Ausgehtipps zum Dienstag

Nunja, die Märkte und Marketingstrategen haben derzeit Hochkonjunktur, dann ist irgendwie auch Urlaubssaison, und es ist ja irgendwie auch kalt draußen und es gibt ja sooo viele Filme, Blogs und Artikel. Dennoch: Wer jetzt wegen Kultur rausgeht ist unter Seinesgleichen, nämlich denen die sich ihre Kulturbegriffe eben nicht zu traditionell und wetterbedingt eingerichtet haben. Wobei man natürlich am Thema mit dem großen W nicht ganz vorbei kommt, selbst "Anti-" ist ja auch nur die Kehrseite des selben Erfolgsmodells. Also einfach mal: Heinz Strunk, Giselle, Charles Dickens.

Selbst Spezialisten empfinden ja den Dreh am Ende der Verfilmung von "Fleisch ist mein Gemüse" als gelungen zwischen Kinoglück und Realitätstristesse platziert und den gesamten Streifen als ordentliche Provinz-Tragikomödie inklusive guter Einbindung des Autors des Ursprungsbuches: Heinz Strunk (Foto: Fabian Hammerl). Der tritt nun wieder persönlich auf die Bühnen um die Lacher über Teile seines Selbst auszuhalten, und zwar mit seinem Werk "Die Zunge Europas", einer Auseinandersetzung mit seiner jüngeren Vergangenheit. Austragungsort in der Gegend ist der Ringlokschuppen Mülheim.

"Giselle" basiert hingegen auf einer Idee von Heinrich Heine und ist seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten eines der erfolgreichsten Ballettstücke überhaupt. Sehr romantisch, mit einer tragisch-mystischen Liebesgeschichte, an slawische Sagen anknüpfend, von Richard Wagner verabscheut und in Frankreich schon zur Entstehungszeit heiß verehrt. In der Inszenierung und nach der Choreograhie von Bernd Schindowski sowie nach der Musik von Adolphe Adam tanzen in den Hauptrollen Priscilla Fiuza und Bogdan Khvoynitskiy im Gelsenkirchner Musiktheater im Revier.

"A Christmas Carol" nach Dickens, und das als Nacherzählung aus einer Backstube. Doch dort bricht dann bald die Realität, die Aktualität und natürlich der eine oder andere Scrooge ein. Denn Thos Renneberg bringt das frisch und fetzig auf die Bühne. Es droht hier eben kein Winterschlaf und auch keine Kältestarre oder biblische Schwere. Im Dortmunder Theater im Depot, dessen Programmheft übrigens ab Februar nur noch als Teil desjenigen vom Depot erscheint. Nur so als Hinweis, ohne Hintergedanken.

Im Überblick:
Heinz Strunk am 19. Dezember um 20 Uhr im Ringlokschuppen.
"Gisele" hat am 19. Dezember um 19.30 Uhr Premiere im Großen Haus des Musiktheater im Revier. Weitere Termine: 4., 15. und 31. Januar.
"A Christmas Carol" findet im Theater im Depot noch am 19. und 20. (20 Uhr) und 21. und 31. Dezember (19 Uhr) statt.

Recklinghausen bekommt ein neues Einkaufszentrum

Die Löhrhof Arcaden haben alle Chancen eine Bausünde aus den 70er Jahren durch eine Bausünde des frühen 21. Jahrhunderts zu ersetzen.

Mit eine Gesamtfläche von knapp 60.000 m und einer Verkaufsflächen von 30.000 m werden die Löhhof Arcaden, die der Essener Investor mfi an Stelle des heutigen Löhrhof-Centers und auf angrenzenden Flächen errichten will, nicht zu den großen Einkaufszentren des Landes gehören. Für eine Stadt wie Recklinghausen, die über eine gesamte Einzelhandelsfläche von gerade einmal 70.000 m verfügt, sind die Löhrhof Arcaden allerdings eine ziemlich große Nummer. Kritiker, darunter die Nachbarstädte Marl unn Gelsenkirchen, verdi, SPD und Grüne sowie die IHK und das Regierungspräsidium in Münster haben Kritik an der Verkaufsfläche des Zentrums geäussert. In Marl und Gelsenkirchen prüft man Klagen gegen das Projekt.

Mehrere Gutachten haben nachgewiesen, dass  durch den Bau der Löhrhof-Arcaden die Innenstädte rund um Recklinghausen Käufer verlieren werden. Um die ist es sicher weniger schade als um die Recklinghäuser Innenstadt. Die gehört zu den wenigen schönen Innenstädten des Ruhrgebiets und verfügt noch übermittelalterlichen Charme – und viele Fachwerkhäuser. Kritiker befürchten, das durch den Bau der Arcaden die Leerstände in der Altstadt ebenso zunehmen werden wie die 1-Euro-Shops.

Vom Investor Multi Development vorgelegte Pläne zu einem Quartier am Markt, in die auch das Karstadt-Kaufhaus einbezogen ist, wurde im Rat heute nicht diskutiert. Karstadt hat eine Schließung seines Kaufhauses für den Fall des Baus der Arcaden angekündigt.

In Zukunft elektrisch

Die Zukunft sieht im Straßenverkehr verdammt elektrisch aus. Surrende Maschinen, stinkfrei und billig, dazu kaum kaputtbar. Wenn ein Konzern in dieser Branche mit dabei sein will, investiert er jetzt. So wie der  Autobauer Daimler, der zusammen mit dem Essener Mischkonzern Evonik zukünftigen Elektromobil-Boom teilhaben will.

Die beiden Unternehmen planen, gemeinsam einen dreistelligen Millionenbetrag in die Entwicklung besonders leistungsfähiger Lithium-Batterien zu investieren. Die neuen Geräte sollen dann das Herzstück der Elektroflotte des Daimler-Konzerns auf Basis des Smart werden. Die ersten Wagen aus der Massenproduktion sollen bereits im Jahr 2012 vom Band laufen. Später sind auch Stromversionen von Mercedes-Fahrzeugen der A- und B-Klasse geplant.

Ähnliche Projekte verfolgen derzeit nahezu alle Autobauer. General Motors schickt in Europa seine Tochter Opel gemensam mit dem Partner LG Chem ins Rennen. In Japan ist der Konzern Mitsubishi mit dem Batterieherstellers GS Yuasa ein Joint Venture eingegangen. Daimler-Chef Zetsche sagte: "Wir sind sicher, mit Li-Tec den besten Partner der Welt zu haben."

Gemeinsam mit seinem Partner Evonik gab Zetsche bekannt, die Firma Li-Tec zum wichtigsten Batterieproduzenten der Welt auszubauen zu wollen. In Zukunft wird Evonik 50,1 Prozent der Anteile halten, Daimler wird mit 49,9 Prozent beteiligt. Die Firma im in sächsischen Kamenz entwickelt als 100-Prozentige Tochter von Evonik bereits seit einigen Jahren besonders leistungsfähige Lithium Batterien. Sie verspricht besonders starke und zugleich betriebssichere Stromspeicher: Eine mit winzigen Keramik-Partikeln beschichtete Folie im Inneren der Zellen soll verhindern, dass die Batterien im Falle einer Überhitzung schlagartig Feuer fangen. Mit dieser Sicherheitsleistung seien die Anlagen massentauglich, teilten die Unternehmen mit. Evonik hat bislang rund 80 Mio Euro in die Entwicklung investiert. Evonik-Chef Werner Müller sieht schon in den nächsten Jahren eine Marktpotential von über 10 Mrd Euro.

Die Leistungsfähigen Stromspeicher samt fahrfähigem Smart sollen den Auto-Kunden in drei verschiedenen Varianten angeboten werden. Eine günstige Variante soll einem Stromsmart 200 Kilometer weit fahren lassen, sagte Daimler-Technikvorstand Thomas Weber. Größere Batterien sollen eine Reichweite von 400 Kilometer ermöglichen. Mit Ergänzungsmotoren könnten sogar 600 Kilometer realisiert werden. „Dabei fährt ein Deutscher Autofahrer jeden Tag durchschnittlich nur 40 Kilometer.“

Nach Ansicht von Daimler-Chef Zetsche wird aber auch in der Massenproduktion kaum das Kostenproblem der Batterien gelöst. Die Rohstoffe seien einfach teuer und es sei unrealistisch zu glauben, die Preise würden drastisch sinken, sagte Zetsche. Um die Autos der Zukunft erschwinglich zu machen, sei es deshalb nötig verschiedene Finanzierungs-Modelle zu etablieren. Zum Beispiel wäre es eine Möglichkeit, die Autos zu verkaufen und die Batterien zu leasen. Auf lange Sicht aber soll der Elektroantrieb genauso teuer werden wie die herkömmliche Technik.

Neue Heimatdesign-Ausgabe erschienen

Nach längerer Pauser erscheint wieder eine neue Ausgabe von Heimatdesign.

Das Magazin Heimatdesign ist ohne jeden Zweifel die schönste Zeitschrift die jemals im Ruhrgebiet erschienen ist. 
Heimatdesign versteht sich als Plattform  für junges Design aus dem Ruhrgebiet.  Die Mischung der Designbereiche Mode, Grafik, Objekt und Fotografie ist dabei das Markenzeichen des Magazins.
Die erste Ausgabe erschien im Sommer 2004 – die bislang letzte Heimatdesign, Nr. 4,  2006. Zwischendurch habe ich schon die Sorge gehabt, die Macher hätten sich aus dem Verlagswesen zurürck gezogen und kümmerten sich nur noch um Ausstellungen und die Agentur. Zum Glück ist es jetzt anders gekommen. Heimatdesign ist kostenlos, aber immer schnell vergriffen.     

Werbung

Rettet den Blätterwald (1) – Heute: Rolling Stone (Deutschland)

Zunächst: Der Anblick eines vor Zeitschriften überquellenden Kioskes ließ mich letztens schaudern: So viele Jobs, so viel Papier, soviel Fotos von Menschen, so viel Überschriften, Sätze, irgendwie zu Ende gebrachte Sinnabschnitte. Ein hässlicher Anblick, nur zu vergleichen mit einigen Supermärkten, Parkhäusern und zusammen gequetschten Menschen in Bussen und Bahnen. Muss das sein? Können wir nicht verzichten auf diese Dinge, dieses Second Hand Leben, diese Informationsflut auf Papier? Vielleicht. Vielleicht muss auch nur zuerst die Printkultur gehen, und dann schaltet irgendwer auch noch den Strom ab und wir haben wieder Ruhe. Also exekutiere ich in dieser Rubrik mal in loser Folge symbolisch einige Printpublikationen des Landes und will feierlich schwören, sie von nun an nie mehr zu kaufen. Den Anfang macht zufälligerweise die deutsche Ausgabe des Rolling Stone.

"16 Seiten AC/DC"! Aber der Reihe nach: Man mag dem Rock’n’Roll gegenüber ja unterschiedlicher Ansicht sein. Ist sicherlich als Ventil und Freizeitvergnügen weniger spießig und potentiell Bewusstseins erweiternder als Breitensport. Hat einige viele tragische Tode und kaputte Restleben auf dem Gewissen. Ist gute Unterhaltung für Konsumenten, die ihre Dosis Brot und Spiele gerne mit persönlichen Schicksalen verknüpft sehen und dabei harte Musik hören wollen. Etc. Im Grunde aber ist es das Gegenteil von "darüber schreiben" und erst recht von "darüber lesen". (Auch wenn die betroffenen Medienleute von Lester Bangs bis Stefanie Tücking immer so taten, als sei das verwechselbar. Naja, man verwechselt schonmal Autorenschaft und Sujet. Das nennt man dann schnell Identifikation.)

Jedenfalls strahlt der Rolling Stone Deutschland nur höchst bedingt Rock’n’Roll aus und hat natürlich für den gesellschaftlichen Diskurs nicht gerade soviel zu bieten wie ehedem die Village Voice oder sein gleichnamiges amerikanisches Ursprungsblatt. Was also soll das Magazin? Mal reinsehen, vielleicht gibt es ja Interviews, in denen diese Lebenshaltung rüberkommt. Hm, Whisky-Werbung auf der U2. Stimmig. Fotos von Mick Jagger, den Toten Hosen und AC/DC. Es geht also um "in Würde altern mit Mikro oder Gitarre in der Hand"?
Überschriften: "Ein Quantum Trost". "The Killers: Leaving Las Vegas". "Das schwarze Album". Klingt ganz schön nach falsch verstandener Postmoderne: Man nimmt irgendwie vertraut klingende Wortfolgen und setzt die in Zusammenhang mit dem Thema/der Band. (Natürlich ohne dass jetzt die Hosen und James Bond mehr als ihr hohes Alter gemein hätten z.B. Doch: Sie sind bekannte Medienstars, Typen, Rollenspieler.) Immerhin.

Sony- und Nokia-Werbung. Lou Reed wird gefragt: "Was halten Sie davon, dass "Car Crash" von Andy Warhol für 71 Millionen Dollar verkauft wurde?" Er antwortet: "Ich wünschte, jemand würde soviel für eine Lou-Reed-Originalaufnahme bezahlen. Ich würde mich auch mit 50 Millionen begnügen." Ah, vielleicht ein Hinweis, warum der alte R’n’R gleichzeitig so omnipräsent und billig ist: Man lebt mit ihm wie mit einem alten Verwandten, würde aber nicht wirklich etwas dafür bezahlen. Weiter im Blatt: In einem Konzertbericht über einen Auftritt von Of Montreal in New York steht: "Man fühlt sich wie auf einer invertierten Promnight: Hier gibt es nicht ein, zwei komische Käuze, die sich in den Ecken herumdrücken, während Cheerleader und Quarterback tanzen – die Wunderlichen sind im Roseland Ballroom klar in der Überzahl." Noch ein Indiz: Das Publikum wie wohl auch die Leserschaft ist sich selbst mittlerweile der Star und die "spokesperson". Deshalb haben die Stars derzeit auch alle hauptsächlich einen individuellen Hau und sonst gar nicht mal dringend viel zu bieten. Interessant.

Peter Maffay Open Airs 2009. "Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer". Eine CD-Beilage mit Highlights aus dem Beat Club von 1967 bis 1972. Einige Konzertagenturanzeigen. Ultralange Geschichten mit banalen Fotos in der Heftmitte. Dietmar Dath und Rainald Götz werden aufgrund ihrer neuen Bücher in einem Artikel länger erwähnt. Fazit des Artikels: Dath wohl zu individuell-komplex-holistisch-socialfictionhaft um verstanden zu werden, und bei Götz dreht sich ja irgendwie auch alles nur um ihn selbst. Ist das jetzt Rock’n’Roll? Und was war Punk jetzt nochmal? Fast kaufen (oder verschenken) mag man dann nämlich vielleicht "Die Heebie-Jeebies im CBGB’s – Die jüdischen Wurzeln des Punk", die nächste Buchempfehlung, die aber auch verdächtig individual-historisch motiviert klingt. So á la "liest ja doch jeder heraus was er will, machen wir wenigstens mal starken Tobak rein". Komisch, dass die Buchempfehlungen in einem Magazin so plausibel wirken. Und dann noch in diesem.

Letzte Chance: Tonträgerkritiken. (Wir überspringen die Sidestream-Blockbuster-Kinoseiten). Ganz groß das Album von Paul McCartney mit dem (80s-)Produzenten Youth. The Cure, AC/DC. Francoiz Breut. Bei der Kritik zu ihrem Album "A´ L’aveuglette" heißt es schön: "Der Auftritt … war eins der raren Highlights der letzten Popkomm, die immer mehr zu einer Alles-muss-raus-Veranstaltung mutiert, bei der neue Vermarktungsmodelle die immer leiser werdende Musik verdrängen." Genau, der eigentliche Rock’n’Roller ist der Werber. Und Stille ist die neue Gefahr. Oder gar nicht mal Stille. Sondern Weiß ohne Schwarz drauf.

WestLB braucht mal wieder Geld

Wie hätte es auch anders sein können: Die WestLB braucht mal wieder Geld, schreibt zumindest die Rheinische Post am Samstag. Dieses Mal soll es sich um staatliche Garantien über einen zweistelligen Milliarden-Betrag handeln.

Was soll man dazu sagen? Bei jeder Gelegenheit hält der Laden die Hand auf. Nun soll also der Bund zur Abwechslung mal bürgen. Wir erinnern uns: Bei früheren Verlusten mussten gerne mal das Land bürgen oder mit frischen Mittel dem Institut beispringen. Nur Gott allein weiß wohl, wie viel Kapital über die Jahre aus den Taschen der NRW-Bürger in die Kassen der WestLB gewandert ist.

Damit aber nicht genug: Der "Rheinischen Post" zufolge will die Bank zudem in weiteres Mal riskante Wertpapiere im höheren zweistelligen Milliarden-Betrag auslagern, um ihre Kernkapitalquote von bisher 5,4 Prozent auf acht Prozent zu verbessern. Das ist die Voraussetzung dafür, um Hilfe vom Bund zu erhalten.

Ich mache jetzt mal einen Vorschlag: Macht einfach die WestLB dicht. Gleich am Montag. Einfach die Türen abschließen. Jedem Mitarbeiter eine ordentliche Abfindung, kann gerne auch mehr sein. Denn mal ehrlich, niemand braucht einen solchen Verlustbringer. Wenn ich nur an die Nummer mit Cleverbox denke. Aua.

Nachtrag: Hat jemand Vorschläge, was man mit dem Laden machen kann?