Großmanns Entscheidungsschlacht beim RWE

Der Konzernchef des RWE, Jürgen Großmann, steht vor seiner Entscheidungsschlacht. Gelingt es ihm nicht, sich gegen Wünsche des Aufsichtsrates durchzusetzen, seine Kompetenzen zu beschneiden, wird er seinen Job aufgeben müssen. Kann er sich aber durchsetzen, wird er unangreifbar. Und dann kann Großmann die tief greifende Reform der RWE-Struktur durchsetzen, die derzeit geplant wird. In der Essener Zentrale ist bereits vom „Big Bang“ die Rede, wie ich gehört habe.

Den Plänen zufolge sollen Kompetenzen aus den wichtigsten Führungsgesellschaften RWE Power und RWE Energy in die Zentrale überführt werden. Gleichzeitig sollen die Regionalgesellschaften entmachtet werden. Darüber hinaus sollen neue Ländergesellschaften entstehen, die als Satelliten in den europäischen Staaten direkt der Zentrale in Essen zugeordnet werden sollen. Die Pläne zum Konzernumbau wurden den Informationen zu folge von RWE-Chef Jürgen Großmann in Auftrag gegeben. Ziel der neuen Struktur sei es, das Eigenleben der RWE-Töchter zu beenden und diese der Kontrolle der Konzernzentrale zu unterwerfen. Die ersten Eckpunkte der neuen Struktur sollen bereits bei einer Aufsichtsratssitzung am Donnerstag beschlossen werden. Ein RWE-Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren.

Die Änderung der Konzernstruktur wird von einem heftigen Streit zwischen den kommunalen RWE-Aktionären, den Gewerkschaften und dem RWE-Spitzenmanagement begleitet. Während die Grundsätze des Konzernumbaus von allen anerkannt werden, fürchten Kommunen und Arbeitnehmer um ihren Einfluss auf die Konzernpolitik. Vor allem die Stadt Dortmund macht gegen RWE-Chef Jürgen Großmann mobil. Entzündet hatte sich der Streit bereits vor einigen Wochen an der Umfirmierung der Dienstleistungstochter RWE Systems AG in eine Service-GmbH, die Großmann durchgesetzt hatte. Mit der Änderung der Rechtsform wurde gleichzeitig der Aufsichtsrat der Gesellschaft aufgelöst – etliche kommunale Aufsichtsräte und Arbeitnehmervertreter verloren ihre Posten. Ein Vertreter der Stadt Dortmund sagte mir: „Ohne den Aufsichtsrat haben wir keine Möglichkeit mehr, die Geschäftspolitik der Service-GmbH zu beeinflussen.“

Die Stadt Dortmund beauftragte daraufhin mit den Stimmen von SPD und Grünen die kommunalen Vertreter in allen RWE-Gremien gegen Großmanns Firmenpolitik Stellung zu beziehen und für eine Stärkung der kommunalen Macht im Energiekonzern zu sorgen. Vor allem in Dortmund müssten Kompetenzen von RWE-Firmen konzentriert werden.

Das erste Mal blitzte der Streit in einer vorbereitenden Sitzung zum kommunalen RWE-Beirat so richtig auf. Es kam zum lautstarken Streit zwischen Dortmunder Vertretern und Großmann Vertrauten. Sinngemäß sollen die Großmänner gerufen haben: Wenn Euch unser Kurs nicht passt, verklagt uns doch. In der anschließenden Beiratssitzung allerdings war der Streit schon wieder runtergekocht. Ein Gemeindevertreter bestand auf einer starken Rolle der Kommunen, Großmann hielt persönlich und sanft dagegen. Damit war erstmal Schluss mit der offenen Debatte.

Im Untergrund geht es aber weiter. Pikant ist dabei, dass die Stadt Dortmund über eine Schachtelgesellschaft rund 16 Prozent des RWE-Kapitals kontrolliert. Ein Vertreter der Stadt Dortmund sagte der Welt, die Kommune bemühe sich unter den RWE-Aktionären eine Mehrheit gegen die Strukturpläne Großmanns zu mobilisieren. Das Argument: Großmann dürfte nur unterstützt werden, wenn er bereit sei, den Einfluss der Kommunen auf den Konzern zu erhalten.

In den bisherigen Plänen ist von einer besonderen Rolle der Kommunen wenig zu sehen. Im Gegenteil. Die Rolle der Städte im RWE wird in weiten Teilen der Kapitalbank und auch im Konzern selber als Behinderung angesehen. Die Folge sei eine Totalblockade in der Konzernentwicklung. Nach Ansicht der Großmann-Vertreter müsse es gelingen, die Struktur des RWE zukunftsfest zu machen. Und dazu gehöre eben die Loslösung von den Städten und Gemeinden. Der Weg, um dieses Ziel zu erreichen, sieht so aus: Zunächst will Großmann die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Tochterfirmen im RWE beenden. Dann soll der Konzern stärker zentralisiert werden, damit er schneller auf neue Situationen reagieren kann. Zudem soll eine Struktur gefunden werden, die ein Wachstum im Ausland möglich macht.

Im Detail soll die Konzerntochter RWE Energy in zwei Vertriebsgesellschaften und zwei Netzgesellschaft aufgespalten werden. Das Geschäft mit den Großkunden soll zudem aus diesen Firmen herausgeschält und in die Handelstochter Supply and Trading eingefügt werden. „Der Handel soll direkt das Geschäft mit den Industriekunden in die Hand bekommen“, heißt es. Die Regionalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung sollen zudem zu „Filialen“ umgebaut werden, die eine zentrale Vertriebspolitik umsetzen. Alle Gesellschaften sollen direkt der Kontrolle der Essener Holding unterworfen werden.

Ähnlich können sich die Probleme für die Kraftwerkstochter RWE-Power aufstauen. Die Firma wurde bereits jetzt auf ihren fossilen Kern rund um die Braunkohlekraftwerke sowie die Kernkraftwerke beschnitten. Alle Zukunftsenergien lies Großmann der neuen Öko-Tochter RWE Innogy übertragen. Nun wird überlegt, auch die Beteiligungen der RWE Power im Ausland auf die neuen Ländergesellschaften zu übertragen. Grundsätzlich sollen alle Beteiligungen der direkten Kontrolle der Holdung unterworfen werden.

Auch hier setzt die Kritik der Kommunen an: Wenn die Verflechtung mit den Städten aufgegeben wird und den kommunalen Beteiligungen in einem zentralisiertem Konzern Kompetenzen fehlen, dann bestehe kein Grund mehr, die enge Partnerschaft zum RWE zu suchen. Die Folge: Konzessionsverträge würden nicht verlängert – so wie es sogar Dortmund androht. Und Partnerschaften aufgekündigt. Gleichzeitig werfen die Kommunen Großmann Misserfolg vor. Statt den Aktienkurs zu treiben oder neue Projekte anzugehen habe der frühere Stahlmanager eine Negativ-Bilanz vorzuweisen. Bislang seien nur wenige seiner Projekt erfolgreich abgeschlossen worden. Die Übernahme an eines namhaften europäischen Konkurrenten? British Energy wurde abgeblasen. Stattdessen Aktivitäten in Südosteuropa – in der Republik Srpska. Das ist der serbischen Teil von Bosnien-Herzigowina.

Damit nicht genug: vor allem die SPD-regierten Städte werfen Großmann fehlendes Fingerspitzengefühl vor. Sein Wunsch-Engagement bei einem Kernkraftwerk in einem Erdbebengebiet in Bulgarien sorgt für Demonstrationen vor Rathäusern in Mülheim und Dortmund. Die Umweltschützer von Urgewalt, Greenpeace und Robin Wood protestieren gegen den bulgarischen Risikoreaktor und erinnern die SPD-Politiker vor einem Wahljahr an die Linie ihrer Partei – den Ausstieg aus der Kernkraft. Selbst vor der RWE-Konzernzentrale kommt es seit über einer Woche immer wieder zu Demos. Am vergangenen Freitag protestieren Umweltschützer vor der Hamburger Wohnung von Großmann. Am Donnerstag soll es in Essen Proteste geben.

Der Widerstand gegen Großmann ist groß. Einige Kommunen und Arbeitnehmer wollen im RWE-Aufsichtsrat eine Änderung der Geschäftsordnung durchsetzen. In Zukunft soll sich Konzernchef die Unternehmensplanung vom Aufsichtsrat absegnen lassen. Bisher liegt diese Kompetenz allein beim Vorstand.

Aber auch die Unterstützung für Großmann ist nicht zu unterschätzen. Die Kapitalbank setzt nach wie vor auf den Macher aus der Stahlbranche. Zudem unterstützen offensichtlich weite Teile des IG-BCE Flügel im Konzernteil RWE-Power den großen Chef – während der Verdi-Flügel im Restkonzern eher Großmann kritisch ist. Die Arbeitnehmer misstrauen sich hier selbst.

Unmittelbarer Auslöser des offenen Konflikts ist nun die oben angsprochene geplante Beteiligung des RWE am bulgarischen Kernkraftwerk Belene. Großmann will diese Beteiligung, ein Teil des Aufsichtsrates um Verdi-Chef Frank Bsirske und Aufsichtsratchef Thomas Fischer nicht. Der Reaktor liegt in einem Erdbebengebiet und ist nach Meinung von Kritikern zu unsicher.

Großmann hat intern angekündigt, die Beteiligung auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates umzusetzen. Sollte dies nicht gelingen, werde er zurücktreten, sagte der Manager vor Vertrauten. Er sie schließlich als Eigner einer Stahlhütte unabhängig.

Bisher haben sich alle Seiten bemüht, einen offenen Konflikt zu vermeiden. Deshalb wurde die Abstimmung über das Projekt Belene bereits mehrmals verschoben. Nun allerdings ist der Streit zur offenen Feldschlacht geworden. Die Entscheidungsschlacht tobt. DieTelefone laufen heißt.

Lustigerweise hat gerade der RWE-Power Aufsichtsrat Wolfgang Clement in dieser Situation nichts besseres zu tun, als seinen ehemaligen Parteifreunde von der SPD und die Gewerkschaftsvertreter anzugreifen. Er fordert alle auf den RWE-Aufsichtsrat zu verlassen, wenn sie nicht bereits seien, für die Kernenergie zu streiten.

Finanzkrise: Wie viele Städte können wir uns leisten?

Eigentlich sollte eine Resolution von Rot-Grün zur Finanzsituation der Städte auf der gestrigen Verbandsversammlung des RVR verabschiedet werden.

RVR-Gebäude Foto: RVR

Daraus wurde nichts: Auf Bitten von CDU und FDP wurde die Abstimmung über die Resolution auf die erste Sitzung im kommenden Jahr verschoben. FDP und CDU wollten mehr Zeit um sich mit dem Thema Finanzsituation auseinander zu setzen – und hoffen wohl auch, dass die Landesregierung bis dahin ihr Hilfspaket für die Städte geschnürt hat.

Rot-Grün fordern in der Resolution unter anderem einen Entschuldungsfonds für die klammen Städte, die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips (Wer Leistungen bei den Kommunen bestellt, muss sie auch bezahlen) und dass der infrastrukturelle Lastenausgleich zwischen ost- und westdeutschen Kommunen wieder gesamtdeutsch konzipiert wird – also nicht mehr die geographische sondern die finanzielle Lage über Zahlungspflicht der Städte entscheidet.
Die Resolution wendet sich an die Bundesregierung und den Bundestag sowie die NRW-Landesregierung und den NRW Landtag.

Gegen die meisten Forderungen in der Resolution kann man kaum Einwände haben. Warum das klamme Herten Zonen-Städte finanziert, denen es finanziell längst besser geht, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Aber dauerhaft wird sich die Finanzsituation der Städte im Ruhrgebiet auch auf diesem Weg nicht lösen lassen. Würden die Ruhrgebietsstädte, wo immer möglich, miteinander kooperieren, Behörden und Abteilungen  zusammenlegen könnte viel Geld gespart werden.
Und wiir müssen uns die Frage stellen, ob wirklich jede Stadt im Revier auch künftig eine eigene Stadt bleiben muss mit all den Kosten für eine eigene Verwaltung.

Auch wenn die Ideallösung, die Bildung einer „Ruhrstadt“, nicht wirklich auf der Tagesordnung steht, stellt sich die Frage: Warum müssen Kommunen die nicht lebensfähig sind, sich auf alle Zeiten weiter durch ihr ärmlichen Leben schleppen? Bürger wollen gute Schulen, Büchereien und Schwimmbäder. Auch den Personalausweis sollte man in der Nähe abholen können. Aber brauchen die Bürger wirklich all die Verwaltungen und Rathäuser oder geht es nicht eine Nummer kleiner? Die Kleinstädterei im Ruhrgebiet, die viel gelobte polyzentristische Struktur des reviers, sollten wir  hinterfragen – wir können sie nicht mehr bezahlen und eine wirkliche Stärke des Ruhrgebiets ist sie auch nicht. Polemisch gesagt: Niemand braucht all die Waltrops und Hertens. Und vielleicht braucht auch niemand Oberhausen.

3 FÜR 7 – Ausgehtipps, immer noch wöchentlich

Oberhausen ist nicht Athen, und in Essener Bunkern gibt es keine Piraten. Sonst müssten ja Exekutivkräfte einschreiten, nicht wahr? Aber dennoch weht an manchen Kulturstätten der Region immer noch ein Windhauch aus nahezu gefährlichen Zeiten. Zeiten in denen nicht jedeR "Ruhr" im Namen führte, um Fördergelder zu bekommen. Zeiten in denen Freiräume jenseits des Establishments geschaffen wurden, um dort eben etwas anderes entstehen zu lassen. 29 Jahre Druckluft, Gerburg Jahnke im Ebertbad, Free Essen Festival im Goethebunker.

Als die Jazz Offensive Essen gegründet wurde, da war eine sonntägliche Reihe im KKC an der Universität schnell etabliert. Und damals schon sprach man von einem Jazzclub, möglichst gefördert natürlich. Nun hört man oft den Zusatz, Oliver Scheytt, Kulturdezernent der Stadt und Top-2010er, sei ja auch Jazz-Fan. Aber gespielt wird einmal im Jahr in den Katakomben im Girardet und bis zum letzten Jahr in der Capribar. Trotz Folkwang und namhafter anderer Künstler einer recht großen Szene also keine echten Anlaufpunkte bis auf einige Versuche gutmeinender Unterstützer. Und zum Free Jazz Event des Jahres muss diesmal sogar der Goethebunker herhalten – ein durchaus legaler aber nicht wirklich komfortabler Ort mal wieder. Am Donnerstag und zum Abschluss der Reihe spielen Peter Eisold, Simon Camatta, Jim Campbell, Paul Hubweber und Annette Maye also quasi im Untergrund. Vielleicht wächst dort besser, was die Stadt offiziell anscheinend nicht recht fördern mag.

Komfortabler wird jetzt das Druckluft, jener Ort also, für den die dort stattfindende Reihe "Anarchists Teapott" wohl die treffendste Beschreibung abgab. Politisch (halbwegs) unabhängig agierende Gruppen, gender politics, Fanzines, rebellische Popmusik und immer wieder aufeinander prallende unterschiedliche Ansätze von engagierten Jungmenschen dürfen demnächst in "größeren und schöneren" Gemäuern vielleicht den Weg gehen, den all die Zeche Carls, Altenbergs, AZs & Co schon fast völlig hinter sich gebracht haben: Über die gewachsene Verantwortung in Richtung Ruin oder Kommerzialisierung. Man wird ja auch bald 30, da ist dem Laden eh kaum mehr zu trauen. Also noch einmal grüßen gehen, bitte: Freitag Beatplantation-Party, Samstag Ska aus Barcelona und eine Art Lesung des Sängers von Muff Potter (siehe Plakat), Montag Punk aus Italien und nächsten Mittwoch Pop von Fotos.

Und Gerburg Jahnke gastiert bei denen, die es "in’s Theater geschafft" haben, im Ebertbad. Ein konsequent und zeitig dem Altenberg das 30-something-Publikum abgegraben habendes Etablissement, das neben dem Stadttheater gar nicht schlecht aussieht. Und doch ganz schön "alternative" Wurzeln hat. Die eine Ex-Missfits-Frau lässt nun also einige Herren der Schöpfung mit ihren Colts spielen, aber sich auch ganz schön zum Pony machen bei "Kalte Colts und heiße Herzen", und das ab Freitag. Ach ja, der derbe Ruhr-Humor! Der ist nicht nur natürlich toootal erhaltenswert, sondern der muss ja auch irgendwo herkommen und will anscheinend mit ständigen Kleinkatastrophen gefüttert sein…

Im Überblick:
Free Essen Festival, Teil 3, am 11. Dezember ab 20 Uhr im Goethebunker.
29 Jahre Druckluft, mehrteilig und permanent diesen Monat.
"Kalte Colts und heiße Herzen" fast immer und um 20 Uhr ab dem 12. Dezember im Ebertbad. Derzeit noch nicht ausverkauft sind die Vorstellungen am 17., 18., 21. (19h), 26., 28. (19h) und 30. Dezember.

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Großmann lässt kurz arbeiten

Neben seinem Aufsichtsrat hat RWE-Chef Jürgen Großmann nun auch Ärger an einer anderen Front: Seinem Stahlwerk Georgsmarienhütte geht die Arbeit aus.

Über die Werksferien, die bis Mitte Januar gehen, kann sich die Hütte noch mit flexiblen Arbeitszeiten retten. Doch dann ist Kurzarbeit angesagt, möglicherweise über die erste Hälfte 2009. Dem Unternehmen setzt die Krise auf dem Automobilmarkt zu, die Fahrzeugbauer bestellen weniger Stahl bei dem Unternehmen. Die Nachricht ist zwar in der vergangenen Woche schon regional in Niedersachsen gestreut worden, über die Grenzen des Bundeslandes hinaus fand die Flaute bei Georgsmarienhütte aber keinen Widerhall.

Dabei muss die Nachricht aufschrecken, denn die Lage bei seiner Hütte dürfte Großmann zusätzlich einbinden. Derzeit muss sich der Manager um seine Position an der RWE-Spitze sorgen, glaubt man den Spekulationen im Umfeld des Versorgers. Demnach wollen Teile des Aufsichtsrats die Macht von Großmann beschneiden. Diese kritisieren die Pläne des RWE-Bosses, in osteuropäische Kernkraftwerke zu investieren.

Großmann muss sich also nicht nur um seinen renitenten Aufsichtsrat kümmern, sondern auch um seien eigentliche wirtschaftliche Machtbasis, seine Stahlhütte. Diese hatte der Unternehmer für einen symbolischen Preis gekauft und in den vergangenen Jahren auch dank einer guten Stahlnachfrage zu einem kleinen Schmuckstück aufpoliert. Mit seinen knapp 1400 Mitarbeitern erwartet die Hütte einen Jahresumsatz von rund 700 Millionen Euro.

Das Ende der Brezelzellen

Ein Wochenende mit Keksen, Brezeln und Bratwurst: Theater in Bochum, Weihnachtsmarkt in Hattingen

Am Freitag war ich in den Kammerspielen und habe mir „die Komödie der Irrungen“ angesehen. Das war jetzt keine vollständige Katastrophe, aber ich hätte auch 2 Stunden zu Hause bleiben, meine Beine ausstrecken und Laurel und Hardy auf Youtube gucken können. Alleine die James Last-Platte hätte mir gefehlt, aber man kann ja nicht alles haben. Es ist begrüßenswert, dass der Abschlussjahrgang der Bochumer Schauspielschüler sich in einer Inszenierung in den Kammerspielen präsentieren darf, aber leider werden immer Komödien ausgesucht, die sonst nicht gespielt werden, und das aus guten Grund. Verwechslungsgeschichten können lustig sein, sind aber meistens nur verwirrend, und wenn man mal verstanden hat, wer wer ist, wundert man sich über den hanebüchenen und banalen Plot. Eine Verwechslung, viele Schlägereien, ein Kekse fressender Diener als Running Gag, ein klein wenig Liebe und sehr viel James Last. Hier passt nichts wirklich zusammen, die Schauspieler, die eifrig dabei sind und sicher auch viel Potential haben, wenn man sie richtig führt. Eine Inszenierung, die sich zu sehr auf Standard-Gags verlässt und ein Stück, das zwar von Shakespeare, aber trotzdem jenseits von Gut und Böse ist.

Samstag war ich dann wieder im Theater, diesmal im Theater unter Tage, wo Connecting People – ein Nokia Projekt uraufgeführt wurde. Der Untertitel „Ein Nokia-Projekt“ lässt Schlimmes befürchten, ist nicht alles, was man nicht richtig benennen kann und was weder Fisch noch Fleisch ist ein „Projekt“? Dirk Schneider hat Interviews geführt mit „Gewinnern und Verlierern“ der Standortschließung in Bochum. Der Regisseur Frank Abt hat mit 3 jungen Schauspielern in Kristo Sagors Neuer Heimat-Küche eine tolle, runde, berührende Inszenierung aus diesem Material gemacht.

Hier wird nicht rumgehampelt wie am Freitag in den Kammerspielen, hier werden Geschichten erzählt, hörenswerte Geschichten, von Angestellten in den Brezelzellen, die sich mit ihrer Firma identifiziert haben und von dieser dann im Stich gelassen worden sind, aber auch die Geschichte des Vice President von Nokia, der seine unternehmerischen Überlegungen darlegt. Zwischendurch werden Bochumer Passanten gezeigt, die in der Fußgängerstraße gefragt wurden, ob sie vom Nokia-Aus betroffen sind und ob sie sich jetzt noch ein Nokia-Handy kaufen würden. Fast jeder kennt jemanden, der irgendwie damit zu tun, fast jeder sagt, nein, er würde sich kein Nokia-Handy mehr kaufen, der befragte 16jährige ist dann aber wenigstens so ehrlich hinterher zu schieben, dass er die einfach nicht so gut findet. Das Video von der Taufe der „Glück-auf-Bahn“ zeigt schließlich die Absurdität, welche die Nokia-Schließung teilweise nach sich gezogen hat.

Frank Abt, Dirk Schneider und die drei Schauspieler zeigen, dass Theater toll und wichtig ist, wenn es die richtigen Themen anpackt. Verwechselte Zwillinge in Operettenlandschaften gehören nicht dazu.

Sonntag gab’s keine Premiere, deswegen bin ich schön mit der 308 nach Hattingen gefahren, was von Bochumer Hauptbahnhof immerhin 30 Minuten Theater vom Feinsten sind, und habe mich am Weihnachtsmarkt in der historischen Altstadt erfreut. Der Glühwein wird in Keramik-Stiefeln ausgeschenkt, die Bratwurst hat Bio-Qualität und in den Fachwerkgassen kann man prima verstecken spielen.

Das Fazit: Komödie der Irrungen sein lassen, Connecting People ansehen, zumindest in der Premiere gab es auch Brezeln und Bier für die Zuschauer, und der Weihnachtsmarkt in Hattingen ist zwar wie jeder andere auch, hat aber die schönste Kulisse.

Land plant Entlastungen für Pleite-Städte

Die Oberhausens, Hagens und Waltrops des Landes dürfen hoffen: Das Land arbeitet an einem Rettungskonzept für Pleite-Städte.

Landtag NRW. Foto: nrw.de

Nach unseren Informationen plant das LAnd NRW einen Rettungsfonds für Pleite-Städte. So soll die Lebensfähigkeit von Kommunen gesichert werden, die unter dem Nothaushaltsrecht des Landes stehen. Auch Städte wie  Hagen, die ihre schlechte Haushaltssituation unter anderem durch Zockergeschäfte mitverursacht haben, könnten so wieder Luft zum Atmen bekommen. Durch das Geld des Landes soll vor allem sichergestellt werden, dass Kommunen den Eigenanteil aufbringen können, den sie benötigen, um Fördergelder zu erhalten. Städte die seriös gehaushaltet haben lernen nun: Sparen lohnt sich nicht.

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Merkels Reise ohne Wert

Der Klimaschutz ist eine prima Sache: Um beim Wahlvolk zu punkten, holt man ihn aus dem Schrank und wenn es wirtschaftlich eng wird, dann kommt er da wieder rein. So verfährt auch Angela Merkel.

Medienwirksam ließ sich die Bundeskanzlerin an den Nordpol schippern, um den Eisbergen beim abtauen zuzuschauen. Sie war dann auch gleich ganz schockiert und kündigte an, sich stärker für den Schutz unserer Umwelt einzusetzen. Klimaschutz müsse stärker im Bewusstsein der Bürger verankert werden, lautete die Parole nach der Bootstour im August vergangenen Jahres. Jetzt kippt Merkel das Thema Klimaschutz über Bord, die Wirtschaft geht vor. Der „Bild“-Zeitung sagte die Kanzlerin: „Der EU-Gipfel wird keine Klimaschutz-Beschlüsse fassen, die in Deutschland Arbeitsplätze oder Investitionen gefährden. Dafür werde ich sorgen.“

Zwischen Merkels Nordpolreise und heute hat sich einiges in der Welt verändert. Teile der Wirtschaft wie das Bankenwesen oder die Automobilindustrie sind kollabiert oder stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Staat – also wir – machen Milliarden locker, um die Konzerne vor dem Aus zu retten. Rund läuft es weiterhin bei den Unternehmen aus den Bereichen der Erneuerbaren Energien, die Branche weist weiterhin hohe Zuwachsraten aus. Auch dafür schießen wir Bürger eine Menge Geld zu: Subventionen beim Aufbau neuer Werke und durch höhere Strompreise.

Ich bin kein Freund von staatlich regulierter Wirtschaft. Da soll er die Rahmenbedingungen vorgeben und sich sonst raushalten. Aber wenn schon weite Teile der deutschen Industrie am staatlichen Tropf hängt, dann muss man die Chance nutzen, die Wirtschaft auf eine neues Fundament zu stellen. Nie zuvor hatte eine Bundesregierung diese Durchgriffsmöglichkeit wie heute. Doch Merkel nutzt diesen Spielraum nicht. Sie reagiert mit dem alten Reflex, den leider viele Konservative inne haben: Halte am Bewährten fest.

Damit liegt sich leider falsch. Unsere Industrie hat sich nicht bewährt, sie hat versagt. Und damit ist es an der Zeit, neue Wege zu beschreiten. In der Umweltschutztechnik liegt die Zukunft, das ist ein Exportschlager. Windkraftmühlen und Solaranlagen werden von Deutschland aus in alle Welt verkauft. Firmen wie Q-Cells (Solar) und Enercon (Windkraft) spielen weltweit in der ersten Reihe mit. Selbst Konzerne wie Bosch und Siemens haben dies erkannt und investieren massiv in das Geschäft. Natürlich verkauft Siemens auch Kohlekraftwerke, aber die sind deutlich effektiver und damit wirtschaftlicher und weniger umweltschädlich wie Anlagen anderer Hersteller.

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt gibt es noch ein weiteres Argument für einen neuen Kurs. Wir haben nur diese ein Welt; und wie es um diese steht, kann man am Nordpol sehen. Wenn man denn richtig hinschaut.

Klink: Nur nicht anecken

Gleich hält RVR-Chef Klink seine Rede vor dem Ruhrparlament: Ihre Überschrift: "Zukunft des RVR"

Visionäres hat ohnehin kaum jemand von Heinz-Dieter Klinks Rede erwartet – und diese eher geringe Erwartungshaltung enttäuscht Klink nicht: Vor allem ist seine Rede, deren Manuskript mir vorliegt, geprägt von Rücksichtnahme auf die Städte. Was ist das Ruhrgebiet?  Klink: "„Metropole Ruhr“ ist in diesem Sinne keine allein administrative Einheit, schon gar keine hierarchische Begriffskategorie einer Überordnung der Region gegenüber den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets, es ist auch keine einfache Addition der kommunalen Potentiale, sondern „Metropole Ruhr“ ist eine politische Strategie, die die Qualitäten, Dynamiken und Perspektiven der Kommunen der Region durch Vernetzung und gemeinsame Profilschärfung in einen größeren Bezugsrahmen stellt, der auch externer Aufmerksamkeit sicher sein kann. So verstanden, kann und will Metropole Ruhr ihre Städte nicht ersetzen, sondern gestaltet eine gemeinsame Qualität von Urbanität, ein Mehr gegenüber den Teilen, aber ein Nichts ohne ihre Teile."
Naja, für mich ist das Ruhrgebiet allemal eine hierarchische Begriffskategorie, es steht über den Städten  – wäre es anders, man müsste sich noch nicht einmal die Mühe geben, es zu benennen – und schon gar nicht mit dem immer etwas peinlichen Begriff Metropole, den Klink in seiner Rede ständig verwendet.

Klink eiert, wo er Position beziehen müsste – zum Beispiel beim Thema Nahverkehr, einem der großen Probleme der Region und einer, bei der das Versagen der Städte, die nach belieben kooperieren könnten und es dennoch kaum tun, offensichtlich ist. Klink kritisiert nicht das Versagen der Kommunen und ihrer Nahverkehrsunternehmen – sondern das Land, dass den Kommunen noch immer das Recht, den Nahverkehr zu organisieren überlässt – allerdings auf etwas schwurbelige Art:

"So gibt es z.B. nur für den Teilbereich des Schienenpersonennahverkehrs eine ausgewiesene regionale Kompetenz, die beim VRR liegt. Dies behindert aktuell noch die Entwicklung und Durchsetzung von Gesamtkonzepten für den ÖPNV in der Metropole Ruhr. Die Stadtgrenzen stellen leider immer noch zu oft auch Attraktivitätsgrenzen für den ÖPNV dar. Der Verband ist dennoch gewillt in diesem Bereich, regionale Aktivitäten zu inszenieren. Seine Tochter – die Wirtschaftsförderungsgesellschaft – hat hier bereits Vorarbeiten geleistet."

Die Vorarbeiten waren ein Gutachten, und das Papier seiner eigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft hätte Klink vielleicht einmal lesen sollen – es stellt dem ÖPMV in der Region ein verheerendes Zeugnis aus.

Und dann ist da noch die Planung. Klink wollte sie nie, seine Partei, die SPD, wollte nicht, dass der RVR sie bekommt, und jetzt ist sie da. Gut, dagegen sein kann er jetzt nicht mehr, aber nutzen will er sie auch nicht – am liebsten wäre Klink, man könnte die Schlüsselkompetenz gleich wieder an die Städte weiterreichen – die bei der Erstellung des Regionalen Flächennutzungsplan bekanntlich gepatzt haben:
"Hierzu zählt auch das Instrument des Regionalen Flächennutzungsplans. Die Kooperation der sechs Städte hat zu einer an Intensität kaum vergleichbaren interkommunalen Kooperation geführt, zu einer Einübung regionaler Konsensfindung beigetragen und so einen hohen regionalen Mehrwert erzeugt.
Deshalb habe ich mich bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Landesplanungsgesetzes dafür eingesetzt, die Kommunalisierung der Regionalplanung künftig gesetzlich stärker zu verankern. Hier sind wir leider nicht durchgedrungen. Ich sehe daher eine vordringliche Aufgabe des Verbandes darin, in den kommenden Wochen und Monaten und insbesondere im Dialog mit dem Land zu erreichen, die kostbare ruhrgebietsspezifische Planungskultur in  die Regionalplanung zu integrieren."

Die Rede ist lang – sehr lang (hier klicken, wer das alles lesen will). Das Wichtigste kennt ihr jetzt ja schon.

Wie die Rede ist? Ich bin positiv überrascht. Kein Wort gegen die Pläne des Landes, einen eigenen Bezirk-Ruhr zu schaffen, (damit hatte ich fest gerechnet) und an einer Stelle fordert er sogar weitere Kompetenzen vom Land ein. Aber Klink nimmt ansonsten zu viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Städte und weigert sich, für den RVR eine zentrale Rolle für das Revier einzufordern. Es fehlt jede Idee für das Ruhrgebiet, es ist kein Mut in dieser Rede und kein Wille zur Gestaltung. Für Klink ist es eine gute Rede. Für das Ruhrgebiet ist sie – wie Klink – nicht gut genug.