Die Konjunkturflaute geht nicht spurlos an den Verlagsfirmen vorbei. Das ist bekannt, aber wir sollten uns nun Gedanken darüber machen, wie sich die Glaubwürdigkeit einer Publikation retten lässt.
Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Meldungen über Stellenstreichungen und Umbauten aus deutschen Medienkonzernen an die Öffentlichkeit dringen. Direkt vor der Tür sehen wir die Einschnitte bei der WAZ-Gruppe, hoch im Norden haben wir den Kahlschlag bei der Wirtschaftspresse von Gruner und Jahr (G+J). Auch bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kreist der Hammer. Es gibt wohl kaum eine Medium, dass nicht Federn lassen muss.
Diese Kahlschlagpolitik gab es schon früher, dieses Mal setzen die Verleger das Messer aber tiefer an, es geht ans Eingemachte. Von der Krise der New Economy haben sich die Verlage kaum erholt; es gibt keinen Speck von dem die Branche zumindest eine Zeit lang leben kann. Wie die Radikalkuren bei der WAZ und auch bei G+J zeigen, geht es nicht mehr darum, Renditen zu sichern, es geht ums nackte Überleben. Jeder, auch die WAZ-Führung weiß, dass sie ihre Produkte gefährdet, wenn sie ein Drittel der Belegschaft auf die Straße setzt.
Über das Drama und die Ungerechtigkeit will ich gar nicht reden. Wie auch andere Journalisten weiß ich, was es bedeutet, wenn der Job zur Disposition steht. Auch meiner könnte es. Schieben wir also die Jobproblematik einen Moment lang zur Seite.
Reden wir mal über die Autorität der Branche. Damit meine ich das publizistische Gewicht, dass etwa eine FAZ, SZ oder das Handelsblatt haben. Wird in einem dieser Zeitungen – und zum Glück auch bei vielen anderen – etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein anderer Politiker oder Wirtschaftsführer kritisiert, dann muss sich die Person damit auseinandersetzen. Keine von ihnen kann sich über einen solchen Bericht oder Kommentar einfach hinweg gehen. Er oder sie muss dazu Stellung beziehen, sich rechtfertigen. Das geht nur, weil diese Zeitungen eine hohe Glaubwürdigkeit haben. Bei dem normalen Leser auf der Straße wie auch bei den Führungskräften.
Und diese Glaubwürdigkeit steht nun auf dem Spiel. Und das nicht nur, weil Arbeitsplätze bei den Medien gestrichen werden. Es geht um das wie. Und das finde ich erschreckend.
Schauen wir uns G+J an: Allen Mitarbeitern bei den Magazinen Capital, Impulse und Börse Online wurde gekündigt, einige von ihnen sollen in Hamburg mit den Kollegen von der Financial Times Deutschland in einer zentralen Wirtschaftsredaktion gebündelt werden. Von dort sollen dann die drei Magazine und die lachsfarbene Zeitung mit Nachrichten beschickt werden. Diese Strategie der G+J-Verantwortlichen ist nicht nur absurd naiv, sondern vor allem unwürdig. Halten wir uns vor Augen: Gerade die Kollegen vom Capital waren so gut, dass die Telekom sie bespitzeln ließ. Als das im Mail rauskam, hat G+J Strafanzeige gestellt und sich als Moralapostel in Sache Pressefreiheit aufgeführt.
Nehmen wir die Süddeutsche Zeitung: Das Blatt wettert über den Stellenabbau bei der Telekom. Zuletzt musste sich Konzernchef René Obermann bei einem Besuch in der Münchener Redaktion wegen dem Abbau in seiner Firma dafür grillen lassen, wie mir ein Kollege erzählt. Eine Woche später gibt die SZ-Führung einen Stellenabbau im eigenen Hause bekannt.
Mit solchen Aktionen gefährden G+J und auch die SZ ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Hauptasset. Denn welchen Wert hat ein Kommentar einer G+J-Publikation etwa zur Pressefreiheit und welche Autorität hat die SZ nun noch in Fragen Arbeitsplatzsicherung?
Mit solchen Aktionen verspielen die Verlagshäuser die publizistische Autorität ihrer Titel und das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land steckt in der Krise, kaum einer weiß wo es langgeht. Die Politik lanciert ein Rettungspaket nach dem nächsten. Da wird viel Steuergeld aufgewendet. Gerade in einer solchen Zeit ist eine kritische Begleitung durch Leitmedien wie die SZ und FAZ gefragt. Also bitte liebe Verlagschefs: Streicht vielleicht mal einen Arbeitsplatz, wenn es nicht anders geht. Aber verhaltet euch dabei gesittet, auch im eigenen Interesse. Denn ist ein Titel erst einmal vor die Wand gefahren, dann macht man aus ihm nie wieder eine publizistische Macht.