Wirtschaftserfolg in Dortmund

Der Discounter TEDi will seinen Verwaltungsstandort in Dortmund zur Europazentrale ausbauen. Insgesamt sollen vor Ort 650 zusätzliche Arbeitsplätze in der Logistik, im kaufmännischen Bereich und in der Informationstechnologie entstehen – das teilte die Stadt Dortmund gerade mit. Das Land NRW hat nach Angaben der Stadt Dortmund "grünes Licht" für die Vergabe von Mitteln aus dem regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm gegeben. "Die dauerhafte Ansiedlung von TEDi ist eine gute Nachricht für den Logistikstandort Nordrhein-Westfalen", sagte NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Die Zentrale von Tedi ist die zweite große Logistikansiedlung aus dem Handel in Dortmund nach dem Bau des IKEA-Großlager.

Während sich Dortmund über den Erfolg freuen kann und erneut Steuergelder von einem Schwerreichen Handelshaus privatisiert werden, drängt sich die Frage auf, was ist eigentlich mit den anderen öffentlich geförderten Logistikstandorten? Vor allem der in Herne ansässigen Initiative Last Mile Logistik Netzwerk? Immerhin wurde das Projekt von 2006 bis 2008 mit 550.000 Euro aus Mitteln des NRW-EU-Programms für Ziel 2-Gebiete gebuttert, ungefähr die gleiche Summe sollte von Sponsoren eingesetzt werden? Passiert da auch was? Oder ist das Konzept der überall verstreuten Logistikcluster gescheitert?

Update: WAZ ohne DPA

Heute erschien die WAZ zum zweiten Mal fast ohne DPA-Meldungen im Mantelteil. Auch die dpa-Fotos wurden nicht mehr abgedruckt.

Fast der gesamte Mantelteil der WAZ kam heute wieder ohne DPA-Meldungen aus. Nur eine dpa-Meldung tauchte auf Seite 6 auf über zwei erschossene irakische Politiker. Keine Ahnung, ob das eine echte dpa-Meldung war, oder jemand die Meldung falsch ausgezeichnet hat. Fast alles hatte die WAZ-Redaktion in Eigenarbeit geschrieben. Ausnahme: Einige kleine Meldungen von Agenturen wie DDP oder AFP. Die Fotos waren auch alle entweder von kleineren Agenturen, von ddp oder eigenen Fotografen. Bereits gestern hatte die WAZ den ersten Testlauf ohne dpa gemacht.

Die Kollegen von DPA befürchten, dass sich die WAZ-Printausgaben komplett von DPA verabschieden könnte und die größte deutsche Nachrichtenagentur künftig nur noch für DerWesten zuliefern darf. Das Problem dabei: Auf diesem Weg könnten die WAZ-Printredakteure den Nachrichtenfluss von DPA weiter verfolgen, dafür weniger bezahlen und die relevanten Meldungen kurz für das Blatt nachschreiben.

Kleiner Nachtrag: Warum tut die WAZ-Führung ihrer Zeitung dies an? Die Zeitung ist heute nicht besser, die Mannschaft musste sich stattdessen mit dem Kleinkram rumschlagen. So gelangte gestern auf die prominente Seite 3 die Kurzmeldung, dass auch in diesem Jahr "Weihnachten in Bottrop" ist. Knaller-Meldung – richtig platziert? Jau, da steht, dass gleich drei Tage lang 60 Buden vor dem Rathaus stehen. WOW. Heute war im Wirtschaftsteil eine nahezu sinnfreie Meldung über eine Agentur zu finden, die zu einer Informationsveranstaltung für Lehmann-Anleger einlädt. Man könnte auch sagen, die Meldung war eine schlecht abgeschriebene Pressemitteilung. 

Neuer Trend bei der SPD: Datenschutz unterliegt Fraktionsdisziplin

Jörg Tauss, Fraktionsbeauftragter für Datenschutz der SPD-Bundestagsfraktion hat die Brocken hingeworfen. Laut heise.de hat der baden-württembergische Abgeordnete nach einem Gespräch mit der Fraktionsspitze, namentlich Peter Struck, seinen Job als Koordinator für Datenschutzfragen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion niedergelegt. Auch seinen stellvertretenden Sitz im Innenausschuss des Bundestages soll der Datenschutzexperte zurückgegeben haben.

Foto: tauss

Das ganze bekommt insofern ein Geschmäckle, da Tauss im Bundestag bei der Abstimmung zum neuen BKA-Gesetz, das nach dem Willen der großen Koaltion zukünftig Online-Durchsungen zulassen und den Schutz von Geheimnisträgern einschränken sollte, seine Zustimmung verweigerte. Letztlich scheiterte das Gesetz im Bundesrat. Tauss hatte für sein Ausscheren aus der Fraktionsdisziplin Gründe. Seine Weigerung, in Sachen BKA-Gesetz Struck und Schäuble zu folgen, mag ihn nun seine Zuständigkeiten gekostet haben. Dass er seinem Nachfolger Michael Bürsch zukünftig in Sachen Datenschutz zuarbeiten solle, soll Tauss vor seinen Fraktionskollegen folgendermaßen kommentiert haben: "Dies bedeutet inhaltlich, dass wir uns in Sachen Datenschutz weiterhin von Herrn Schäuble und der Union die Agenda diktieren lassen."

Und dass sich die SPD-Fraktion im Bundestag mit dem Tauss-Nachfolger Michael Bürsch einen relativ unbedarften "Experten" an Land gezogen hat, zeigt einerseits, wie wichtig den Sozialdemokraten die Datenschutzproblematik ist. Und anderseits, wie wenig Komptenz in dieser Sache überhaupt innerhalb der SPD-Fraktion vorhanden ist. Dabei soll Datenschutz doch gerade im Moment ein Topthema sein. Und Herr Bürsch hat den Datenschutz erst in diesem Jahr für sich neu entdeckt. Neben anderen wichtigen Sachen.

Arcandor-Chef Middelhoff fliegt

Foto: Flickr.com / wef

Der Handels- und Touristikkonzern Arcandor trennt sich von seinem Namensschöpfer: Thomas Middelhoff nimmt seinen Hut – Nachfolger wird Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick, wie aus dem Unternehmen zu hören ist.

Die Mitarbeiter des Essener Konzerns können zur Abwechslung mal beruhigt aufatmen: Mit dem Wechsel an der Vorstandsspitze dürfte Ruhe in das Unternehmen einkehren. Middelhoff hat der Gesellschaft eine Roßkur ausgesetzt, die aus meiner Sicht sehr hart ausgefallen ist. Viele Freunde habe er sich auf jeden Fall nicht gemacht, heißt es im Konzern.

Ganz anders Eick: Der Schwabe gilt als menschlich integer und als einer, der auch mit den Gewerkschaften einen guten Draht aufbauen kann. So bewiesen zuletzt bei der Ausgliederung von rund 50000 Telekom-Mitarbeiter in konzerneigene Servicegesellschaften. Dort verdienen sie weniger, was im vergangenen Jahr zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaft und Telekom-Führung führte. Die Verdi-Vertreter bescheinigen Eick aber, dass er sehr respektvoll verhandelt und auf unnötige Provokationen verzichtet habe.

Und Middelhoff? Tja, der verkaufte alles, was irgendwie Wert hatte. Allen voran die Immobilien. Seine Order war klar. Die Großaktionärin Madeleine Schickedanz verlangte von ihm eine Steigerung des Unternehmenswerts. Der Plan misslang, die Aktie stürzte ab. Zuletzt war das Unternehmen noch weniger als 500 Millionen Euro wert – seitdem bekannt wurde, dass Eick den Konzern künftig führen wird, legte die Aktie um über 13 Prozent zu.

Auf Eick wartet nun eine schwere Aufgabe; vordringlichstes Ziel ist nun, dass Vertrauen der Investoren zurückzulegen. Für die Aufgabe dürfte es kaum einen geeigneteren Kandidaten geben. Trotz des Niedergangs der T-Aktie genoss der 54-Jährige das Vertrauen der Analysten.

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DPA macht Witze!

Foto: Flickr.com

DPA-Meldung, 2.12.08, 15:02:19:

Berichtigung: Resolution statt Revolution) (Zusammenfassung 1330) Bärbel Höhn will NRW-Grüne erneut in den Bundestagswahlkampf führen

Düsseldorf (dpa/lnw) – Nordrhein-Westfalens frühere Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) möchte ihren Grünen- Landesverband im nächsten Jahr erneut in den Bundestagswahlkampf führen. Beim Grünen-Landesparteitag in Krefeld bewirbt sich Höhn am Samstag um Platz eins der Landesliste. Die 56-jährige Vize- Vorsitzende der Bundestagsfraktion habe keinen Gegenkandidaten, berichtete Landesparteichef Arndt Klocke am Dienstag in Düsseldorf. Es sei aussichtsreich, die Zahl der Bundestagsmandate nordrhein- westfälischer Grüner von der derzeit zehn auf 14 ausbauen zu können.

Neben der Listenwahl soll der Parteitag am Wochenende eine Resolution (vorher: Revolution) gegen ein geplantes Krefelder Kohlekraftwerk verabschieden. Damit wollen die Grünen dokumentieren, dass sie neue Kohlekraftwerke aus klimapolitischen Gründen ablehnen.

Neue Ermittler im NRW-Umweltministerium

Schink ist der Mann links. Gerüchte sagen, die anderen Männner wollen nicht mehr mit dem Stase Schink gesehen werden, deswegen sind sie unkenntlich gemacht.

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg hat ein Problem. Und zwar misstraut der Minister seinem eigenen Haus. Wie jetzt bekannt wurde, hat Uhlenbergs Hausadlatus, Staatssekretär Alexander Schink einen neue „Innenrevision" eingerichtet. Diese Abteilung soll seit gestern für die Bekämpfung der Korruption im NRW-Ministerium zuständig sein. Die neue Abteilung soll direkt an Schink berichten. Und allen Lecks nachspüren, aus denen das Umweltministerium leidet. Haus intern heißt es dazu, Schink wolle sich damit selbst zum Chefermittler machen. Die Innenrevision ist mit normalen Ministeriumsangestellten besetzt.

Warum ist das ungewöhnlich? Bislang hatte das Ministerium bereits einen Korruptionsbeauftragten. Dieser ist ein renommierter Staatsanwalt, der sich in den Müllverfahren einen Namen gemacht hat. Er war Mitglied der damaligen Task Force Korruption im Innenministerium und gilt als einer der versiertesten Ermittler in NRW, wenn es um Schmiergeld geht. Doch genau dieser Mann ist nicht Mitglied der neuen Innenrevision des Ministeriums. Genauso wenig wie sein Mitarbeiter in der bisherigen Korruptionsabteilung des Umweltministeriums. Dieser ist ein ehemaliger Polizeibeamter, der sich ebenfalls mit der Materie und den Aufgaben eines Ermittlers sehr gut auskennt.

Aus dem Ministerium heißt es dazu: Schink traue den unabhängigen Ermittlern nicht.

So hat der Staatssekretär auch nicht bei den Korruptionsanzeigen gegen den ehemaligen Abteilungsleiter Harald F. die hausinterne Korruptionsstelle eingeschaltet, bevor er sich an das Landeskriminalamt gewendet hat. Wozu auch? Die erfahrenen Männer hätten ihm ja die Gerüchte ausreden können, die Schink beim LKA verbreiten lassen wollte.

Denn dies hat der Staatssekretär im Namen seinen Herrn Uhlenberg (CDU) tatsächlich getan. Er hat nach eigenen Angaben im Haus herumschwirrende Gerüchte ans LKA weitergetratscht. Und damit Arbeitsplätze vernichtet und mehrere Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht.

Das Ministerium sagt, die neue Innenrevision sei lange geplant gewesen. Und das wird auch intern bestätigt.

Die neue Abteilung unter Stase Schink ist in meinen Augen der Versuch, die totale Kontrolle im Ministerium einzurichten. Falls es jemand noch nicht weiß: Wer im Ministerium einen Kaffeemaschine aufstellen will, braucht eine Genehmigung, und Radiohören ist auch prinzipiell verboten.

Apropos Gerüchte, wie sie Schink gerne verbreitet: Ich hätte auch noch eines. Aber das verschweige ich jetzt lieber.

Wie immer freue ich mich über Hinweise aus dem Ministerium. Ich bin immer unter david.schraven@ruhrbarone.de zu erreichen.

Oberhausen hat sich verzockt

Oberhausen ist pleite und sucht die Schuld bei anderen – zu Unrecht. Oberhausen hatte mehr Chancen als die meisten Städte im Ruhrgebiet.

In den 90er Jahren waren Tourismus, Freizeitwirtschaft und Medien die großen Heilsbringer. In einem viel höheren Maße als heute die Kreativwirtschaft setzten einige Städte auf diese Branchen. Vorreiter war Oberhausen. Polilisch perfekt vernetzt – der Oberhausener Sozialdemokrat Heinz Schleußer war Finanzminister unter Johannes Rau, erhielt die Stadt Mittel zum Strukturwandel die auch aus heutiger Sich atemberaubend wirken  – Über 100 Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln aus den unterschiedlichen Töpfen flossen in das Projekt HDO, das am Anfang weit mehr sein sollte als das Trickfilmzentrum, als dass es heute den meisten in Erinnerung ist: Bei HDO sollte das Fernsehen der Zukunft entwickelt werden: Hochauflösend und analog. Schon damals in den Augen vieler Experten nichts als reiner Unfug, denn spätestens seit dem Siegeszug der CD war klar, dass die Digitalisierung der Medien der zukünftiges Entwicklungspfand sein würde – Clement sah das allerdings anders und gehörte zu den Unterstützern von HDO – wie immer unbelehrbar und für den Steuerzahler mit verheerenden Wirkungen.

Doch der ganz große Wurf für Oberhausen sollte nicht das HDO werden sondern die Neue Mitte Oberhausen. Der aus den drei Teilen Alt-Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld 1929 zusammengefügten Stadt fehlte ein Zentrum: Dort lag die Gutehoffnungshütte. Als die in den 80er und 90er Jahren Betriebsteil für Betriebsteil schloss träumte man in der Stadt vom großen Wurf: Auf einer Fläche von 143 Hektar sollte eine Neue Mitte entstehen. Nach verschiedenen gescheiterten Anläufen wurde 1996 schließlich mit Fördermitteln von weit über 400 Millionen Euro das Centro angesiedelt. Auf dem Rest der Fläche sollte ein Projekt Namens O.Vision entstehen.
Um das Centro herum sollten sich zudem zahlreiche Unternehmen ansiedeln und die große Brachfläche mit neuem Leben erfüllen – und Jobs bringen. Alleine im Centro sollten 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Die Rechnung ging nicht auf – zwar war das Centro ein Erfolg, aber nur gut 5000 neue Jobs sind entstanden – gut die Hälfte davon in Teilzeit. Sie wurden erkauft durch einen massiven Jobverlust in den traditionellen Zentren Oberhausens und seinen Nachbarstädten.
2500 Vollzeitjobs für fast 500 Millionen Euro Förderung – keine wirklich gute Bilanz.

Und neben den Jobs fehlen Oberhausen die Steuereinnahmen – deshalb ist die Stadt heute mit 6759 Euro pro Einwohner die am höchsten verschuldete Stadt in ganz NRW. Sie hat auf das falsche Pferd gesetzt. Die Situation wäre heute noch schlimmer, wenn das Land bei den Plänen zum Gesundheistpark O.Vision, für den es nie ein vernünftiges Geschäftsmodell gab, 2006 auf die Bremse getreten hätte. Eine der Hauptverantwortlich hatte das zu diesem Zeitpunkt längst erkannt: Burkhard Drescher, erst Stadtdirektor und später OB Oberhausens trat 2005 nicht mehr an und wechselte in die Privatwirtschaft. Heute ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der GAGFAH Group, einer Immobilienverwaltung im Besitz der Fortress Investment Group. Als er ging galt er vielen als ungeschlagener Held des Struktutwandels.
Und anstatt nach den Fehlern im eigenen Handels zu suchen, macht sein Nachfolger Klaus Wehling alle für das Scheitern der Stadt verantwortlich, nur nicht diejenigen, die auf das falsche Pferd gesetzt haben. Perl-Online vermutet gar eine Intrige der Landesregierung. Klar, die Finanzlage der Städte ist prekär, für viele Belastungen können sie nicht, aber Oberhausen gehört zu den Städten, die sich erst einmal an die eigene Nase fassen sollten.

3 FÜR 7 – Pophorror-Special

Nehmen wir die Verleihung der EinsLive Krone (genau, das muss man eigentlich schon GROSS schreiben, diesen Markennamen – macht ja schon wieder richtig SPASS) zum Anlass, einmal brutal nur so etwas wie Konzerte abzufeiern hier. Es kommen ja auch genug Drogenwrackgladiatoren in die Gegend, gesäumt von einer Schar Werbestrategen und Abgesandten der Generation MedienPraktikum, um uns Büroschnecken ein wenig Pfeffer in den Eintopf zu schütten – oder einfach nur hübsche Flausen in die Arbeitsbienenwaben zu schmuggeln. Feierabendhalbstarke aufgepasst, hier kommt die Dosis garantiertes Unangepasstheitsgefühl!

Heroin (, aber nicht nur): Doherty. Redet gerne von Albion als seinem persönlichen Nirvana. Und die Babyshambles spielen dann manchmal doch nicht. Katastrophentouristen mit Vorliebe für durchgeknallte Vollrebellen-Kuscheltiere wie sie auch Kate Moss kurz mal mag schmücken sich mit den wilden Herren am Sonntag (wahrscheinlich) in der Düsseldorfer Philipshalle.

Liquid Ecstasy? Prozac? Was hat eigentlich diese Mieze zu der Frontfrau von Mia. gemacht? Und redet man bei den Ärzten eigentlich überhaupt noch von Drogen oder Rock‘ n‘ Roll (wenn schon nicht von Punk-Attitüde)? Diese und andere Exponate des deutschen Schlagers von gestern stehen neben den voll-weißen Schneefarbenen von Polarkreis 18 jedenfalls bei oben genannter Krone mal wieder in der ersten Reihe der Gerngenannten, und alle Gäste werden mal wieder nicht über die Entlassungen in der Musikbranche reden – oder gar darüber, wie Deutschland immer noch Jahrzehnte zurückhängt – sondern über vorbildliche Beispiele klugen Marketings und wohl auch über die Sinnhaftigkeit von Lokalsendern. Prima! Ab in die Bochumer Jahrhunderthalle am Donnerstag!

Alkohol. Koks? Und bestimmt auch andere Chemie und ein wenig Kiffe: Deichkind. Mit glänzenden Augen erzählen immer noch Leute davon, wie die Prollelectrorockhopper das Publikum bei einem Juicy Beats gleichzeitig geschüttelte Bierdosen öffnen ließen. Da muss man wohl dabei gewesen sein. Welch hedonistisch Verschwendung! Uiuiui! In der Dortmunder Westfalenhalle wollen wir am Samstag eine klare Steigerung sehen. Sonst hätten die Jungs ja ihre wildeste Zeit schon hinter sich und müssten Solokarrieren angehen. Schlimm genug übrigens, dass Ferris MC jetzt im Line-Up ist. Naja.

Das sind alles im Grunde keine Tipps sondern Hinweise zum weiträumigen Umfahren, deshalb auch keine Kurzfassung am Ende diesmal. Aber, ne: Machen Sie doch was Sie wollen.

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Oh Gott, die Orchester streiken!

Die Krise hat das Ruhrgebiet voll im Griff: Opel vor dem Kollpas, ThyssenKrupp will einsparen, die WAZ plant Entlassungen – und jetzt streiken auch noch die Orchester.

Bochumer Symphoniker Foto: BoSy

In Dortmund haben sie es schon getan:Schockierte Zuschauer mussten am Freitag erleben, dass es statt der Aufführung von „Im weissen Rössl“ nur Flugblätter  und Erklärungen gab. Das Dortmunder Orchester war in den Streik getreten. Eine ähnliche Klassik-Krise bahnt sich auch in Bochum an: Dort drohen die Philharmoniker damit, die Bratsche in die Ecke zu werfen und zur Schalmei des Klassenkampfes zu greifen. In Duisburg musste schon ein Orchester durch zwei Klaviere ersetzt werden.
Die Gründe sind nachvollziehbar: Statt Lohnerhöhungen gab es seit Jahren nur Applaus und der Tarifpartner Deutscher Bühnenverein will lieber mit dem einzelnen Orchester statt mit deren Gewerkschaft, dem Orchesterverband, verhandeln. Die Bochumer Symphoniker sind überdies noch sauer, dass in den vergangenen Jahren so viele Orchester geschlossen wurden.
Der Streik kann sehr lange dauern und wird den Arbeitgeber so wenig schockieren wie streikende Bergleute – jeden Tag, an dem die Orchester streiken sparen die Arbeitgeber Geld – sie müssen dann nicht mehr jeden einzelnen Konzertbesucher mit ein paar hundert Euronen subventionieren. Es würde sich sogar lohnen, jeden traurigen Kartenbesitzer dessen Konzert ausfällt auch noch zu einem opulenten Mahl einzuladen – alles billiger als ein Konzert.
Wollten die Orchester ihren Arbeitgebern wirklich drohen dann nicht mit Streik sondern mit Zusatzkonzerten, Matinees und einer Reihe hinterlistiger Kammerkonzerte – wie die Bergleute, deren Streik dieses Land über Jahrzehnte aushalten könnte – Überschichten hingegen die Haushalte ruinieren würden.
Im Pop-Bereich, der wirklichen Welt also, wo Musiker von dem Geld ihrer Hörer leben, habe ich bislang nichts von Streiks gehört – allerdings auch noch nie von Tarifen. Bands spielen brav auch vor halbleeren Hallen – es sei denn ihr Name ist Oasis.

Verleger verspielen Vertrauen

Die Konjunkturflaute geht nicht spurlos an den Verlagsfirmen vorbei. Das ist bekannt, aber wir sollten uns nun Gedanken darüber machen, wie sich die Glaubwürdigkeit einer Publikation retten lässt.

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Meldungen über Stellenstreichungen und Umbauten aus deutschen Medienkonzernen an die Öffentlichkeit dringen. Direkt vor der Tür sehen wir die Einschnitte bei der WAZ-Gruppe, hoch im Norden haben wir den Kahlschlag bei der Wirtschaftspresse von Gruner und Jahr (G+J). Auch bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kreist der Hammer. Es gibt wohl kaum eine Medium, dass nicht Federn lassen muss.

Diese Kahlschlagpolitik gab es schon früher, dieses Mal setzen die Verleger das Messer aber tiefer an, es geht ans Eingemachte. Von der Krise der New Economy haben sich die Verlage kaum erholt; es gibt keinen Speck von dem die Branche zumindest eine Zeit lang leben kann. Wie die Radikalkuren bei der WAZ und auch bei G+J zeigen, geht es nicht mehr darum, Renditen zu sichern, es geht ums nackte Überleben. Jeder, auch die WAZ-Führung weiß, dass sie ihre Produkte gefährdet, wenn sie ein Drittel der Belegschaft auf die Straße setzt.

Über das Drama und die Ungerechtigkeit will ich gar nicht reden. Wie auch andere Journalisten weiß ich, was es bedeutet, wenn der Job zur Disposition steht. Auch meiner könnte es. Schieben wir also die Jobproblematik einen Moment lang zur Seite.

Reden wir mal über die Autorität der Branche. Damit meine ich das publizistische Gewicht, dass etwa eine FAZ, SZ oder das Handelsblatt haben. Wird in einem dieser Zeitungen – und zum Glück auch bei vielen anderen – etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein anderer Politiker oder Wirtschaftsführer kritisiert, dann muss sich die Person damit auseinandersetzen. Keine von ihnen kann sich über einen solchen Bericht oder Kommentar einfach hinweg gehen. Er oder sie muss dazu Stellung beziehen, sich rechtfertigen. Das geht nur, weil diese Zeitungen eine hohe Glaubwürdigkeit haben. Bei dem normalen Leser auf der Straße wie auch bei den Führungskräften.

Und diese Glaubwürdigkeit steht nun auf dem Spiel. Und das nicht nur, weil Arbeitsplätze bei den Medien gestrichen werden. Es geht um das wie. Und das finde ich erschreckend.

Schauen wir uns G+J an: Allen Mitarbeitern bei den Magazinen Capital, Impulse und Börse Online wurde gekündigt, einige von ihnen sollen in Hamburg mit den Kollegen von der Financial Times Deutschland in einer zentralen Wirtschaftsredaktion gebündelt werden. Von dort sollen dann die drei Magazine und die lachsfarbene Zeitung mit Nachrichten beschickt werden. Diese Strategie der G+J-Verantwortlichen ist nicht nur absurd naiv, sondern vor allem unwürdig. Halten wir uns vor Augen: Gerade die Kollegen vom Capital waren so gut, dass die Telekom sie bespitzeln ließ. Als das im Mail rauskam, hat G+J Strafanzeige gestellt und sich als Moralapostel in Sache Pressefreiheit aufgeführt.

Nehmen wir die Süddeutsche Zeitung: Das Blatt wettert über den Stellenabbau bei der Telekom. Zuletzt musste sich Konzernchef René Obermann bei einem Besuch in der Münchener Redaktion wegen dem Abbau in seiner Firma dafür grillen lassen, wie mir ein Kollege erzählt. Eine Woche später gibt die SZ-Führung einen Stellenabbau im eigenen Hause bekannt.

Mit solchen Aktionen gefährden G+J und auch die SZ ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Hauptasset. Denn welchen Wert hat ein Kommentar einer G+J-Publikation etwa zur Pressefreiheit und welche Autorität hat die SZ nun noch in Fragen Arbeitsplatzsicherung?

Mit solchen Aktionen verspielen die Verlagshäuser die publizistische Autorität ihrer Titel und das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land steckt in der Krise, kaum einer weiß wo es langgeht. Die Politik lanciert ein Rettungspaket nach dem nächsten. Da wird viel Steuergeld aufgewendet. Gerade in einer solchen Zeit ist eine kritische Begleitung durch Leitmedien wie die SZ und FAZ gefragt. Also bitte liebe Verlagschefs: Streicht vielleicht mal einen Arbeitsplatz, wenn es nicht anders geht. Aber verhaltet euch dabei gesittet, auch im eigenen Interesse. Denn ist ein Titel erst einmal vor die Wand gefahren, dann macht man aus ihm nie wieder eine publizistische Macht.