Ärger in der Kulturhauptstadt

Ein gutes Jahr noch, dann ist das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas. Glaubt man der Studie von Jürgen Mittag, dem Geschäftsführer des Instituts für soziale Bewegungen, kommt auf das Ruhrgebiet tatsächlich ein Großereignis mit jahrelanger Strahlkraft zu – wenn die Region ihre Chance zu nutzen weiß. Das ist zumindest das Ergebnis von Mittags Studie „Die Idee der Kulturhauptstadt Europas“, die erstmals nicht nur die Geschichte sondern auch die Auswirkungen des Kulturhauptstadtjahres auf die einzelnen bisherigen Kulturhauptstädte untersuchte. Seit der Lektüre des Buches ist ein meine grundsätzlichen Skepsis gegenüber diesem Projekt geringer geworden.
Die letzten Tag, Wochen und Monate haben indes gute Gründe geliefert, sich doch ein paar Gedanken über den Zustand der hiesigen Kulturlandschaft zu machen und obwohl ich kein Kulturjournalist bin, ein paar Problem sind mehr als augenfällig und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie einer Region die sich darauf vorbereitet, Kulturhauptstadt Europas zu werden, gut tun.

Kulturhauptstadt 2010 – Hauptsache die Schilder stehen. Foto: RVR

Ich zähle einfach mal auf, was mir in letzter Zeit so aufgefallen ist – wer die Liste ergänzen möchte, kann es gerne tun.

–    In Essen steht die Zeche Carl vor dem Aus. Unabhängig von der Frage, ob sich soziokulturelle Zentren überlebt haben oder nicht, der Laden war einmal das umsatzstärkste soziokulturelle Zentrum Deutschlands und wird in der Essener Kulturlandschaft eine Lücke hinterlassen.
–    Der Aufsichtsrat der Essener Theater- und Philharmonie GmbH hat Michael Kaufmann, den Intendanten der Essener Philharmonie, fristlos entlassen. Das Defizit von 1,5 Millionen Euro war zu groß – die Zahl indes ist noch  ungeprüft und die Mitarbeiter protestieren gegen den Rauswurf ihres Chefs, der wohl ein anerkanntermaßen  gutes Programm gemacht hat.
–    Oliver Scheytt, der Kulturdezernent Essen wird 2010 nicht mehr als Kulturdezernent in Essen sein.
–    Elmar Goerden, der Intendant des Schauspielhauses Bochum, wird sich nicht um eine zweiten Amtszeit bewerben. Im Jahr 2010 wird es in Bochum – mitten im Kulturhauptstadtjahr einen Intendantenwechsel geben.
–    In Bochum gibt es Streit um das Viktoriaquartier – in die Marienkirche, direkt gegenüber dem Bermudadreieck, sollte eigentlich das Prinz-Regent-Theater einziehen. Nun sollen dort Kammerkonzerte stattfinden. Prinz-Regent-Theater-Chefin Sibylle Broll-Pape wurde von der Entscheidung überrascht und auch in der Kulturhauptstadtzentrale ist man darüber nicht glücklich
–    Evonik hat kein Interesse mehr, sich als Kultursponsor zu profilieren.
–    Der Regisseur Adolf Winkelmann will nicht mehr „Gründungsintendant“ des U-Turms in Dortmund sein.
–    Trotz aller Beteuerungen von Dieter Gorny über die Bedeutung der Kreativwirtschaft für das Revier ist die Realität eher trist.

Sorry, aber Aufbruchstimmung sieht irgendwie anders aus. Ein wenig scheint es so zu sein, dass der Gewinn des Titels das eigentliche Ziel gewesen ist – und jetzt niemand so recht weiß, was man den damit anfangen soll. Die Anfangs erwähnte Studie von Mittag sagt übrigens auch, dass es keinen Automatismus in der Frage der Kulturhauptstadt gibt. Profitiert haben immer nur die Städte (wie Glasgow 1990, was wohl das Vorbild des Ruhrgebiets ist), die sich stark und mit Mut für das Projekt engagiert haben. Gab es im Vorfeld vor allem Streit und Kompetenzgerangel, wie in Patras, der Kulturhaupstadt Europas 2004, wurde einfach nur ohne jeden Effekt (außer einer Blamage) eine Menge Geld verbraten.

3 für 7 – Die Veranstaltungen der Woche

Endlich Herbst! Allerorten packen Menschen ihre Badehosen wieder ein und erinnern sich ihres anderen Selbst als Kultur- und Politikinteressierte. Für die Ruhrbarone bedeutet dies natürlich zum einen Klicks bis zum Abwinken – nicht zuletzt dank dieser hochwertigen wöchentlichen Kolumne – zum anderen die Gelegenheit, sich so richtig ehrenwerten Häusern der Gegend gegenüber mal absolut gönnerhaft zu zeigen. Heute der Lichtburg, dem Aalto und dem Landschaftspark.

Deutschlandpremiere eines Kinofilms in Essen. Das bedeutet hier was, und die Filmfreunde und Bunte-Leser scharen sich um den roten Teppich. Ist das so? Nun, jedenfalls gilt das Augenmerk (der Kameras) auch beim Start von „Krabat“ sicher wieder dem anwesenden Schaupielervolk. Kommt Stadlober? Die Thalbach? Und wie hübsch ist eigentlich Paula Katenberg wirklich? So etwas halt. Der Film, der eigentliche Star also, spielt im späten Mittelalter und ist eine Verfilmung des Romans von Ottfried Preußler. Schauplatz ist eine alte Mühle um die herum sich natürlich extreme menschliche Dramen abspielen. Regiesseur Marco Kreuzpaintner setzt auf Atmosphäre und einige Zitate aus der Filmgeschichte und spielt bei aller Historizität die gute alte „Magie“-Karte ohne mit der Wimper zu zucken.

Christoph Schlingensief (Foto: Aino Labernez) reformiert seine Church Of Fear in Duisburg. Premiere war schon, die Kritik erscheint hier am Mittwoch. Also bleibt auf die weiteren Termine (unten) hinzuweisen und zu erzählen, wie der Autor dieser Zeilen von der RuhrTriennale hören durfte dass der Vorzeige-Mülheimer im Vorfeld mehr als dreimal das Gesamtkonzept umgeworfen hat. Dann schließlich suchte er per Anzeige nach „exotisch aussehenden Frauen“ für sein Triennale-Stück „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“. Aha, soso. Und ansonsten redet er etwas viel über Tod und Religion zur Zeit, oder? Naja, er wird halt auch zuviel danach gefragt. Genau: Christoph Schlingensief ist Nick Cave. 

Nun schnell was Amtliches: Jubiläumskonzert „20 Jahre Aalto-Theater“. Da werden durch den Besuch allein Karmapunkte in Ehrenwertenhausen gemacht auf dass die Beförderung nur eine Frage der Zeit sein kann. Und die Söhne und Töchter spielen Prinz und Prinzessin. Ein wunderbarer „Event“ also, vom Programm her geht es eher „á la casa“ zu mit dem Aalto Ballett Theater, den Philharmonikern, dem Opernchor und Gesangssolisten. Aber seit der „Spiegel“ sein Herz endgültig für das (Anzeigengeld aus dem) Ruhrgebiet entdeckt hat, ist das Opernhaus ja sogar vor Lob wie „Aufstieg in die Champions League der europäischen Opernszene“ nicht sicher. Da freuen sich doch alle, bestimmt auch der RWE.

Im Überblick:
Deutschlandpremiere von „Krabat“ in der Lichtburg: Dienstag, 23. September, 20 Uhr.
“Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ von Christoph Schlingensief in der Gebläsehalle des Landschaftsparks: Dienstag, 23. September, ab 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen zur selben Uhrzeit: 25., 26. und 28. September.
Jubiläumskonzert „20 Jahre Aalto-Theater“: Donnerstag, 25. September, 19.30 Uhr.

Weseler Posse um Radioreporterin

Eigentlich ist die Geschichte eine kleine Anekdote aus dem Lokalgeschäft. Die Tochter des Weseler Chefs der CDU-Kreistagsfraktion ist eine Radioreporterin. Die jobbt beim lokalen Sender RADIO KW. Dort ist sie als faire, engagierte Frau bekannt. Politisch interessiert, warum auch nicht. Das politisch wichtigste Thema im Kreis ist derzeit der mögliche Austritt aus dem Regionalverband Ruhr (RVR). Als der Kreisausschuss in Vorbereitung zum Kreistag über diese Frage beraten wollte, ging die Reporterin hin,um zu berichten. Das aber mißfiel dem amtierenden SPD-Landrat Ansgar Müller. Er rief in einer Sitzungspause bei der Chefredaktion von Radio KW an und erkundigte sich, was die Tochter des CDU-Kollegen da überhaupt mache. 

Ein Skandal, fand unter anderem die CDU:  Landrat Müller (SPD) habe versucht, die Berichterstattung über die RVR-Debatte durch die Reporterin zu stoppen. Müller ein Zensor?

Doch der angegriffene Landrat wiegelt ab. "Die Aufregung über meinen Anruf verstehe ich nicht." Schließlich sei die Reporterin selten da. Und da habe er sich eben über die "seltsame Einsatzplanung" des Radiosenders informiert. Die Frage zwischen den Zeilen lautet: Schickt es sich, eine Tochter von einem Politiker zu einer politischen Veranstaltung zu schicken?

Sicher eine spanndende Frage, gerade im Lokalen Geschäft. Ich weiß auch nicht, wie sie beantwortet werden soll.

Auf der einen Seite ist es für einen politisch interessierten Reporter wichtig zu den Sitzungen zu gehen, wo etwas passiert. Und das ist hier der Fall, also ist das Verhalten der Reporterin normal. Auf der anderen Seite ist es eher nicht normal, in einer Sitzungspause eine Chefredaktion anzurufen. Ich hab so etwas noch nie gehört.

Aber dass sich Müller diese Frage stellt und gerne eine andere Reporterin sehen würde, kann ich verstehen. Aber soll deswegen die angesprochene Reporterin Arbeitsverbot in ihrer Heimat kriegen – weil das dem Landrat so paßt? wie gesagt, schwierig.

Die angegriffene Radiodame sagte jedenfalls der Rheinischen Post: „Ich habe neutral dargestellt, worum es beim Thema RVR geht.“ Und weiter:  „Ich gehöre keiner Partei an, sehe Politik total kritisch. Eben wegen der Verwandtschaft lege ich besonderen Wert auf meine Unabhängigkeit.“

Ich neige dazu, Ihr zu glauben. Zumal auch Müller in seiner Stellungnahme feststellt: "ich schätze die journalistische Arbeit der Reporterin, weil sie ausgewogen und fair ist."

Was bleibt dann? Der Anruf. Aber auch der ist eigentlich normal. Nur üblicherweise hätte ein Landrat nach der Sitzung in der Chefredaktion angerufen und gefragt, ob das nötig ist, dass ausgerechnet die Tochter des CDU-Chefs im Kreistag aufläuft. 

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Der rechte Vormarsch im Pott geht weiter

Heute lag ein Brief bei mir im Briefkasten. Den hatte der Rechtsrandpolitiker Ferdinand von Bismarck unterzeichnet. In "Sorge um Deutschland."  Der Mann ist im Bismarckbund: "Konservativ, kritisch, konstruktiv."

Er befürchtet "Deutschland driftet nach links". Deswegen sei es an der Zeit, für "diese frische Brise gegen den stickigen linken Zeitgeist." Aus dem Osten droht Gefahr, meint der Oberlippenschnauzbarträger. "Doch plötzlich erheben die Komunisten wieder ihr Haupt! Man muss sich das einmal vorstellen: Mehr als 18 Jahre nach dem Mauerfall."  Das und noch viel mehr schreibt der Rechtsdraußen.

Warum der Käse, der passenderweise auch noch auf gelben Papier Dreiseitenlang ausgestrichen wird? Bismarck wirbt für die Rechtspostille "Junge Freiheit." Die brauche Leser, damit die Vorfaschisten endlich im deutschen Diskurs mithalten könne. "Bitte antworten Sie möglichst noch heute. Der Linksruck in Deutschland verlangt jetzt von allen Patrioten den Einsatz für unser deutsches Vaterland" Das Abo als Freikoprs-Ersatz.  Soweit wie ich das abschätzen kann, wurde das Zeug an hunderte Ärzte im Ruhrgebiet verschickt.

Ich frage mich, warum ging der Brief ausgerechnet im Pott rum? Warum wurde er an Leute verschickt, die einen Doktortitel tragen?

Eine mögliche Antwort ist: Die Rechten haben sich das Revier als Ausmarschfläche ausgesucht. Die Rechtsdreher von "Pro-Nrw" gründen hier Kreisverbände und versuchen sich für die Kommunal- und Landtagswahlen zu profilieren. In diesem Schlepptau tauchen nun die rechten Geschäftemacher auf, und versuchen im rechten bürgerlichen Milieu Unterstützer zu finden. So könnte ihrer Ansicht nach Geld und einfluss zusammengebracht werden.

Und noch etwas ist spannend. Woher haben die Zangendenker die Adressen für ihre gelbe Werbekampagne per Post? Woher haben die meine Adresse? Wieso schicken die mir Briefe? Ich ahne nur: Sie haben die Adressen von einem Ärtze- oder Pharmabund gekauft, der seine Daten verscherbelt hat. 

Kann man jemanden deswegen anzeigen? Hat irgendwer meine Adresse illegal verdealt?

 

Klink kneift in Hagen – Absage an Diskussion. Zuviele Opponenten

Heinz-Dieter Klink ist Direktor des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Und er spricht nicht mit jedem. Vor allem mit Kritikern setzt sich der SPD-Politiker ungern auseinander. Das mussten jetzt Vertreter der Stadt Hagen und der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) lernen. Ursprünglich hatte Klink zugesagt, noch vor dem Wochenende auf einem so genannten IHK-Brennpunkt seinen Verband vor 500 bis 600 Leuten zu verteidigen. Dann sagte er aber kurzfristig seine Teilnahme an der Diskussion ab. Und ließ damit die Veranstaltung platzen. Seiner Meinung nach waren die Gäste „zu einseitig“ ausgesucht. Sprich, Klink kniff sowohl vor dem stellvertretenden Vorsitzenden der austrittswilligen CDU-Fraktion im Weseler Kreistag, Josef Devers, als auch vor dem Münsteraner Professor Janbernd Oebbecke, der ein RVR-kritisches Gutachten verfasst hat. Der RVR-Direktor hatte wohl Bange gegen die Leute schlecht auszusehen.

Klink beim Reden Bild: metropole ruhr

Als Hintergrund der peinlichen Absage steht die Hagener Debatte um den Austritt aus dem RVR, die ähnlich wie in Wesel kontrovers geführt wird. Die Stadt zahlt jedes Jahr 1,6 Mio Euro in den RVR-Topf. Und die örtlichen Bürger fragen sich wofür eigentlich? Doch statt hunderte Menschen in einer offenen Debatte zu überzeugen, entschloss sich Klink für die kleine Variante. Er kam vor dem Wochenende zu einer klitzekleinen Runde in Begleitung zweier RVR-Bediensteter nach Hagen.

Und zwar sekundierten Klink vor der Presse in Hagen der Chef der RVR-Wirtschaftsförderung Hanns-Ludwig Brauser und der RVR-Wirtschaftsvorstand Dieter Funke. (alle SPD) Gemeinsam erklärten die Männer, dass die aktuelle Diskussion in Hagen „kleinkariert” sei, weil sie allein am Geld orientiert wäre.

Zudem kritisierte Klink ein wenig linkisch, er fände es schlimm, dass „die Debatte an einigen Stellen in Hagen nur über, aber wenig mit dem RVR geführt” werde. Alles klar? Klink sagt die Debatte mit seinen Kritikern ab, weil die zuviel kritisieren, und bemängelt dann, dass die Kritiker nicht mit ihm reden. Nur zur Erinnerung: Klink hat die Diskussion in der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer platzen lassen – nicht umgekehrt.

Wie sich Klink, Brauser und Funke dann noch bemühten, über die Westfälische Rundschau zu werben, erscheint aus der Sicht von außen nur noch daneben. So habe der RVR allein 50 Mio. Euro EU-Fördermitteln rangeschafft. Das Geld ging in die Region: nach Essen, Dortmund, Wanne-Eickel, was weiß ich. Die Leute in Hagen sagen, bei Ihnen sei jedenfalls nichts angekommen.

Dann lobt Klink, dass der RVR viel für den Sport in Hagen übrig habe. Vor Ort keimt Hoffnung auf. Großsporthalle? Mehr Kunstrasenplätze? Doch Klink klärt auf: „Wir haben letztes Jahr die Ruhrolympiade hier gemacht, das war doch etwas.”

Kann sich einer dran erinnern? An die Ruhrolympiade? – Eben. In Hagen auch nicht.

Weitere Beispiele gefällig? Das Projekt „Wisnet” könne in die Region getragen werden und von dort quasi in die Welt, sagt Wirtschaftsförderer Brauser. Das bekäme Hagen allein nie hin. Was ist Wisnet? Das ist ein in Hagen gegründetes "Kompetenznetzwerk", aus dem sich bereits die ersten Gründungsmitglieder wegen Nutzlosigkeit verabschiedet haben. Kompetenznetzwerke, damit kennt sich Brauser aus seiner Zeit als Geschäftsführer der Projekt Ruhr GmbH aus.

Zum Schluss warfen Klink-Brauser noch den Metropole-Ruhr-Stand auf der Expo-Real in München ins Rennen. Da würden jede Menge Kontakte zu Investoren geknüpft. Wow.

Die Westfälische Rundschau bleibt auch hier kleinkariert und stellt nüchtern fest: In Hagen sind die Investoren aber nicht angekommen.

Mein Fazit: Große Leute gewinnen Diskussionen auf dem gegnerischen Terrain, in fremden Arenen. Kleine Leute sind nur am Küchentisch großspurig.

Was denkt die Belegschaft im RVR über diesen Auftritt ihres Chefs und die Absage zur Debatte in Hagen? Fühlt sie sich gut nach außen vertreten? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare.

Nur um das hier klarzustellen: Ich bin, wie die anderen Ruhrbarone, für einen starken Verband und ein starkes Ruhrgebiet.

Wesel bleibt im RVR – das steht fast fest

Im Kreistag Wesel hat gestern der Kreisausschusses getagt. In der Sitzung zeichnete sich ab, dass zur entscheidenden Sitzung über den Austritt des Kreises aus dem Regionalverband Ruhr in der kommenden Woche keine 2/3-Mehrheit zustande kommt, wie ein Teilnehmer berichtet. Die SPD habe sich durch den Parteitagsbeschluss am Wochenende zu eindeutig gebunden. Damit wird vermutlich kein einziger Kreis und keine einzige Stadt aus dem RVR ausscheren.

Und der Wolfram Siebeck …

Heute wird Wolfram Siebeck 80. Das Zeit-Magazin hat ihrem berühmtesten Kolumnisten eine ganze Ausgabe gewidmet. In einem bemerkenswerten, leider nur gedruckt vorliegenden Interview spricht Deutschlands Kulinator ausführlich über seine Zeit in Ruhrgebiet. In Duisburg geboren, in Essen-Borbeck, Bochum-Langendreer aufgewachsen, bei der WAZ hat er als Zeichner angefangen. Zur Feier seines Geburtstages hat Siebeck auch eine Deutschlandkarte gemalt. Fur das Ruhrgebiet wichtig: Er mag Essener Milch, isst im Schloss Hugenpoet und trinkt Bochumer Bier; was ich gut verstehe.

Ich finde das ja klasse, das einer aus dem Pott, mit einem verkrachten Nazi-Vater, der den Familienbesitz (u.a. einen Zeitungsverlag) verjubelte, dass so einer zum Feinstschmecker wurde, zum Geschmacksträger Deutschlands. Dass sich Siebeck gerne "Kaviarlinker" nennt, dass er aus dem Mief des Fünfziger-Jahre-Reviers ausbrach (Siebeck: "Wir bewegten uns in der Journalistenszene im Ruhrgebiet. Das waren ja Zustände damals, die hockten immer in diesen Kneipen herum, die man nicht mit Kaffeehäusern verwechseln sollte, und spielten Skat. Diese Trinkhallen, ich mochte das nicht." Zeit: "Sie waren schon damals ein bisschen elitär." Siebeck: "Aber ja. Mit dem ersten Geld bin ich mit meiner Freundin Erika nach Paris gefahren, das muss so 1952 gewesen sein."). Und leider wegging – Ammersee, Schondorf, eine Burg bei Freiburg, Südfrankreich.

Sonst würde es bis auf die paar Luxusküchen, Milch und Bier mehr gutes Essen, vor allem, mehr gute Lebensmittel aus und in der Region geben. Was etwa Ruhrgebietsbäcker hierzulande ihren Kunden anbieten, gibt es schon im Rheinland nicht mehr im Back-Discounter. Übrigens auch so eine sehr zweifelhafte Erfindung dieser Gastrosteppe namens Ruhrgebiet. Was der Wolfram Siebeck wohl dazu sagt?

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Kim Jong Il: Der fürsorgliche und hingebungsvolle Anwalt des Volkes ist wieder da

Da werden sich die Nordkoreaner aber freuen: Es gibt ein Lebenszeichen ihre Führers Kim Jong Il.

Foto: Flickr/Dunechaser

Der fürsorglicher und hingebungsvolle Anwalt des Volkes gratulierte gestern Denzil Douglas, dem Premierminister von St. Kitts und Nevis zum 25 Jubiläum der Unabhängigkeit des Staates von der britischen Krone. So ist er eben, werden seine Anhänger nun sagen, selbst die Kleinsten hat er in sein Herz geschlossen. Denn  Kim, von Beruf Waise und Diktator, hat auch in Deutschland so manches Herz bewegt – zwar liegen ihm noch nicht die proletarischen Massen zu Füßen, aber immerhin die KPD und ihre drei Freundeskreise der Juche-Ideologie in der Kommunistischen Partei Deutschlands. Die  ist sich auch sicher, die Wahrheit über Kim und sein glückliches Volk zu kennen, denn Kim ist nicht etwa der  kleine, pummelige, menschenverachtende Dikator mit einer Vorliebe für guten Cognac, als der er in Deutschland immer dargestellt wird, sondern hat durchaus seine Verdienste: "...durch seine über 30jährige unermüdliche revolutionäre Tätigkeit stärkte und entwickelte er die PdAK zu einer bewährten und unbesiegbaren revolutionären Partei, der die absolute Unterstützung und das Vertrauen des gesamten Volkes zuteil werden. Unter seiner Führung wurde aus dem koreanischen Volk ein souveränes Volk." Das weiß zu schätzen, dass es in einem wohlhabenden Land lebt, wie eine Delegation des KPD-Jugendverbandes KJVD nach einer Reise zu berichten weiß: "Wir sind nicht mit der Erwartung in die KDVR gereist, um dort ein unterentwickeltes, notleidendes und hungerndes Land vorzufinden, wie es die bürgerlichen Medien in unserem Lande den Menschen immer wieder offenbaren. Aber was sich uns schon in den ersten Minuten der Fahrt vom Pyongyanger Flughafen in die Hauptstadt der KDVR zeigte, war ein Land, wo die Baukräne moderne Wohnviertel mit Geschäften, Schulen, Kindereinrichtungen und Kultur- und Sportstätten wachsen lassen, wo auf den Feldern die Bauern der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften ihre reiche Ernte einbrachten, wo auf den Straßen keine Bettler und Obdachlosen lungerten, wo die Menschen mit guter Laune und stolz, ohne Zwang, mit erhobenem Haupt zur Arbeit gingen."

Und aus lauter Freude haben die Nordkoreaner auch noch gleich die Zeitrechnung verändert. Das Geburtsjahr von Kim Jong Ils Vater Kim Il Sung, 1912, ist das Jahr 1 der neuen Zeitrechnung. Heute haben wir also das eigentlich Jahr 96.

Wer den Links in dem Artikel folgt taucht ein in eine Welt des kompletten Irrsinns und tiefer Menschenverachtung. Hier sei der Link auf Amnesty empfohlen. 

 

 

Wird die WAZ kündigen?

Die WAZ kündigt nicht betriebsbedingt – darauf konnten sich die Mitarbeiter des profitablen Essener Medienkonzerns verlassen. In Zukunft gilt das nicht mehr.

Christian Nienhaus & Bodo Hombach. Foto: PR

Denn der neue WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus schließt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung künftig betriebsbedingte Kündigungen nicht aus, denn nach Nienhaus Aussage arbeiten nicht mehr alle Titel der WAZ profitabel. Wie aus WAZ-Kreisen zu erfahren war, soll der Mitarbeiterschnitt künftig von 1,4 auf 1 Mitarbeiter pro Seite gesenkt werden. Laut eine  Meldung des WDR könnte davon vor allem die Sportredaktionen betroffen sein, denn laut WDR soll künftig beispielsweise nur noch ein Mitarbeiter für alle Titel von Bundesligaspielen berichten – eine kartellrechtlich wohlmöglich zweifelhafte Entscheidung, denn bei der Genehmigung der Zukäufe der WAZ-Gruppe durch die Kartellbehörden war die Garantie unabhängiger Redaktionen  ein wichtiger Grund für die Zulassung der Fusionen.  Nienhaus, der vorher beim Springer Verlag gearbeitet hat, bekennt sich in dem Gespräch allerdings auch zur Zukunft der Tageszeitung. Er äussert sich skeptisch über seinen alten Verlag, der  eine Wochen-Ausgabe der Berliner Morgenpost gratis verteilt: Nienhaus: "Das scheint eine Leseprobe, eine Art ARD-Wochenspiegel zu sein, den ja kaum jemand anschaut. Springer braucht offenbar einen Träger für Beilagen in Berlin, denn dafür sind die Auflagen der Titel zu gering." Allerdings hat auch die  WAZ seit geraumer Zeit  einen solchen Wochenrückblick im Angebot. Der Wochenblick erscheint in elf Städten des Ruhrgebiets und besteht aus alten WAZ-Artikeln.

Sorgen hat der Verlag wohl auch, wie ebenfalls aus seinem  Umfeld zu hören ist, mit  Kathrin Lenzer , der Chefredakteurin des Westfälischen Rundschau.  Vor allem der Rauswurf des Sportchefs  Hermann Lamberty nach einem persönlichem Streit sorgt innerhalb der WR-Redaktion für Unmut. Als Sanierungschefredakteur ist wohl WAZ-Chef Ulrich Reitz im Gespräch.