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XXX Update: Mitte Oktober 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Essen die im Text genannten Ermittlungen in Sachen Wegener ein. XXXX
Seit Wochen will ich über Schalke schreiben. Nun konnte ich den Schalke-Manager Andreas Müller treffen. Zwei Geschichte habe ich danach schon gemacht. Hier und hier. Jetzt wende ich mich den Fakten zu. Wie soll das aussehen mit Schalkes Entwicklung, mit dem Bargeld, den Schulden und dem Rest?
Ich habe Andreas Müller in einem Düsseldorfer Luxushotel getroffen, im Interconti. Der Fußballmanager war ruhig und sehr kontrolliert. Wenn er von der neuen Philosophie seines Clubs redete, dann schlug er die Beine übereinander, legte die Hände in den Schoss und senkte seine Stimme.
In dieser Situation, mit leicht verschränktem Oberkörper, spricht Müller dann von einer neuen Art von Bescheidenheit, die jeder auf Schalke lernen müsse. „Die Idee von der Meisterschaft jede Saison, die muss raus aus dem Kopf. Die blockiert nur und sorgt für Frust.“
Es ist nicht so, dass Andreas Müller mit seinem Verein nicht deutscher Meister werden will – nur nicht um jeden Preis. Der gebürtige Schwabe spricht dann von Sparsamkeit und dass man sich nicht jeden Kickerstar auf Schalke leisten könne. „Wir können im Wettbewerb mit den großen Clubs um Spieler wie Ronaldo nicht mithalten.“ Stattdessen spricht er von kleinen Zielen, etwa davon, dass Schalke die eigene Jugend fördern müsse und Talente aus Übersee. Manager Müller beschreibt seinen Arbeitgeber in solchen Minuten wie ein mittelständisches Unternehmen, das langsam und bodenständig wächst und gedeiht.
Gerade diese neue Bescheidenheit überrascht bei einem Verein, der sich bislang als eine der wenigen dauerhaften Spitzen in der deutschen Bundesliga sah. Und doch immer nur haarscharf der Pleite entwich. Noch im Juni 2006 musste der Konzern Schalke für sich und alle Tochterunternehmen einen bilanzielle Überschuldung in Höhe von rund 66 Mio Euro ausweisen. Der Schuldenberg türmte sich nach Angaben des damaligen Schalke-Finanzchefs und heutigen Präsidenten Josef Schnusenberg auf über 250 Mio Euro.
Zu oft hatte sich der Verein mit ambitionierten Projekten verhoben. Das Geld sollte nicht nur in den Spielerkader fließen, sondern auch in den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Leider nicht immer mit Erfolg. Zum Beispiel musste die Beteiligung an der Event Arena AG früh aufgegeben werden. Der geschlossene Fonds sollte ursprünglich Investoren anlocken, um Millionenbeträge in Spektakel in der Arena zu stecken. Aber schon nach der ersten Veranstaltung – Puccinis Oper "Turandot" in der Arena – wurde das Vorhaben mit Verlusten aufgegeben, wie ein Sprecher der Event AG bestätigte.
Auch aktuell ist es schwierig, die Arena mit Nicht-Fußball-Spielen zu belegen. „Welcher Sänger füllt heute schon eine Halle für 50.000 Menschen?“, fragt Manager Müller. Erst vor wenigen Wochen zog das Stock-Car Rennen von Pro-Sieben Spektakelfachmann Stefan Raab aus der Schalker Arena nach Düsseldorf in eine kleinere Halle. Müller hat seine Lehren aus der Situation gezogen. „Wir wollen die Arena nur noch vermieten“, sagt er.
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Tatsächlich scheint es, als sei es auf Schalke angebracht, kleine Brötchen zu backen. Immer wieder laufen Wellen aus der Vergangenheit auf und bringen neue Unruhe. So ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Essen nach eigenen Angaben unter dem Aktenzeichen 307 Js 73/08 gegen den ehemaligen Manager Rudi Assauer und den aktuellen Schalke-Geschäftsführer Peter Peters wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Im Sommer wurde die Geschäftstelle in Gelsenkirchen durchsucht. Den Schalkern wird vorgeworfen, gemeinsam mit dem Teilzeit-Waffenhändler Rolf Wegener aus Monaco ein dubioses Geschäft angeschoben zu haben. Dabei geht es um den Transfer des Stürmers Viktor Agali von Hansa Rostock nach Schalke, der fast sieben Jahre zurückliegt.
Aus Unterlagen des Amtsgerichtes Essen, die mir vorliegen, geht hervor, dass die Männer rund 2,2 Mio Euro gewaschen haben sollen. Das Geld aus Schalke versickerte demnach über Lichtensteiner Konten in unbekannten Taschen. Eigentlich sollten mit den Millionen angebliche Transferrechte eines nigerianischen Fußballclubs aus Lagos an Agali abgelöst werden. Das behauptete zumindest Teilzeit-Waffenhändler Wegener. Doch die Ermittler aus Essen gehen davon aus, dass es sich um Schwarzgeld für den Stürmer handelte.
Schalkes Manager Müller sagt heute dazu, er glaube nicht, dass Agali die Millionen bekommen habe. Dann lächelt er und sagt: „Ich glaube aber auch nicht, dass der Verein aus Nigeria das Geld bekommen hat.“ Nur eins sei sicher: Schalke komme aus den Ermittlungen mit weißer Weste heraus.
XXXX Update: Die hier genannten Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Essen im Oktober 2009 nach Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozeßordnung zumindest gegen den Spielervermittler Wegener eingestellt. Das heißt, die Ergebnisse der Ermittlungen haben der Staatsanwaltschaft nicht ausgereicht, um Anklage zu erheben. Der Anwalt von Wegener hat mich am 1. Dezember 2009 über die Verfahrenseinstellung informiert. Ich habe daraufhin hier den Text angepasst. Der Anwalt von Wegener hatte von mir zudem gefordert, den Text zu löschen. Dazu sehe ich keine Veranlassung, da der Text eindeutig den Erkenntnisstand vom Oktober 2008 wiedergibt und mit dieser Ergänzung richtig eingeordnet werden kann. Update Ende. XXXX
Tatsächlich ging der Verein jahrelang an die wirtschaftlichen Grenzen, um nach fast fünfzig Jahren wieder Deutscher Meister zu werden. Ein Blick in die Zahlen enthüllt die Dimension der Bilanzkosmetik in dieser verwegenen Zeit. Um Verluste im Jahr 2003 zu kaschieren, wurde beispielsweise das Parkstadion für einen Euro von der Stadt Gelsenkirchen gekauft und in eine Tochterfirma gesteckt, die dann das Gebäude inklusive Gelände mit 15,6 Millionen Euro neu bewertet hat. Dieser Betrag wurde anschließend als „außerordentlicher Ertrag“ in die Vereinsbilanz eingeführt. Schon damals haftete dem Geschäft ein dubioser Geruch an. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelte und stellte ein Verfahren wegen Bilanzfälschung gegen den damaligen Manager Assauer und den Schalke Geschäftsführer Peters erst gegen Zahlung einer Geldbuße mit einer Gesamthöhe von 60.000 Euro ein.
2004 mussten die Schalker nach einem weiteren schlechten Jahr eine ähnliche Bilanzpolitur vollziehen. Über eine Neubewertung ihrer Cateringgesellschaft und einer frisch gegründeten Rechtevermarktungs-GmbH konnte der Klub seinen Verlust von 23 Mio Euro in einen Gewinn von 43 Mio Euro drehen. Die neue Firma wurde wieder als Sondererlös in die Bilanz eingeführt. Schalkes Finanzchef Schnusenberg sagte damals: „Wir leben von der Hand in den Mund.“
Ewig konnten die Tricks jedoch nicht weiter helfen. Im Verlauf des Jahres 2006 wurde die Luft wieder dünn. Wie Schalke damals bestätigte, gab der Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ein Privatdarlehen in 4,7 Mio Euro. Sein Co-Aufsichtsrat Karl-Heinz Beul stellte drei Mio Euro zur Verfügung. Sogar der damalige Manager Rudi Assauer half mit 500.000 Euro aus.
Erst ein dramatischer Brief von Aufsichtsratschef Tönnies an den Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) brachte Ende 2006 die Wende. Der Schalker beschwor den Sozialdemokraten ein gutes Wort bei Gazprom für den Verein einzulegen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Und Schröder half. Als Verwaltungsratspräsident einer Gazprom-Tochter riet er Tönnies bei einem Telefonat, sich an Gazprom-Chef Alexeij Miller mit der Bitte um Hilfe zu wenden.
Das hat gereicht. Der russische Energiegigant stieg als Hauptsponsor beim FC Schalke 04 ein. Heraus kam einer der höchst dotierten Sponsorenverträge, den je ein Bundesliga-Club an Land ziehen konnte: Bis zu 125 Mio Euro will der Energiekonzern in den nächsten fünf Jahren nach Gelsenkirchen überweisen. Dabei teilt sich die Summe in einen Fixanteil und Leistungsprämien auf. Letztere werden in der Regel nur fällig, wenn Schalke Meister wird oder in der Champions-League reüssiert.
Der Vertrag hat Schalke gerettet. Wie Müller heute bestätigt, ließ sich der Verein den gesamten Fixanteil direkt zu Beginn des Vertrages auszahlen. Damit wurde ein Darlehen beim Londoner Finanzmakler Stephan Schechter abgelöst. Schalke sparte die Zinsen und schaffte es so aus dem Gröbsten heraus, sagt Müller. In der aktuellen Bilanz kann Schalke einen Gewinn von 12,8 Mio Euro ausweisen, nach einem Verlust von 3,4 Mio im Vorjahr.
Dazu kommt der sportliche Erfolg. Der erneute Einzug in die Champions-League spülte in der vergangenen Saison 30 Mio frische Euro in die Kassen. Erst vor wenigen Wochen konnte der Verein der Günter-Netzer-Firma Infront einen Anteil von 7,8 Mio Euro an der Schalke Arena abkaufen. Müller freut sich: Mittlerweile gehören dem Verein rund 80 Prozent an dem Stadion. Der Rest ist auf den Busfahrer der Knappen, einen Würstchenfabrikanten und einige Honoratioren der Schalker verteilt. Selbst die Stadt Gelsenkirchen hält über einen Tochterfirma einen Anteil von gut 5 Mio Euro an der Arena.
Doch trotz der guten Nachrichten kann von einer dauerhaften Genesung noch immer kaum die Rede sein. Sollte Schalke den Wiedereinzug in die Championsleague verpassen oder früh aus dem UEFA-Cup ausscheiden, bleibt frisches Gazprom-Geld aus. Müller erklärt, dass die Finanzplanungen des Vereines davon ausgehen, mindestens den dritten Platz in der Bundesliga zu erreichen und damit in die Champions-League-Qualifikation einzusteigen. Wird in einer Saison das Ziel verpasst, ist das zu ertragen. Ab der zweiten Saison müsse es Einschnitte geben, sagt Müller. Derzeit unterhält Schalke einen Spielerkader, der fast 60 Mio Euro im Jahr verschlingt. Würde Schalke bis zum Saisonende auf dem aktuellen siebten Platz verharren, könnte die nächste Krise drohen.
Schalke-Manager Andreas Müller bleibt deshalb so bescheiden, wie der Geschäftsführer einer schwäbischen Uhrenfabrik. Mittlerweile sei es gelungen, die bilanzielle Überschuldung zurückzuführen, sagt Müller: „Wir haben wieder Eigenkapital.“ Damit sei ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan. Den Rest müsse man geduldig abwarten. Schließlich könnte ein Pfostenknaller in der letzten Minute den Unterschied ausmachen zwischen einem rettenden dritten Platz und einer neuen Krise.