Oh Gott, die Orchester streiken!

Die Krise hat das Ruhrgebiet voll im Griff: Opel vor dem Kollpas, ThyssenKrupp will einsparen, die WAZ plant Entlassungen – und jetzt streiken auch noch die Orchester.

Bochumer Symphoniker Foto: BoSy

In Dortmund haben sie es schon getan:Schockierte Zuschauer mussten am Freitag erleben, dass es statt der Aufführung von „Im weissen Rössl“ nur Flugblätter  und Erklärungen gab. Das Dortmunder Orchester war in den Streik getreten. Eine ähnliche Klassik-Krise bahnt sich auch in Bochum an: Dort drohen die Philharmoniker damit, die Bratsche in die Ecke zu werfen und zur Schalmei des Klassenkampfes zu greifen. In Duisburg musste schon ein Orchester durch zwei Klaviere ersetzt werden.
Die Gründe sind nachvollziehbar: Statt Lohnerhöhungen gab es seit Jahren nur Applaus und der Tarifpartner Deutscher Bühnenverein will lieber mit dem einzelnen Orchester statt mit deren Gewerkschaft, dem Orchesterverband, verhandeln. Die Bochumer Symphoniker sind überdies noch sauer, dass in den vergangenen Jahren so viele Orchester geschlossen wurden.
Der Streik kann sehr lange dauern und wird den Arbeitgeber so wenig schockieren wie streikende Bergleute – jeden Tag, an dem die Orchester streiken sparen die Arbeitgeber Geld – sie müssen dann nicht mehr jeden einzelnen Konzertbesucher mit ein paar hundert Euronen subventionieren. Es würde sich sogar lohnen, jeden traurigen Kartenbesitzer dessen Konzert ausfällt auch noch zu einem opulenten Mahl einzuladen – alles billiger als ein Konzert.
Wollten die Orchester ihren Arbeitgebern wirklich drohen dann nicht mit Streik sondern mit Zusatzkonzerten, Matinees und einer Reihe hinterlistiger Kammerkonzerte – wie die Bergleute, deren Streik dieses Land über Jahrzehnte aushalten könnte – Überschichten hingegen die Haushalte ruinieren würden.
Im Pop-Bereich, der wirklichen Welt also, wo Musiker von dem Geld ihrer Hörer leben, habe ich bislang nichts von Streiks gehört – allerdings auch noch nie von Tarifen. Bands spielen brav auch vor halbleeren Hallen – es sei denn ihr Name ist Oasis.

Verleger verspielen Vertrauen

Die Konjunkturflaute geht nicht spurlos an den Verlagsfirmen vorbei. Das ist bekannt, aber wir sollten uns nun Gedanken darüber machen, wie sich die Glaubwürdigkeit einer Publikation retten lässt.

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Meldungen über Stellenstreichungen und Umbauten aus deutschen Medienkonzernen an die Öffentlichkeit dringen. Direkt vor der Tür sehen wir die Einschnitte bei der WAZ-Gruppe, hoch im Norden haben wir den Kahlschlag bei der Wirtschaftspresse von Gruner und Jahr (G+J). Auch bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kreist der Hammer. Es gibt wohl kaum eine Medium, dass nicht Federn lassen muss.

Diese Kahlschlagpolitik gab es schon früher, dieses Mal setzen die Verleger das Messer aber tiefer an, es geht ans Eingemachte. Von der Krise der New Economy haben sich die Verlage kaum erholt; es gibt keinen Speck von dem die Branche zumindest eine Zeit lang leben kann. Wie die Radikalkuren bei der WAZ und auch bei G+J zeigen, geht es nicht mehr darum, Renditen zu sichern, es geht ums nackte Überleben. Jeder, auch die WAZ-Führung weiß, dass sie ihre Produkte gefährdet, wenn sie ein Drittel der Belegschaft auf die Straße setzt.

Über das Drama und die Ungerechtigkeit will ich gar nicht reden. Wie auch andere Journalisten weiß ich, was es bedeutet, wenn der Job zur Disposition steht. Auch meiner könnte es. Schieben wir also die Jobproblematik einen Moment lang zur Seite.

Reden wir mal über die Autorität der Branche. Damit meine ich das publizistische Gewicht, dass etwa eine FAZ, SZ oder das Handelsblatt haben. Wird in einem dieser Zeitungen – und zum Glück auch bei vielen anderen – etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein anderer Politiker oder Wirtschaftsführer kritisiert, dann muss sich die Person damit auseinandersetzen. Keine von ihnen kann sich über einen solchen Bericht oder Kommentar einfach hinweg gehen. Er oder sie muss dazu Stellung beziehen, sich rechtfertigen. Das geht nur, weil diese Zeitungen eine hohe Glaubwürdigkeit haben. Bei dem normalen Leser auf der Straße wie auch bei den Führungskräften.

Und diese Glaubwürdigkeit steht nun auf dem Spiel. Und das nicht nur, weil Arbeitsplätze bei den Medien gestrichen werden. Es geht um das wie. Und das finde ich erschreckend.

Schauen wir uns G+J an: Allen Mitarbeitern bei den Magazinen Capital, Impulse und Börse Online wurde gekündigt, einige von ihnen sollen in Hamburg mit den Kollegen von der Financial Times Deutschland in einer zentralen Wirtschaftsredaktion gebündelt werden. Von dort sollen dann die drei Magazine und die lachsfarbene Zeitung mit Nachrichten beschickt werden. Diese Strategie der G+J-Verantwortlichen ist nicht nur absurd naiv, sondern vor allem unwürdig. Halten wir uns vor Augen: Gerade die Kollegen vom Capital waren so gut, dass die Telekom sie bespitzeln ließ. Als das im Mail rauskam, hat G+J Strafanzeige gestellt und sich als Moralapostel in Sache Pressefreiheit aufgeführt.

Nehmen wir die Süddeutsche Zeitung: Das Blatt wettert über den Stellenabbau bei der Telekom. Zuletzt musste sich Konzernchef René Obermann bei einem Besuch in der Münchener Redaktion wegen dem Abbau in seiner Firma dafür grillen lassen, wie mir ein Kollege erzählt. Eine Woche später gibt die SZ-Führung einen Stellenabbau im eigenen Hause bekannt.

Mit solchen Aktionen gefährden G+J und auch die SZ ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Hauptasset. Denn welchen Wert hat ein Kommentar einer G+J-Publikation etwa zur Pressefreiheit und welche Autorität hat die SZ nun noch in Fragen Arbeitsplatzsicherung?

Mit solchen Aktionen verspielen die Verlagshäuser die publizistische Autorität ihrer Titel und das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land steckt in der Krise, kaum einer weiß wo es langgeht. Die Politik lanciert ein Rettungspaket nach dem nächsten. Da wird viel Steuergeld aufgewendet. Gerade in einer solchen Zeit ist eine kritische Begleitung durch Leitmedien wie die SZ und FAZ gefragt. Also bitte liebe Verlagschefs: Streicht vielleicht mal einen Arbeitsplatz, wenn es nicht anders geht. Aber verhaltet euch dabei gesittet, auch im eigenen Interesse. Denn ist ein Titel erst einmal vor die Wand gefahren, dann macht man aus ihm nie wieder eine publizistische Macht.

Markus Klimmer: Von Bochum 2015 zu Steinmeiers Wirtschafts-Berater

Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird  Markus Klimmer ab Januar nicht mehr für die Unternehmensberatung McKinsey  abeiten sondern für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier

Markus Klimmer Foto: McKinsey

SPD-Kanzlerkandidat Franz-Walter Steinmeier hat sich wirtschaftlichen Sachverstand von aussen geholt – OK, innerhalb der eigenen Partei sind die Fachleute wahrlich rahr gesät. Nachhilfe bis zur Bundestagswahl soll ihm Markus Klimmer geben.
Bei Mckinsey mitverantwortlich für den Bereich "Öffentlicher Sektor" war Klimmer an der Reform der Arbeitsagentur ebenso beteiligt wie an Initiativen die laut FAS zur Gründung der Hartz-Kommission führten. Klimmer war nach eigenen Angaben auch dabei, als der rot-rote-Senat in Berlin einen Stellenpool für überflüssige Mitarbeiter einrichtete – damals im  Spiegel auch als Guantanamo Bay Berlins verspottet  Auch im Ruhrgebiet ist Steinmeiers Wirtschafts-Vordenker kein Unbekannter: Er beriet die Stadt Bochum 2005/2006 bei der Neustrukturierung der Wirtschaftsförderung und riet zum Aufbau einer eigenen Abteilung für die Förderung von Wachstumsbranchen nach dem Vorbild des Dortmund Projects, was zur Gründung von Bochum 2015 führte.
Klimmer riet Bochum zudem sich auf die Wachstumsbranchen Medizintechnik, Maschinenbau, Software-Entwicklung und Verkehrstechnik zu konzentrieren. Die Chancen der Stadt im Bereich Kulturwirtschaft sah Klimmer damals skeptisch.

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Neuer Duisburger Imagefilm

Duisburg wirbt mit einem neuen Imagefilm um Besucher. Die Grafikeffekte fand ich komisch, ansonsten sieht er so aus wie Imagefilme heute nun einmal aussehen – manch ein Besucher, der nur den Film kennt, dürfte überrascht sein, wenn er in Duisburg ankommt. Gibt es eigentlich originellere Beispiele für gelungene Imagefilme einer Stadt oder ist es ein Gesetz, dass sie alle immer gleich aussehen?

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Hohe Zahlen haben derzeit Konjunktur. Seit Wochen werden milliardenschwere Rettungspakete diskutiert, für Banken, für Autofabriken und bald wohl auch für andere „Schlüsselbereiche“ der deutschen Wirtschaft. Von Dirk E. Haas

Besichtigung anlässlich des Erhalts der Scharoun-Schule auf Initiative des BDA (Bund Deutscher Architekten). Foto: Mengedoht

Einige Monate bevor wir uns an die Zahlen mit den sehr vielen Nullen gewöhnen mussten, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) eine Studie mit dem Titel „Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen“ vorgelegt, die den mittelfristigen Investitionsbedarf für kommunale Infrastruktur berechnet hat: 704 Milliarden Euro müssen die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2020 in Straßen, Schulen, Abwasserbeseitigung, ÖPNV, Krankenhäuser, Sportstätten usw. investieren (daran sollte man sich erinnern, wenn man jetzt über Konjunkturprogramme oder Steuersenkungen nachdenkt).

Den zweitgrößten Anteil am Gesamtvolumen nehmen die städtischen Schulen ein: Innerhalb von ca. 15 Jahren (das difu betrachtet den Zeitraum von 2006-2020) müssen laut Studie ca. 73 Milliarden Euro für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung vorhandener Schulen verausgabt werden, damit sich die Leistungsfähigkeit der Schulinfrastruktur nicht weiter vermindert. Die Rede ist wohlgemerkt einzig und allein von Schulen – Sanierung, Erweiterung und Neubau von Fachhochschulen und Universitäten sind darin gar nicht enthalten, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen.

Was bedeutet das für das Ruhrgebiet? Ermittelt man der Einfachheit halber den Investitionsbedarf für Schulen im Ruhrgebiet proportional zum Gesamtansatz (was man streng genommen nicht tun sollte, da der Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern wegen der vielen Schulneubauten in den letzten 15 Jahren dort vergleichsweise geringer ist), geht die Rechnung folgendermaßen: 73 Mrd. Euro bei ca. 82 Mill. EW – das entspricht in etwa 900 Euro pro EW. Im Ruhrgebiet mit seinen 5 Millionen Einwohnern wären dies also ca. 4,5 Milliarden Euro, die bis 2020 in die Schulen der Region investiert werden müssten – es dürften eher mehr sein, denn das Ruhrgebiet hat einen überproportional hohen Besatz an veralteten Schulgebäuden.

4,5 Milliarden Euro – ist das nun viel oder wenig? Hamburg wird sagen: „Das ist nicht viel. Das sind gerade mal zehn Elbphilharmonien“, und auch die Blitzrechner im Ruhrgebiet dürften nur mittelmäßig beeindruckt sein: „4,5 Mrd. Euro geteilt durch ca. 15 Jahre, das sind 300 Mio. Euro, geteilt durch 5 Mio. EW sind das doch nur 60 € im Jahr, also 5 € pro Monat – meine Güte, das ist EINE Margherita, ohne alles. Wo ist das Problem?“     

Es ist auch dringend notwendig, dass diese viereinhalb Milliarden Euro kein Problem darstellen, denn sie sorgen lediglich dafür, dass das vorhandene System weiter funktioniert: Veraltete, undichte Fenster werden ausgetauscht, neue Heizungssysteme eingebaut, gesundheitsgefährdende Baustoffe entfernt, Wärmedämmung angebracht, Datenleitungen verlegt, neues Schulmobiliar angeschafft, Fachräume renoviert und neu ausgestattet, Mensen, Cafeterien für den Ganztagsbetrieb eingerichtet usw.

Falls die Ruhrgebietsstädte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren rd. viereinhalb Milliarden Euro in Schulgebäude investieren, ist das also noch lange keine „Bildungsoffensive“. Bildungsoffensive – das würde nämlich auch bedeuten: eine Anpassung vorhandener Schulräume an zeitgemäße Lern- und Unterrichtskulturen, eine Neuordnung der verschiedenen kommunalen Einrichtungen zu lokalen Bildungslandschaften, und natürlich eine Schaffung von bestmöglichen, Kreativität fördernden Arbeitsplatzbedingungen in den Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, wie sie etwa im modernen Bürobau völlig unstrittig sind  (– ja, Kinder, Jugendliche und Lehrer „arbeiten“ in der Schule, und wer sich die immergleichen 60qm-Lernboxen anschaut, in denen heute noch 30 Kinder Tag für Tag im Gleichtakt mit Wissen instruiert werden, wundert sich über den kompletten Widersinn eines solchen Konzepts und muss die Schule, neben dem Callcenter, als letzte Bastion des fordistischen Arbeitsprinzips empfinden; aber das nur am Rande).

Bildungsoffensive – das würde auch bedeuten, Bildungseinrichtungen für eine aktive Stadtentwicklung einzusetzen. Denn Schulen sind – das wird in den zahlreichen Programmgebieten der „Sozialen Stadt“ besonders deutlich – mit neuen Aufgaben und Anforderungen gesellschaftlicher Integration verbunden, sie fungieren dort als sozial stabilisierende Zentren eines Quartiers oder Stadtteils. Aber es geht noch weiter: Die Qualität von Schulen ist immer häufiger ein Ausschlag gebendes Motiv für Wohnortwechsel, und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Familien ziehen in solche Städte oder Stadtteile, in denen die aus ihrer Sicht guten Schulen gelegen sind, nicht selten – und nicht nur in Berlin – fingieren sie sogar solche Wohnortwechsel, damit die Kinder an den betreffenden Schulen angenommen werden. Und aus den Stadtteilen mit den vermeintlich schlechten Schulen ziehen sie weg. Das mag man für kleinbürgerliche Mittelschichtenpanik halten, es ändert aber nichts daran, dass dies stattfindet, also Realität ist. Und es verweist auf einen generellen Trend, dem sich gerade die Ruhrgebietsstädte stellen müssen: Mit dem Wandel von der alten Industrie- zur Wissensgesellschaft werden jene Städte und jene Orte einer Stadt, in denen Wissenserwerb und Wissensvermittlung besonders gut gelingen, auch besonders attraktiv und erfolgreich sein. Den Schulen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: aus ihnen, den „Wohnfolgeeinrichtungen“ der Vergangenheit, werden nämlich Standortbildner der Zukunft – noch ein Grund mehr, künftig sehr viel stärker in qualitätvolle Bildungseinrichtungen zu investieren.

Was heißt das nun wieder für das Ruhrgebiet? Es heißt: 4,5 Milliarden werden nur der Anfang sein. Wer aus dieser Region auch noch eine international anerkannte Wissenslandschaft machen will, wird in den nächsten Jahren einiges mehr investieren müssen. Mehr Geld, mehr Ideen, mehr Aufmerksamkeit.

Mega-Lauschangriff in NRW

Die Bilanz des Lauschangriffes im Justizskandal rund um die vom Umweltministerium initiierten Korruptionsermittlungen gegen den früheren Abteilungsleiter Harald Friedrich (Grüne) ist fatal. Nachdem Eckhard Uhlenbergs (CDU) Staatssekretär nach eigenen Worten Gerüchte ins Landeskriminalamt tragen lies, schnitten die Ermittler 2500 Telefonate mit. Autos wurden mit Peilsendern ausgestattet, Personen beschattet, 2300 Emails mitgeschrieben. Für was? Für nichts. Alle Korruptions- und Bandenvorwürfe wuren fallengelassen. Allein wegen eines Untreue-Verdachtes in einem kleineren Fall wird weiter ermittelt.

Foto: Eckhard Uhlenberg (CDU) / MUNLV

Jetzt kommt raus: Selbst eine Bundstagsabgeordnete ist in das weitmaschige Abhörnetz des Landeskriminalamtes geraten. Wie aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wuppertal hervorgeht, wurde wenigstens eine Email der Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl abgefangen. Die umweltpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion beschäftigt sich unter anderem mit dem PFT-Skandal. Zuvor war schon bekannt geworden, dass duzende Gespräche des im Fall der Giftverunreinigung der Ruhr aktiven grünen Landtagsabgeordnete Johannes Remmel abgehört worden sind. Zumindest ein Gespräch, in dem der Abgeordnete über interne politische Einschätzungen von Bärbel Höhn (Grüne) berichtet, fand Eingang in die Ermittlungsakten. Zur abgefangenen Email der Bundestagsabgeordneten schrieb nun der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ralf Meyer: „Der Inhalt der Mail ist inhaltlich nicht wörtlich protokolliert bzw. ausgedruckt worden.“

Hier wurden Professoren und Bürger, Landtags- und Bundestagsabgeordnete sowie Journalisten wie eine Mafiabande oder eine terroristische Vereinigung behandelt.

Die Gerüchte des Umweltministers spielen in diesem monströsen Abhörfall eine besonders wichtige Rolle. Ohne die Vorwürfe auf Banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue hätte das Amtsgericht Wuppertal nicht den Lauschangriff genehmigen können. Selbst wenn jetzt noch der Vorwurf der Untreue aufrechterhalten wird. Das ist im Vergleich zu den anderen Vorwürfen Pipifax.

Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl sagte mir: „Es befremdet mich sehr, dass die NRW-Landesregierung bei ihrem unsäglichen Vorgehen gegen den engagierten Umweltexperten Harald Friedrich nicht einmal davor zurückschreckt, den E-Mail Verkehr mit einer Bundestagsabgeordneten zu überwachen.“ Kotting-Uhl sagte weiter, sie behalte sich vor, die Rechtmäßigkeit der Überwachung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Unterdessen musste NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU) bei einer Befragung im Umweltausschuss des Landtags die zentralen Vorwürfe gegen sich bestätigen. Sein Staatssekretär Alexander Schink sagte aus: „Unsere Mitarbeiter haben hier durch unser Haus schwirrende Gerüchte an das LKA weiter gegeben. Ich sehe das auch als ihre Pflicht an.“ Noch mal im Klartext: auf Grund eines Gerüchtes wurde Harald Friedrich vom Umweltministerium beschuldigt, Forschungsaufträge in Höhe von 2,1 Mio Euro aus öffentlichen Geldern der Abwasserabgabe „freihändig vergeben“ und damit „geldwerte Vorteile in nicht bekanntem Umfang“ erlangt zu haben, wie es in einer Anzeige heißt:

Zudem widersprach die Justizverwaltung in NRW der Darstellung des Ministers, nach der Beamte seines Hauses beim LKA keine Korruptionsvorwürfe gegen einen Ex-Abteilungsleiter geschürt hätten. Im Gegenteil: die Düsseldorfer Generalstaatsanwalt veröffentlichte im Landtag einen Bericht, in dem die Hintergründe der ersten Anzeige des Umweltministeriums vom 14. Juli 2006 erklärt werden. So habe Uhlenbergs Hausjurist am 13. Juli 2006 zwei LKA-Ermittler im Rahmen eines Informationsgesprächs getroffen und diesen Beamten gegenüber „schwerwiegender Vergabeverstöße“ erhoben. Zudem sei von einer weiteren Mitarbeiterin des Ministeriums der Verdacht geäußert worden, Harald F. habe für die Mauschelei bei Millionen schweren Gutachteraufträgen von der Hochschule Aachen „zumindest einen hochwertigen Laptop“ erhalten. Dieses Informationsgespräch ist nach geltendem Recht als Anzeige zu werten.

Ungeachtet der Fakten beteuert Uhlenberg weiter, sein Ministerium habe "keine Korruptionsvorwürfe" gegen den politischen Vertrauten seiner grünen Amtsvorgängerin Bärbel Höhn erhoben. Wie die Wirklichkeitsverzerrung zustande kommt? Keine Ahnung.

Die Grünen und die SPD überlegen derzeit einen Untersuchungsausschuss zum Fall Uhlenberg einzuberufen.

?Mehr Unabhängigkeit fürs Ruhrgebiet?

Heute wurde Oliver Wittke als Nachfolger von Norbert Lammert zum Chef der CDU-Ruhr gewählt. Im Sommer habe ich ihn in Düsseldorf interviewt.

Oliver Wittke Foto: Görges

?: Im Ruhrgebiet staut sich der Verkehr – auch Oliver Wittke konnte daran bis jetzt nichts ändern. Was halten Sie von diesem Satz?
Oliver Wittke: Nichts, weil er nicht stimmt. Autobahnbau ist ein langfristiges Geschäft, aber wir sind in den vergangenen Jahren deutlich weitergekommen. Die Blockade-Politik von Rot-Grün ist zu Ende und wir drängen beim Bund auf den Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen. Der dreispurige Ausbau der A 40 hat auf Bochumer Gebiet begonnen, aber auch in Dortmund müssen wir ihn vorantreiben, denn die B1 ist ein Nadelöhr.

?: Ein anderes Nadelöhr ist die B 224 – sie kann den Ausbau der A 52 zwischen Gelsenkirchen-Buer und Essen-Ost nicht ersetzen.
Wittke: Der Ausbau der A 52 muss kommen und ich bin mir sicher, dass wir noch in diesem Jahrzehnt den ersten Spatenstich
für den Ausbau zwischen Gladbeck und Bottrop erleben werden.

?: Gladbeck wehrt sich mit Händen und Füssen gegen den Ausbau und verlangt einen Autobahntunnel im Bereich seiner Innenstadt.
Wittke: Gladbeck und der Bund müssen sich aufeinander zubewegen und ich bin gerne bereit, mich für eine Tunnellösung beim Bund einzusetzen, doch der will sie nicht bezahlen. Aber klar ist auch, dass jede Lösung besser ist als der Ist-Zustand. Der
Verkehr wird zunehmen. Wenn auf der B 224 Stau ist, weicht er heute schon auf die Gladbecker Innenstadt aus. Das ist nicht
zumutbar.

?: Im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 hofft das Ruhrgebiet auf zahlreiche Besucher, ist aber im Öffentlichen Personen-Nahverkehr extrem schlecht aufgestellt. Das Angebot ist schlecht und teuer. Blamiert sich das Ruhrgebiet?

Wittke: Es gibt objektive Schwierigkeiten und es gibt hausgemachte Probleme. Im Gegensatz zu anderen Metropolen verfügt
das Ruhrgebiet nicht über den einen Kern, auf den alles zuläuft, wie Berlin, Paris oder London oder auch Städte wie München
oder Frankfurt. Das Ruhrgebiet ist polyzentrisch: Es gibt große Zentren wie Dortmund, Duisburg und Essen und mittelgroße
wie Bochum, Gelsenkirchen oder Oberhausen. Das ist ein objektives Problem. Ein anderes ist: Es gibt nicht den einen, für den
Nahverkehr zuständigen Dezernenten und nicht das eine, für das ganze Ruhrgebiet zuständige Nahverkehrsunternehmen.

?: Und die hausgemachten Probleme?

Wittke: Die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Städten und ihren Nahverkehrsunternehmen ist weit unterentwickelt. Es
gibt zwar erste erfolgreiche Einkaufsgemeinschaften von Nahverkehrsbetrieben, aber das reicht nicht aus. Wir haben zwar den
VRR, der versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu bewegen, aber immer wieder an den Stadtgrenzen und an den
Eitelkeiten der Verantwortlichen scheitert. Das fängt schon bei der Frage an: Braucht jede Stadt einen eigenen Hauptbahnhof?
Ich sag jetzt mal was Böses: Der Hauptbahnhof von Herne ist Bochum und der von Gelsenkirchen ist Essen.

?: Hätten Sie das  als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen auch gesagt?

Wittke: Das hätte ich damals nicht gesagt, aber wenn man es objektiv betrachtet, ist das so. Die Städte brauchen natürlich Bahnhöfe, aber es reichen Nahverkehrsbahnhöfe mit guten Regionalexpress-Anbindungen, so wie es in vielen Berliner Stadtteilen auch der Fall ist. Im Moment kämpft jedoch jeder Bürgermeister darum, möglicht viele ICE-Verbindungen zu haben – nur die werden ja von den Bürgern selten genutzt. Man kann den Bürgern durchaus zumuten, wenn sie einen ICE benutzen wollen, in die Nachbarstadt zu fahren, die ja woanders gar nicht Nachbarstadt wäre. Wir brauchen weniger prestigeträchtige ICE-Haltepunkte, aber einen insgesamt besseren Nahverkehr.

?: Warum haben wir den nicht?

Wittke: Es ist natürlich auch nicht hilfreich, dass fast jede Stadt sich ihre eigene Nahverkehrsgesellschaft leistet. Die Effizienz
und auch die Bürgernähe könnten deutlich steigen, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe. Aber das müssen die Städte tun. Da, wo wir Landesgelder vergeben, geben wir effizientere Strukturen vor. Es wird bald nur noch drei Verkehrsverbünde in NRW geben.

?: Schön, aber was nutzt das dem, der mit dem Nahverkehr von Gladbeck nach Dortmund will?

Wittke: Dem wird der Rhein-Ruhr-Express von Dortmund nach Köln etwas bringen. Da errichten wir mit leistungsfähigen Zügen und einer verbesserten Taktung eine Korsettstange für den Nahverkehr, auf den die Städte ihren Nahverkehr ausrichten müssen.

?: Und wenn die Städte sich nicht nach dem Korsett richten und ihre Streckenplanungen nicht neu ausrichten?

Wittke: Das werden sie tun, denn es ist im Interesse der Kunden.

?: Das scheint die Städte aber nicht zu interessieren: Gladbeck beispielsweise ist besser an Recklinghausen und Gelsenkirchen angebunden als an Essen, da lässt man städteübergreifende Buslinien durch die Vororte juckeln, obwohl Essen Gladbecks Oberzentrum ist.
Wittke: So etwas würde sich ändern, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe, aber ich kann nicht auch noch die Planung für den Busverkehr übernehmen. Da sind die Städte in der Verantwortung und müssen sich an der neuen Magistrale ausrichten.

?: Der Nahverkehr gewinnt als Standort-Faktor mit der Benzinpreis-Erhöhung an Bedeutung. Bayern zwingt die Bahnverkehrsgesellschaften zur Kooperation – ohne Kooperation und Abstimmung kein Geld vom Land.

Wittke: Ich bin ein großer Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung. Die Städte müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Bayern ist da zentralistischer…

?:…aber erfolgreicher als NRW!

Wittke: Wir haben in NRW eine andere Tradition und Struktur. Bayern hat ein Zentrum und ein paar, nach unseren Maßstäben, kleine Großstädte. Da wird alles auf München ausgerichtet und dann passt das. In NRW geht so etwas nicht. Übrigens funktioniert die Kooperation in anderen Landesteilen. In Aachen sind Stadt und Kreis sehr eng zusammen gerückt, weil sie eingesehen haben, dass sie gemeinsam stärker sind als alleine.

?: Warum funktioniert so etwas im Ruhrgebiet nicht? Hier kooperieren die Städte in der Regel doch nur auf dem kleinsten, gemeinsamen Nenner.
Wittke: Ich habe die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Politiker endlich verstehen, dass das Ruhrgebiet nur wieder stark werden kann, wenn es sich einigt. Da müssen die Langemeyers dieser Welt ein Stück ihrer Eitelkeit zurücknehmen. Die Frage ist doch: Wie kann ich die Region stark machen, damit es meiner Stadt besser geht, oder auch, wie können die starken Städte vom Ruhrgebiet profitieren – aber nur an die eigene Stadt zu denken, nutzt doch niemanden, zu allerletzt der eigenen Kommune.

?: Was kann das Land tun?

Wittke: Von der Landesebene aus können wir die Strukturen schaffen, die es dem Ruhrgebiet ermöglichen, sich selbst zu helfen.
Ab Herbst kommenden Jahres kann die Region wieder für sich selbst planen. Das ist ein historischer Schritt – wir geben dem Ruhrgebiet ein großes Stück der Unabhängigkeit wieder, die ihm von den Sozialdemokraten genommen wurde. Der Regionalverband Ruhr (RVR) wird große Teile der Kompetenzen der Regierungsbezirke übernehmen – von der Regionalplanung über die Sportstättenplanung bis zur Schulenentwicklungsplanung wird das Ruhrparlament, die Regionalversammlung des RVR, künftig die Geschicke des Ruhrgebiets bestimmen. Und das ist nur der erste Schritt einer großen Verwaltungsreform in NRW.

?: Was sind die weiteren Schritte?

Wittke: Am Ende dieses Prozesses werden drei Landschaftsverbände die neue Mittelinstanz im Land bilden und die Aufgaben der alten Bezirksregierungen auf diese Landschaftsverbände übertragen. Auch da werden die Städte und Bürger einen größeren Einfluss haben als heute. Wir werden von den Bürgern gewählte Parlamente auf regionaler Ebene haben und auch einen gewählten Repräsentanten. Es wird eine bürgernahe Struktur werden und keine obrigkeitsstaatliche.

?: Aber innerhalb der Koalition gibt es Widerstände. Gerhard Papke, der Fraktionsvorsitzende der FDP ,hat erklärt, das Thema Verwaltungsreform habe sich erledigt.
Wittke: Das ist ein wenig so wie mit Familienangehörigen. Ich möchte nicht jede Bemerkung meines Sohnes kommentieren und
ich will auch nicht jede Bemerkung irgendeines Politikers kommentieren.

?: Es gibt aber auch Widerstand in Ihrer Partei: Vor allem in Westfalen ist die Begeisterung für die Verwaltungsreform eher gering ausgeprägt – hat dort die CDU nicht ihre Hochburgen?
Wittke: Es gibt im Ruhrgebiet mehr CDU-Wähler als im Münsterland und wir brauchen, wenn wir die Wahlen gewinnen wollen, jede Stimme. Aus Rücksicht auf das Münsterland das Ruhrgebiet aufzugeben wäre auch aus wahltaktischen Gesichtspunkten Unsinn. Wir müssen eine Politik für das ganze Land machen – und auch im ganzen Land die Wähler überzeugen. Außerdem haben wir in der CDU klare Beschlüsse und die gelten für mich ebenso wie der Koalitionsvertrag, in dem die Verwaltungsstrukturreform vereinbart wurde.

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Schalke will bescheiden werden

Foto: flickr / cerberusofcologne2008

XXX Update: Mitte Oktober 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Essen die im Text genannten Ermittlungen in Sachen Wegener ein. XXXX

Seit Wochen will ich über Schalke schreiben. Nun konnte ich den Schalke-Manager Andreas Müller treffen. Zwei Geschichte habe ich danach schon gemacht. Hier und hier. Jetzt wende ich mich den Fakten zu. Wie soll das aussehen mit Schalkes Entwicklung, mit dem Bargeld, den Schulden und dem Rest?

Ich habe Andreas Müller in einem Düsseldorfer Luxushotel getroffen, im Interconti. Der Fußballmanager war ruhig und sehr kontrolliert. Wenn er von der neuen Philosophie seines Clubs redete, dann schlug er die Beine übereinander, legte die Hände in den Schoss und senkte seine Stimme.

In dieser Situation, mit leicht verschränktem Oberkörper, spricht Müller dann von einer neuen Art von Bescheidenheit, die jeder auf Schalke lernen müsse. „Die Idee von der Meisterschaft jede Saison, die muss raus aus dem Kopf. Die blockiert nur und sorgt für Frust.“

Es ist nicht so, dass Andreas Müller mit seinem Verein nicht deutscher Meister werden will – nur nicht um jeden Preis. Der gebürtige Schwabe spricht dann von Sparsamkeit und dass man sich nicht jeden Kickerstar auf Schalke leisten könne. „Wir können im Wettbewerb mit den großen Clubs um Spieler wie Ronaldo nicht mithalten.“ Stattdessen spricht er von kleinen Zielen, etwa davon, dass Schalke die eigene Jugend fördern müsse und Talente aus Übersee. Manager Müller beschreibt seinen Arbeitgeber in solchen Minuten wie ein mittelständisches Unternehmen, das langsam und bodenständig wächst und gedeiht.

Gerade diese neue Bescheidenheit überrascht bei einem Verein, der sich bislang als eine der wenigen dauerhaften Spitzen in der deutschen Bundesliga sah. Und doch immer nur haarscharf der Pleite entwich. Noch im Juni 2006 musste der Konzern Schalke für sich und alle Tochterunternehmen einen bilanzielle Überschuldung in Höhe von rund 66 Mio Euro ausweisen. Der Schuldenberg türmte sich nach Angaben des damaligen Schalke-Finanzchefs und heutigen Präsidenten Josef Schnusenberg auf über 250 Mio Euro.

Zu oft hatte sich der Verein mit ambitionierten Projekten verhoben. Das Geld sollte nicht nur in den Spielerkader fließen, sondern auch in den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Leider nicht immer mit Erfolg. Zum Beispiel musste die Beteiligung an der Event Arena AG früh aufgegeben werden. Der geschlossene Fonds sollte ursprünglich Investoren anlocken, um Millionenbeträge in Spektakel in der Arena zu stecken. Aber schon nach der ersten Veranstaltung – Puccinis Oper "Turandot" in der Arena – wurde das Vorhaben mit Verlusten aufgegeben, wie ein Sprecher der Event AG bestätigte.

Auch aktuell ist es schwierig, die Arena mit Nicht-Fußball-Spielen zu belegen. „Welcher Sänger füllt heute schon eine Halle für 50.000 Menschen?“, fragt Manager Müller. Erst vor wenigen Wochen zog das Stock-Car Rennen von Pro-Sieben Spektakelfachmann Stefan Raab aus der Schalker Arena nach Düsseldorf in eine kleinere Halle. Müller hat seine Lehren aus der Situation gezogen. „Wir wollen die Arena nur noch vermieten“, sagt er.

Foto: flickr / alphatechno

Tatsächlich scheint es, als sei es auf Schalke angebracht, kleine Brötchen zu backen. Immer wieder laufen Wellen aus der Vergangenheit auf und bringen neue Unruhe. So ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Essen nach eigenen Angaben unter dem Aktenzeichen 307 Js 73/08 gegen den ehemaligen Manager Rudi Assauer und den aktuellen Schalke-Geschäftsführer Peter Peters wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Im Sommer wurde die Geschäftstelle in Gelsenkirchen durchsucht. Den Schalkern wird vorgeworfen, gemeinsam mit dem Teilzeit-Waffenhändler Rolf Wegener aus Monaco ein dubioses Geschäft angeschoben zu haben. Dabei geht es um den Transfer des Stürmers Viktor Agali von Hansa Rostock nach Schalke, der fast sieben Jahre zurückliegt.

Aus Unterlagen des Amtsgerichtes Essen, die mir vorliegen, geht hervor, dass die Männer rund 2,2 Mio Euro gewaschen haben sollen. Das Geld aus Schalke versickerte demnach über Lichtensteiner Konten in unbekannten Taschen. Eigentlich sollten mit den Millionen angebliche Transferrechte eines nigerianischen Fußballclubs aus Lagos an Agali abgelöst werden. Das behauptete zumindest Teilzeit-Waffenhändler Wegener. Doch die Ermittler aus Essen gehen davon aus, dass es sich um Schwarzgeld für den Stürmer handelte.

Schalkes Manager Müller sagt heute dazu, er glaube nicht, dass Agali die Millionen bekommen habe. Dann lächelt er und sagt: „Ich glaube aber auch nicht, dass der Verein aus Nigeria das Geld bekommen hat.“ Nur eins sei sicher: Schalke komme aus den Ermittlungen mit weißer Weste heraus.

XXXX Update: Die hier genannten Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Essen im Oktober 2009 nach Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozeßordnung zumindest gegen den Spielervermittler Wegener eingestellt. Das heißt, die Ergebnisse der Ermittlungen haben der Staatsanwaltschaft nicht ausgereicht, um Anklage zu erheben. Der Anwalt von Wegener hat mich am 1. Dezember 2009 über die Verfahrenseinstellung informiert. Ich habe daraufhin hier den Text angepasst. Der Anwalt von Wegener hatte von mir zudem gefordert, den Text zu löschen. Dazu sehe ich keine Veranlassung, da der Text eindeutig den Erkenntnisstand vom Oktober 2008 wiedergibt und mit dieser Ergänzung richtig eingeordnet werden kann. Update Ende. XXXX

Tatsächlich ging der Verein jahrelang an die wirtschaftlichen Grenzen, um nach fast fünfzig Jahren wieder Deutscher Meister zu werden. Ein Blick in die Zahlen enthüllt die Dimension der Bilanzkosmetik in dieser verwegenen Zeit. Um Verluste im Jahr 2003 zu kaschieren, wurde beispielsweise das Parkstadion für einen Euro von der Stadt Gelsenkirchen gekauft und in eine Tochterfirma gesteckt, die dann das Gebäude inklusive Gelände mit 15,6 Millionen Euro neu bewertet hat. Dieser Betrag wurde anschließend als „außerordentlicher Ertrag“ in die Vereinsbilanz eingeführt. Schon damals haftete dem Geschäft ein dubioser Geruch an. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelte und stellte ein Verfahren wegen Bilanzfälschung gegen den damaligen Manager Assauer und den Schalke Geschäftsführer Peters erst gegen Zahlung einer Geldbuße mit einer Gesamthöhe von 60.000 Euro ein.

2004 mussten die Schalker nach einem weiteren schlechten Jahr eine ähnliche Bilanzpolitur vollziehen. Über eine Neubewertung ihrer Cateringgesellschaft und einer frisch gegründeten Rechtevermarktungs-GmbH konnte der Klub seinen Verlust von 23 Mio Euro in einen Gewinn von 43 Mio Euro drehen. Die neue Firma wurde wieder als Sondererlös in die Bilanz eingeführt. Schalkes Finanzchef Schnusenberg sagte damals: „Wir leben von der Hand in den Mund.“

Ewig konnten die Tricks jedoch nicht weiter helfen. Im Verlauf des Jahres 2006 wurde die Luft wieder dünn. Wie Schalke damals bestätigte, gab der Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ein Privatdarlehen in 4,7 Mio Euro. Sein Co-Aufsichtsrat Karl-Heinz Beul stellte drei Mio Euro zur Verfügung. Sogar der damalige Manager Rudi Assauer half mit 500.000 Euro aus.

Erst ein dramatischer Brief von Aufsichtsratschef Tönnies an den Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) brachte Ende 2006 die Wende. Der Schalker beschwor den Sozialdemokraten ein gutes Wort bei Gazprom für den Verein einzulegen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Und Schröder half. Als Verwaltungsratspräsident einer Gazprom-Tochter riet er Tönnies bei einem Telefonat, sich an Gazprom-Chef Alexeij Miller mit der Bitte um Hilfe zu wenden.

Das hat gereicht. Der russische Energiegigant stieg als Hauptsponsor beim FC Schalke 04 ein. Heraus kam einer der höchst dotierten Sponsorenverträge, den je ein Bundesliga-Club an Land ziehen konnte: Bis zu 125 Mio Euro will der Energiekonzern in den nächsten fünf Jahren nach Gelsenkirchen überweisen. Dabei teilt sich die Summe in einen Fixanteil und Leistungsprämien auf. Letztere werden in der Regel nur fällig, wenn Schalke Meister wird oder in der Champions-League reüssiert.

Der Vertrag hat Schalke gerettet. Wie Müller heute bestätigt, ließ sich der Verein den gesamten Fixanteil direkt zu Beginn des Vertrages auszahlen. Damit wurde ein Darlehen beim Londoner Finanzmakler Stephan Schechter abgelöst. Schalke sparte die Zinsen und schaffte es so aus dem Gröbsten heraus, sagt Müller. In der aktuellen Bilanz kann Schalke einen Gewinn von 12,8 Mio Euro ausweisen, nach einem Verlust von 3,4 Mio im Vorjahr.

Dazu kommt der sportliche Erfolg. Der erneute Einzug in die Champions-League spülte in der vergangenen Saison 30 Mio frische Euro in die Kassen. Erst vor wenigen Wochen konnte der Verein der Günter-Netzer-Firma Infront einen Anteil von 7,8 Mio Euro an der Schalke Arena abkaufen. Müller freut sich: Mittlerweile gehören dem Verein rund 80 Prozent an dem Stadion. Der Rest ist auf den Busfahrer der Knappen, einen Würstchenfabrikanten und einige Honoratioren der Schalker verteilt. Selbst die Stadt Gelsenkirchen hält über einen Tochterfirma einen Anteil von gut 5 Mio Euro an der Arena.

Doch trotz der guten Nachrichten kann von einer dauerhaften Genesung noch immer kaum die Rede sein. Sollte Schalke den Wiedereinzug in die Championsleague verpassen oder früh aus dem UEFA-Cup ausscheiden, bleibt frisches Gazprom-Geld aus. Müller erklärt, dass die Finanzplanungen des Vereines davon ausgehen, mindestens den dritten Platz in der Bundesliga zu erreichen und damit in die Champions-League-Qualifikation einzusteigen. Wird in einer Saison das Ziel verpasst, ist das zu ertragen. Ab der zweiten Saison müsse es Einschnitte geben, sagt Müller. Derzeit unterhält Schalke einen Spielerkader, der fast 60 Mio Euro im Jahr verschlingt. Würde Schalke bis zum Saisonende auf dem aktuellen siebten Platz verharren, könnte die nächste Krise drohen.

Schalke-Manager Andreas Müller bleibt deshalb so bescheiden, wie der Geschäftsführer einer schwäbischen Uhrenfabrik. Mittlerweile sei es gelungen, die bilanzielle Überschuldung zurückzuführen, sagt Müller: „Wir haben wieder Eigenkapital.“ Damit sei ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan. Den Rest müsse man geduldig abwarten. Schließlich könnte ein Pfostenknaller in der letzten Minute den Unterschied ausmachen zwischen einem rettenden dritten Platz und einer neuen Krise.

Prediger am Samstag

Foto: Montage / David

Heute habe ich einen faulen Morgen, seit Wochen der erste. Ich liege im Bett und mache den Fernseher an. Ich zappe rum und bleibe irgendwie beim Sender "Das Vierte" hängen. Da läuft morgens ein Live Gospel von David Hathaway. Das ist ein amerikanischer Heilprediger, der Ukrainern und Russen predigt, wie sie mit dem Glauben an Jesus ihre Probleme wegbeten. Über den Sermon wird ein deutscher Übertext gesprochen. Richtig gruselig.

Ich frage mich, wieso dieser Schrömps im deutschen Kleinstsender läuft? Kann es daran liegen, dass der Sender der Firma Mini Movie International Channel gehört, die selbst wieder Dmitri Lesnewski gehört. Lesnewski ist ein Moskauer Oligarch, der mal am größten russischen Sender Ren TV beteiligt war.

Lesnewski hatte angekündigt, dass er das Vierte zum Vollprogramm ausbauen möchte. Geld soll dabei keine Rolle spielen. Wird deswegen dieser amerikanisch-russische Jesus-Melange gesendet?

Dmitri Lesnewski passt jedenfalls nicht in eines der gängigen Russenklischees. Er hat nicht unbegrenzt Geld. Er ist kein Kremlnaher Oligarch. Seine Beteiligungen an Ren TV hatte er nach zunehmenden Druck der russischen Politik an die RTL-Gruppe verkauft, um so den Sender vor politischer Kontrolle zu sichern. Doch das klappte leider nicht. Die RTL-Group kuschte vor den Mächtigen. Und lies Eingriffe in die Redaktionen zu.

Lesnewski Mutter Irena Lesnewskaja gehört allerdings bis heute zu den unnachgiebigsten Kritikern der Kremlherrschaft. Sie gibt die Zeitschrift The New Times heraus. Eine der ganz wenigen Zeitungen, in der noch freie Berichterstattung möglich ist.

Wer weiß, vielleicht ist Lesnewski ja auf dem Missionstrip. Wäre jedenfalls möglich. Früher waren die Ami-Prediger in Russland sehr erfolgreich. Wenn er damals auf die Typen angesprungen ist, könnte es sein, dass er diesen Irrglauben nun verbreiten will.

Könnte aber auch sein, dass "Das Vierte" einfach Geld braucht und nun Missionen gegen Bares sendet.

Für so einen Samstagmorgen ist dieser Predigerstart jedenfalls heavy. Muss wohl aufstehen.