Upgrade: Am Ende: Waldorfschüler ohne Abschluss?

Dass ein Kind die Schule ohne Abschluss verlässt, ist für viele Eltern eine Horrorvision. An Waldorfschulen in NRW könnte sie im Sommer wahr werden, denn zum ersten Mal werden auch Waldorfschüler zentral geprüft. In Bochum droht angeblich zwei von drei Kindern das schulische Aus.

Rudolf Steiner Schule in Bochum-Langendreer Foto: Ruhrbarone

Waldorfschulen sind für viele Eltern eine Alternative zu den konventionellen staatlichen Schulen. Das ursprünglich vom Anthroposophen Rudolf Steiner entwickelte pädagogische Konzept soll angeblich die Kreativität der Kinder fördern und sie in einer Atmosphäre ohne Leistungsdruck groß werden lassen. Noten gibt es an den Waldorfschulen erst spät, der  Unterricht in Chemie und Physik setzt eher auf das intuitive Erfassen von Naturphänomen, denn auf die Vermittlungen nüchterner Fakten. Und durch das Tanzen in weitern Gewändern sollen auch pubertierende Jugendliche ein besseres Körpergefühl entwickeln. Kritiker bemängeln, an der Waldorfschule werde ein krudes Geschichtsbild vermittelt, in dem die mythische Insel Atlantis und griechische Sagen im Zentrum des Interesses stünden. Auch Rassismusvorwürfe gegen Steiner und die Waldorfpädagogik sorgten immer wieder für  Schlagzeilen.

Im  Sommer dürften die Waldorfschulen wieder ins Zentrum des Interesses rücken: denn dann werden in NRW erstmals auch die Waldorfschüler  zentral geprüft. Das Ergebnis dieser Prüfung könnte für die Steiner-Schulen zum Desaster werden. An der Rudolf-Steiner-Schule in Bochum wurden nach uns vorliegenden Informationen vor kurzem Eltern einer der beiden Abschlussklassen des nicht förderschulischen Bereichs darüber informiert, dass zwei Drittel der Kinder kaum eine Chance auf einen Schulabschluss hätten. Gabriele Kallis, die Abschlussbeauftragte der Rudolf Steiner Schule bestreitet  die  uns zugetragenen Aussagen: "Unsere Schüler werden in diesem Jahr in der 11. und 12. Klasse  ihren Fachoberschulreife oder ihren Hauptschulabschluss machen. An dem kommenden Jahr werden diese Abschlüsse dann nur noch in  der 11. abgelegt werden können. Bei einigen wenigen Kindern haben wir den Eltern geraten, sie anstatt für die Fachoberschulreife für die Prüfung zum Hauptschulabschluss anzumelden. Natürlich kann es mal vorkommen, dass ein Schüler keinen Abschluss macht, aber das sind bei uns sehr seltene Ausnahmen und das wird auch in diesem Jahr so sein." Es gäbe keine massenhaft negative Prognose.

Dass Waldorfpädagogen allerdings mit Sorge auf die Zentralprüfungen des kommenden Sommers blicken, ist seit dem vergangenem Jahr klar, als sie gegenüber der Landesregierung ihren Unmut gegenüber der Prüfungsordnung deutlich machten. Sie wurden dabei von der grünen Landtagsabgeordneten Sigrid Beer unterstützt, die sich vor allem gegen die hohe Bedeutung der schriftlichen Prüfungen wandte und  – wie die Waldorfpädagogen – die  Berücksichtigung der mündlichen Noten für das Prüfungsergebnis forderte.

Für die ehemalige Waldorflehrerin Heidrun G.* eine Scheindiskussion: "Die Einbeziehung der  mündlichen Waldorfnoten würde jede  Vergleichbarkeit  der Noten ad absurdum führen. Die Waldorfschulen wollen eine Ausnahmeregelung, um ihr Versagen als Schulen zu kaschieren." G. würde es nicht überraschen, wenn im Sommer viele Waldorfschüler ohne Abschluss dastehen würden: "Den Kindern wird vor allem das Reproduzieren beigebracht, eine kritische Auseinandersetzung mit Inhalten und selbstständiges Arbeiten findet kaum statt. Der naturwissenschaftlich-mathematische Unterricht ist eine Katastrophe und viele, vor allem leistungsstarke Kinder, langweilen sich bei dem niedrigen Niveau des Unterrichts." Ein Problem sei, dass in vielen Waldorfschulen immer mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam mit  Kindern ohne Entwicklungsdefiziten unterrichtet würden – anders als an der Bochumer Rudolf-Steiner-Schule, wo es einen eigenen Förderzweig gibt: "Dieser integrative Unterricht ist eigentlich eine gute Sache, aber nicht unter Waldorfbedingungen: Integrativer Unterricht braucht kleine Klassen und zusätzliche Lehrer mit einer sonderpädagogischen Qualifikation. Beides ist an Waldorfschulen nicht die Regel. Den Preis zahlen die Kinder."

*Name geändert

NRW-Grüne suchen Schnorrer-Blogger

Screenshot: Grüne NRW

Die Diskussion um eingeshoppte Blogger, die sich für ein Butterbrot und ein Bahnticket zur Berichterstattung einladen lassen, ist lang und breit bekannt. Gerade die Grünen tun sich dabei hervor, diesen Weg in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu beschreiten. Schon auf den Bundesparteitagen haben sie Leute eingekauft. Und nun wollen es die Landesgrünen in NRW wiederholen. Bitte. Wer hinfährt ist selber schuld. Ich werde nicht kommen und rate jedem davon ab, als eingekaufter Blogger nach Hagen zu fahren. Ihr macht Euch unglaubwürdig.

Die Argumente, warum ich das Einladen-Lassen aus Sicht eines Bloggers nicht OK finde, sind hier versammelt.

Die Grüne Partei will Blogger kaufen

Grüne wanzen sich wieder an Blogger ran

Grüne shoppen Blogger ein – die Dritte

Im Kern meine ich, die Grünen wollen sich Aufmerksamkeit im Netz kaufen. Es geht nicht darum, dass die bezahlten Blogger positiv schreiben, sondern darum, dass sie überhaupt schreiben.

Bislang haben die Grünenvor allem Blogger verteidigt, die sich Fahrten haben bezahlen lassen. Am besten sind die Argumente Pro-Einladung von Jens zusammengestellt worden, denke ich. Hier findet Ihr sie:

Da sind wir uns nicht grün

Dürfen Parteien Blogger bezahlen?

Übringens scheint das mit dem Blogger-Bezahlen nicht gut zu klappen. Während bei der ersten Aktion in Erfurt noch Blogger aus der ersten Reihe dabei waren, mussten die Grünen in der zweiten Rutsche auf bloggende Parteifreunde zurückgreifen, die sich einladen ließen. Leute aus der vorderen Blogger-Linie haben sich anscheinend nicht mehr beworben.

Einen Bericht zum letzten Blogger-Shop-Versuch der Grünen gibt es vom WDR hier: Klack

Besonders bedenklich finde ich, dass die Grünen durch die Fortsetzung des Blogger-Shoppens versuchen ihr Verhalten zu normalisieren. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit von Blogs als Informationsmedium insgesamt beschädigt.

P.S. Eigentlich wollte ich die Nummer todschweigen, aber da Jens jetzt nochmal drauf zu sprechen kam, konnte ich den Ball ja nicht liegen lassen.

Ausgemüllert

Als ich ihn das letzte Mal gesehen haben, es war Ende Januar, da hatte Schalke Manager Andreas Müller die Sache schon hinter sich gelassen. Zum Auftakt der Rückrunde wurde die Sportpresse ins rund erneuerte Schalke-Museum geladen. Und Müller verdrückte sich lange in einen Tunnel mit Videoaufnahmen aus Schalker Tagen. Besonders intensiv, fast regungslos besah er sich den Film über die Eurofighter, seinen UEFA-Pokal-Sieg; – glühte sein Gesicht hinterher ein wenig?

Foto:ruhrbarone.de

Die Pressekonferenz verlief dann Durchhalteparolig, sterbenslangweilig. Trainer Fred Rutten, der im Amt bleiben darf, sagte ungefähr zwanzigmal "das ist normal". Müller, der heute beurlaubt wurde (klick, klack), nachdem er einen Rücktritt ablehnte, gab den bärbeißigen. Und das auch schon unter der Moderation eines Ersatzmannes: Weil in der Winterpause als erstes Opfer der höchst rätselhaften Schalke Krise (oder ist es eher ein Infekt, ein Virus?), der verdiente Traditions-Pressesprecher Gerd Voss beurlaubt wurde, musste Thomas Spiegel die Presserunde im Museum leiten. Seltsame Schalker Zeiten.

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Aus dem All besehen

Es bleibt zwar weiterhin eine unlösbare Aufgabe, jemandem von außerhalb zu erklären, wo und was das Ruhrgebiet ist. (Do you know Cologne?) Aber dafür geistert seit einigen Jahren dieser Beweis für die eigentlich unübersehbare kontinentale Großbedeutung des Ruhrgebiets durch Pressearbeit: Denn vom All aus gesehen ließen sich des Nachts überhaupt nur drei helle europäische Lichtpunkte erkennen: die Großräume von Paris und London, sowie das Ruhrgebiet. Und weil es ein ziemlich gutes Gefühl ist, zwar komplett unbekannt aber insgeheim doch wichtig zu sein wie Paris, London, bietet der Regionalverband Ruhrgebiet eine dieser Nachtaufnahmen Europas auch zum Download an. Etwas verräterisch firmiert die Aufnahme (oben links) dort als "Illustration" der "Ruhr.2010". Und Illustration trifft es gut. Man könnte auch böse sagen: Schönfärberei, Verdummung, Verfälschung.

Ausgerechnet eine Werbepostille, die "reiseWELT 01.2009" von Welt (Springer), CP-Compartner (Essen) und Bertelsmann (Gütersloh) belegt jetzt, wie sich Ruhr-Lobbyisten ihr Gebiet seit Jahren künstlich aufgeblasen haben. Eine Aufnahme der NASA (Abbildung rechts) zeigt auf Seite 7 nämlich nicht, wie es in der naiven Bildbeschriftung heißt, "die energetischen Brennpunkte Europas: London, Paris und die Metropole Ruhr", sondern ein mitteleuropäisches Lichtermeer.: Belgische Autobahnen und Brüssel, das gleißende Nordholland, leuchtendes Nordengland, Glasgow-Edinburgh, Stockholm. Berlin wurde hier wieder mal geteilt, nur ein Stück ist zu sehen, ganz zu schweigen von Moskau, Warschau, Rom…

Noch ein Wort zur "reiseWELT". Das Joint-Venture von Springer, Bertelsmann und der Essener Platzhirsch-Agentur mit besten Verbindungen zu Regionalverband Ruhrund vor allem zur Ruhr Tourismus GmbH ist ingesamt ziemlich  durchsichtig ausgefallen: Einer doppelseitigen Anzeige des NRW-Wirtschaftsministeriums folgt ein doppelseitiges Gespräch mit der Ministerin Christan Thoben. Anzeigen der Ruhr Tourismus GmbH und der Ruhr 2010 auf ein Vorwort von Fritz Pleitgen (2010) und Axel Biermann (RTG).  Die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Anzeigenschalter überwiegen deutlich – was an der Finanzkrise leigen mag oder doch an der etatistischen Tradition des Ruhrgebietes. Schwer staatstragend darf natürlich auch MP Rüttgers sein Grußwort abgeben und sich über das "spektakuläre Satellitenbild" freuen: "Im Herzen des Kontinents strahlen Millionen Lichter der Metropole Ruhr (…) Mehr als ein Foto (…) ein Symbol für die Veränderungen in der Region". Würd ma sagen: geht so.

 

 

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Mitarbeiter bieten Lohnverzicht…Spiegel

Show: Joschka Fischer in Bochum…Ruhr Nachrichten

Ciao: Schalke-Müller fliegt…Der Westen

Kultur: Nacktlesung auf Second LIfe…Kueperpunk

Energie: Demo gegen Belene…Claudia

ITB: Gelsenkirchen wirbt um Touristen…Gelsenkirchen Blog

Böse: Clement gegen Müntefering…Der Westen

Nazis: Haltern gegen Rechts…Ruhr Nachrichten

Web2.0: Fallstricke für Parteien…Pottblog

WAZ: Soest 2…Zoom

Ewald: Was macht der Zechenbaron?…Hometown Glory

Ruhr2010: Kommt Omar Akbar?…Naumburger Tageblatt

 

 

Geschichte eines Steuerhinterziehers

Foto. Flickr.com / aguno

In diesem Tagen wird wieder viel geschimpft über Leute, die ihr Geld in die Schweiz, Liechtenstein oder auf die Kanalinseln bringen. Allesamt Steuerparadise, die einen runden Euro mit dem steuerversteckenden Geldtransfer aus dem Ausland verdienen. Doch was sind das für Leute, die ihr Geld über die Grenze schaffen? Einen kenne ich. Er hat mir seine Geschichte erzählt.

Es versteht sich von selbst, dass er nicht namentlich genannt werden will. Nur soviel über die Person: männlich, 45 Jahre alt, lebt in einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen. Auch kann der Mann nicht für die breite Masse gelten – er ist halt nur einer von vielen Steuerflüchtigen.

Der Mann, ich gebe ihm mal den Namen Michael, hat es zu Wohlstand gebracht. Sein Vater hat nach seinem Rauswurf bei einer großen Handelskette eine Geschäft für Inneneinrichtung eröffnet. Schon bald nach Eröffnung stieg der Sohn mit ein, auch wenn er erst 20 Jahre alt war. Durch harte, gemeinsame Arbeit haben sie das Geschäft nach vorne gebracht. Kaum ein Tag hatte weniger als zwölf, vierzehn Stunden. Wenn das Geschäft geschlossen wurde, sind Vater und Sohn zu den Kaufinteressenten nach Hause gefahren, haben sie dort beraten. Auch mal Gegenstände mitgebracht, damit die Kunden sehen konnten, wie diese in ihren vier Wänden wirken.

Die Plackerei hat sich gelohnt, das Geschäft läuft rund. Michael konnte sich zehn Jahre nach dem Einstieg in die väterliche Firma eine Wohnung kaufen. Drei Zimmer, geschmackvoll aber ohne Luxus eingerichtet. Einen Kredit musste er dafür nicht aufnehmen. Auch nicht für den Sportwagen vor der Tür. Ein Japaner und kein Porsche.

Michael führt ein normales Leben für seine Nachbarn. Michael hat aber eine andere Seite. Eben jene als Steuerhinterzieher. Über Jahre hinweg tut er dies, auch heute noch. Die Höhe der Summe kenne ich nicht. Ich vermute, er selbst kennt sie nicht. Aufzeichnungen oder ein Kassenbuch führt er nicht. Er weiß, Papier ist gefährlich, sollte einmal die Steuerfahndung bei ihm auf der Matte stehen.

Michael ist sich bewusst, dass er da was illegales macht. Aber er kann es vor sich rechtfertigen. Die vielen Arbeitsstunden, die Entbehrungen im privaten Bereich. Er hat das Geld durch harte Arbeit verdient, denkt er sich. Ein schlechtes Gewissen bekommt Michael nur, wenn er auf dem Weg in die Schweiz ist. Dort hat er ein Konto. Bei einer Bank, die keine Kontokarten ausgibt, wo junge Kunden nicht über den Knax-Club angeworben werden.

Die Bank von Michael hat einen diskreten Eingang. Die Tür öffnet sich erst auf Anforderung. Ist der Geschäftsmann drin, stellt man ihm nur eine Frage. Die nach seiner Kontonummer. Papier ist nicht nötig. Die Nummer hat Michael im Kopf. Wie das Geld in die Schweiz gekommen ist, sagt Michael nicht. Das Thema sei heikel, sagt er. Oft fährt Michael nicht in die Schweiz. Wenn es einmal im Jahr ist, dann ist das viel.

Einmal musste er einen Rücktransfer machen. Er und sein Vater haben expandiert. Gebaut wurde ein neuer Verkaufsraum, ein größeres Lager. Dafür brauchten sie viel Geld. Um die unversteuerte Kohle aus der Schweiz zu holen, hat Michael eine Privatmaschine samt Pilot gemietet. Das hat zwar einige Tausend Euro gekostet, aber das Risiko an der Grenze geschnappt zu werden, ist in der Luft deutlich geringer als am Boden. Im Koffer hatte er einige Millionen von seinem Schweizer Konto.

Das Geld steckt nun in den neuen Gebäuden. Immerhin ein sinnvoller Zweck, hat er doch neue Mitarbeiter im Zuge der Expansion eingestellt.