Ich habe das Strafverfahren gegen den ehemaligen Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Harald F., seit Monaten intensiv beobachtet. Ich war im Knast. Ich hab mit duzenden Leuten gesprochen. Und jetzt kommen wir zum Ende dieser Affäre und zum Beginn einer neuen. Aus dem Fall Harald F. entwickelt sich ein Justizskandal. Nach meinen Recherchen konnte die zuständige Staatsanwaltschaft auch nach gut sechsmonatigen Ermittlungen den Tatverdacht des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs, der Korruption und der Untreue gegen Harald F. und ein duzend weitere Beschuldigte nicht erhärten. Im Gegenteil: Nach Auskunft des ermittelnden Oberstaatsanwaltes Ralf Meyer wurden mittlerweile die besonders schweren Vorwürfe fallengelassen. Lediglich wegen eines möglichen Untreue-Verdachtes werde weiter ermittelt. Ich habe aus den Reihen von Grünen und SPD gehört, dass Parlamentarier darüber nachdenken, einen Untersuchungsauschuss einzuberufen. Es geht darum zu klären, ob Uhlenberg seine Macht mißbraucht hat. Nachdem er schon mindestens eine PFT-Tabelle frisiert hat, um damit die Öffentlichkeit über eigene Erfolge zu täuschen, wie das Landgericht Berlin in einem Urteil festgestellt hat.
Der Mann neben der Kuh ist Uhlenberg, der NRW-Umweltminister. Das Foto ist von der Seite des MUNLV.
Oberstaatsanwalt Meyer sagte, es seien alle beschlagnahmten Gelder wieder freigegeben worden. Auch ein Haftbefehl gegen den Hauptbeschuldigten Harald F. wurde zurückgenommen. Es gebe keine Verdunklungsgefahr mehr, sagte der Ermittlungsleiter. Das bemerkenswerte daran ist, dass Meyer noch vor ein paar Wochen wie ein Wolf gegen die Aufhebung der Arreste gekämpft hat. Die verfolgten Firmen sollten nicht ihr Geld frei kriegen. Auch wenn das deren Ruin bedeuten würde. Meyer setzte ein entsprechendes Urteil vor dem Landgericht in Wuppertal durch.
Jetzt die Kehrtwende. Und auch bei dem letzten verbliebenen Vorwurf stapelt der Oberstaatsanwalt nun tief. Meyer sagte mir, er müsse zunächst einen Bericht an die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf senden, dann werde über die mögliche Einstellung des Verfahrens entschieden.
Zwischendurch habe ich erfahren, dass die Generalstaatsanwaltschaft schon seit Wochen mit dem Fall beschäftigt ist.
Ich denke, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Eingreifen der Generalstaatsanwaltschaft und der Wende im Fall F. Für Meyer, das LKA aber vor allem für den Anzeigenerstatter aus dem Umweltministerium ist das ein Debakel.
Denn alles hatte so spektakulär angefangen, als in den Morgenstunden des 29. Mai eine der größten Polizeirazzien der letzten Zeit in NRW begann. Über 200 Beamte durchsuchten damals duzende Büros und Privatwohnungen. Es hieß, eine Bande rund um den Ex-Abteilungsleiter von Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) habe rund 4,3 Mio. Euro unterschlagen. Der Hauptbeschuldigte, Harald F., Mitglied der Grünen, wurde verhaftet.
Parallel zu den Durchsuchungen lief ein groß angelegter Lausch- und Spähangriff. Beamte des Landeskriminalamtes hörten tagelang über 30 Telefone ab. Gespräche zwischen Mandanten und Rechtsanwälten wurden mitgeschnitten. Emails aufgezeichnet. Und ein halbes Dutzend Personen wurde beschattet. Darunter Professoren, die für das Umweltministerium in Sachen PFT forschen. Prominentestes Lauschopfer ist der Geschäftsführer der Grünen im Landtag Johannes Remmel, von dem gleich ein Dutzend Gespräche aufgezeichnet wurden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden die Unterlagen mittlerweile vernichtet.
All diese Maßnahmen haben den Tatverdacht nicht erhärten können. Stattdessen führen sie ins Ermittlungs-Nirvana.
Ich habe umfassende Einsicht in die Ermittlungsakten. Nach meinen Recherchen gehen die meisten Vorwürfe vor allem auf die Aussagen von nur zwei Belastungszeuginnen zurück. Die beiden Frauen, Dorothea Delpino und Ulrike Frotscher-Hoof, arbeiten im Umweltministerium. Als Motiv für ihre Beschuldigungen gab Delpino einmal an, sie wolle sicherstellen, dass Harald F. nicht wieder ins Umweltministerium zurückkehren könne. Zunächst wurden die Aussagen der Zeuginnen im Umweltministerium zusammengestellt.
Dann zeigte das Umweltministerium von Eckhard Uhlenberg (CDU) den Ex-Abteilungsleiter im Sommer 2006 an.
Wie ich aus Ermittlerkreisen erfuhr, waren die Recherchen im LKA zunächst umstritten. Doch besonders Kommissar L. trieb die Verfolgung in enger Kooperation mit dem Umweltministerium voran. Es liegen Emails des Kommissars vor, in denen er führende Mitarbeiter des Uhlenberg-Ministerium darum bittet, das weitere Vorgehen in Sachen Harald F. zeitnah mit ihm abzustimmen.
Auch den Akten lässt sich eine Spirale rekonstruieren, in der sich die beiden Zeuginnen, die Ministeriums-Spitze, Kommissar L. und der Staatsanwalt Meyer immer weiter in ihren Verdachtsmomenten festfraßen, ohne tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten zu finden. Die Leute haben sich Akten hin und her geschickt. Aussagen abgesprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt. Die Belastungszeugin Delpino durfte sogar Akten mit aus dem LKA nehmen, um sich privat dazu Gedanken zu machen. Das ist kein Unsinn. Das steht in den Ermittlungsakten. Aus denen ich aus rechtlichen Gründen nicht wörtlich zitieren darf. Sonst würde ich am liebsten die ganzen dubiosen Nummer hier im Original einstellen.
Erst wenigen Wochen nach den Hausdurchsuchungen im Jahr 2008 erwiesen sich die meisten Beschuldigungen als haltlos. Zunächst wurde eine belastende Aussage über eine Reise des Ex-Abteilungsleiters nach Südfrankreich auf Kosten von Auftragnehmern des Ministeriums als Falschbeschuldigung entlarvt. Harald F. hatte die Reise selbst bezahlt. Ein angeblich als Schmiergeld ausgeteilter Laptop entpuppte sich als Projektrechner der Uni Aachen, den der Beschuldigte bereits vor Jahren zurückgegeben hatte.
Nun stellt sich auch der letzte Vorwurf als kaum haltbar heraus. Und zwar beschuldigten die beiden Zeuginnen ihren Ex-Chef Mittel aus der Abwasserabgabe zweckwidrig verwendet zu haben. Die entsprechenden Mittel dürften nur zur Forschung und Entwicklung im Bereich des Gewässerschutzes ausgegeben werden. Nach bisheriger Meinung der Staatsanwaltschaft habe zum Beispiel ein Projekt zur Ermittlung der „Schadstoffeinträge in Oberflächengewässer“ nicht bezahlt werden dürfen.
Aus der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ist zu hören, dass es schwer sei, dem Abteilungsleiter einen Vorsatz für falsche Mittelverwendung zu unterstellen. Schließlich belegen Unterlagen aus dem NRW-Umweltministerium, die mir vorliegen, dass selbst Umweltminister Uhlenberg, die Verwendung der Abwasserabgabe für das angegriffene Projekt lobt. So heißt es in einem Forschungsbericht aus dem Januar 2008: „Die vom Land finanzierten Vorhaben sollen einen Beitrag zur Verbesserung des Umweltschutzes leisten und gleichzeitig wirtschaftliche Maßnahmen aufzeigen, die den Umweltstandard definieren.“
Intern heißt es in Ermittlerkreisen: "Uhlenberg kann nicht auf der einen Seite 2006 Anzeigen stellen, in denen er eine angeblich falsche Verwendung der Mittel angreift, und auf der anderen Seite diese Projekte dann weiterführen."
Tatsächlich werden noch immer Ministeriums-Aufträge aus den Mitteln der Abwasserabgabe bezahlt werden, die nicht unmittelbar der Verbesserung der Gewässergüte dienen. So steht beispielsweise im Landeshaushalt, dass Mittel aus der Abwasserabgabe herangezogen werden, um Altlasten zu sanieren oder ein Bildungszentrum zu unterhalten. Beides Ausgaben, die nach Informationen von ehemaligen Angestellten des Umweltministeriums kaum unter dem Begriff „Forschung und Entwicklung“ zu fassen sind. Das Umweltministerium hat mir gegenüber diese Ausgaben für die Altlasten und das Bildungszentrum bestätigt.
Auffällig ist, dass selbst das Umweltministerium die eigenen Anzeigen nicht besonders ernst genommen hat. So verzichtete das Haus von Minister Uhlenberg nach dem Ausscheiden des ehemaligen Abteilungsleiters darauf, einen möglichen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen. Dafür hatte das Ministerium nach geltender Rechtslage bis Mitte 2007 Zeit. Entsprechende Forderungen sind aber bis heute nicht erhoben worden.
Mehr noch: Aus den Ermittlungsunterlagen geht hervor, dass der der Uhlenberg-Staatssekretär Alexander Schink im Landtag NRW die Unwahrheit gesagt hat. So behauptete Schink gegenüber dem Parlament, das Ministerium habe nur zwei Anzeigen wegen kleinlicher Nebenaspekte gegen den Beschuldigten Ex-Mitarbeiter gestellt – alle Korruptionsvorwürfe seien vom Landeskriminalamt selbstständig ermittelt worden. „Warum das Dezernat Korruptionsbekämpfung dort tätig ist, entzieht sich meiner Kenntnis.“
Tatsächlich erstattete das Uhlenberg-Ministerium bereits am 14. Juli 2006 eine umfassende Strafanzeige gegen Harald F. Und zwar in der Korruptionsabteilung des LKA. Ausdrücklich bezog sich die Anzeige auf angebliche Korruption. In einem "Beiblatt zur Anzeige" heißt es: "Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Forschungsaufträge mit einem Volumen von rund 2,1 Millionen Euro unter Missachtung der Vergaberichtlinien an die RWTH Aachen vergeben zu haben." Dafür sei ihm "zumindest ein hochwertiges Laptop seitens der RWTH zur Verfügung gestellt worden." Was ist das anderes als ein Vorwurf der Korruption?
Doch das Umweltministerium ficht das nicht an. Bis heute bestreitet Schink die Anzeige vom 14. Juli. Bei der ersten Anzeige habe es sich lediglich um ein Schreiben gehandelt, in dem es um "Personalauswahlverfahren" ging. Ein Sprecher schrieb dazu in einer Email: "Die Unterstellung, Staatssekretär Dr. Schink habe den Landtag täuschen wollen bzw. getäuscht, wird mit Nachdruck zurückgewiesen." Weder dem Minister noch dem Staatssekretär sei eine Anzeige vom 14. Juli bekannt.
Nicht beantwortet wird mikt dieser Aussage, warum der Justiziar des Umweltministerium mit einem Aktenkonvolut, Aussagen und einer detaillierten Vorwurfsliste der Belastungszeugin Delpino zum LKA gerannt ist. Denn auch das steht in den Akten. Will Schink behaupten, der Justiziar habe alleine gehandelt, gar eigenmächtig?
Mittlerweile will das Umweltministerium, das verfolgte Firmen wieder für die Behörde arbeiten. Ein Sprecher sagt: "Das Ermittlungsverfahren stellt keinen Hinderungsgrund dar, laufende Projekte zu Ende zu führen oder neue Projekte bei Vorliegen der rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen mit Auftragnehmern zu beginnen, die von dem Verfahren betroffen sind." Einer der beschatteten Professoren zeichnete verantwortlich für ein PFT-Gutachten des Ministeriums. Ein Uhlenberg-Sprecher sagte mir: Es seien keine Personen bekannt, die eine weitere Zusammenarbeit ablehnen würden.
Nach meinen Recherchen stimmt auch das nicht. Etliche Personen haben ihre Jobs in den verfolgten Firmen verloren. Ein Ingenieur sagt: "Solange Frotscher-Hoof und Delpino noch im Amt sind, ist keine Vertrauensbasis mit dem Ministerium vorhanden."
Ging es in erster Linie um Korruptionsbekämpfung? Das fällt schwer zu glauben. Harald F. gilt als einer der renommiertesten Kritiker des Umweltministers Uhlenberg im PFT-Skandal. Nach seiner Verhaftung liefen Gerüchte durch den Düsseldorfer Landtag, die vom Umweltministerium gestreut wurden, jetzt sei der PFT-Informant ausgeschaltet.
Und tatsächlich kümmerten sich Beamte des LKA auch um das krebserregende Gift: Wie aus den Akten hervorgeht, hat das LKA etliche Unterlagen zum PFT-Skandal in den Räumen von Harald F. beschlagnahmt. Darüber hinaus fing das LKA mehrere Emails des Ex-Abteilungsleiters an Journalisten ab, in denen Informationen über den PFT-Skandal ausgetauscht wurden. Auch ich war betroffen.
Weiter hörten die Ermittler mindestens ein Telefonat von mir mit dem Rechtsanwalt des Beschuldigten Harald F. und mit seiner Ehefrau ab. Nach Aussage der Staatsanwaltschaft wurden die aufgezeichneten Gespräche und Emails zwischenzeitlich vernichtet.
Es ist unbekannt, ob Lecks aus dem LKA Unterlagen rechtswidrig an das Umweltministerium weitergereicht haben. Bekannt ist allerdings aus den Ermittlungsunterlagen, dass ein vorgesetzter LKA-Beamter hunderte Dateien und Akten unter anderem zum PFT-Skandal, an das Umweltministerium weitergereicht hat. Dort wurden die Dokumente detailliert ausgewertet. Ziel der Aktion war es laut Akten unter anderem, einen Maulwurf im Ministerium zu enttarnen, der die Medien mit Informationen versorgte. Umweltstaatssekretär Alexander Schink stellte mindestens eine Anzeige wegen angeblichen Geheimnis-Verrats gegen Unbekannt.
Statt zu versuchen, seine Kritiker zum Schweigen zu zwingen, hätte sich Uhlenberg besser mit den Problemen an der Ruhr beschäftigt. So geht der PFT-Skandal in NRW ungebrochen weiter. Eigentlich sollte Mitte des Jahres eine Datenbank ins Internet gestellt werden, aus der jeder Bürger die aktuellen Messwerte von Schadstoffen wie PFT in den Trinkwasserflüssen von NRW erfahren sollte. Doch das Projekt „Fluss-Win-IMS“ wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, obwohl die Datenbank nahezu fertig ist. Ein Beteiligter sagte: „Es steht in den Sternen, wann das kommt.“
Ein Ministeriums-Sprecher sagte mir, es werde planmäßig zum Ende des Jahres hochgefahren. Mich würde interessieren, wie das gehen soll, ohne den nötigen technischen Input. Nur wieder ein Märchen mit kurzen Beinen?
Einen aktuellen Überblick über die PFT-Daten im Land ist auf jedenfall schwierig ohne„Fluss-Win-IMS“. Nach den letzten bekannten Zahlen aus dem Sommer jedoch ist er sichtlich, dass immer noch das Umweltgift aus den Klärwerken des Ruhrverbandes in die Ruhr strömt. Besonders aus den fünf am stärksten betroffenen Kläranlagen im Ruhreinzugsgebiet hat sich im Großen und Ganzen nichts getan. In Rahmedetal und in Werdohl strömten nach den Daten täglich über 120 Gramm PFT am Tag aus den örtlichen Klärwerken in den Ruhrzufluss Lenne.
Unterdessen stellt sich auch eine andere Frage, die der Umweltminister seit Jahren vernachlässigt. Dadurch, dass er die Ursachen der PFT-Verseuchung nicht wirkungsvoll bekämpft, setzt sich das PFT in der Umwelt durch. Es kommt aus den Kläranlagen – zumindest zu 50 Prozent – an der Ruhr und schwemmt in Felder, Getreide, Fische, was auch immer.
Nur im Trinkwasser ist die PFT-Fracht mittlerweile einigermaßen OK, weil die Wasserwerke reagiert haben.
Aber die Angler, die über 160.000 Nanogramm PFT im Blut haben, weil sie PFT-verseuchten Fische gefuttert haben, werden sich darüber nicht freuen. Zum Vergleich: im Trinkwasser sind 100 Nanogramm je Liter der Grenzwert. Es gibt PFT in Wildschweinen. In Kühen überall.