BVB-Chefcoach Jürgen Klopp ist heute mit seinem Sportcoupé von der Straße gerutscht. Der Unfall ging zum Glück glimpflich aus. Wie Klopps Geschichte mit einem seltsamen Wundertrainer ausgeht, wissen wir noch nicht. Aber der Reihe nach.
Shot aus lifekinetik.de
Vergangene Woche melden u.a. die Ruhrnachrichten (klick) eine Neuigkeit beim Trainingsprogramm von Borussia Dortmund. Jürgen Klopp habe seinen Spielern den Gesundheitscoach Horst Lutz verschrieben. Lutz, der Fußballtrainer in Island gewesen sein soll und Jugendbetreuer bei 1860 München, lehre „Life Kinetik„. Es gehe um Gehirn-Entfaltung, melden die Ruhr-Nachrichten. Klopp finde es nicht nur spannend, sondern „superspannend“ zu beobachten, wie die Verbindung zwischen „motorischen Fertigkeiten und kognitiven Fähigkeiten“ zustande komme. Lutz würde auch mit dem Skifahrer Felix Neureuther und dem Schalker Heiko Westermann zusammen arbeiten. Seit vergangenen Mittwoch machen die BVB-Profis also Koordinationsübungen, um ihren Horizont zu erweitern. Wäre nichts gegen einzuwenden, außer das hier.
Zum Ausgangspunkt ihres Tuns machen die Anhänger der „Life Kinetik“ eine Aussage, die auch schon andere Heilsbringer unters Volk streuten:
„Jeder Mensch nutzt seine 100 Milliarden Gehirnzellen anders, aber keiner schöpft die riesigen Möglichkeiten auch nur annähernd aus.“ (klack)
Lutz will diese ungebrauchten Gehirnzellen aktivieren und vernetzen, indem er Menschen das Jonglieren beibringt, indem er Unabhängigkeitsübungen entwickelt, etwa ein Tuch herumzuwirbeln und gleichzeitig einen Ball zu fangen. Auch so weit ist das harmloser Unfug, mit dem vermutlich niemand gescheiter wird, wohl aber etwas besser Klavier oder Gitarre spielen kann. Lutz hat auch ein Buch geschrieben, Gehirntraining durch Bewegung. Und man weiß ja längst, dass Bewegungsspiele bei alten Menschen und Alzheimerpatienten positive Wirkungen haben. Dass jetzt auch Profisportler den Seniorensport entdecken – auch das ist nicht der Rede wert.
shot aus lifekinetik.de
Was bei Lutz (und Klopp?) so seltsam ist, ist die intensive Vernetzung mit der esoterischen Szene, die dann vielleicht nicht mehr so harmlos ist, sondern Spinner ernährt und anlockt. So ist Horst Lutz Mitglied der „Schule des Lebens„, dem Lebenswerk eines gewissen Josef Bauer, der sein eigenes Leben nach einer Schwersterkrankung (MS) umkrempelte und vom Manager der Spider Murphy Gang, Nicki oder Patrick Lindner zu einem Oberesoteriker im Isartal wurde. Oder wie es auf der Homepage heißt:
„Durch den Kontakt und die intensive Zusammenarbeit mit bekannten Autoren, Ärzten, Heilern und Lehrern, wie Dr. Emoto (…) entstand für Josef Bauer eine neue Sichtweise für sein eigenes Leben.“
Dr. Masaru Emoto ist tatsächlich ein Star der Esoterikszene. Der Japaner, der seine Karriere in der Schweiz begann, glaubt daran, dass nicht nur Menschen, Tiere, Pflanzen, sondern auch das Wasser Gefühle habe. Dass es auf Harmonie reagiert. Wenn es friere und dazu klassische Musik läuft, würden sich wunderschöne Eiskristalle bilden. Dröhnten düstere Weisen, gelängen nur einfache Strukturen. Weil alles in der Welt auf Vibrationen reagiere, würde auch gekochter Reis Zuneigung und Hass spüren. (Wer viiiiel Zeit hat, kann dieses Experiment nachmachen: klick).
shot aus youtube.com
Josef Bauer, der so etwas wie der Arbeitgeber ist des neuen BVB-Gehirntrainers, beruft sich also auf den erleuchteten japanischen Politologen und seine Wasserspiele. Der Wasserseele ist auch die „Schule des Lebens“ verpflichtet – Handlungsort von Bauer und Horst Lutz. Unter dem Label Organetik werden dort „organe“ Produkte vertrieben. Wasseraufbereitungsgeräte namens StörfeldOrgano oder BenkerOrgano, die von dem Westborghausener Tüftler Rudolf Herde entworfen wurden. Der Tischler war ein Apologet der Radiästhesie.
Man könnte sich nun unendlich in dieser wahnwitzigen Szene der Parawissenschaftler, Schwingungsforscher umtun. Aber mir sind die Verstrahlten oder Unverstrahlten eigentlich nicht so wichtig. Ich glaub halt nicht dran, dass es Wassergeister gibt, die elegante Moleküle zimmern. Ich glaube nicht dran, dass wir durch Geschicklichkeitsübungen die unendlichen Schläferzellen in unserem Hirn aufwecken. Die Frage ist aber, glaubt BVB-Trainer Klopp daran? Oder hat er Lutz ohne Esoterik eingekauft?!
In Mainz hat Kloppo seine Mannschaft noch mit vergleichsweise schlichten Motivationsübungen heiß gemacht. Der spätere ZDF-Fußballerklärbär klebte die Buchstaben J und A auf die Kabinentüren vor dem Bundesligaaufstieg. Als der geschafft war, setzten die geimpften Bundesligisten die Buchstaben einfach zusammen und schrien sich ihr „JA“ von der Seele.
PS: Apropos ZDF. „Life Kinetik“, diese zumindest stark esoterisch beeinflusste Bewegungslehre der Herren Bauer und Lutz, ist längst offizieller Aktionspartner der BILD-ZDF-Barmer-Kampagne „Deutschland bewegt sich“ (kennen wir aus dem Aktuellen Sportstudio) und wurde vom einstigen bayrischen Kultusminister und jetzigen Staatsminister Siegfried Schneider im Rahmen der Schulkampagne „Voll in Form: täglich bewegen – gesund essen – leichter lernen“ gelobt. Immerhin ist Jürgen Klopp also nicht allein.