Der SPD fehlen die Urenkel

Mitte der 80er Jahre lernte ich den ersten Juso meines Lebens persönlich kennen.

Hubertus Heil. Foto: Hubertus Heil.de

Ein paar Jahre vorher  sah man Jusos noch fast jeden Tag im Fernsehen: Jungbärte, die sich auf anscheinend nie enden wollenden Konferenzen an Helmut Schmidt abarbeiteten und über Begriffe wie Staatsmonopolkapitalismus diskutierten. Jusos waren ein ganzen Stück älter als ich. Schon in der Oberstufe gab es bei uns auf dem Gymnasium keinen einzigen mehr: Es gab ein paar Punks mit Anarchozeichen auf der Jacke,  natürlich etliche Friedensbewegte, von denen sich einige später bei den Grünen wieder fanden und eine ganze Clique die in der jungen Union war. Sie trugen Aktenkoffer aus Kunstleder und wurden auf dem Schulhof von den Punks angepöbelt und im Unterricht von  den Lehrern in ihren Latzhosen verhöhnt. Sie hatten es echt schwer. Nur Jusos gab es nicht. Vielleicht waren ja einige der Lehrer Jusos, aber wenn es so gewesen sein sollte, haben sie es uns verschwiegen.
Ich glaube nicht, dass uns die Jungbärte damals vermisst haben. Sie waren ein mächtige Organisation. Ein paar kleine Schüler hätten da nur gestört. Und sie haben sich immer so wild gebährdet – aber man hat es ihnen niemals abgenommen. Man wußte, dass sie ihre Sprüch nicht ernst meinten. Die wollten nur spielen. Und Jugendliche wollen nicht spielen, sie meinen es ernst – zumindest ein paar Jahre lang. Aber dann lernte ich doch noch einen Juso kennen, denn Michael – der nicht so hieß, denn ich glaube nicht, dass er gerne möchte, dass ich hier seinen richtigen Namen nenne – war in die SPD eingetreten. Das wunderte uns alle, weil Michael sich eigentlich nicht besonders für Politik interessierte. Er hatte eine große Sammlung an obskuren Rockabilly-Singles und trug meistens elegante Anzüge. Im Aratta viel er damit auf, vor allem den Mädchen. Und war er in der SPD. „Ich musste“, erklärte uns Michael und betonte, dass er natürlich kein Sozialdemokrat geworden sei und auf keinen Fall einer diese fürchterlich frisierten Jusos. Denn Michael machte nach dem Abi eine Ausbildung bei der Sparkasse und da wurde ihm erklärt, dass er sich nach dem Ende der Ausbildung einen neuen Job suchen müsste. Die Zeiten seien schlecht und nicht mehr alle Auszubildenden könnten später übernommen werden. Michael hörte sich ein wenig im Kollegenkreis um, sprach mit dem Personalrat und handelte dann. Nein, er schrieb keine Bewerbungen, er trat in die SPD ein. Er ist noch heute bei der Sparkasse.
In den 80er Jahren sah es so aus: Die konservativen Jugendlichen gingen in die Junge Union. Die eher linken in die Grünen. Die die einen Job bei der Stadtverwaltung  oder eine billige Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft wollten in die SPD. Das ist sicher ganz schrecklich vereinfacht, aber leider war auch ich nur einmal um die 20 und damals war es so. Zumindest Gladbeck. Zumindest in meinem erweiterten Bekanntenkreis.
Und ganz so eine Ausnahme scheint Gladbeck nicht gewesen zu sein. Wo sind heute die Hoffnungsvollen SPD-Nachwuchspolitiker Mitte 40? Die jungen Ministerpräsidenten wie damals Lafontaine? Die Bundestagsabgeordneten die wie damals Schröder für Schlagzeilen sorgten? Ich sehe sie nicht. Die Enkelgeneration bestand aus Lafontaine, Schröder, Scharping und Engholm. Ein paar die früher noch dazu gezählt wurden, habe ich sicher vergessen. Gehörte Clement auch dazu? Und Beck? Zumindest konnte sich die SPD schon Mitte der 80er auf eine ganze Kohorte offensichtlich talentierter Jungpolitiker, die damals ja schon alle nicht mehr jung, sondern Ende 30 bis Anfang 40 waren, verlassen. Da wuchs was nach.
Aber nicht an den Wurzeln: Die SPD hat eine ganze Generation von jungen eher linken Jugendlichen an die Grünen verloren. Im Moment verliert sie eine an die Linkspartei. Die SPD hat ein Nachwuchsproblem, denn die Michaels haben die Partei zwar nicht Richtung Linkspartei verlassen, das ist ihnen Karrieretechnisch zu risikoreich, aber die Michaels werden nicht um Mandate kandidieren. Bei Nieselregen in der Fußgängerzone zu stehen und Wahlkampf zu machen, ist ihnen komplett fremd. Sicher gibt es Ausnahmen. Ich kannte sie damals nicht und so richtig viele sind es wohl auch nicht gewesen. Schon Steinmeier ist eine ganz andere Liga. Wahlkampferfahrung? Als Kandidat? Null! Das gleiche gilt für Heil, Nahles und – ja, da wird es schon eng mit den Namen. Die Urenkel der SPD haben sich in der Partei durchgesetzt. Haben ihre Seilschaften und Netzwerke – aber Wahlen haben sie noch nie gewonnen. Noch nicht einmal auf kommunaler Ebene. Als Bürgermeister, wie Lafontaine. Vielleicht werden wir in zeh Jahren zurück schauen und sagen: Das waren die letzten guten Tage der SPD.

 

3 FÜR 7 ? Die wöchentlichen Ausgehtipps am Dienstag

Zum zweiten Mal drei Veranstaltungshinweise für alle und keineN – und vor allem: für die kommenden sieben Tage im Ruhrgebiet. Diesmal eine lange und eine kurze Nacht – und (schon wieder) die Ruhrtriennale. Aber der Reihe nach:

Schon wieder Jahrhunderthalle (in Bochum), und noch einmal Ruhrtriennale. Aber die Kapazitäten wollen ja ausgeschöpft sein, und nicht zuletzt geht es um Luc Bondy (Thalia Theater, Berliner Schaubühne, Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen). Dieser renommierte Regisseur ist in diesem Jahr mit einer Filmreihe im Casablanca-Theater, einem Soiree, „König Lear“ und „La Seconde Surprise D´Amour“ vertreten. Letztere Inszenierung basiert auf einer Modernisierung des Stoffes von Marivuax, dessen „Triumph der Liebe“ Bondy (Foto von David Baltzer / Zenit) ebenfalls schon auf die Bühne gebracht hat: Zwei Liebende nähern sich nach schweren Verlusterlebnissen einander an, aber „Liebe darf nicht Liebe genannt werden, Eifersucht nicht Eifersucht sein“, wie es so schön im Begleittext heißt. Ganz klar eines der Highlights der Triennale 2008! 

Etwas völlig anderes vielleicht? Stadtentwicklung in Duisburg ist das Thema der 10. Nacht der Architektur, veranstaltet vom Bund Deutscher Architekten und dem Wilhelm-Lehmbruck-Museum. Leider ist der Anmeldetermin für die zweistündige Bustour mittlerweile abgelaufen, aber der Abend im Skulpturenhof des Museums bietet neben einer hochrangigen Gesprächsrunde mit u.a. Dr. Reinhard Seiß, der auch am Beispiel Wien über Stadtentwicklung referiert, die klassische „Nacht im Museum“ sowie Musik, Imbiss und hoffentlich auch viele wertvolle Anregungen. 

Und dann? Nun, eine merkwürdige Dopplung an diesem Samstag, aber Mülheim soll hier auf keinen Fall verschwiegen werden. Ist nämlich weniger nach Stadtpolitik sondern mehr nach Kunst, dann lohnt der Weg zur 7. Mülheimer Museumsnacht. Neun Museen halten ihre Pforten bis kurz vor Mitternacht geöffnet und haben neben den aktuellen Ausstellungen von Lesungen über Installationen, Magie und Jongleure bis hin zu Livemusik ein angenehmes Begleitprogramm parat. Es sind extra Shuttlebusse eingerichtet, und der Preis sei ausnahmsweise auch einmal genannt: 5 Euro pro Person. Das klingt doch nach einem entspannten Abend in Mülheims schönsten Kulturhäusern. Aber nichts gegen Duisburg!

Im Überblick:
Premiere von “La Seconde Surprise D´Amour” in der Jahrhunderthalle: Dienstag, 9. September, ab 20 Uhr. Weitere Vorstellungen zur selben Uhrzeit: 10. und 11. September.
„10. Nacht der Architektur“ im Wilhelm-Lehmbruck-Museum: Samstag, 10. September, ab 18.30 Uhr.
„7. Mülheimer Museumsnacht“, vielleicht begonnen am Rathausmarkt nahe des Hauptbahnhofs: Samstag, 10. September, ab 18 Uhr.

Streß in Dortmund – Verdi verstärkt Angriffe auf Langemeyer

Im Dortmunder Gesundheitsamt haben Mitarbeiter Geheimdossiers über Kollegen angefertigt. Darin wurde persönliches und peiniches festgehalten. Die Gewerkschaft Verdi weiß nach eigenen Angaben seit einem Monat davon und hat die Stadt informiert. Immer wieder haben die Genossen nachgefragt, was da dran ist und was das soll. Bislang ohne Antwort. Das besondere daran: Die Frau des stellvertretenden Personalamtleiters, Reinhold P., gehört zu den Spitzeln. Reinhold P. selbst wird unterdessen als Nachfolger des bald scheidenden Personalamtchef in der Dortmunder Stadtverwaltung gehandelt.

Liefe alles normal, müsste Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) seit Mitte August von der Spitzelaffäre wissen, aber er tat nichts, um die Sache aufzuklären. Noch schlimmer aber wäre es, wenn er nichts von der Nummer erfahren hätte. Dann hätte er seine Verwaltung mitten im Streit um die Kündigungen in der Kokserin-Affäre gar nicht mehr im Griff.

Das ganze schmutzige Elend wurde am Freitag von der WR öffentlich gemacht. Nun will Verdi Aufklärung. Wir dokumentieren in der Folge eine Email des Verdi-Chefs von Dortmund Martin Steinmetz:

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

nach den heute durch die Westfälische Rundschau öffentlich gemachten Rechtsverstößen im Gesundheitsamt finden wir unsere auch öffentlich vorgetragene Kritik am arroganten und bornierten Führungsverhalten hochrangig Beschäftigter bestätigt. Es ist und daher daran gelegen, unsere ver.di KollegenInnen sachlich zu informieren und aufzuklären, warum wir an dieser Bewertung festhalten.

Die Gewerkschaft ver.di ist am 4. August bevollmächtigt worden, in der o. g Angelegenheit die Rechtsinteressen eines/r Mitarbeiters/In bei StA 53 zu vertreten. Noch am gleichen Tag hat die ver.di das Personalamt schriftlich aufgefordert, zu den Vorgängen Stellung zu nehmen und zu den nachfolgend aufgeführten Punkten Erklärungen abzugeben:

1. Auskunft darüber zu erteilen, wie es zur Speicherung dieser Daten gekommen ist

2. Welche Reaktion seitens der Stadt Dortmund gegenüber den handelnden Personen zu erwarten sein wird

3. Eine Erklärung darüber abzugeben, was die Stadt Dortmund unternehmen wird, damit solche Ereignisse sich nicht wiederholen

In Anbetracht der Schwere der Rechtsverstöße hatten wir eine Rückäußerungsfrist bis zum 8. August erbeten. Diese Frist ist ohne jedwede Antwort verstrichen.

Mit Schreiben vom 13. August haben wir unsere ursprünglich an das Personalamt gerichtete Stellungnahme erweitert und mitgeteilt, dass wir – in Ermangelung einer Rückmeldung durch das Personalamt – seither davon ausgehen müssen, das eine Speicherung von personenbezogenen Daten auch außerhalb der offiziellen Personalakte möglich ist. Gleichzeitig haben wir als letztmalige Rückäußerungsfrist den 29. August erbeten. Auch diese Frist ist ohne schriftliche Antwort verstrichen.

Am 26. August hatte der Unterzeichner eine telefonische Unterredung mit dem Amtsleiter des Personalamtes, Hr. V. Schiek. Er ist also spätestens seit diesem Zeitpunkt über die Vorgänge informiert. Am 3. September fand ein Telefonat zwischen dem Unterzeichner und der Stadträtin Fr. Dr. Uthemann in dieser Sache statt. Somit ist auch Fr. Dr. Uthemann spätestens seit diesem Zeitpunkt auf dem Laufenden.

Wir stellen daher zusammenfassend fest:

1. Eine Stellungnahme zu den o. g Punkten ist bis heute nicht erfolgt

2. Es gibt nach wie vor keine schriftliche Entschuldigung gegenüber dem/r betroffenen Mitarbeiter/In.

3. Es liegt keine schriftliche Erklärung darüber vor, dass die gesammelten Informationen gegenstandslos sind.

Die ver.di wird diese Angelegenheit nunmehr wie gegenüber dem Personalamt bereits zweimal schriftlich dargelegt – einer gerichtlichen Klärung zuführen. Über die weiteren Entwicklungen werden wir selbstverständlich berichten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Ereignisse der letzten Tage zeigen, wie ich finde, mehr als deutlich, dass die Auseinandersetzungen schärfer werden. Es herrscht ein Klima der Angst und des Misstrauens. Die unzähligen Aufmunterungen, die der Unterzeichner in den letzten Tagen erfahren hat, zeigen, dass es überfällig war, in der gebotenen Sachlichkeit aber auch genauso nachdrücklich Interessenvertretung wahrzunehmen. All denen, die immer noch nicht den Weg zu uns, in die ver.di, gefunden haben, lege ich eine ver.di Beitrittserklärung bei.

Über die weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit sowie der Bargeldaffäre bei StA 01 werden wir am Mittwoch, 10.09. auf unserer Vertrauensleutevollversammlung informieren.

Bis dahin grüßt euch sehr herzlich und kollegial

Martin Steinmetz

Ver.di Dortmund

Großmanns Hoffen

 Vorstandschef Jürgen Großmann gibt die Hoffnung auf einen Anstieg der RWE-Aktie nicht auf. In der vergangenen Woche kaufte er erneut dicke Aktienpakete des Essener Energiekonzerns. Kostenpunkt: 5,2 Millionen Euro.

Auch für den gestandenen Stahlhütten-Eigner ist der Kaufpreis für die insgesamt 75.000 Anteilsscheine kein Taschengeld. Allerdings kann sich Großmann freuen: Dieses Mal musste er pro Aktie nur knapp 69 Euro auf den Tisch legen, deutlich weniger als bei vorherigen Transaktionen. In den vergangenen Monaten hat der Manager bereits vier Mal beherzt zugegriffen, von Kauf zu Kauf schwand der Wert. Er hält nun mindestens 145.000 RWE-Titel.

Viel Glück brachte sich sein Engagement als Aktionär nicht. Bislang verlor er meinen Berechnungen zufolge rund 1,1 Millionen Euro. Das schmerzt, auch wenn der Start in die neue Woche mit Silberstreifen am Horizont erfolgte. Die RWE-Aktie legte leicht zu und notiert nun einige Cent über dem Kaufpreis der Pakete von vergangener Woche. Bis das Papier über seinen ersten Kaufpreis von 87,09 Euro (heute 68,88 Euro) steigt, muss Großmann aber die vielfältigen Probleme der Gesellschaft lösen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Werbung

Rechtsruck der SPD sorgt bei NRW-Jusos für Stirnruntzeln.

Christoph Dolle, Chef der Juso-Landesgruppe, ist sich uneins. Einmal findet er es fies, wie Kurz Beck weggemobbt wurde, heißt es in einer Dolle-Erklärung. Und dann sagt der Juso-Chef, die Mobber Steinmeier oder Müntefering (so ganz wird nicht klar, wer gemeint ist) hätten in der Vergangenheit bewiesen, dass sie die Parteiflügel zusamenhalten könnten. Also was jetzt? Pro oder Contra Mobber? Und wie soll eine rechtsgerutsche SPD die Flügel zusammenhalten. Es gibt ja nur noch einen, der das sagen hat. Nämlich den Putsch-Flügel.

Zum Schluss setzt Dolle in seiner Erklärung noch drauf, dass Müntefering, sobald er Parteichef ist, die Agenda links nachbessert. Tja, das Wunschdenken wird wohl nicht passieren, denn mit Steinmeiers Kandidatur ist klar, dass die Agenda weiter unumstößlich feststeht. Die SPD hat einen Quantensprung nach rechts gemacht. Die linken Träume sind vorbei: Sorry, Christoph… 🙁

Hier die Erklärung von Christoph Dolle im Original:

Die Illoyalitäten gegen Kurt Beck, die letztendlich zum Rücktritt des Parteivorsitzenden geführt haben, waren unerträglich und der Sozialdemokratie unwürdig. Dies hatte in den letzten Tagen sicherlich nicht zur eingeforderten Geschlossenheit der Partei beigetragen.

Die NRWJusos bedauern die Entscheidung von Kurt Beck den Vorsitz der SPD abzugeben. Er hat es sich nicht leicht gemacht. "Kurt Beck hat den Weg frei gemacht zu einem neuen Vorsitzenden, der bereits in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er die zwei Parteiflügel zusammen bringen kann", so der Juso-Landesvorsitzende Christoph Dolle.

Franz Müntefering ist erfahren und weiß, dass die Agenda-Politik dort, wo sie sich als ungerecht und nicht zielführend erwiesen hat, nachgebessert werden muss. Das verlangen Partei und Wähler. Wie aktuelle Studien zeigen, ist das in großen Bevölkerungsteilen vorhandene Gefühl, nicht ausreichend an der wirtschaftlichen Entwicklung teil zu haben, begründet.

Mit dem Hamburger Parteitag wurden wichtige Ansätze für eine sozialere und gerechtere Politik beschlossen. Die Hamburger Beschlüsse haben ungebrochen Gültigkeit und bilden den Grundstock für das Wahlprogramm. An den Inhalten des Wahlprogrammes muss die gesamte Partei beteiligt werden.

Der Weg hin zu einer Konsolidierung der SPD geht nur über politische Glaubwürdigkeit und eine klare Abgrenzung zum politischen Kurs der CDU. Dabei muss die SPD unter Franz Müntefering und mit dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier auch nach politischen Mehrheiten links von einem Kurs des Sozialabbaus suchen.

Hünxe will im Revier bleiben

Der Rat der Gemeide Hünxe hat sich für das Ruhrgebiet entschieden.

Foto: STV Hünxe

In einer Abstimmung votierte eine Mehrheit von SPD, FDP und die Bürgerliste UWH sowie der Bürgermeister dafür, im RVR zu bleiben. Grüne und CDU stimmten für den Austritt aus dem RVR. Ein wichtiges Argument für das Ruhrgebiet war nach einem Artikel der RP, dass die Befürworter vom Ruhrgebiet künftig stärkere Wachstumsimpulse erwarten als vom Niederrhein.

 

VOX auf 9.11. Quotenjagd

Ob das ein Zufall ist? Republikweit machen die Terrier von VOX Reklame für den Film „Auf der Jagd“, der ausgerechnet am 9. September ausgestrahlt wird.

Ausriss: Ruhrbarone

Im Vordergrund des knallroten Plakates erkennt man einen abgehetzten Wesley Snipes, der mit abgewetzten Klamotten und Panik in den Augen wegrennt. Im Hintergrund steht breitbeinig ein smarter Tommy Lee Jones im edlen Zwirn, der mit einer Pistole auf den Flüchtenden zielt. Es erscheint recht unwahrscheinlich, dass die Privatfernsehanstalt völlig zufällig an jenem Tag einen zehn Jahre alten Actionschinken zur Prime-Time versenden, den es als Video inzwischen auf jedem Flohmarkt zu kaufen gibt. Eher hat man sich wohl in der Marketingabteilung überlegt, womit man im Jahre Sieben nach Nine-eleven Quote erzielen kann. Der Subtext des Plakates vermittelt ja in einem einzigen Motiv, was das Publikum vom 11. September und deren Folgen glaubt zu wissen. Ein Zerlumpter mit Migrationshintergrund wird von einem mächtigen Amerikaner gejagt. Was aber erfährt der Zuschauer, wenn er den Film dann schaut? Der Flüchtige ist ein ehemaliger Agent, der in Folge eines Flugzeugabsturzes Opfer eines CIA-Komplotts wird. Es scheint, als hätten bei VOX die Verschwörungstheoretiker das Ruder übernommen.

Gastautor: Lutz Debus

Beck ist weg

Der Job des Parteivorsitzenden der SPD ist unsicherer als der eines Fußballtrainers. Mit Kurt Beck wird nun der zehnte innerhalb von 20 Jahren zurückgetreten. Sein Nachfolger ist sein Vor-Vorgänger Franz Müntefering. Bis der von einem Parteitag gewählt wird, wird Steinmeier die SPD führen.

"Das ist die Sozialdemokratie – langweilig wird sie nie" kann man in Anlehnung an Blumfeld dichten, denn auch heute bestimmt die SPD die Schlagzeilen. Zum einen wurde heute Franz Steinmeier zum Kanzlerkandidaten gekürt. Nun wird klar: Kurt Beck tritt als Parteivorsitzender zurück und sein Nachfolger wird Franz Müntefering. Bis es soweot ist, wird Steinmeier als SPD-Chef fungieren. Es ist das letzte Aufgebot, dass die SPD da in den kommenden Wahlkampf schickt. Wahlkampf? Ich glaube der ist den Sozialdemokraten mittlerweile egal. Für die SPD geht es ums Überleben.

Denn mit Steinmeier schicken sie einen in den Kampf gegen Merkel, der noch nie einen Wahlkampf geführt, verschweige denn gewonnen hat. Und mit Müntefering kehrt jemand mit einer hohen persönlichen Autorität innerhalb der SPD zurück an die Spitze. Beide Personalien haben meiner Einschätzung nach nur eine Aufgabe: Disziplinierung.  Beck war ein Mann der Mitte, der die Flügel zusammen halten sollte und die Schlagkraft der Partei in der Auseinandersetzung mit der Linkspartei stärken sollte. Er hat es nicht geschafft. Die Linkspartei wächst unaufhörlich und wird langsam aber sicher zur Gefahr für die SPD. Steinmeier und Müntefering sollen nun die SPD klar von der Linkspartei abgrenzen und den Nahles-Flügel klein halten – die einzige Chance, welche die SPD noch hat. Je mehr die SPD auf die Programmatik der Linkspartei eingeht, die nach kaum mehr als hemmungs- und verantwortungsloser Populismus ist, um so mehr gibt sie sich selbst auf. Gelingt es Müntefering und Steinmeier den Laden zusammen zu halten und die selbstbewusste Auseinandersetzung mit der Linkspartei zu führen, wird die SPD noch immer nicht den nächsten Kanzler stellen, aber sie wird zumindest die Chance wahren, als Partei in wahrnehmbarer Stärke zu überleben. Um nichts anderes geht es mehr.

Denn die Frage die über allem steht ist: Für was braucht man noch die SPD?
Sie ist inhaltlich ein Gemischtwarenladen. Industriefreundlich und über die Betriebsräte eng mit den großen Konzernen verbunden, gleichzeitig an der Basis zum Teil von linken Sprücheklopfern dominiert. Sie will ökologisch sein wie die Grünen, hält aber gleichzeitig an den klassischen sozialdemokratischen Aufstiegsversprechen fest, dass immer einen materialistischen Hintergrund haben muss – es ist das Versprechen nach einer höheren Beteiligung am Wohlstand. Die Grünen können sich  ihre postmaterialistische Politik erlauben, weil ihre Klientel wohlhabend ist. Die SPD kann es nicht. Jeder Facharbeiter mit zwei Kindern, der wegen einer von der SPD mitverantworteten Feinstaubverordnung sein Auto stehen lassen muss und sich keinen neuen Wagen erlauben kann, ist für die SPD eine verlorene Stimme – zu dem Thema Ökologie und Sozialdemokratie sei auf diesen hervorragenden Artikel in der ZEIT verwiesen.
Wer es krachig links mag, wählt indes die Linkspartei. Deren Programm ist zwar nicht der Rede wert, aber man darf sich schon in der Wahlkabine als Rebell führen. Viele Linke, die über Jahrzehnte hinweg die SPD mit der Faust in der Tasche als das kleinere Übel gewählt haben, haben dort eine neue Heimat gefunden. Die SPD kann die Linke zwar nachahmen, würde dabei aber ihre Identität verlieren: Sie ist die Partei derjenigen, die Aufsteigen wollen. Nicht die des Subproletariats, das auf Versorgung setzt.
Die eher konservativen Facharbeiter und die „Neue Mitte“ können sich auch in der FDP und der CDU wieder finden. Sie würden einen Linksschwenk ohnehin nicht mitmachen.
Wer braucht noch die SPD? Wozu ist die notwendig? „Sie ist die Partei des vernünftigen Mittelwegs“ erklärte mir mal eine Bekannte, die mit 16 Genossin wurde. Das scheint in Zukunft als Erfolgsgrundlage nicht mehr auszureichen. Für den vernünftigen Mittelweg steht auch die CDU: Sie hat Arbeitnehmer- und Arbeitgeber in ihren Reihen. Will sie erfolgreich sein, muss sie immer beide Gruppen bedienen. Nach Merkels Pleite 2005 wird das nächste CDU-Wahlprogramm diese Erkenntnis umsetzen. Für die SPD wird es sehr eng…

Dokumentation:

Persönliche Erklärung von Kurt Beck

Ich habe heute meinen Rücktritt vom Vorsitz der SPD erklärt.

In der vergangenen Nacht ist der Plan von mir und Frank-Walter Steinmeier, mit dessen Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD durchzustarten und gemeinsam für einen Erfolg bei der Bundestagswahl 2009 zu sorgen, durchkreuzt worden.

Nachdem ich vor gut zwei Wochen Frank-Walter Steinmeier gebeten habe, die Spitzenkandidatur zu übernehmen, haben wir in einer Reihe von Gesprächen sorgfältig und vertrauensvoll die Vorbereitungen getroffen. Teil dieses Konzeptes der Geschlossenheit war auch die Einbeziehung des ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering. Durch die Sonder-Tagung der EU-Außenminister in Brüssel am 1. September 2008 verschob sich die geplante Bekanntgabe der Entscheidung auf den heutigen Tag.

Aufgrund gezielter Falschinformationen haben die Medien einen völlig anderen Ablauf meiner Entscheidung dargestellt. Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit mehr, das Amt des Parteivorsitzenden mit der notwendigen Autorität auszuüben.

Ich habe dieses Amt übernommen, um meiner Partei zu helfen. Weil das nicht mehr möglich scheint, habe ich diese Konsequenz gezogen.

Ich hoffe, dass die SPD nun geschlossen und erfolgreich in den laufenden und kommenden Wahlkämpfen auftreten kann und wünsche meinen Nachfolgern viel Glück.

 

 

Werbung

Der Mann, der den Dalai Lama nicht sehen will,

soll Kanzlerkandidat der SPD werden. Der Mann, der noch nie eine bedeutende Wahl gewonnen hat. Frank Walter Steinmeier, zur Zeit Außenminister.

Mir stellen sich folgende Fragen: Wurde Steinmeier schon mal als Klassensprecher bestätigt? Oder durfte er nur die Tasche des Klassensprechers tragen?

Welche Qualifikation hat dieser Mann, außer ein Apparatschik zu sein, der sich nicht mal traut, mit einem Mann wie den Dalai Lama zu sprechen, weil er damit die Diktatoren in China verärgern könnte? Es scheint, als sei der Mann immer auf der Suche nach einem Boss, auf den er hören kann. Sei es Schröder, seien es die Generäle in Peking.

Wieso meint jemand, der eigene Mitbürger im Stich gelassen hat, wie Mehmet Kurnaz, er sei geeignet, ein Land zu einen und zu führen? Er hatte ja nicht mal die Größe sich bei Kurnaz, den er in Guantanamo verschimmeln lassen wollte, zu entschuldigen. Und sei es nur für eine Fehleinschätzung.

Ich bin sicher in seinen eigenen Reihen ist Steinmeier ein gewiefter Macht-Stratege, der Strippen ziehen kann und Gegner im Hinterhalt erledigt. Aber wer von den Genossen ist sich sicher, dass Steinmeier in einer offenen Feldschlacht auf Marktplätzen irgendwen überzeugen kann?

Ich glaube, Steinmeier wird nur eines erreichen: Er macht die SPD inhaltsärmer. Oder nein, ich muss es anders sagen, im verdeckten Kampf um Mehrheiten, im Gestrüpp der Parteiallianzen, reicht es aus, eine Mehrheit unter den eigenen Truppen zu finden, um die Gegner in der eigenen Partei zu zwingen. Wenn ich 51 Prozent der Genossen hinter mir habe, kann ich jeden Beschluss auf dem Parteitag durchzwingen.

Wenn ich aber in den Wahlkampf muss, dann reicht das nicht. Dann brauche ich auch die Gegner in der Partei auf meiner Seite. Dann müssen die Leute für mich Plakate kleben. Dann müssen die für mich streiten, Würstchen grillen und diskutieren. Ich brauche also große Beliebtheit und Anerkennung. Ich brauche eine Anerkennung von 80 Prozent und zwar nicht auf Parteitagen, sondern an jedem Tag unter den Nichtangestellten der Organisation.

Steinmeier ist ein Aktenkoffer-Träger. Der Mann ist weder beliebt, noch erfahren. Steinmeier ist eine Notlösung. Eben ein Mann, der nicht das Gute vertritt – auch gegen Widerstände. Sondern sich den Widerständen im vorauseilenden Gehormsam ergibt. Oder warum läßt er den Dalai Lama vor der Tür, um sich bei den Diktatoren einzuschleimen. Sorry für die harschen Worte, aber mich bewegt das richtig.

Eigentlich steht die SPD für das Gute und Gerechte. Und Steinmeier hat diese Position verraten. Indem er sich nicht auf die Seiten der Unterdrückten gestellt hat, sondern auf die Seite der Unterdrücker.

Die Konsequenz aus seiner Kandidatur wird sein: Die SPD ist von Links angreifbar. Steinmeier ist nicht nur ein Helfer der Diktatoren, sondern auch ein Macher der Agenda 2010, die zur Spaltung der Partei geführt hat. Lafontaine hat leichtes Spiel mit diesem Mann.

Die Wahlen in NRW, seien es die Kommunal- oder Landtagswahlen, werden für die SPD unter Steinmeier zum Desaster.

Und die nicht verstandenen Worte des Dalai Lama waren nur das Menetekel. Steinmeier hätte es erkennen müssen.

Daneben gibt es zig andere Gründe, Steinmeier abzulehnen, hier mal einer. Der Apparatschik ist Herr über einen Machtapparat, der einen Art Putsch gegen SPD-Chef Kurt Beck führte.

Hier das Dokument zu der Mache des Steinmeiers und seiner SPD-Kumpane. Die erklärung von Kurt Beck:

Ich habe heute meinen Rücktritt vom Vorsitz der SPD erklärt. In der vergangenen Nacht ist der Plan von mir und Frank-Walter Steinmeier, mit dessen Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD durchzustarten und gemeinsam für einen Erfolg bei der Bundestagswahl 2009 zu sorgen, durchkreuzt worden.

Nachdem ich vor gut zwei Wochen Frank-Walter Steinmeier gebeten habe, die Spitzenkandidatur zu übernehmen, haben wir in einer Reihe von Gesprächen sorgfältig und vertrauensvoll die Vorbereitungen getroffen. Teil dieses Konzeptes der Geschlossenheit war auch die Einbeziehung des ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering. Durch die Sondertagung der EU-Außenminister in Brüssel am 1. September 2008 verschob sich die geplante Bekanntgabe der Entscheidung auf den Aufgrund gezielter Falschinformationen haben die Medien einen völlig anderen Ablauf meiner Entscheidung dargestellt. Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit mehr, das Amt des Parteivorsitzenden mit der notwendigen Autorität auszuüben.

Ich habe dieses Amt übernommen, um meiner Partei zu helfen. Weil das nicht mehr möglich scheint, habe ich diese Konsequenz gezogen.

Anmerkung: den letzten Absatz der Erklärung hab ich gestrichen. Da stehen nur die Kroko-Tränen, dass er seinen Nachfolgern Glück wünscht uns so….

Frank Baranowskis Großmarkt-Ärger

Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski hat ein Problem. Um fair zu bleiben: Er hat sich das Problem nicht selbst einbebrockt. Aber die Lösung hat Baranowski zu verantworten. Und diese Lösung hat die Stadt gut 15 Mio Euro gekostet. Das Geld hat ein Baulöwe aus Goslar kassiert, der die naiven Stadtpolitiker sicher in dankender Erinnerung behält, wenn er mal lachen muss. Aufgebracht wurden die Millionen, wie üblich im Ruhrgebiet, nicht aus dem städtischen Haushalt, sondern aus den Kassen einer städtischen Tochtergesellschaft. Denn manche Revier-Politiker denken, über die Ausgaben der städtischen Töchter bräuchten sie keine Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit abzulegen. Sie behandeln diese Etats deshalb wie schwarze Kassen. Auch Baranwoskis-Sprecher will nichts zu den Zahlen sagen, um die es hier geht. Er hält sie geheim.

Doch der Reihe nach: Diese Geschichte handelt von Händlern, naiven Politikern und rund 15 Millionen Euro, die im Nebel verschwanden. Diese Geschichte handelt vom Großmarkt in Gelsenkirchen.

Baranowski ist der Komiker ganz links. Foto: gelsenkirchen.de

Alles beginnt mit einer Idee um die Jahrtausendwende. Ein paar Markthändler hatten sich mit einem Entwickler zusammengetan. Sie wollten von der Deutschen Bundesbahn ein brachliegendes Grundstück hinter dem Gelsenkirchener Bahnhof kaufen, um hier einen neuen Großmarkt für Fleisch und Gemüse zu bauen. Die Gelsenkirchener Politik fand die Idee toll und unterstützte die Verhandlungen. 2003 wurde der Baubeschluss gefasst, ein Highlight in der gebeutelten Ruhrgebiets-Stadt.

Als verantwortlicher Oberbürgermeister lobte damals Oliver Wittke (CDU) das Projekt Großmarkt: "Ein wichtiges Handelszentrum nicht nur für Gelsenkirchen, sondern für die gesamte Region" Heute als NRW-Bauminister schweigt Wittke lieber. Eine Anfrage von mir verwies er an die Stadt Gelsenkirchen. Aber auch die SPD sonnte sich im Licht des Projektes. Der langjährige SPD-Fraktionschef Klaus Haertel sagte damals: Nach "vielem Hin und Her" sei eine Lösung für den Großmarkt gefunden worden, "an der sich die SPD-Fraktion durch zahlreiche Gespräche mit den Investoren aktiv beteiligt hat".

Jenseits dieser Worte, ging es im Getriebe der Verwaltung derweil ums Geld. Nach Angaben mehrerer am Projekt beteiligter Personen verhandelten die Beamten direkt mit Markthändlern aus dem Ruhrpott, einem Bauunternehmer aus Goslar und einem Entwickler aus Hildesheim. Dabei kam ein Vertrags-Konstrukt heraus, das der Stadt zum Schaden gereichte.
Doch der Reihe nach: Besitzer des Baugeländes wurde zunächst die Firma Grundstücksgesellschaft Großmarkt Gelsenkirchen Gmbh mit Sitz in Essen. Dahinter verbargen sich der Entwickler Sebastian Lüder aus Hildesheim und einige Gelsenkirchener Markthändler. Kurz vor der Bauentscheidung verkauften Lüder und die Markthändler ihre Anteile an den Unternehmer Folkert Bruns aus Goslar. Dieser wollte die Hallen errichten. Die Investition lag dafür laut Bauträger bei rund 13 Millionen Euro. Die Markthändler selbst gründeten eine neue Firma. Die GROMA mit Sitz in Gelsenkirchen. Diese Gesellschaft sollte die Hallen von Bruns anmieten und dann an die einzelnen Händler durchreichen.
Soweit war alles normal. Doch Bruns verlangte von der Stadt eine Garantie für seine Investition. Zunächst sollte Gelsenkirchen selbst die Hallen vom Bauträger für knapp 1,1 Millionen Euro im Jahr anmieten. Und dann für rund 1,25 Millionen Euro an die GROMA untervermieten. Im Sandwich zwischen Händler und Investor sollte die Stadt das Risiko schultern.

Die Stadt willigte ein. Für Gelsenkirchen stieg die Tochtergesellschaft Gelsen-Log in den Mietvertrag ein, angeblich aus Steuergründen. Einer der dabei war, erinnert sich: "Der Mietvertrag wurden Gelsen-Log fertig auf den Tisch gelegt. Der Geschäftsführer musste das nur noch unterschreiben." Ich habe den Vertrag. Er läuft ohne das Recht auf Kündigung über 20 Jahre. Wow.

Der Großmarkt, wie er mal geplant war. Foto: Architekt Wegemann

Doch das reichte Bruns noch nicht. Er wollte mehr Garantien. Und er bekam sie: mir liegt eine Patronatserklärung der Stadt vor. Darin verpflichtet sich die Stadt, Bruns die Summe von rund 23 Millionen Euro für sein Investment von 13 Millionen Euro zu garantieren. Die Patronatserklärung trägt die Unterschrift von Oliver Wittke.

Das war bestenfalls blauäugig. Denn direkt nach Eröffnung des Großmarktes im Jahr 2004 begannen die Probleme, wie mehrere Zeugen berichten. Die geplanten Hallen für Fisch und Fleisch wurden nicht eröffnet. Darüber hinaus seien einige Zufahrtswege nicht fertig gewesen. Die Markthändler zahlten die vereinbarte Miete von 11 Euro je Quadratmeter nicht an die GROMA. Diese hielt daraufhin die Mieten an die Gelsen-Log zurück.

Doch trotz der ausbleibenden Einnahmen musste die Gelsen-Log an Bruns zahlen. Jahr für Jahr 1,1 Million Euro, ohne Abzüge. Ansonsten hätte der Baulöwe die Patronatserklärung ziehen können, mit unvorhersehbaren politischen Folgen. Die Stadt Gelsenkirchen sagt dazu: "Bereits in den Jahren 2004 bis 2007 ist das Geschäftsergebnis der Gelsen-Log durch das Projekt Großmarkt negativ beeinflusst worden." Wie hoch der Verlust war, will die Stadt nicht sagen. Die Verantwortung für die ausbleibenden Mieten schieben sich die Beteiligten gegenseitig in die Schuhe. Die Verantwortlichen der GROMA pochen auf nicht eingehaltene Zusagen, die Gelsen-Log auf böswilligen Vertragsbruch. Nach einem Verfahren vor dem Landgericht Essen räumte die GROMA den Markt und Gelsen-Log übernahm die Verwaltung.

Doch damit hörten die Probleme nicht auf. Im Gegenteil: Mit den Markthändlern begann ein Katz-und-Maus-Spiel, wie sich Beteiligte erinnern. Immer wieder wurden Hallen angemietet und auf neue Firmen übertragen, ein wildes durcheinander. Nur eines blieb gleich. Die Händler zahlten kaum Mieten. Und dennoch überwies die Gelsen-Log Millionen an Bruns. Zeitweise trauten sich die Gelsen-Log-Manager nur noch mit Personenschutz auf das Gelände.

Um den Schaden zu lindern, boten sich wieder Markthändler bei SPD-Oberbürgermeister Frank Baranowski an. Über einen neuen Entwickler wollten sie den Großmarkt in Eigenregie übernehmen. Doch Baranowski ließ die Vorschläge unter den Tisch fallen. "Es musste ein Ende mit Schrecken geben, damit der Schrecken ohne Ende aufhört", sagt ein Beteiligter.

Nach Informationen dieser Zeitung kaufte schließlich die städtische Tochterfirma GEW den Großmarkt vor wenigen Monaten für rund 12 Millionen Euro von Bruns. Im Gegenzug entließ dieser die Stadt aus ihrer Patronatspflicht. Ein Sprecher von Oberbürgermeister Baranowski bestätigte den Kauf, wollte aber die Kaufsumme nicht nennen.

Jetzt soll der Großmarkt zum Monatsende geschlossen werden, versichert Gelsen-Log. Läuft alles nach Plan, werde auf der Fläche eine Müllstation der GEW aufgebaut. Sicherheitsmänner sind bereits angeheuert, die Händler ab dem 28. September zu verscheuchen. Summiert man den Schaden für die Stadt, kommt man allein aus dem Kauf des Geländes und den ausgefallenen Mieten auf eine Summe von über 15 Millionen Euro. Baranowskis Sprecher will dazu nichts sagen: "Ein Gesamtschaden für die Stadt Gelsenkirchen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht quantifiziert werden." Wozu auch, sind ja bald Wahlen.